Protocol of the Session on February 19, 2004

Noch in den Antworten auf die Dringliche Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen vom 22. Januar 2004 betonte die Landesregierung, die kommunalen Frauenbeauftragten hätten sich „bewährt“ und seien „ein wichtiger Motor für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in diesem Land“.

Am 10. Februar erklärte Ministerin von der Leyen, die Verpflichtung zur Bestellung einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten solle künftig nur noch für Landkreise und große selbständige Städte gelten. Die selbstständigen Gemeinden seien künftig nicht mehr zur Bestellung einer hauptamtlichen Frauen

beauftragten verpflichtet. Damit wird die Zahl der hauptamtlichen Frauenbeauftragten von 137 auf 55 reduziert. Gleichzeitig soll zukünftig eine einfache Mehrheit zur Abwahl der Frauenbeauftragten ausreichen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie erklärt die Landesregierung die Tatsache, dass entgegen allen Einlassungen vom 22. Januar 2004, die hauptamtlichen Frauenbeauftragten nicht abschaffen zu wollen, nun etwa 60 % der Stellen durch ehrenamtlich oder nebenamtlich tätige Frauenbeauftragte ersetzt werden sollen?

2. Wie erklärt die Frauenministerin die Tatsache, dass ihre Überlegungen, die Verpflichtung zur Bestellung einer hauptamtlichen Frauenbeauftragten an den selbständigen Status einer Gemeinde zu binden, sich in den veröffentlichten Plänen der Landesregierung nicht wiederfinden?

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

3. Wie kommt die Frauenministerin zu der Einschätzung, dass das Ergebnis der Koalitionsbesprechung ein voller Erfolg gewesen sei, obwohl die Frauenbeauftragten nun mit einfacher Mehrheit und nicht wie bisher mit einer Zweidrittelmehrheit abgewählt werden können?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die Landesregierung gibt Ministerin Frau Dr. von der Leyen die Antwort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr gerne bereit, meine Worte aus dem letzten Plenum zu wiederholen. Die kommunalen Frauenbeauftragten haben sich bewährt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Diese Tatsache hat die Landesregierung nicht infrage gestellt, und diese Tatsache wird die Landesregierung auch nicht infrage stellen.

(Zuruf von der SPD: Deshalb schaffen Sie sie ab! - Weitere Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Ich möchte Ihnen allerdings auch einmal sagen, was die Stellung der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten in Niedersachsen tatsächlich gefährdet: Das ist ein inzwischen zehn Jahre altes Gesetz, das von Anfang an darauf angelegt war, Gleichberechtigungspolitik nicht im Miteinander voranzubringen, sondern das aus dem alten Geist der Konfrontation geboren war.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christina Bührmann [SPD]: Ach, Frau von der Leyen, das ist doch Unsinn!)

Sie haben das damals mit Ihrer rot-grünen Mehrheit einfach beschlossen - ohne Rücksicht auf andere. Sie haben starre Konfrontationslinien aus den 70er-Jahren einfach fortgeschrieben, nämlich Frauenpolitik erbarmungslos gegen die in Ihren Augen verknöcherten Männer durchzudrücken, die die Kommunen beherrschen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Dieter Haase [SPD]: Erbar- mungslos! Was für eine Wortwahl - Weitere Zurufe von der SPD)

Diese Grundhaltung war falsch. Sie haben auf Zwang gesetzt, anstatt die Beteiligten mitzunehmen und sie durch Überzeugung für die Sache der Gleichberechtigung zu gewinnen. Das war und ist der Hauptfehler des noch gültigen Gesetzes.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist in den letzten Wochen und Monaten deutlich spürbar gewesen: Diese Politik hat zu Verletzungen geführt, die bis heute nachwirken.

(Christina Bührmann [SPD]: Bei wem?)

Warum müssen wir denn sonst heute, nach zehn Jahren, immer noch über die Akzeptanz der Frauenbeauftragten diskutieren,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zurufe von der SPD)

und zwar in einer hoch emotionalisierten Weise? Ich meine, die Politik von Rot-Grün hat in diesem Fall zu einem emotionalen Scherbenhaufen geführt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Silva Seeler [SPD]: Ihre Rede schicke ich an die Frauenbeauftragten!)

Auch nach den zehn Jahren, die dieses Gesetz besteht, ist eine Normalität in der Frage der Frauenbeauftragten nicht vorhanden. Wer etwas für Gleichberechtigung tun will, der muss Konfliktlinien überwinden und darf sie nicht immer wieder zementieren. Wir wollen Gleichberechtigungspolitik für Frauen mit Männern gestalten. Wir wollen nicht Gleichberechtigungspolitik gegen die, sondern mit den Kommunen machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten leisten in aller Regel viel. Sie erfüllen eine Vielzahl von Aufgaben. Ich stehe zu jedem Wort meiner Ausführungen vom 22. Januar. Aber ebenso ist es richtig, dass wir noch mehr tun müssen, um vor Ort mehr Akzeptanz zu bekommen.

Erinnern wir uns doch einmal an den Ausgangspunkt dieser Diskussion im Sommer 2003. Damals verlangten die Spitzenverbände der Kommunen, die Verpflichtung zur Bestellung der hauptamtlichen Frauenbeauftragten durch so genannte Zielvorgaben zu ersetzen. Die konkrete Realisierung sollte dann den Gemeinden selbst überlassen werden. Konkret hieß das doch: Streichung der §§ 4 und 5 der NGO, in denen die Berufung und Aufgaben der Frauenbeauftragten geregelt sind. Damit mussten wir uns nach zehn Jahren, die dieses Gesetz besteht, auseinander setzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Hans-Jürgen Klein [GRÜ- NE])

- Ich meine, in den kommunalen Spitzenverbänden sind alle Parteien vertreten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wilhelm Heidemann [CDU]: Auch die SPD und die Grünen!)

Was haben wir erreicht? - Erstens. Die Gleichstellungsbeauftragten bleiben erhalten - hauptamtlich als Pflicht in den Landkreisen, kreisfreien Städten und den großen selbständigen Städten und als Amt in allen anderen Kommunen. Um das Thema kommt also niemand herum. Aber wir führen jetzt nicht mehr die Stellvertreterdiskussion zwischen Land und Kommune. Wir verlangen mit dieser Gesetzesänderung vor Ort eine aufrichtige Diskussion über die Gleichstellungsfrage.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wilhelm Heidemann [CDU]: Da gehört sie hin!)

In den Kommunen kann sich niemand mehr davor drücken, indem darüber diskutiert wird, was das Land vorschreiben darf oder nicht.

Was haben wir weiterhin erreicht? - Zweitens. Die Aufgabe wird nicht in die Beliebigkeit gestellt, indem die Richtlinien dem Rat überlassen werden. Im Gegenteil: Wir präzisieren darüber hinaus die Aufgaben der Gleichstellungsbeauftragten und machen deutlich, dass ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist.

Drittens. In Zukunft sollen auch die Hauptverwaltungsbeamten verstärkt in die Pflicht genommen werden. Damit wollen wir die Kommunen beim Wort nehmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

„Beim Wort nehmen“ heißt nämlich, dass sie ihrer Pflicht aus dem Grundgesetz und der Niedersächsischen Landesverfassung nachkommen kommen müssen, auf die tatsächliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinzuwirken.

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Wo le- ben Sie eigentlich!)

- In Deutschland. - Eines ist richtig: Es handelt sich bei dem Vorschlag der Landesregierung um einen Kompromiss. Natur eines jeden Kompromisses ist es, dass keine der Seiten ihre Maximalforderung durchsetzt. Wer anderes erwartet hat, lebt im Elfenbeinturm der Wünsche und nicht in der Realität des politisch Machbaren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Silva Seeler [SPD]: Das merkt man bei Ihnen! Sie kriegen Ihre Forderun- gen ja auch nicht durch!)

Ich hätte es gern gesehen, auch die 55 selbständigen Gemeinden in Niedersachsen in der Pflicht zur Bestellung einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten zu halten. Aber dann hätte ich akzeptieren müssen, dass die Aufgabenbeschreibung der Gleichstellungsbeauftragten allein in die Beliebigkeit des Rates gestellt worden wäre. Sie wissen, was das mancherorts bedeutet hätte. Die Gleichstellungsbeauftragte hätte vielleicht noch den Secondhandbasar organisieren können, und das war es. Jetzt müssen die selbständigen Städte und Gemeinden selbst entscheiden, wie sie das Amt besetzen. Dafür wird die Aufgabendefinition der Gleichstellungsbeauftragten präzisiert und gesetzlich festgeschrieben.

(Silva Seeler [SPD]: Aber Zeit haben sie nicht dafür, die Aufgaben tatsäch- lich zu erfüllen!)

- Aha. Es erstaunt mich, dass Sie das so genau wissen. - Wir sollten an dieser Stelle einmal einräumen - ich meine, es sitzen auch bei der Opposition Kommunalpolitiker in den Reihen -, dass wir als Land nicht immer schlauer und besser als die Kommunen vor Ort sind. Viele nutzen ihre Freiheit verantwortungsvoll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Dorothea Steiner [GRÜNE]: Deshalb schaffen sie sich die Frauenbeauf- tragten auch vom Hals!)

Deswegen wollen wir, dass die Kommunen ihre kommunalen Belange selber regeln können.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Da gehö- ren sie auch hin!)

Denn es zeigt sich schon, dass sie dieses verantwortungsvoll tun. 50 Gemeinden haben freiwillig - auch ohne den gesetzlichen Zwang - eine hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte berufen. Keine Kommune kommt in Zukunft um die Berufung einer Gleichstellungsbeauftragten mit gesetzlich klar definierter Aufgabenstellung herum.

Kritisiert wird die Abwahlmöglichkeit durch die einfache Ratsmehrheit. Dies habe ich von Anfang befürwortet. Denn wie nennt man es, wenn eine Position quasi Ewigkeitscharakter hat, wenn die Abwahl nur theoretisch möglich ist, wenn die Notwendigkeit zur öffentlichen Rechenschaft durch das Bemühen um Gemeinsamkeit mit der Mehrheit nicht vorhanden ist? - Es mutet zumindest vordemokratisch an.