Protocol of the Session on May 27, 2004

Wir müssen uns also mit den Begriffen „Fürsprecher“ und „Beauftragter“ konkret auseinandersetzen. Für mich haben beide Begriffe unterschiedliche Intentionen.

Ich hoffe, dass wir zu einer einvernehmlichen Lösung kommen und dass der Gesetzentwurf möglichst umgehend vorgelegt wird. Ich meine, wir stehen in einer gewissen Verpflichtung. Ich hoffe, dass das Einstimmigkeitsprinzip auch bei diesem von der Regierung noch vorzulegenden Gesetzentwurf funktionieren wird und wir im Interesse der Menschen, die auf ein Spendeorgan warten, schnell handlungsfähig sind. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD und Zustimmung von Dr. Kuno Winn [CDU])

Das Wort hat nunmehr Frau Ministerin Dr. von der Leyen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, Sie sagten, Sie hätten die Landtagsdebatte über das Thema Transplantation und die Frage nach einem Ausführungsgesetz seit Anfang der 90er-Jahre verfolgt. Aber auch ich erinnere mich an diese Zeit sehr gut.

Ich bin in den frühen 90er-Jahren - noch als Assistenzärztin - in der Gynäkologie und Geburtshilfe tätig gewesen. Ich erinnere mich an den Fall einer jungen Frau, transplantiert mit einer Leber, die ein Kind erwartete. Wir alle, auch Pichlmayr, haben damals gezittert, gebangt und waren in Sorge, dass das gut geht, dass das Organ nicht abgestoßen wird, dass das Kind gesund geboren wird. Es ist damals gut gegangen. Mich hat damals nachhaltig beeindruckt zu erleben, was es bedeutet, dass diese Frau dieses Spenderorgan hatte, dass sie mit dem Organ leben konnte und dass das Kind gesund geboren wurde.

Also, Erfahrungen auf diesem Gebiet kann man auch in anderer Form sammeln. Ich denke, dass dieses Thema uns allen hier im Plenum sehr am Herzen liegt, wie lange die jeweilige Landtagskarriere auch sein mag.

Ich glaube nicht, dass sich jemand, der nicht akut persönlich betroffen ist oder der nicht ganz naher Angehöriger ist, überhaupt vorstellen kann, was es für einen Menschen bedeutet, auf ein Organ zu warten, d. h. immer im Wettlauf mit der Zeit zu sein, immer erreichbar sein zu müssen, um, wenn der Anruf kommt, das lebensrettende Organ noch rechtzeitig erhalten zu können. Hinzu kommt die eindeutig im Vordergrund stehende seelische Belastung, dass ein anderer Mensch erst sterben muss, bevor man ein Organ erhalten kann. Allein in Niedersachsen warten rund 2 000 Menschen auf ein Spenderorgan. Jeder dritte Patient stirbt auf einer Transplantationswarteliste.

Das heißt, es gibt vielfältige, durchaus menschliche Gründe, nicht als Organspender aufzutreten, sei es, dass man davor zurückscheut, sich mit dem eigenen Tod zu befassen, oder sei es, dass man Sorgen hat, dass das Organ entnommen wird, bevor man richtig klinisch tot ist. Hier gibt es vielfach auch emotionale Vorbehalte. Häufig steht auch einfach Unwissen im Raum.

Die Landesregierung hat im letzten Jahr eine ausführliche appellative Arbeit geleistet. Wir haben ein

Informationsblatt herausgegeben, das über Apotheken zielgerichtet weiterverteilt wird. Wir haben Telefonaktionen zu dem Thema durchgeführt. Ich habe die Schirmherrschaft über die Aufklärungsaktivitäten des Landesverbandes Niedersachsen/Bremen der Betriebskrankenkassen übernommen. Wir haben in einer Reihe von öffentlichen Veranstaltungen auf die Notwendigkeit hingewiesen, als Organspender aufzutreten. Aber auch appellative Arbeit hat ihre Grenzen. Deshalb begrüße ich den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP.

Es gibt ja jetzt schon eine Vorschrift, wonach der Ausfall der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms von potenziellen Spendern dem Transplantationszentrum mitzuteilen ist. Aber es waren nicht Sie, Herr Schwarz, der mich davon überzeugt hat, dass wir vielleicht noch weitergehen können, sondern es waren vorwiegend die Gespräche mit Haverich und Gubernatis, die mich überzeugt haben, dass es darum geht, in den Kliniken das Wissen darüber zu verankern.

Erstens gibt es schnelle Hilfe durch die mobilen Teams der Deutschen Stiftung Organtransplantation, wenn ein potenzieller Organspender zur Verfügung steht. Insofern muss man den ganzen Überbau der Explantation nicht alleine meistern, sondern es kann geholfen werden.

Der zweite Punkt, der fast noch wichtiger ist - das wird die Aufgabe des Transplantationsfürsprechers sein -, betrifft die folgende Situation: Stellen Sie sich vor, Sie haben in der Hektik des Alltags auf einer Intensivstation einen zumeist jungen Menschen, der zu sterben droht und dessen Gehirnfunktionen erlöschen. Stellen Sie sich weiter vor, Sie müssen sich unter dieser hohen emotionalen Belastung an die Angehörigen wenden und sie fragen, ob das potenziell ein Mensch wäre, der für eine Organspende zur Verfügung steht. Es gibt in den Krankenhäusern sicherlich auch emotional unbewusste Schranken, diesen Schritt noch zu tun.

Ein Transplantationsfürsprecher müsste jemand aus dem Kreis des ärztlichen oder pflegerischen Personals sein - ohne dass dafür unter Einsatz von Geld eine gesonderte Stelle geschaffen werden müsste -, der psychologisch ausgebildet ist und der über die Details einer Explantation und der Hilfe, die man dabei bekommen hat, Bescheid weiß.

Es geht also nicht um Kontrolle, Frau JanssenKucz, sondern es geht schlicht und einfach um die Unterstützung der Pflegekräfte, der Ärztinnen und Ärzte, dass in einer so schwierigen Situation mit der entsprechenden Kenntnis die notwendigen Schritte unternommen werden können.

Was die Konzipierung des Meldeverfahrens angeht, so werden wir die Details sicherlich sehr sorgfältig diskutieren müssen - nicht zuletzt deshalb, weil es eine sehr sensible Thematik ist. Das gilt auch für die Regelungen zur Lebendspende, wobei aus meiner Sicht nichts dagegen spricht, für die Lebendspendekommission des Landes, die bisher bei der Ärztekammer angesiedelt ist, eine neue rechtliche Grundlage zu finden. Mein Haus hat bereits intensive Gespräche mit der Ärztekammer Niedersachsen, der Deutschen Stiftung Organtransplantation und anderen Organisationen aufgenommen.

Meine Damen und Herren, ein Ausführungsgesetz kann, wenn es in der richtigen, vorsichtigen Form formuliert ist, Leben retten, indem es die Transplantationsproblematik nicht nur verstärkt ins öffentliche Bewusstsein rückt, sondern auch seine praktische Umsetzung in den Kliniken schlicht und einfach erleichtert. Deshalb bitte ich Sie, diesem Antrag zuzustimmen. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Es wird empfohlen, diesen Antrag federführend dem Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit zuzuweisen und mitberatend den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen zu beteiligen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Letztere sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 21: Besprechung: Gesundheitsversorgung und Gesundheitsberichterstattung im Kinder- und Jugendbereich - Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/738 - Antwort der Landesregierung - Drs. 15/1030

Ich eröffne die Besprechung. Zu Wort gemeldet hat sich von der CDU-Fraktion Frau Kollegin Siebert. Bitte schön!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Gesundheitsland Niedersachsen“ - diesen Begriff haben Sie, Frau Ministerin von der Leyen, bei Ihrem Amtsantritt geprägt. Wie sich bei der Beantwortung unserer Großen Anfrage gezeigt hat, haben Sie diesen Begriff inzwischen auch wunderbar mit Leben erfüllt und sich ganz unverzüglich der Thematik angenommen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ja, es ist schön, zu wissen, dass die Landesregierung auch in diesem Bereich den richtigen Weg eingeschlagen hat. Dafür danke ich Ihnen sehr herzlich.

Ein gesundes Land, meine Damen und Herren, ist ein starkes Land. Nur ein starkes Land ist auch zukunftsfähig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dabei macht die Zukunftsfähigkeit auch aus, dass Gesunde und Erkrankte zusammenstehen, dass Kranke gestützt werden. Das ist in Niedersachsen der Fall, und das muss auch so bleiben.

Gesundheit ist ein hohes Gut, meine Damen und Herren. Man schätzt sie leider oft erst, wenn man sie einbüßt. Aber viele Erkrankungen sind durch eine gesunde Lebensweise vermeidbar. Wenn man frühzeitig mit Prävention beginnt, kann man persönliches Leid verhindern und trägt dabei zugleich auch zur Kostenersparnis bei. Zu früh kann man dabei nie beginnen. Denn die ersten Lebensphasen, die Kindheit und die Jugend, sind äußerst prägend und bestimmen viele Verhaltensweisen, die wir ein Leben lang beibehalten. „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“, so heißt ein berühmtes Sprichwort. Das gilt auch für die Gesundheitsvorsorge. Wer sich als Kind viel und gern bewegt, wird sich auch als Erwachsener

gern sportlich betätigen, wird weniger zu Fettleibigkeit neigen

(Heiterkeit)

und wird das Risiko für Folgeerkrankungen wie die Typ-II-Diabetes deutlich verringern. Wer als anerkannter Legastheniker frühzeitig eine Förderung erhält, wird als Erwachsener ein geringeres Risiko haben, an einer seelischen Behinderung zu leiden.

Mit großer Freude haben wir deshalb zur Kenntnis genommen, dass die Landesregierung der Prävention eine ganz besondere Stellung einräumt. Es ist hervorragend, dass es ihr vorrangiges Ziel ist, gesundheitsförderndes Verhalten zu stärken und krankheitsfördernde Faktoren wie z. B. das Rauchen oder den oftmals zu unbedarften Umgang der noch sehr jungen Teenager mit den wunderbar schmeckenden Alcopops zu reduzieren. Die Botschaft in Niedersachsen lautet: Alcopops zu früh und im Übermaße sind uncool, und rauchfrei ist so hip wie bauchfrei.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie schauen im Gesundheitsbereich nicht mit Scheuklappen Ihrem Ziel entgegen, sondern wollen einerseits die Vernetzung mit Bundesinitiativen und arbeiten andererseits mit der Ärztekammer, den Krankenkassen und den Kommunen zusammen. Nur dieses Agieren kann zum Erfolg führen.

Durch leicht verständliche Einladungen in Deutsch, aber auch in Russisch und Türkisch ist es ihnen gelungen, dass die wichtigen Vorsorgeuntersuchungen im Baby-, Kleinkind- und Kindesalter wieder stärker von allen Eltern in Anspruch genommen werden. Den Schuleingangsuntersuchungen kommt dabei aber eine ganz besondere Bedeutung zu. Es ist für Eltern und auch für Lehrer wichtig, bereits vorzeitig über mögliche gesundheitliche Einschränkungen und Risiken informiert zu werden, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Bei der Schuleingangsuntersuchung werden oftmals Dinge ersichtlich, die zu Lernschwierigkeiten, langfristig zu schweren Krankheitsbildern oder unbehandelt gar zu seelischen Behinderungen führen können. Es werden Sehschwächen und Hörschäden, die das Lernen im Schulalltag erschweren würden, bereits erkannt, bevor sie für den Schulanfänger zu einem Problem werden. Interessanterweise hat eine neuere Studie gezeigt, dass Kinder, die motorisch nicht in der Lage sind, rückwärts zu gehen, im Mathematikunterricht Schwierigkeiten beim Subtrahieren haben. Nur wer früh Probleme

erkennt, kann sie angehen. Deshalb sind Früherkennung und Frühförderung so ungeheuer bedeutsam. Genau deshalb ist die Schuleingangsuntersuchung von immenser Bedeutung.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Die Zusammenarbeit mit Multiplikatoren wie Hebammen, Lehrkräften und Erziehern ist ein wichtiger Baustein in der Gesundheitsvorsorge. Es geht ein großes Lob an Sie, Frau von der Leyen, dass Ihnen die Kontaktaufnahme zu den genannten Personenkreisen bereits sehr gut gelungen ist.

Das Impfen ist in diesem Zusammenhang ein Thema, über das mehr sachlich informiert werden muss und das Ihnen eine besondere Herzensangelegenheit zu sein scheint. Es ist wichtig, dass es uns gemeinsam gelingt, Krankheiten wie die Masern endlich auszurotten und auch die mit großen Nachwirkungen verbundene Kinderlähmung gänzlich zu verdrängen. Es ist wichtig, dass wir alle mit der Botschaft von der Notwendigkeit eines guten Impfschutzes erreichen: deutsche wie ausländische Familien, Familien mit einem hohen Sozialprestige und diejenigen, die aus sozial benachteiligten Familien kommen. Sachgerecht und vor allem leicht verständlich muss diese Information erfolgen, genau wie es das Sozialministerium unter Ihrer Leitung, Frau von der Leyen, jetzt tut.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist höchst erfreulich, wie engagiert sich die neue Landesregierung dem Thema Kinderund Jugendgesundheit von Beginn an widmet. Gesunde Kinder sind die gesunden Erwachsenen von morgen. Vielen Dank für Ihr Engagement für das Gesundheitsland Niedersachsen. Wir sind auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Axel Plaue [SPD]: Wir danken Ihnen, Frau Ministerin!)

Für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. von der Leyen, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es waren die Kinderlähmung, die Diphterie, die Hirnhautentzündung, die Lungenentzün

dung, die akuten Infektionskrankheiten, die noch vor 50 Jahren die Haupttodesursache für Kinder und Jugendliche waren. Heute sind diese Krankheiten dank moderner Medizin weit in den Hintergrund getreten.

Wir diskutieren im Augenblick vorrangig über chronische Erkrankungen, den Diabetes, die HerzKreislauf-Erkrankungen, den Krebs. Viele von ihnen entstehen zum Teil - „zum Teil“ betone ich aus persönlicher Lebensführung und Verhaltensweisen. Es sind die ganz banalen Dinge, die über Gesundheit und Krankheit mit entscheiden. Es geht um Ernährung, es geht um Bewegung, Rauchen und Alkohol. Die Weichen werden in der Kindheit richtig oder falsch gestellt. Es gibt ja die nette Volksweisheit: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.

Vor etwa zwei Jahren haben die Grünen dem damaligen Oppositionschef und heutigen Ministerpräsidenten Christian Wulff einen Teddybären, eine Klampfe, ein Buch und einen Tennisschläger hier vorne auf den Tisch gestellt und ihm geschenkt. Sie wollten sich über eine Rede lustig machen, in der er sinngemäß gefordert hatte, wir sollten uns nicht erst einmal in den Fachtermini verkeilen, sondern die einfachen Dinge zuerst nennen und dann auch ernsthaft angehen.

Mit dem Teddybären war gemeint: Kinder brauchen ein Haustier, um zu lernen, Verantwortung zu übernehmen. Die Klampfe war symbolisch für Musik gegeben. Musik eröffnet eine ganze Welt, fördert Fähigkeiten, auch neurologische Fähigkeiten, die man ein Leben lang gut gebrauchen kann. Bücher: Kinder brauchen Bücher. Wir sollten ihnen vorlesen. Das ist die Grunderfahrung von Phantasie schlechthin. Er hat schlicht und einfach gesagt - das symbolisierte der Tennisschläger, den er geschenkt bekam -: Kinder brauchen Bewegung. Recht hat er gehabt.

(Beifall bei der CDU)