Protocol of the Session on January 22, 2004

Zur Berichterstattung zu beiden Punkten hat Frau Kollegin Somfleth das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit den Beschlussempfehlungen in den Drucksachen 694 und 714 empfiehlt Ihnen der Umweltausschuss mit den Stimmen der CDU-Fraktion und der FDPFraktion gegen die Stimmen der SPDAusschussmitglieder und der Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Entschließungsanträge in den Drucksachen 119 und 544 abzulehnen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich kurz in Erinnerung rufen, dass beide Entschließungsanträge im Mai 2003 ohne erste Beratung an den Umweltausschuss überwiesen worden sind. Ohne den folgenden Redebeiträgen vorgreifen zu wollen, möchte ich kurz auf einen Aspekt der Beratung im Umweltausschuss eingehen. Die Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen hat in der öffentlichen Erörterung im federführenden Umweltausschuss im Juni letzten Jahres an die Mitglieder des Umweltausschusses appelliert, sich auf ein ergebnisoffenes Suchverfahren einzulassen, einem Gespräch mit den Mitgliedern des Arbeitskreises Endlager zuzustimmen und eine Anhörung zum Thema „Endlagerung radioaktiver Abfälle“ durchzuführen. Der Sprecher der SPDFraktion brachte zum Ausdruck, dass er das Anliegen der antragstellenden Fraktion nach einer Anhörung unterstützen werde. Im Hinblick auf einen verantwortlichen Umgang mit der Problematik Endlagerung sei eine breite politische und gesellschaftliche Diskussion unbedingt erforderlich. Dieser Auffassung mochten sich die Regierungsfraktionen nicht anschließen. Im Zuge der Erörterung von Verfahrensfragen zu Beginn der Beratung

wurde die von den Oppositionsfraktionen geforderte Anhörung von beiden Regierungsfraktionen abgelehnt. Zum Abschluss der durchgehend kontrovers geführten Beratung votierten die Vertreter und Vertreterinnen der Fraktion von CDU und FDP für eine Ablehnung der beiden Entschließungsanträge.

Die mitberatenden Ausschüsse für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, für Inneres und Sport sowie für Haushalt und Finanzen haben sich dem Beratungsergebnis des Umweltausschusses ohne weitergehende Diskussion angeschlossen. Der federführende Umweltausschuss empfiehlt, den Beschlussempfehlungen in den Drucksachen 694 und 714 zuzustimmen. Den ausführlichen Bericht gebe ich zu Protokoll. - Danke.

(Zu Protokoll:)

Mit den Beschlussempfehlungen in den Drucksachen 694 und 714 empfiehlt Ihnen der Umweltausschuss mit den Stimmen der Vertreterinnen und Vertreter der CDU-Fraktion und der FDP-Fraktion gegen die Stimmen der SPD-Ausschussmitglieder und der Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Entschließungsanträge in den Drucksachen 119 und 544 abzulehnen.

Dem erstgenannten Antrag hatte der Landtagspräsident zur federführenden Beratung und Berichterstattung direkt an den Umweltausschuss überwiesen.

Die Vertreterin der antragstellenden Fraktion erläuterte in der öffentlichen Erörterung des federführenden Umweltausschusses am 4. Juni 2003 deshalb zunächst die Beweggründe, die zur Einbringung des Entschließungsantrages geführt haben. Danach sei ein wesentlicher Kritikpunkt an dem Endlagerstandort Gorleben von Anbeginn an der Umstand gewesen, dass er ohne erkennbaren systematischen und wissenschaftlich begründeten Ansatz bestimmt worden sei. Auch in Bezug auf die Eignungskriterien und die Anforderungen an die Langzeitsicherheit habe ein systematischer Ansatz nicht vorgelegen. Die Ergebnisse des Arbeitskreises Endlager böten nun die Möglichkeit, eine systematische Suche nach einem geeigneten Standort in der Bundesrepublik Deutschland unter Einbeziehung des Standortes Gorleben aufzunehmen. Für ihre Fraktion sei hierbei entscheidend, dass ein Vergleich mit anderen Standorten überhaupt durchgeführt werde. Abschließend appellierte die Abgeordnete an die Mitglieder des

Umweltausschusses, sich auf ein ergebnisoffenes Suchverfahren einzulassen, einem Gespräch mit den Mitgliedern des Arbeitskreises Endlager zuzustimmen und eine Anhörung zum Thema Endlagerung radioaktiver Abfälle durchzuführen.

Der Sprecher der SPD-Fraktion brachte zum Ausdruck, dass er das Anliegen der antragstellenden Fraktion nach einer Anhörung unterstützen werde. Im Hinblick auf einen verantwortlichen Umgang mit der Problematik Endlagerung sei eine breite politische und gesellschaftliche Diskussion unbedingt erforderlich. Die Vorgehensweise der Regierungsfraktionen und der Landesregierung, die Erkundungsarbeiten in Gorleben fortzusetzen, werde in der betroffenen Region kritisch aufgenommen. Seines Erachtens müsse zumindest der Versuch unternommen werden, einen gesellschaftlichen Konsens zu diesem Problem zu finden.

Der Sprecher der Fraktion der CDU wies darauf hin, dass die Koalitionsvereinbarung u. a. beinhalte, grundsätzlich die Option der Nutzung der Kernenergie offen zu halten. Die Regierungsfraktionen ständen daher zu der Verantwortung für eine sichere nukleare Entsorgung und befürworteten eine zügige Wiederaufnahme der Erkundung des Salzstocks Gorleben. Befremdlich sei für ihn dagegen die derzeitige Vorgehensweise der Bundesregierung, die eine mögliche Lösung der Entsorgungsproblematik durch das Hinausschieben einer Wiederaufnahme der Erkundungsarbeiten verzögere. Seine Fraktion wolle einen solchen Aufschub verhindern, zumal keine Erkenntnisse vorlägen, die ernsthafte Zweifel an einer Eignung des Salzstocks begründen könnten. Der Abgeordnete schloss seine Ausführungen mit der Bemerkung, dass der Standort Gorleben ergebnisoffen weiter zu erkunden sei. Sollte sich erweisen, dass er ungeeignet wäre – bislang gebe es hierfür keine Beweise - , müsse nach einem anderen Standort gesucht werden.

Der Sprecher der Fraktion der FDP schloss sich den Ausführungen des Vertreters der CDUFraktion an und führte überdies aus, durch den Stillstand der Erkundungsarbeiten seien hohe Kosten entstanden, da teure technische Einrichtungen nicht hätten genutzt werden können. Auch seine Fraktion befürworte daher eine umgehende Wiederaufnahme der Arbeiten. Die heutige Generation stehe nach seiner Auffassung in der Verantwortung, das Problem der Endlagerung der von ihr produzierten radioaktiven Abfälle zu lösen.

Der Vertreter der Landesregierung nahm sodann zu dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Stellung und wies darauf hin, dass im Hinblick auf einen angestrebten gesellschaftlichen Konsens die Vorgabe der Bundesregierung, sich ausschließlich mit einer EinEndlager-Strategie zu befassen, fallen gelassen werden solle. Dem Gutachten des Arbeitskreises Endlager lasse sich entnehmen, dass sich die Gutachter angesichts des Mengenaufkommens und der Gefährlichkeit der Abfälle unterschiedlicher Kategorien mehrheitlich für ein differenziertes Vorgehen und damit für eine differenzierte Endlagerung aussprächen. Diese Einschätzung werde von der Landesregierung geteilt. Dementsprechend erwäge sie zu diesem Thema eine Anhörung durchzuführen.

Im Zuge der Erörterung von Verfahrensfragen zu Beginn der Beratungen wurde die von den Oppositionsfraktionen geforderte Anhörung von den beiden Regierungsfraktionen abgelehnt.

Dem Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen folgte in der Sitzung des Umweltausschusses am 15. Dezember 2003 der ebenfalls direkt überwiesene Entschließungsantrag der SPD-Fraktion in der Drucksache 544. Zentraler Punkt darin ist die rasche Umsetzung der Vorschläge des Arbeitskreises Endlager.

Die Fraktionen im federführenden Umweltausschuss verständigten sich deswegen auf die weitere gemeinsame Behandlung der beiden Anträge.

Zum Abschluss der durchgehend kontrovers geführten Beratungen votierten die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktionen der CDU und der FDP für eine Ablehnung der beiden Entschließungsanträge.

Die mitberatenden Ausschüsse für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, für Inneres und Sport sowie für Haushalt und Finanzen haben sich dem Beratungsergebnis des Umweltausschusses ohne weitergehende Diskussion angeschlossen.

Am Ende meiner Berichterstattung bitte ich Sie daher namens des federführenden Umweltausschusses, den Beschlussempfehlungen in den Drucksache 694 und 714 zuzustimmen, die beiden Anträge mithin abzulehnen.

Ich erteile jetzt das Wort Frau Harms. Bitte schön!

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Jetzt schon?)

- Ja. Sie haben den Antrag eingebracht, und dann sind Sie auch zuerst dran. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind einige Monate vergangen, seit wir diesen Antrag eingebracht haben. Ich muss Ihnen sagen, dass mich der Verlauf der Diskussion um die Möglichkeit eines Neubeginns der Suche nach einem Endlager sehr enttäuscht. Da wird mit vielen Unwahrheiten gearbeitet. Ich möchte deshalb die Gelegenheit nutzen, für meine Fraktion eines klarzustellen: Für uns ist der Wunsch, die Empfehlungen des Arbeitskreises Endlager umzusetzen, nicht gleichzusetzen mit dem Wunsch nach der Blockade des Ziels, die sichere Endlagerung zu erreichen. Wir meinen, dass Fehler korrigiert werden müssen, die in den 70er-Jahren gemacht worden sind. Hier weiß fast niemand mehr, dass der Standort Gorleben das Ergebnis eines abgebrochenen Vergleichs ist. Damals hatte man mit einer vergleichenden Suche in Niedersachen begonnen, was eigentlich richtig war. Weil es aber an allen Standorten große Probleme gab - sowohl in Aschendorf-Hümling als auch im Lichtenmoor als auch in Lutterloh bei Celle -, wurde aus politischen Gründen in einer sehr ruhigen, abgelegenen Region, dem Wendland, ein Standort festgesetzt, ohne dass man weiterhin auf diesem vergleichenden systematischen Suchansatz bestanden hat.

(Beifall bei den GRÜNEN – Minister Walter Hirche: Das ist doch unrichtig!)

- Herr Hirche, ich glaube, dass das damals ein entscheidender Fehler war.

(Minister Walter Hirche: Sie waren ja nicht dabei! Ich war dabei! Deshalb kann ich das beurteilen!)

Die Geologen, die Ernst Albrecht damals beraten haben, haben später öffentlich erklärt, dass aus politischen Gründen Gorleben Standort geworden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich bin für den Neubeginn einer Suche. Ich möchte, dass geeignete Standorte in der Bundesrepublik in die Erkundung einbezogen werden und dass Gorleben Bestandteil dieses Vergleiches ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Christian Dürr [FDP]: Was hat das Moratorium denn gebracht, Frau Harms?)

Das ist das Mindeste an Sicherheitsorientierung, das zu gewährleisten ist. Jeder, der behauptet, dass wir mit einer Suche Gorleben nur blockieren wollten, der betrügt die Öffentlichkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Un- glaublich!)

Der Arbeitskreis Endlager, die Grünen, der Bundesumweltminister sind für einen ergebnisoffenen Vergleich. Sie meinen aber, dass es ein großer Fehler sei, ohne einen Vergleich einen Standort geeignet zu erkunden. Genau auf diese Linie, Herr Sander, haben Sie und dieses Kabinett Wulff die Endlagerdiskussion zurückgebracht. Im Moment geht es der Niedersächsischen Landesregierung darum, der Atomindustrie dabei zu helfen, so günstig wie möglich an ein Endlager zu kommen. Ob es besser geeignete Standorte in der Bundesrepublik gibt, interessiert dabei nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und von Abgeordneten der SPD)

Das interessiert aber, meine Damen und Herren, und wird immer interessieren die Menschen an dem betroffenen Standort. Der Wunsch nach einem Vergleich zieht sich seit 25 Jahren zentral durch die Auseinandersetzung.

(Christian Dürr [FDP]: Auf Kosten der nächsten Generation!)

Ich akzeptiere nicht, dass in den 70er-Jahren Fehler gemacht worden sind und man jetzt mit Kostengründen zulasten der Sicherheit auf einem falsch begründeten Standort sitzen bleibt.

Ich bedaure, dass der offene Ansatz, den der Ministerpräsident mir zu Beginn der Legislaturperiode signalisiert hat, dass die Diskussionsbereitschaft verloren gegangen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Kollege Dehde hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Umweltminister Sander hat über einen Artikel in der Landeszeitung - geschrieben von Herrn Meinecke - die Überschrift bekommen: „Umwelt im Dienst der Wirtschaft - Minister beim FDPDreikönigstreffen“. Was unsere heutige Thematik angeht, gewinne ich langsam den Eindruck, dass die Überschrift eigentlich hätte lauten müssen: Umweltminister im Dienst der Atomwirtschaft.

(Zurufe von der FDP: Oh!)

Denn eines, meine Damen und Herren, müssen wir doch feststellen: Die Verweigerungshaltung, die auch dieser Minister praktiziert, lässt sich kaum noch mit rationalen Argumenten erklären.

Der Journalist Herr Meinecke schreibt als Fazit einer Rede, die der Minister dort gehalten hat, weiter:

„Das jedenfalls lässt sich als Fazit seiner halbstündigen, seltsam unsortierten und wenig nachdenklichen Rede ziehen.“

Ich habe den Eindruck, das kann sich nicht nur auf diese Rede beziehen, sondern muss sich auch auf die Politik, die vermeintliche Umweltpolitik, dieses Ministers beziehen.

(Beifall von Abgeordneten der SPD - Anneliese Zachow [CDU]: Sie sind unverschämt, Herr Dehde!)

Ich werde Ihnen das an einigen Punkten verdeutlichen, die diese Schlüsse nahe legen.

Zunächst zum Umgang mit dem Parlament. Da ist Praxis, dass Anhörungen zu einem für das Land Niedersachsen wirklich existenziellen Thema von Ihnen verweigert werden.

(Christian Dürr [FDP]: Sie waren doch beim Symposium!)