Protocol of the Session on April 28, 2004

(Beifall bei der SPD - Hans-Werner Schwarz [FDP]: Das ist nicht wahr!)

Frau Trost, Sie können es doch jetzt ruhig zugeben: Die Initiative der Bundesministerin war als wissenschaftspolitisches Zeichen goldrichtig. Sie war ein ermutigendes Signal an die von Kürzungen gebeutelten Hochschulen, dass sich etwas im Land bewegt. Natürlich musste der Vorstoß aus Berlin die Länder als Dienstherren der Hochschulen provozieren. Aber erst dadurch kam Bewegung in die Sache. Über das Wie, über die richtigen Modalitäten eines solchen Wettbewerbs kann man streiten und hat es auch erwartungsgemäß getan. Mit dem jetzt gefundenen Kompromiss können alle leben. Er ermöglicht sowohl die Förderung von Spitzenhochschulen auf der Grundlage Profil bildender Wissenschaftsbereiche als auch die Förderung einzelner Exzellenzzentren an Hochschulen.

Was der Kompromiss dann tatsächlich in der Praxis wert ist, wird sich zeigen, wenn das Geld auf den Tisch gelegt werden muss. Nicht nur der Bund, Frau Trost, sondern auch die Länder haben sich verpflichtet, zusätzliche Mittel für den Wettbewerb zur Verfügung zu stellen.

(Zuruf von der SPD: Hört, hört!)

Wir werden genau prüfen, wie viel Geld der Finanzminister dafür in die Mipla einstellen wird. Nicht die Reden am Sonntag zählen, sondern die Taten am Montag!

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, es geht nicht nur um Geld. Um unsere Hochschulen international wettbewerbsfähig zu machen, sind noch andere Fragen zu beantworten: Wie kann die Autonomie der Hochschulen - eine Grundbedingung für Wettbewerb und Innovation abgesichert werden? Wann kommt endlich der Wissenschaftstarifvertrag, der die Hochschulen aus dem Zwangskorsett von Beamtenrecht und BAT befreit?

Stichwort Föderalismuskommission. Welche Aufgaben übernimmt zukünftig der Bund, welche übernehmen die Länder? Können wir uns in einer Zeit, in der Hochschulen als Global Player agieren

müssen, eigentlich noch diese Kleinstaaterei in der Hochschulpolitik leisten, die mehr Bremsklotz als Katalysator ist? Die aktuellen Debatten beweisen es.

(Beifall bei der SPD)

Es existieren viele Baustellen im deutschen Hochschulsystem. Der Reformbedarf ist immens; das wird hier niemand abstreiten. In der Vergangenheit hatte Niedersachsen als Reformer eine Vorreiterrolle übernommen. Nirgendwo wurde den Hochschulen so viel Autonomie ermöglicht wie hier. Die Flexibilisierung der Professorenbesoldung wurde umgehend umgesetzt, die Internationalisierung vorangetrieben, und neue erfolgreiche Wege zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses wurden beschritten. Dieser Vorsprung - das ist das eigentlich Ärgerliche - wird zurzeit durch eine perspektivlose Kürzungspolitik und durch Planungschaos aufs Spiel gesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Schlimmer noch! Sie, Herr Minister Stratmann, sind angetreten, den Hochschulen mehr Autonomie zu geben. Wir erinnern uns: Freiheit statt Geld haben Sie, Herr Stratmann, den Hochschulen versprochen. Jetzt lassen Sie zu, dass der Finanzminister den Globalhaushalt außer Kraft setzt und die Hochschulen das erwirtschaftete Geld abliefern sollen. Damit wird den Hochschulen jeder Gestaltungsfreiraum genommen. Der Staatsdirigismus, liebe FDP, feiert fröhliche Urständ, und Ihr Applaus ist dem sicher wie in der Vergangenheit auch; unserer allerdings nicht, weil Autonomie unter solchen Bedingungen nur noch eine Farce ist.

Ihr Antrag hier ist deshalb nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver für eigenes Versagen in der Hochschulpolitik.

(Beifall bei der SPD)

Wo war denn Ihr Protest, als im Namen des HOK das Geld an den eigenen Hochschulen zusammengestrichen wurde? Wo ist denn jetzt Ihr Protest, da Ihr Finanzminister klammheimlich über die Stellensperre ein zweites Mal bei den Hochschulen abkassiert? Schweigen im Walde!

Die Wahrheit ist, die Hochschulen haben unter Ihnen schon lange keine Fürsprecher mehr. Vielmehr lassen Sie diese im Regen stehen, in Nienburg, in Hannover, in Braunschweig, in Göttingen, überall.

Im Antrag fordern Sie mehr Wettbewerb zwischen den Hochschulen. Fragen Sie doch einmal die Nienburger, was sie davon halten! Hätte der Wettbewerb in Niedersachsen den Hauch einer Chance, dann wäre ihr Standort nicht geschlossen worden.

(Beifall bei der SPD)

Wäre Wettbewerb, liebe FDP, bei Ihnen mehr als Rhetorik, dann wären die besten Universitäten nicht die größten Verlierer des HOK geworden.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Mit Ih- nen können wir uns immer messen!)

Meine Damen und Herren, ich erinnere noch einmal daran: Mit dem jetzt gefundenen Kompromiss haben die Länder zusätzliches Geld versprochen. Wir nehmen sie beim Wort und schauen uns ihren Beitrag zur Spitzenförderung genau an. Ein erster Schritt wäre es allerdings, den Hochschulen endlich Planungssicherheit zu geben und die Plünderungen im Hochschuletat zu beenden. Also nicht nur dicke Backen machen, wenn es gegen Berlin geht, sondern dem Finanzminister mal Zähne zeigen, wenn es um unsere Hochschulen in Niedersachsen geht! - Danke.

(Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Dr. Heinen-Kljajić das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Kollegin Andretta hat schon darauf hingewiesen: Der vorliegende Antrag hat sich eigentlich längst erledigt, sofern er sich auf das so genannte Brain-up-Programm der Bundesregierung bezieht. Bund und Länder haben sich auf einen gemeinsamen Wettbewerb zur Förderung von Elitehochschulen geeinigt, der jetzt auch den Wettbewerb zwischen Fachbereichen zulässt, was wir jedenfalls für sinnvoll halten.

Der jetzt aufgelegte Kompromiss ist allerdings aus grüner Sicht noch zu forschungslastig. Damit wird das Programm nur einem Teil der deutschen Hochschulmisere gerecht. So wichtig Graduiertenschulen und die Betreuung von Doktoranden für das Renommee einer Hochschule sein mögen,

dem Problem zu langer Studienzeiten und hoher Abbrecherquoten werden sie nicht gerecht.

Aber jenseits möglicher Unzulänglichkeiten des Konzepts wäre es jetzt viel spannender gewesen, Sie hätten einen Antrag eingebracht, mit dem Sie uns vorstellen, wie Sie denn der Zusage der Länder nachkommen wollen, selbst zusätzliche Mittel für den Wettbewerb einzusetzen, zumal Sie seit Antritt dieser Landesregierung alles getan haben, um die Profilierungschancen der niedersächsischen Hochschulen weiter einzuschränken.

Nach den massiven Eingriffen des HOK, das die Hochschulen zu einer Personalpolitik treibt, die jede Form von Profilbildung und wettbewerbsorientierter Strukturentwicklung unmöglich macht, das zu Strukturentscheidungen geführt hat, die in ihrer Widersinnigkeit kaum zu übertreffen sind, wie uns das jüngste Ranking von Stern und CHE am Beispiel Nienburg und Buxtehude mal wieder eindrücklich vor Augen geführt hat, und das dank massiver Stellenstreichungen beim wissenschaftlichen Personal bei gleichzeitig steigenden Studentenzahlen die Qualität der Lehre weiter sinken lässt, sind Niedersachsens Hochschulen für den nationalen wie den internationalen Wettbewerb denkbar schlecht aufgestellt.

Ein Ende dieser Abwärtsspirale ist nicht in Sicht. Minister Stratmann hat den Hochschulen einen Zukunftsvertrag zugesichert, der ihnen Planungssicherheit und Verschonung von weiteren Kürzungen bis 2004 geben sollte. Aber nur wenige Wochen nach Ankündigung kann von einem Zukunftsvertrag wahrlich nicht mehr die Rede sein. Im Gegenteil: Die Auseinandersetzungen um die Anwendung einer Stellensperre auf die Hochschulen zwischen MWK und dem Finanzminister haben gezeigt, dass Minister Stratmann bereits wenige Wochen nach Beginn des Haushaltsjahres nicht mehr in der Lage ist, seine Zusagen gegen die Begehrlichkeiten des Finanzministers zu verteidigen.

Außerdem ist es vermessen, die Behinderung leistungsorientierter Rahmenbedingungen durch das Hochschulrahmengesetz zu beklagen, selbst solche Rahmenbedingungen aber bereits auf Landesebene durch die Aussetzung der leistungsbezogenen Mittelvergabe zu behindern.

So richtig die Forderung nach einer drastischen Reform der Rahmengesetzgebung auf Bundesebene ist, so sicher ist auch, dass Niedersachsens

Hochschulen bei Fortsetzung Ihrer Hochschulpolitik von wettbewerbsfreundlicheren Rahmenbedingungen wohl kaum profitieren würden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bevor Sie der Bundesregierung Etikettenschwindel vorwerfen, sollten Sie erst einmal eine Kurskorrektur in Ihrer eigenen Hochschulpolitik vornehmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zusätzliche Bundesmittel können nämlich nur dann zu einer Verbesserung des Hochschul- und Forschungsstandortes führen, wenn sie zusätzlich wirken können und nicht, wie in Niedersachsen, zum Stopfen von Löchern verwendet werden müssen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die FDP-Fraktion erteile ich nunmehr Herrn Prof. Dr. Zielke das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Unser Antrag ist nach wie vor zu 100 % richtig und keineswegs erledigt. Die meisten Forderungen stehen auch jenseits des Wettbewerbs „Brain up!“ nach wie vor im Raum, nur die Geschäftsgrundlage hat sich durch die Einigung von Bund und Ländern am 29. März geändert. Darauf möchte ich jetzt eingehen.

Alle sind sich einig, alle sind glücklich, es gibt nur Sieger. Trotzdem sollte man eine Frage nicht verdrängen: Woher nimmt Frau Bulmahn das Geld für den „Hirn hoch!“-Wettbewerb? - Die Bundesbildungsministerin kürzt die Hochschulbauförderung von 1,1 Milliarden Euro im Jahre 2003 und über jetzt rund 900 Millionen Euro auf 760 Millionen Euro im Plan für das Jahr 2007. Das ist eine Kürzung um 340 Millionen Euro bzw. 31 % binnen vier Jahren. Das reicht locker aus, um 250 Millionen Euro für den Wettbewerb auszuteilen.

Mit einem Wettbewerb beweist man Dynamik, Aktivität und Mut zu neuen Wegen. Es ist auch viel publikumswirksamer, Wettbewerbe zu inszenieren, als - wie beim Hochschulbau - von Fachleuten mühsam ausgearbeitete Listen morscher Hörsaal

gebäude und veralteter Elektronenmikroskope abhaspeln zu lassen, zumal die Listen immer länger statt kürzer werden.

Aber auch die eher unspektakuläre Bund-LänderKommission erkennt in ihrem Beschluss die Bedeutung von Public Relations. Schon im ersten Satz des Beschlusses heißt es: „Bund und Länder sind sich einig, dass es zusätzlicher Maßnahmen bedarf, um... Spitzen sichtbarer zu machen.“ Man muss sozusagen den Nebel vertreiben, dann werden die Elfenbeintürme in der Sonne der öffentlichen Wahrnehmung glänzen.

Weiter unten im Text heißt es dann: „... die bessere Adaptierbarkeit der deutschen Studienstruktur an internationale Gepflogenheiten gilt es verstärkt zu fördern.“ - Soll also tatsächlich, wie ich in meiner Rede zur ersten Lesung eher scherzhaft in den Raum gestellt hatte, der Fleiß beim Einführen von Bachelor und Master ein Exzellenzkriterium sein?

Abgesehen davon haben die Bundesländer mit diesem Beschluss erreicht, dass aus einer abstrusen, oberflächlichen Idee ein im Großen und Ganzen vernünftiges Wettbewerbskonzept entstanden ist.

Ich zitiere einige Eckpunkte: „Die Auswahl der Hochschulen setzt an der Exzellenz von Wissenschaftsbereichen an, die struktur- und profilbildend für die Hochschule sind oder werden sollen.“ Ähnlich geht es weiter. Ich kürze das jetzt ab, weil auch Frau Trost schon etwas dazu gesagt hat.

Letztlich bedeutet dieser Beschluss, dass die Exzellenz in einzelnen Wissenschaftszweigen prämiert wird und dass die Hochschulen Zwischenstationen zum Weiterreichen der Anträge bzw. der Preisgelder sind. Das ist auch gut so.

Die Details des Verfahrens, die eine Runde von Staatssekretären gerade ausarbeitet, wird man abwarten müssen. Ich bin insbesondere auf das Auswahlverfahren für die Jury gespannt. Hoffentlich können wir hinterher sagen, das Geld ist gut angelegt, und zwar noch besser, als wenn man die Mittel auf bewährten Wegen wie durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft verteilt hätte.

Trotzdem bleibt bei dem, was hier abgelaufen ist, ein ungutes Gefühl. Wir haben ein klassisches Beispiel für die Kompromissfindung in unserem föderalen System erlebt. Das Drehbuch ist haargenau dasselbe wie bei den Ganztagsschulen: Der Bund verspricht Geld, das er gar nicht hat, und

macht einfach noch höhere Schulden, Maastricht hin, Maastricht her. Die Länder sind anfangs noch voll des Protestes, werden dann nachdenklich, knicken ein. Beim Geld, das man bekommt, hört die Feindschaft schließlich auf.