Protocol of the Session on April 28, 2004

(Dieter Möhrmann [SPD]: Taten wol- len wir sehen!)

Herr Möhrmann, ich habe schon bei letzten Mal gesagt, dass gerade ich als Präsident des größten Sportvereins Niedersachsens, der 7 500 Mitglieder hat und jede Woche 600 Übungsstunden anbietet, weiß, dass das ohne Ehrenamtliche nicht zu machen wäre. Deshalb laufen Sie bei uns offene Türen ein. Gerade wir wissen, was das Ehrenamt bedeutet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unter Nr. 2 schreiben Sie: Der Landtag stellt fest, dass das von Ministerpräsident Wulff unterstützte Steuerkonzept von Friedrich Merz eine Streichung der steuerfreien Übungsleiterpauschale vorsieht. Genau das ist jedoch falsch, und insofern hätte ich gedacht, dass Sie Ihren Antrag auch wieder zurückziehen, Herr Möhrmann. Herr Wulff hat auf einer großen Veranstaltung mit 700 Teilnehmern laut Weserkurier vom 15. April 2004 in der Diskussion mit Herrn Kirchhof ausdrücklich gesagt - das hat aber auch in allen anderen Zeitungen gestanden -:

„Wer die Zivilgesellschaft will, wer fordert, dass sich der Staat zurücknimmt, muss auch das Engagement in Sport, Kirche und Sozialwesen begünstigen.“

In dem Bericht heißt es weiter:

„An der Übungsleiterpauschale dürfe nicht gerüttelt werden, meinte Wulff.“

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber das steht nicht in dem Satz! Da steht, was bei Merz gestrichen wird!)

Spätestens da hätten Sie Ihren Antrag zurückziehen müssen!

Eines ist doch klar: In dem Konzept von Herrn Merz steht deswegen nichts zur Übungsleiterpauschale, weil es sich dabei, wie das bei Konzepten im Übrigen immer der Fall ist, gerade nicht um ein ausformuliertes Steuergesetz handelt, sondern lediglich um Thesen.

Meine Damen und Herren, an Folgendem werden wir mit Sicherheit nicht rütteln:

§ 3 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes. Danach sind „... Leistungen aus einer Krankenversicherung, aus einer Pflegeversicherung und aus der

gesetzlichen Unfallversicherung steuerfrei.“ - Wenn Sie jetzt sagen, Merz wolle auch das besteuern, dann ist das falsch.

§ 3 Nrn. 13 und 17 des Einkommensteuergesetzes. Darin geht es um aus öffentlichen Kassen bzw. von privaten Arbeitgebern gezahlten Reisekostenvergütungen. Es ist doch selbstverständlich, dass solche Aufwandserstattungen nicht auch noch steuerpflichtig sind.

§ 3 Nr. 26 des Einkommensteuergesetzes. Darin heißt es - das hat Herr Wulff hier deutlich gesagt, und deshalb brauchen wir Ihren Antrag nicht -:

„Steuerfrei sind Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter,“

- Sie beziehen sich ja immer nur auf die Übungsleiter und gehen gar nicht an die anderen Sachen heran

„Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker und behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer inländischen juristischen Person... bis zur Höhe von insgesamt 1 848 Euro im Jahr.“

Es war die CDU/FDP-Regierung, die den Personenkreis damals noch um diese ehrenamtlichen Tätigkeiten erweitert hat. Sie glauben doch wohl nicht, dass gerade wir von CDU und FDP, die die Anerkennung des Ehrenamtes nicht nur im Sport, sondern auch in der Pflege, in der Kunst und in den mildtätigen Bereichen in das Einkommensteuergesetz hineingebracht haben, dieses nun später wieder herauskippen.

Ihr Antrag und Ihre Behauptungen gehen in die völlig falsche Richtung und sind deshalb abzulehnen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Hermann Ep- pers [CDU]: Reiner Populismus!)

Für die Fraktion der CDU hat sich nunmehr Herr Dr. Stumpf zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Heute wird zurückgerudert!)

Nein, Herr Jüttner, heute wird nicht zurückgerudert. Ich bin Vorwärtspaddler; das werden Sie an meiner Rede jetzt auch merken.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Viereck, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede zwei Dinge gesagt. Einmal haben Sie erklärt, Ihnen gehe es nicht vordergründig um politisches Kapital. Dem widerspreche ich vehement: Ihnen geht es um nichts anderes.

Zum anderen haben Sie klar und deutlich gesagt, die Steuerreform der CDU steht uns ins Haus. Dafür danke ich Ihnen; denn damit haben Sie die Erneuerung der Bundespolitik durch die CDU/CSU eingeläutet. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei der CDU)

Aber nun zum eigentlichen Thema. In der ersten Beratung dieses Antrages habe ich bereits deutlich gemacht, dass die CDU überhaupt kein Interesse daran hat, das Ehrenamt zu schwächen oder sogar zu beschädigen. Ich hatte deshalb erwartet, wie der Finanzminister eben auch schon erklärte, Sie würden Ihren Antrag spätestens in der Ausschussberatung zurückziehen, weil er im Prinzip ja gegenstandslos ist. Daran, dass Sie das nicht getan haben, wird deutlich, was Sie mit Ihrem Antrag tatsächlich wollen, Herr Jüttner. Sie wollen eine Politshow inszenieren und diejenigen Menschen verunsichern, die selbstlos anderen Menschen, Vereinen und Institutionen dienen. Das ist das Unangenehme und Bösartige an diesem Antrag. Sie missachten die Realitäten und streuen Sand ins Getriebe, um für sich selbst Vorteile zu erzielen. Diese Rechnung kann und darf nicht aufgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Viereck, ich bedauere, dass Sie - allerdings von der anderen Seite betrachtet - mit Ihrem Verhalten den in der Vergangenheit doch sehr häufig bestehenden Konsens für Sport und Ehrenamt aufgekündigt haben. Es wäre besser gewesen, Sie hätten diesen Antrag nicht gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Ich muss aber auch sehr deutlich sagen: Wir, die CDU, brauchen diesen Antrag, in dem wir aufgefordert werden, das Ehrenamt im Land zu fördern und zu würdigen, nicht, denn wir, die CDU, haben uns in der Vergangenheit immer - ich betone: immer - eindeutig zum Ehrenamt bekannt.

(Beifall bei der CDU)

Wir haben uns sogar nicht nur dazu bekannt, geredet oder geschrieben, sondern wir haben auch entsprechend gehandelt und werden dies auch in Zukunft sehr nachdrücklich tun.

Allein die Vermischung von Steuerreform und Ehrenamt lässt erkennen, worin das eigentliche Ziel Ihres Antrages liegt: Sie wollen der ausgesprochen schwachen Bundesregierung Schützenhilfe leisten, wollen sie flankieren.

Es gibt keinen Zweifel daran, dass wir in Deutschland kaum etwas dringender benötigen als eine grundlegende Steuerreform. Die in diesem Zusammenhang von der CDU erarbeiteten Konzepte - es sind tatsächlich lediglich Konzepte und keine Umsetzungsplanungen - sind in hohem Maße zukunftsorientiert. Natürlich gibt es bisher noch keine Detailplanung. - Die kann es schließlich auch gar nicht geben, weil wir in Berlin ja noch nicht das Sagen haben. Aber, Herr Viereck, nomen est omen: Wenn Ihrem Wunsch gefolgt wird, wird das ja bald der Fall sein. - Und schon gar nicht sollen bewährte Systeme wie die Übungsleiterpauschale durch eine Steuergesetzgebung abgeschafft werden, weil sie weit größere volkswirtschaftliche Vorteile als Nachteile erbringt.

Sie sollten endlich einmal die von der CDU-Fraktion in Berlin abgegebenen klaren öffentlichen Aussagen zur Kenntnis nehmen. Im Übrigen kann ich an die entsprechenden Erklärungen in der ersten Beratung dieses Antrages anknüpfen. Daran hat sich nämlich bis heute nichts geändert.

Meine Damen und Herren, wir sind froh darüber, dass wir in unserem Land im Sport, im Jugendbereich, bei der Feuerwehr und bei vergleichbaren Institutionen Menschen finden, die sich täglich ehrenamtlich engagieren.

(Beifall bei der FDP)

Ich möchte diesen Bürgerinnen und Bürgern - jung und alt, Mann und Frau - an dieser Stelle ganz herzlich für die Arbeit in und an unserer Gesellschaft danken.

Sie hingegen wollen diese Menschen für Ihre politischen Ziele benutzen. Dabei ist Ihr Antrag materiell gegenstandslos, weil Sie etwas unterstellen, was wir überhaupt nicht beabsichtigen und auch nie gewollt haben.

Mit Ihrem Antrag verunsichern Sie die Ehrenamtlichen vor Ort. Damit erreichen Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie vorgeben, erreichen zu wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Glauben Sie wirklich, was Sie da sagen?)

- Herr Jüttner, wer in der ehrenamtlichen Arbeit im Sport und in anderen Bereiche so verwurzelt ist wie ich, der kann aus eigener Anschauung hervorragend bewerten, was da los ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich auch!)

Genau das, was ich Ihnen vortrage, passiert im Moment: Die Leute haben keine Lust mehr.

Mit der von Ihnen aufgeworfenen Diskussion erreichen Sie keine Stärkung des Ehrenamtes, sondern verleiden Sie den Menschen die Bereitschaft, sich für andere ehrenamtlich einzusetzen. Das Handeln Ihrer Freunde in Berlin, nicht gehaltene Versprechen, sich ständig überholende Ankündigungen und Ihr Showantrag führen dazu, dass die Menschen keine Lust mehr haben, ehrenamtlich zu arbeiten bzw. sich ehrenamtlich für andere einzusetzen. Diese Gefahr - das ist das eigentliche Petitum an Sie - sollten Sie Ernst nehmen. Ich erlebe das in meinem ehrenamtlichen Tätigkeitsfeld ständig.

Ich habe bereits in der ersten Beratung erklärt, dass wir die Zahlungen an ehrenamtlich Tätige im Rahmen der heutigen Praxis nicht als Lohn oder Gehalt ansehen. Der Finanzminister hat das noch einmal sehr deutlich unterstrichen. Damit ist auch keine Steuerpflicht gegeben - auch das hat er deutlich gesagt. Es ist eine teilweise Entschädigung für Aufwendungen, für die es auch in Zukunft keine Versteuerung geben darf und nach unserem Willen auch nicht geben wird. Man kann diese Arbeiten ohnehin kaum in Euro oder Cent quantifizieren. Sie gehen weit über übliche Bewertungskriterien hinaus und sind in der Regel unbezahlbar. Daran werden Sie auch mit Ihrem Antrag nichts ändern.

Weil das so ist, stehen wir zu dem heutigen Verfahren und damit zur Übungsleiterpauschale. Wir brauchen derartige Anträge nicht und lehnen Ihren Antrag deshalb auch ab. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Helmhold das Wort. - Bitte schön, Frau Helmhold!