Protocol of the Session on June 23, 2004

(Bernd Althusmann [CDU]: Nein!)

Ihre Berechnung geht davon aus, dass jede Leistungsempfängerin und jeder Leistungsempfänger nach der Reform genauso viel bekommt wie vor der Reform. Das wäre ja ganz schön. Ich würde das jedem gönnen. Diese Reform hat aber einen anderen Ansatz. Der Ansatz, den Sie bei der Berechnung gewählt haben, ist in diesem Punkt auf jeden Fall falsch. Schließlich wird es darauf hinauslaufen, dass gesagt wird: Am Ende wird abgerechnet. Die Entlastung von 2,5 Milliarden Euro, die den Kommunen zugesagt wurde, muss kommen, und zwar auf Punkt und Komma. Sie muss notfalls nachträglich ausgeglichen werden. Ich kann Sie angesichts dessen nur bitten: Suchen Sie am 30. Juni im Vermittlungsausschuss einen Kompromiss. Lassen Sie uns dieses Spielchen hier nicht weiter treiben. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn hier Millionen Arbeitslose als Geiseln benutzt werden,

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

wenn Sie hier Spielchen treiben, um in deren Windschatten Wahlen zu gewinnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Fraktion der SPD hat sich der Abgeordnete Gabriel zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, Sie haben im Zusammenhang mit einem in der Tat absolut wichtigen Thema einen Zentralangriff auf die Bundesregierung von SPD und Grünen und auch auf uns geführt.

(Zuruf von der CDU: Da hat er Recht!)

Sie verstehen sicherlich, dass ich trotz der fortgeschrittenen Zeit ein paar Bemerkungen nur zur Klarstellung machen will.

Erstens. Ich gehe davon aus, wir stimmen darin überein, dass wir Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammenführen wollen. Es gibt diesbezüglich keinen Widerspruch zwischen uns. Ich habe an Sie als Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen abseits aller Fragen, was in Berlin passiert, die Bitte, im Vermittlungsausschuss nach Möglichkei

ten dafür zu suchen, wie wir verhindern, dass Menschen, die bislang Arbeitslosenhilfe beziehen, aufgrund der geplanten Veränderung in die Situation kommen, dass sie zum 1. Januar 2005 auf null gesetzt werden. Ich meine, wir brauchen Übergangsvorschriften. Wir sind bereit, so etwas zu unterstützen. Es geht um einen Personenkreis von etwa 500 000 Menschen. Ich spreche hier für die SPD im Niedersächsischen Landtag, und wir sprechen über die Frage, wie wir uns positionieren. Ich suche nach Möglichkeiten, wie wir Ihrem Anspruch gerecht werden können, dass Sie in bestimmten Punkten unsere Unterstützung - auch gegenüber unseren eigenen Leuten - bekommen. Ich sage Ihnen, wo dies möglich ist. Das ist der erste Punkt. Ich glaube, dass Sie verstehen - ich kenne Sie gut genug, um dies sagen zu können -, dass es ein Problem ist, wenn Menschen, die bisher Arbeitslosenhilfe bekommen haben, am 1. Januar 2005 auf null gesetzt werden. Für diese Fälle brauchen wir eine Übergangslösung.

Zweitens. Ich stimme mit Ihnen überein, dass es zu einer Nettoentlastung von 2,5 Milliarden Euro für die Kommunen in Deutschland kommen muss. Wir unterscheiden uns in der Frage, ob wir glauben, dass Herr Clement und Herr Eichel diese Nettoentlastung zur Verfügung stellen werden oder nicht. Ich bin der festen Überzeugung, sie werden es tun. Wir stimmen ausdrücklich - dies sage ich auch für die SPD-Fraktion - darin überein, dass diese Entlastung nicht mit einer zeitgleichen rechtlichen Belastung einhergehen kann. Einer meiner Vorgänger und auch Ihrer Vorgänger hat hier im Landtag einmal gesagt: Es gibt ein Prinzip, das da heißt: „Wegges Geld ist wegges Geld.“ - Das bedeutet: Geld, das man bisher in der Kommune nicht hatte, um die Sozialhilfe zu finanzieren, hat man morgen, wenn man die Sozialhilfe nicht mehr finanzieren muss, auch nicht, um Kinderkrippen zu finanzieren. Das ist schlicht eine Frage der Mathematik, nicht der Politik. Ich stimme mit Ihnen überein, dass es so nicht gehen kann. Das sage ich in meiner Partei seit vielen Monaten, seit etwa zwei Jahren, weil ich nicht glaube, dass wir auf diese Weise real vorankommen. Es gibt in den Verwaltungshaushalten der Kommunen dramatische Überschuldungen, weil die Sozialhilfe nicht finanziert werden kann. Die Sozialhilfe war einmal Einzelfallhilfe für in Not geratene Bürger, und sie ist dann zu einer allgemeinen Lohnersatzleistung für Langzeitarbeitslose geworden. Es war der Ministerpräsident Albrecht aus diesem Lande, der den Versuch unternommen hat, das zu verändern.

Das ist ihm nicht gelungen. Wir bekamen Strukturhilfe. Diese sollte bis 1998 laufen, sie ist aber 1994 ausgelaufen. Im Kern handelt es sich hier um eine alte Debatte. Wir müssen es endlich schaffen - wir Sozialdemokraten und auch die Grünen sind stolz darauf, dass wir dies endlich angepackt haben -, dass es nicht zeitgleich zu einer Belastung kommen darf. Ich bin dafür, dass wir stattdessen auch in Niedersachsen nach Möglichkeit in jeder Stadt und in jeder Gemeinde sagen: Auch bei zurückgehenden Kinderzahlen werden wir nicht eine einzige Kindergartengruppe schließen, werden wir nicht eine einzige Erzieherin arbeitslos machen, sondern wir werden Schritt für Schritt Umwandlungen vornehmen, um Kinderkrippen in Niedersachsen aufbauen zu können. Das ist ein vernünftiger Weg. Eine zeitgleiche Belastung der niedersächsischen Kommunen mit 1,5 Milliarden Euro halte auch ich für absolut nicht vertretbar.

Drittens. Wir erwarten von Ihnen, dass Sie bei der Gemeindefinanzreform Ihre Positionen aufgeben. Für falsch halten wir es, die Gemeindewirtschaftssteuer dauerhaft abzulehnen und stattdessen einen Zuschlag zur Einkommensteuer für die Kommunen vorzusehen. Das führt dazu, dass wir die Kaufkraft der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter senken. Sie selbst haben eben darauf hingewiesen, dass wir in dem Bereich ein Angstsparen haben. Wir sollten das nicht vergrößern. Ihre Position stimmt nicht mit der der CDUKommunalpolitikerinnen und -politiker überein. Das ist also eine klare Kritik an Ihrer Haltung im Bundesrat.

Letzter Punkt: Optionen. Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass es vernünftig ist, entweder zu einer vollständigen Kommunalisierung zu kommen oder es bei einer zentralen Verwaltung im Bereich der Arbeitsverwaltung zu belassen. Der Versuch im Vermittlungsausschuss, beides möglich zu machen, führt in der Praxis zu den dramatischen Problemen, die wir jetzt haben. Das ist aus meiner Sicht ein falscher Kompromiss gewesen.

Ich wollte das nur zur Klarstellung unserer Position sagen, also nicht, um dem vielleicht auf Ihrer Seite entstandenen Eindruck zu begegnen, ich würde mich ob einer so gewaltigen Rede davor drücken, Ihnen für die SPD Rede und Antwort zu stehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen nun zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 22. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 23. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 24. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall. Das Erste war die Mehrheit.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 25: Personalkosten reduzieren, einstweiligen Ruhestand begrenzen, Beamtenrecht modernisieren - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1089

Die Fraktionen sind übereingekommen, diesen Tagesordnungspunkt ohne Beratung an die Ausschüsse zu überweisen. Wer der federführenden Beratung durch den Ausschuss für Haushalt und Finanzen und der Mitberatung durch den Ausschuss für Inneres und Sport zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Damit schließe ich die Sitzung für den heutigen Tag und erwarte Sie alle morgen um 9 Uhr hier.

Schluss der Sitzung: 20.02 Uhr.