(Karl-Heinz Klare [CDU]: Warum hast du ihr eben nicht das Wort entzogen? Es war nämlich falsch, was sie gesagt hat!)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Fraktion lehnt diesen Antrag ab. Zwei Gründe sind dafür ausschlaggebend. Der erste Grund: Dieser Antrag selbst ist nicht konsistent. Der zweite Grund: Er ist auch nicht überzeugend angesichts der Herausforderungen im Bereich der Kindertagesbetreuung.
Warum ist dieser Antrag nicht konsistent? - Er negiert die jetzt schon vorhandene Bewegungserziehung. Das ist in der Anhörung deutlich geworden. Er bürokratisiert diesen Bereich durch Übungsleiterscheine. Er drückt sich um die Finanzierung der
angekündigten Projekte. Er nimmt nicht zur Kenntnis, dass in anderen Bereichen wie dem Niedersächsischen Kinder- und Jugendplan und der Schulpolitik Kürzungen stattfinden, die zulasten der Bewegungserziehung gehen.
Warum ist dieser Antrag nicht überzeugend? - Er ist deswegen nicht überzeugend, weil die gesamte Fachliteratur und alle Expertinnen und Experten immer wieder darauf aufmerksam machen, dass die körperliche Entwicklung von Kindern nicht zu trennen ist von der sozialen Entwicklung, der emotionalen Entwicklung und der geistigen Entwicklung. Dieser Ansatz muss ein ganzheitlicher sein; ein Gesamtkonzept ist erforderlich.
Das heißt, dieser Antrag ist ein falsches Signal in einer Zeit, in der es große Herausforderungen im Bereich der Kindertagesbetreuung gibt. Da reicht es auch nicht, Frau Vockert, dass Sie auf einen Antrag Ihrer Fraktion aus der letzten Legislaturperiode aufmerksam machen.
Das Problem ist ja gerade, dass Herr Minister Busemann seit einem Jahr zu dieser Thematik nichts, aber auch gar nichts anzubieten hat außer der Sprachförderung. Aber die Sprachförderung war letztlich das, was von uns auf den Weg gebracht worden ist und letztlich nur noch vollendet wurde.
Um eine Brücke zu schlagen, hat meine Fraktion im Ausschuss einen Ergänzungsvorschlag unterbreitet, um das Thema Bewegungserziehung gemeinsam mit den anderen Aspekten voranzutreiben. Hier waren Sie leider nicht beweglich genug. Deswegen gibt es nur die Konsequenz, diesen Antrag abzulehnen.
Um deutlich zu machen, worum es im Bereich der Kindertagesbetreuung zurzeit wirklich gehen muss, hat meine Fraktion einen eigenen Entschließungsantrag zur frühkindlichen Bildung in Kindertageseinrichtungen entwickelt. Er wird heute Nachmittag debattiert. Ich freue mich auf diese Debatte. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, zu Wort gemeldet hat sich nun Herr Minister Busemann. Bitte schön, Herr Minister!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich haben wir hier doch einen Grundkonsens, und der ist doch auch überall unüberhörbar: Kinder brauchen Bewegung; ohne regelmäßige Bewegung gibt es keine gesunde Entwicklung unserer Kinder. Diese Übereinstimmung ist für mich, im Ministerium und für uns alle wert, dass man sich anstrengt. Das Kultusministerium strengt sich insbesondere an, auch Anträge so, wie sie nachher beschlossen werden, entsprechend umzusetzen.
Gleichwohl wundere ich mich schon ein bisschen. Man muss doch nicht bei jedem Tagesordnungspunkt eine gewaltige Konfrontationslinie aufbauen und dann auch noch irgendwelche Pirouetten drehen, um etwas doch nicht mitbeschließen zu müssen, sondern ablehnen zu können.
- Frau Kollegin, was soll das denn? Wir sind noch nicht einmal ein Jahr im Amt. Gleich muss ich mich wahrscheinlich eine Stunde lang rechtfertigen, dass ich mit vielem zu schnell sei, und hier kommt der Vorwurf, dass nichts oder nicht genug passiert sei.
Frau Seeler, ich darf Sie in einem Punkt aufklären. Bis 1992 gab es an den Grundschulen die dritte Sportstunde. 1992 war es der sozialdemokratische Kultusminister, der im Verlauf einer Stundenkürzungsaktion auf zwei Stunden zurückgegangen ist. Dann hatten wir an den Grundschulen für die Klassen eins bis vier 88 Stunden. - Das nur einmal zur historischen Wahrheit.
In den Grundsatzerlassen für die Grundschulen sehen wir zwei Stunden Sport vor. Aber dort gibt es auch noch die Kontingentstunden. Wenn die Schule kreativ ist und wenn sie es will, kann sie auch mehr Sport machen.
Hier aber geht es um die Kindertagesstätten. Um das gleich mit zu erledigen, Frau Janssen-Kucz: Der Orientierungsrahmen ist in Arbeit und wird in Kürze kommen. Der nächste Kita-Jahrgang wird das dann entsprechend umsetzen können. Ich muss Ihnen sagen, ich kann hier eine Stunde lang reden und über die Geldknappheit in allen Bereichen lamentieren. Aber dieser Orientierungsrahmen, muss ich ehrlich sagen, ist eine Frage von Kreativität und wie wir es miteinander machen. Es
Meine Damen und Herren, das hin und wieder gehörte Bedenken, unser Vorhaben „bewegter Kindergarten“ gehe zulasten des ganzheitlichen Bildungsauftrages, kann ich überhaupt nicht teilen. Vielmehr würden wir ohne dieses Vorhaben den Bildungsauftrag gerade nicht vollständig erfüllen können. Meine Auffassung wird auch durch die Erklärung des Club of Cologne bestätigt. Für die, die es nicht wissen: Das ist die Gemeinschaft der führenden Sportwissenschaftler. Ich will Ihnen hier zwei Zitate wiedergeben. Erstes Zitat:
„Kinder brauchen Bewegung, damit sie sich gesund und leistungsfähig entwickeln. Bewegung ist nicht nur unerlässlich für die körperliche, sondern auch für die kognitive Entwicklung. Sie fördert die Lernbereitschaft, die Lernfähigkeit und das psychosoziale Wohlbefinden. Mit ihren Bewegungen begreifen, erobern und erweitern Kinder ihre Welt und erwerben Selbstkontrolle und Selbstachtung.“
„Durch Bewegung gliedern sich Kinder in ihre Kultur ein und lernen, in ihr eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Bewegungskönnen ist Voraussetzung, um an wertvollen Bereichen der Kultur, insbesondere dem Sport, aktiv und gestaltend teilnehmen zu können. Die Basis dafür muss im Kindesalter geschaffen werden.“
Wir sind uns doch auch einig, dass wir bei den Abiturienten nicht mehr eingreifen müssen. In der Kindertagesstätte, an der Grundschule - Frau Seeler, da sind wir uns einig - muss Bewegung im wahrsten Sinne des Wortes erzeugt werden. Darüber haben wir doch eigentlich auch Konsens.
Was der Club of Cologne im Dezember formuliert hat, haben wir hier im Niedersächsischen Landtag bereits im September debattiert; man möge sich erinnern. In dem Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen findet sich genau das wieder, was auch die Wissenschaftler fordern. Wir können uns also bestätigt fühlen.
Es besteht vielleicht auch Einigkeit über folgende Zielvorstellungen, die ich in fünf Punkten noch erwähnen will. Die Kinder wollen wir für ein bewegungsaktives sportliches Leben gewinnen. Die Eltern sind über die Bedeutung von Bewegung für ihre Kinder mehr als bisher aufzuklären; sie müssen aktiv eingebunden werden. Die Kinderärzte und der öffentliche Gesundheitsdienst sind in ihren Bemühungen um eine bewegungsreiche Kindheit zu bestätigen. Es ist ein lohnendes Ziel, die Kindertagesstätten als Umwelten für bewegtes Lernen und Leben entwickeln und die Befähigung der Erzieherinnen für Bewegungserziehung zu verbessern. Ganz wichtig ist auch, Sportvereine dafür zu gewinnen, vielseitige, kindgerechte Angebote auszubauen.
Da können wir miteinander noch besser werden. Die Sportvereine stehen durchaus schon auf der Matte und sagen: Zeigt uns den Weg. Wir sind bereit, in die Kitas zu gehen.
Wir wollen die Lern- und Entwicklungsbedingungen für alle Kinder verbessern. Wir wollen keine Leuchtturmpolitik mit irgendwelchen einzelnen, isolierten Modellen. Wir wollen das Vorhaben „bewegter Kindergarten“ eingebettet sehen in das Konzept, das in Kürze kommt, in den Orientierungsplan für Bildung und Erziehung.
Wir sind uns auch in dem Ziel einig, meine Damen und Herren, dass alle Kinder eine qualifizierte Bewegungsförderung erhalten. Auch deshalb wollen wir bei der Aus- und Fortbildung der Kindergärtnerinnen Anleihen beim organisierten Sport machen. Niemand muss gedankenloses Kopieren befürchten. Aber es ist doch sinnvoll, dass wir vorhandene Kompetenzen zugunsten der Kinder nutzen. Wenn es gelingt, mit mehr Bewegungserziehung im Kindergarten mehr Kindern die Freude an sportlicher Betätigung zu vermitteln und damit auch die Tür zum Sportverein zu öffnen, wäre das erst einmal eine gute Sache. Es soll aber keiner kommen und sagen: „Jetzt wollen die schon wieder die Medaillengewinner der Zukunft produzieren.“ Das ist gar nicht unser Ziel. Wir wollen das eingebettet wissen in den Erziehungsauftrag, aber auch in den Bildungsauftrag für Kindertagesstätten.
So gesehen, ist das nicht ein Auftrag neben Erziehung und Bildung, sondern ein Auftrag inklusive, innerhalb des Orientierungsrahmens. Das ist ein
lohnenswertes Ziel. Das, meine ich, sollte nur begrenzt parlamentarisch ausgestritten werden. Das gemeinsame Tun ist mir da wichtig. - Danke schön.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit den Antrag unverändert annehmen möchte, den bitte ich nun um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Dem Antrag ist mehrheitlich so zugestimmt worden.
Tagesordnungspunkt 18: Zweite Beratung: Gebrochene Versprechen in der Schulpolitik: Standortsicherheit, Durchlässigkeit und Chancengleichheit im Bildungswesen bleiben auf der Strecke - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/464 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 15/809
Tagesordnungspunkt 19: Einzige (abschließende) Beratung: Unterrichtsversorgung korrigieren - Mehr Lehrerstunden für Förderung und Differenzierung - Gesamtschulen und Volle Halbtagsschulen nicht ausbluten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/618 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses Drs. 15/811 Änderungsantrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/818
Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung: Ganztagsschulen fördern und nicht ausbremsen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/744
Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung: Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre aussetzen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/802
Eine Berichterstattung zu den Tagesordnungspunkten 18 und 19 ist nicht vorgesehen. Somit können wir gleich zu der Einbringung der Tagesordnungspunkte 20 und 21 und zur Beratung kommen.
Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Korter. Bitte schön, Frau Korter!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit markigen, ja mit großspurigen Sprüchen hat der Kultusminister vor einem Jahr seine Schulpolitik charakterisiert. Von der umfassendsten Schulstrukturform in der Geschichte des Landes Niedersachsen seit 50 Jahren hat er geredet. Er glaubte, mit dieser Strukturreform Bildungsgeschichte schreiben zu können. Die Unterrichtsversorgung wollte er mit 2 500 neuen Lehrerstellen auf 100 % bringen.