Vielen Dank, Herr Minister Hirche. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses entfernt sich inhaltlich am weitesten vom Ursprungsantrag. Über sie ist daher zunächst abzustimmen. Nur bei ihrer Ablehnung wäre dann über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD abzustimmen.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit haben Sie der Beschlussempfehlung des Ausschusses zugestimmt. Damit brauchen wir über den Antrag der SPD-Fraktion nicht mehr abzustimmen.
Tagesordnungspunkt 20: Zweite Beratung: Rechtsstaatlichkeit der Telefonüberwachung sichern - Richtervorbehalt stärken Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/476 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 15/715
Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen. Wir kommen damit direkt zur Abstimmung. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen.
- Entschuldigung. Ich höre gerade, dass doch Wortmeldungen vorliegen. Wir steigen jetzt in die Beratung ein. Zunächst hat Frau Heike Bockmann das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte mir gewünscht, dass dieser vorliegende Entschließungsantrag im DezemberPlenum gemeinsam mit dem Polizeigesetz behandelt worden wäre. Schließlich geht es hier und heute um die Rechtsstaatlichkeit der Telefonüberwachung und im Polizeigesetz um die präventive Telefonüberwachung. Theoretisch hätte dies zusammenpassen sollen. Leider mussten wir aber lernen, dass hierbei mit zweierlei Maß gemessen wird. Die hier und heute geforderte Stärkung der Rechtsstaatlichkeit der Telefonüberwachung musste zusätzlich im Ausschuss für Angelegenheiten des Verfassungsschutzes des Landtages gründlich durchgeprüft werden, während das Polizeigesetz mit seiner präventiven Telefonüberwachung durch wenige Ausschüsse nur so durchrauschte. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Praxis im Alltag sieht so aus: Eine große Anzahl der richterlichen Anordnungen von Telefonüberwachungen ist fehlerhaft. Es mangelt aktenkundig an Einzelfallprüfungen. Statt Begründungen fanden die Gutachter in den Akten zum Teil formelhafte Wiedergaben von Gesetzestexten ohne Angabe von Gründen. Ein weiterer Punkt ist noch gravierender. Das Gesetz verlangt unter bestimmten Voraussetzungen eine spätere Benachrichtigung der Beteiligten, also derjenigen, die direkt oder indirekt abgehört wurden. In 85 % der Fälle - so das Gutachten des Max-Planck-Institutes - ist dies aber nicht geschehen. Diese Informationen verschwanden in den Akten.
Sicherlich: Die Kontrolle, wer wann wo mit wem telefoniert, befindet sich immer in einem natürlichen Spannungsverhältnis zwischen Kriminalitätsund Terrorismusbekämpfung auf der einen Seite und den Freiheitsrechten der Bürger und Bürgerinnen auf der anderen Seite. Bei der Telefonüberwachung steht die gesamtgesellschaftliche Sicherheit im Vordergrund. Wenn aber die nachträglichen Kontrollmöglichkeiten wegfallen, so mangelt es an Transparenz des Rechtsstaates; denn immerhin folgt diese Benachrichtigungspflicht unmittelbar aus dem Grundrecht auf rechtliches Gehör.
Wenn das so ist, wie es ist, dann besteht Handlungsbedarf. Auf Bundesebene befindet sich das Telekommunikationsgesetz mit seiner Berichtspflicht über Datenspeicherungen im gesetzlichen Verfahren; es ist letzte Woche im Bundestagsplenum erörtert worden. Die Überwachung des Fernmeldeverkehrs nach § 100 a StPO ist ebenfalls in der Überarbeitung. Die Fraktionen sowohl der FDP als auch der Grünen und der SPD haben letzte Woche in der Bundestagsdebatte klargestellt, dass die Telefonüberwachung überarbeitet werden muss. Zum Teil wurde auch gefordert, dass sich die Länder - bitte schön - einmischen sollen. Deshalb ist ein solcher von Niedersachsen unterstützter Bundesratsantrag keinesfalls obsolet.
Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen der CDU und FDP deshalb darum, sich ihre im Ausschuss vorgetragene süffisante Anmerkung, wir könnten uns direkt an den Bund wenden, doch bitte schön zu verkneifen. Denn für Veränderungen bei der Überwachung des Fernmeldeverkehrs brauchen wir die Zustimmung des Bundesrates. Wer anderes behauptet, zeigt, dass er von abendländischer Parlamentskultur keine Ahnung hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in den Ausschussberatungen auch keinen Hehl daraus gemacht, dass es sich bei weiten Teilen dieses Entschließungsantrages um einen der FDP-Bundestagsfraktion handelt. Er ist gut und richtig. Er ist sogar so gut und richtig, dass wir der Meinung sind, diesem Antrag besonderen Nachdruck durch eine Bundesratinitiative verleihen zu müssen. Wir haben gehofft, dass wir mit der Adaption des Antrages der FDP-Bundestagsfraktion hier fraktionsübergreifend große Einigkeit darüber erzielen könnten, dass es sich bei der Sicherung der Rechtsstaatlichkeit bei der Telefonüberwachung um ein wichtiges Thema handelt, um das wir alle uns kümmern müssen. Es hat mich daher während der Ausschussberatungen offen gestanden schon etwas verwundert, dass nicht nur die Mitglieder der CDU-Fraktion - das war vielleicht zu erwarten -, sondern auch die Mitglieder der FDP-Fraktion große Schwierigkeiten mit dem Antrag der eigenen Parteifreunde hatten und haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, was ist eigentlich so schlimm an einem Antrag, über dem „SPD“ steht und Bundes-FDP drinsteckt? Eine mutige, die Regierung tragende FDP-Fraktion hier in Hannover
Wir fordern mittels Bundesratsinitiative, dass erstens das Verfahren der richterlichen Anordnung verbessert wird. Schließlich sind die Ergebnisse des Max-Planck-Institutes erschreckend deutlich und zeigen Handlungsbedarf. Das sehen alle Parteien so.
Zweitens. Wir fordern eine Begründung für diese richterliche Anordnung. So etwas darf keinesfalls eine Fließbandarbeit sein, sondern erfordert eine detaillierte Einzelfallprüfung.
StPO zur Überwachung des Fernmeldeverkehrs vereinfacht, also entreguliert werden kann. Ich darf Ihnen dazu ein Beispiel nennen: Beihilfe zur Fahnenflucht durch Zivilpersonen kann auch unter Telefonüberwachung gestellt werden. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Hand aufs Herz: Vertreten Sie die Auffassung, dass eine beherbergende Freundin eines wehrpflichtigen Fahnenflüchtigen unbedingt abgehört werden muss? Ich meine, wir haben mit Drogenkartellen, Menschenhandel aus den Ostblockländern und den Folgen des 11. Septembers 2001 wahrlich andere gesellschaftliche Probleme.
Mit den Forderungen, dem Landtag jährlich einen selbstverständlich anonymisierten Bericht über Anzahl und Erfolg der in Niedersachsen angeordneten Telefonüberwachungsmaßnahmen vorzulegen, greifen wir ausdrücklich eine Forderung des Deutschen Journalistenverbandes auf. Doch nicht nur für Journalisten, sondern auch für uns Parlamentarier, die wir über Gesetze zu entscheiden haben, ist es wichtig zu wissen, in welchem Umfang und mit welchem Erfolg in Niedersachsen Telefone abgehört werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die bisherigen Bedenken der Justizministerin, die heute leider nicht anwesend sein kann, waren, dass ein Gutachten des Deutschen Richterbundes erst abgewartet werden sollte, bevor man sich an die Arbeit macht. Das ist mit dem heutigen Tage ausgeräumt. Das Gutachten liegt vor. Es kann also gehandelt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, stimmen Sie den guten Argumenten der Bundes-FDP ganz einfach zu. Es tut bestimmt nicht weh. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat ihren Antrag mit „Rechtsstaatlichkeit der Telefonüberwachung sichern - Richtervorbehalt stärken“ überschrieben. Man kann mit Überschriften ja einen gewissen Eindruck erwecken. Hier wird der Eindruck erweckt, als läge in diesem Bereich etwas im Argen.
Das ist nicht in Ordnung. Wir haben keinen Anlass, an der aktuellen Rechtslage etwas zu ändern. Sie ist in Ordnung.
Sie fordern mit Ihrem Antrag die Landesregierung auf, eine Initiative im Bundesrat zu starten. Das finde ich bemerkenswert. Eine SPD-Opposition im Landtag zu Hannover fordert die CDU-FDPRegierung auf, im Bundesrat aktiv zu werden, um die Strafprozessordnung zu ändern. Nun bin ich hier zwar neu,
Ich kann mir - ehrlich gesagt - nur zwei Gründe dafür vorstellen: Erstens. Sie haben keine Hoffnung, dass Rot-Grün in Berlin das Jahr 2006 erlebt, und klammern sich nun an die CDU- und die FDP-Fraktion.
Oder Sie haben zweitens die Sorge, dass Sie mit Ihrem Anliegen bei Frau Zypries auf taube Ohren stoßen könnten;
denn Frau Zypries, die SPD-Justizministerin, hat bei der Vorstellung des Gutachtens des MaxPlanck-Instituts am 15. Mai 2003 gesagt: Die Telefonüberwachung ist wirksam und maßvoll. Die Untersuchung zeigt, dass die Überwachung ein unverzichtbares und effizientes Mittel zur Strafverfolgung ist, dass sie von den Ermittlungsbehörden sensibel und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingesetzt wird.
Wir sollten der Ehrlichkeit halber auch einen Blick auf die Zahlen werfen. Die Anzahl der Verfahren, in denen Maßnahmen nach den §§ 100 a und b StPO angeordnet worden sind, ist von 1995 bis 2002 von 221 auf 432 angestiegen. Die Zahl der Betroffenen stieg von 362 auf 770. Im Durchschnitt wird also pro Tag eine Maßnahme, von der im Durchschnitt pro Tag zwei Personen betroffen
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Anordnung erfolgt auch nicht zum Spaß, sondern es geht um Straftaten.
Es ist die Aufgabe des Landes Niedersachsen, seine 8 Millionen Bürgerinnen und Bürger vor Straftaten zu schützen.