Die SPD-Landtagsfraktion hat jedenfalls keine Probleme, ihren eingeschlagenen Kurs auch unter veränderten politischen Rahmenbedingungen konsequent fortzusetzen. Wir haben immer klar geäußert und den Beschäftigten mitgeteilt, dass wir zwar das Prüfgutachten gutheißen,
- Entschuldigung, Sie machen doch nichts anderes mit dem, was der Finanzminister heute gesagt hat; insofern war gegen den Prüfauftrag auch nie etwas einzuwenden - dass es aber inhaltlich und auch finanziell nicht möglich sein wird, die Landeskrankenhäuser zu privatisieren, und wir haben stattdessen hier im Landtag einen Antrag zur Weiterentwicklung der Landeskrankenhäuser eingebracht.
Im vergangenen Monat hat bekanntermaßen der Lenkungsausschuss seinen Bericht mit einer einstimmigen Empfehlung vorgelegt.
Wie nicht anders zu erwarten, geht der Lenkungsausschuss davon aus, dass eine Privatisierung nicht sinnvoll ist. Vielmehr schlägt er vor, die Landeskrankenhäuser in eine Anstalt des öffentlichen Rechts umzuwandeln.
Ich hätte daraufhin erwartet, meine Damen und Herren, dass die Spitze des Sozialministeriums sowie insbesondere diejenigen ehemaligen Oppositionspolitiker, die sich für genau das, was der Lenkungsausschuss nun vorlegt, vehement ausgesprochen haben, unmittelbar klargestellt hätten, dass sie dem Lenkungsausschuss folgen werden. Sie haben das bis heute nicht getan. Aber unser Antrag wird Ihnen Gelegenheit geben, dies nun nachzuholen und Ihr Wahlversprechen einzulösen, meine Damen und Herren.
Wie erwartet, hat sich der Lenkungsausschuss aber nicht nur zur zukünftigen Rechtsform der Landeskrankenhäuser geäußert, sondern auch kurz-, mittel- und langfristig zu lösende Problemstellungen in den Krankenhäusern vor dem Hintergrund sich
wandelnder Rahmenbedingungen genannt. Genau diese Analyse war der Kernbereich, der vom Lenkungsausschuss abverlangt worden ist.
Die Probleme betreffen zum einen die psychiatrischen Abteilungen der Landeskrankenhäuser vor dem Hintergrund der Änderung in den Vergütungsstrukturen des Krankenhauswesens insgesamt sowie den zunehmenden Wettbewerb zwischen den Krankenhäusern, wozu ich nur stichpunktartig die Einführung der DRG erwähne.
Zum anderen betreffen die Probleme den Maßregelvollzug, der keine Krankenhausleistung, sondern eine hoheitliche Aufgabe ist. Ich erinnere in dem Zusammenhang an den Beschluss des Niedersächsischen Landtages - er ist noch gar nicht so alt -, die Landeskrankenhäuser zukünftig als Schwerpunktkrankenhäuser im Krankenhausplan des Landes auszuweisen.
Gleichzeitig müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass die Landeskrankenhäuser ihrer Versorgungsverpflichtung gerecht werden und eine aktive Rolle in den sozialpsychiatrischen Verbünden spielen können. Wichtig ist, dass die Landeskrankenhäuser stärker als bisher an der gemeindenahen Versorgung psychisch Kranker beteiligt werden und somit die strikte Trennung zwischen ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgung, die gerade in der Psychiatrie immer wieder zu Drehtüreffekten führt, abgebaut wird.
Das weit größere Zukunftsproblem sieht der Lenkungsausschuss jedoch im Maßregelvollzug. Dieser Einschätzung kann sich die SPD-Fraktion nur vollinhaltlich anschließen. Wie Sie wissen, befinden sich zurzeit 1 000 Personen im niedersächsischen Maßregelvollzug. Experten gehen davon aus, dass durch die erfolgte Strafrechtsreform auf Bundesebene die Zahl der Maßregelvollzugspatientinnen und -patienten innerhalb der nächsten fünf Jahre um mindestens 50 % zunehmen wird. Die Ursachen für diese extreme Steigerung sind bekannt. Das bedeutet, dass die Platzkapazitäten im niedersächsischen Maßregelvollzug bis zum Jahre 2010 um 50 % gesteigert werden müssen.
Wir sind uns sicherlich darin einig, dass der Weg der Dezentralisierung, nämlich weg von Moringen als einziger zentraler Einrichtung und hin zu einer Aufteilung auf alle anderen neun Landeskrankenhäuser, zwischenzeitlich ausgereizt ist. Platzkapazität bedeutet aber nicht nur bauliche Investitionen,
Bislang kann sich die Bilanz des niedersächsischen Maßregelvollzugs sehen lassen. Neben einer geringen Zahl von Entweichungen, hoher Prognosesicherheit und hohen therapeutischen Standards zeichnet sich der Maßregelvollzug in den niedersächsischen Landeskrankenhäusern dadurch aus, dass die Rückfallquote psychisch kranker Straftäter relativ niedrig ist. Wenn dies so bleiben soll, muss angesichts steigender Verweildauern im Maßregelvollzug ein Konzept zur Anpassung des Maßregelvollzugs an die kommenden Herausforderungen erstellt werden.
Wir empfehlen der Landesregierung, den von der alten Landesregierung eingesetzten Lenkungsausschuss weiter arbeiten zu lassen und auf der Grundlage der von ihm vorgelegten Empfehlungen ein Regierungskonzept zu entwickeln und dieses dem Parlament zur Beratung zuzuleiten. Unser Antrag fordert inhaltlich genau dies, ebenso wie er fordert - nunmehr nach Vorlage des Lenkungsausschussgutachtens -, die Privatisierung vom Tisch zu nehmen. Da wir uns im Wahlkampf alle einig gewesen sind, dürfte Letzteres kein Problem sein.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, Sie haben eben den Antrag verlesen, der die öffentliche Trägerschaft der Landeskrankenhäuser betrifft. Darauf werde ich zum Schluss meiner Ausführungen eingehen.
Es werden in der Tat aber noch weitere Forderungen in diesem Antrag gestellt. Man muss schon staunen, dass Sie diese Forderungen bereits heute, nämlich 30 Tage nach Amtsantritt der neuen Landesregierung, stellen. Es ist völlig richtig, dass Sie den Finanzbedarf im Maßregelvollzug angesprochen haben und ein langfristiges Personalkonzept fordern. Aber ebenso richtig ist, dass dadurch eines der schwerwiegenden Versäumnisse der SPDLandesregierung aufgedeckt wird, nämlich genau das nicht getan zu haben, was jetzt gefordert wird.
Die Situation im Maßregelvollzug ist angespannt, und sie wird sich - so die Prognosen; insofern haben Sie mit Ihren Ausführungen Recht - weiter verschärfen. Dies gehört zu den großen Erblasten, die Sie uns gerade in der Sozialpolitik hinterlassen haben.
Ich habe mich gleich nach der Amtsübernahme - das ist, wohlgemerkt, 30 Tage her - über die Situation informiert. Es besteht ein Finanzbedarf von 90 Millionen Euro, von denen 43 Millionen Euro noch nicht abgedeckt sind - und das nicht erst seit 30 Tagen.
Wir haben in der Tat eine Überbelegung in der Größenordnung von etwa 200 Patienten - und das nicht erst seit 30 Tagen. Diese Situation war bekannt.
Jetzt, vier Wochen nach Amtsantritt der neuen Landesregierung, hier zu sagen „Es müssen mehr Mittel bereitgestellt werden, und es muss ein Konzept vorgelegt werden“, ist - um es vorsichtig auszudrücken - Politik der wohlfeilen Art.
Ich habe die Überschriften in den Zeitungen, wonach die Fachleute einen Kollaps im Maßregelvollzug befürchten, sehr wohl gelesen. Mit diesem Entschließungsantrag soll jetzt ein Zeitdruck ausgeübt werden, der in den letzten Jahren eben nicht ausgeübt worden ist. Es ist meines Erachtens auch ungewöhnlich, wenn Sie zu diesem Zeitpunkt unter therapeutischen und sicherheitspolitischen Aspekten ein langfristiges Personalkonzept fordern, obwohl Sie ganz genau wissen, dass die SPDLandesregierung 1998 aus finanzpolitischen Erwägungen heraus beschlossen hat, die therapeutische Betreuungsdichte im Maßregelvollzug wieder zu verschlechtern.
lösen, soweit sie in meine Zuständigkeit fallen. Aber dann muss man die Dinge auch beim Namen nennen.
Wir haben mit dem Maßregelvollzug eine große Verantwortung, insbesondere auch zum Schutz der Bevölkerung. Die Ausweitung der Kapazitäten muss sich aber auch an empirisch gesicherten Daten orientieren. Wir alle wissen, bei den Gerichten gibt es tatsächlich einen beobachtbaren Trend, Straftäter vermehrt in den Maßregelvollzug einzuweisen. In den letzten zehn Jahren ist im Maßregelvollzug die Verweildauer von durchschnittlich vier Jahren auf durchschnittlich sechseinhalb Jahre gestiegen. Diese Spruchpraxis auf der einen Seite und die längere Verweildauer auf der anderen Seite machen zwangsläufig eine Erhöhung der Kapazitäten erforderlich.
Es gibt aber auch Fragen, die bisher völlig unbeantwortet geblieben sind. Ich wundere mich, dass hier eben der Eindruck erweckt wurde, es lägen Daten zu der Frage vor, ob die Ergebnisse dadurch besser geworden sind, dass die Verweildauer im Durchschnitt um zweieinhalb Jahre gestiegen ist. Welche Daten gibt es überhaupt zur Bewährungszeit? Was ist mit der Treffsicherheit der Prognose? - Zu diesen Fragen gibt es bis jetzt überhaupt kein empirisches Material, und solches ist auch niemals angefordert worden. Alle diese Fragen sind unbeantwortet. Es zeigt sich also, dass wir uns dieses Themas grundsätzlich annehmen müssen, um Versäumtes aufzuholen.
In Ihrem Antrag gehen Sie auch auf die Frage der Trägerschaft für die Landeskrankenhäuser ein. Sie haben zu Recht daran erinnert, dass es die SPDgeführte Landesregierung war, die aufgrund eines Berger-Gutachtens das damalige MFAS beauftragt hatte, die Möglichkeit einer Privatisierung der Landeskrankenhäuser zu prüfen. Dieser Auftrag der alten Landesregierung hat natürlich zu erheblicher Unruhe und zu erheblichen Sorgen bei den Beschäftigten der Landeskrankenhäuser geführt.
Wir haben bei der Übernahme der Amtsgeschäfte den Bericht des Lenkungsausschusses vorgefunden, und wir werden ihn sorgfältig prüfen und auswerten, bevor wir eine entsprechende Bewertung vornehmen. Aber eines möchte ich jetzt schon ganz deutlich zum Ausdruck bringen: Zum jetzigen Zeitpunkt besteht für mich kein Anlass, die öffentliche Trägerschaft in Frage zu stellen.
Ebenso klar sage ich: Für mich ist es in erster Linie wichtig, dass die psychisch kranken Menschen in diesen Krankenhäusern optimal versorgt sind. Die Frage, welches Betriebsführungsmodell dafür am besten geeignet zu sein scheint, stellt sich erst in zweiter Linie. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schwarz, wir sind schon erstaunt gewesen, dass die SPD-Fraktion diesen Antrag eingereicht hat; denn schließlich gab es einen klaren Auftrag, und den haben Sie ja auch skizziert. Der Lenkungsausschuss hat bereits eine Empfehlung vorgelegt.
Dieser Lenkungsausschuss ist schon im Februar 2002 von dem damaligen Staatssekretär Witte ins Leben gerufen worden. Er hatte den klaren Auftrag, u. a. das derzeitige Betriebsführungsmodell unter Berücksichtigung der sich verändernden psychiatrischen Gesamtversorgung in Niedersachsen und alternativer Modelle in anderen Bundesländern zu überprüfen. Aufgrund dieser Auftragserteilung hat es dann mehrere Sitzungen gegeben.
Die Verunsicherung des Personals und der Krankenhausleitungen - Frau Ministerin von der Leyen hat es eben deutlich gesagt - wurde durch die alte SPD-Landesregierung ausgelöst, weil diese mit Kabinettsbeschluss vom 27. August 2002 den Auftrag des Lenkungsausschusses erweitert hat, und zwar dahin gehend, dass auch noch geprüft werden sollte, ob auch eine Privatisierung ins Kalkül gezogen werden könnte.
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat diese Frage in ihrem Gutachten „Konsolidierungspotenziale für den niedersächsischen Landeshaushalt im Horizont der Reformagenda bis 2007“ aufgegriffen. Sie hat aufgrund dieses Auftrags einen Zwischenbericht vorgelegt, der dann im Juli eingereicht worden ist. Ich darf daran erinnern, dass wir das schon damals bemängelt hatten. Ich hatte im November eine Anfrage dazu gestellt. Auf diese wurde mir geantwortet, dass, da es sich nur um
einen Zwischenbericht handele, die Aussagen zu den Landeskrankenhäusern den Oppositionsfraktionen nicht zur Verfügung gestellt zu werden bräuchten.
Dieser Berger-Bericht zur Konsolidierung des Haushalts hat laut damaliger Antwort des Finanzministeriums zwar insgesamt 516 000 Euro gekostet, letztlich aber überhaupt nichts zur Konsolidierung des Landeshaushalts beigetragen. Das lässt sich auch über viele Berichte von Berger sagen, die von der früheren Landesregierung in Auftrag gegeben wurden.