Wir müssen uns auf unsere hoheitlichen Kernaufgaben konzentrieren. So bieten gerade die elektronischen Medien neue Möglichkeiten der Aufgabenwahrnehmung bzw. Aufgabenverlagerung. Diese müssen wir nutzen. Ich nenne als Beispiele die Einführung eines zentralen elektronischen Schuldnerverzeichnisses, das Einstellen von Daten aus Insolvenzverfahren in das Internet und die Übertragung der Registerführung von Grundbuch und Handelsregistern auf private Dritte, z. B. die Kammern; Herr Dr. Biester hat das schon angesprochen. Auch die Zusammenlegung von Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit sowie Arbeitsund Zivilgerichtsbarkeit - ich freue mich über die Zustimmung des Kollegen Briese - gehören dazu. Wir stehen erst am Beginn einer Entwicklung, diese Methoden zu nutzen. Die FDP-Fraktion wird sich konsequent auf diesen Weg begeben und ihn verfolgen.
Ebenfalls gilt es, die Dienstleistungskompetenz der Justiz weiter zu erhöhen. Bürgerfreundlichkeit, Bürgernähe und schnellere Dienstleistungen sind gerade in einem Verwaltungsbereich, der täglich vielfältige Berührungspunkte mit den Bürgerinnen und Bürgern hat, unabdingbar. Deshalb ist es unser Ziel, unter Zuhilfenahme der elektronischen Medien einen unkomplizierten Zugang zu dringend benötigten Informationen für Gläubiger und deren Vertreter zu schaffen. Durch entsprechende Zugangsregelungen kann hierbei im Übrigen auch
einem Missbrauch vorgebeugt werden, sodass ich denke, hier dürfte es keine Probleme geben, auf schnellstmögliche Weise zusätzliche Informationen bereitzustellen.
Des Weiteren sieht die FDP-Fraktion im Strafvollzug zahlreiche Möglichkeiten der Privatisierung. Deshalb haben wir bereits im Mai-Plenum einen Antrag auf Prüfung der Privatisierungsmöglichkeiten eingebracht. Das Justizministerium hat ausführlich über eine Konzeption der Privatisierung berichtet.
Aus dem Bericht des Ministeriums wurde deutlich, dass zahlreiche Privatisierungsmöglichkeiten bestehen. Neben der Errichtung der Haftanstalten selbst sind z. B. die Bereiche Kantine, Wäscherei, Aus- und Weiterbildung, psychologische Betreuung und Arbeitsverwaltung als entsprechende Optionen vorhanden und sollten schnellstmöglich genutzt werden.
Diesen Weg wollen wir Liberale noch konsequenter verfolgen. Unser zugegebenermaßen ehrgeiziges Ziel ist es, nur diejenigen Bereiche in hoheitlicher Obhut zu belassen, für die das gesetzlich zwingend vorgeschrieben ist.
Alle weiteren Elemente sind kurz- bis mittelfristig zu privatisieren. Wir wollen nicht darauf warten, dass neue Justizvollzugsanstalten erst im Rahmen des Public Private Partnership umgesetzt werden, sondern wir wollen, dass diese Privatisierung schon jetzt in Einzelbereichen schnell umgesetzt wird. Ich meine, hier ist ein weiterer Schritt zur Konsolidierung möglich. - Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn wir uns mit heutigem Stand die Haushaltsentwürfe der Kommunen, der Länder oder des Bundes betrachten, so finden wir allerorten das gleiche Phänomen: gleich bleibende
oder steigende Ausgaben bei weiterhin schrumpfenden Einnahmen. Diese Entwicklung prägt natürlich auch den Haushaltsentwurf des Landes Niedersachsen. Davon ist an verschiedenen Stellen bereits nachdrücklich die Rede gewesen.
Auch wenn höchstwahrscheinlich alle auf eine Verbesserung der wirtschaftlichen Ausgangssituation hoffen, so können wir angesichts der Prognosen nicht von dieser Verbesserung ausgehen, schon gar nicht bei der Aufstellung des Haushaltes 2004.
Jetzt und hier trage ich Ihnen deshalb vor, wie ich den sich daraus ergebenden Handlungsbedarf für das Justizressort sehe.
Wir müssen drei Dinge erreichen: Wir müssen erstens die Ausgaben der Justiz durch Einsparungen verringern. Wir müssen zweitens die Einnahmesituation der Justiz und damit deren Kostendeckungsgrad verbessern, und wir müssen drittens endlich damit anfangen, die Justiz grundlegend zu reformieren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich erstens die unvermeidlichen Kürzungen noch einmal deutlich ansprechen. Im Personalbereich werden in dem großen Kapitel 11 04 bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften ca. 60 Stellen entfallen, davon 23 bei Richtern und Staatsanwälten. Insofern hat Frau Bockmann die Aussage von Herrn Gabriel zu Recht korrigiert. Wir müssen weitere 200 Referendarstellen streichen und die Unterhaltsbeihilfen um weitere 5 % absenken, um nicht weitere Personaleinsparungen bei den Gerichten und den Staatsanwaltschaften vornehmen zu müssen. Das fällt mir schwer. Aber Alternativen dazu gibt es nicht. Gleichermaßen schwer gefallen sind mir die Kürzungen im Personalhaushalt des Justizvollzugs mit 60 Stellen. Das ist bitter.
Im Sachhaushalt können die in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehenen Erhöhungen nicht umgesetzt werden. Es findet damit faktisch eine Nullrunde statt. Angesichts der allgemeinen Preissteigerungen wird es deshalb in allen variablen Bereichen deutliche Einschnitte geben.
Aber, meine Damen und Herren, Ansatzerhöhungen hat es im Justizvollzug sehr wohl gegeben. Diese sind im Wesentlichen darauf zurückzuführen, dass sich die Landesregierung zu den Neubauten von zwei Justizvollzugsanstalten mit einem Investitionsvolumen von 250 Millionen Euro bekennt.
- Ja, Frau Müller: dazu bekennt; ich möchte das noch einmal sagen. Andere Dinge mussten gestoppt werden. Wir bekennen uns dazu. Das hat auch etwas mit dem Schwerpunkt innere Sicherheit zu tun.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal etwas zu dem anmerken, was der Abgeordnete Briese in Sachen menschenunwürdige Unterbringung gesagt hat.
Meine Damen und Herren, die Initiative der Landesregierung zu der Veränderung des § 18 Strafvollzugsgesetz wird dazu führen, dass es nach wie vor einen grundsätzlichen Anspruch auf Alleinunterbringung während der Ruhezeiten gibt, aber dass davon Ausnahmen möglich sind. Wir machen das, weil wir in Kenntnis der seit über zehn Jahren vorherrschenden Situation im niedersächsischen Justizvollzug - nämlich der menschwürdigen Unterbringung in bestimmten Bereichen -, realisieren müssen, dass wir diese Situation nicht innerhalb der nächsten zwei Jahre werden beheben können. Wir möchten allerdings auch nicht sehenden Auges diesen rechtswidrigen Zustand weiter hinnehmen.
Im Personal- und Sachhaushalt ist im Haushaltsjahr 2004 noch eine globale Minderausgabe von insgesamt 6,1 Millionen Euro zu erwirtschaften, wobei ich Ihnen, Frau Bockmann, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht exakt darstellen kann, welche Auswirkungen diese auf den Geschäftsbereich, d. h. die Gerichte, die Staatsanwaltschaften und den Justizvollzug, haben wird. Das wird aber natürlich zu weiteren Einsparungen, auch im Personalbereich, führen.
Es sollte aber ebenfalls nicht unerwähnt bleiben, dass diesen Einsparmaßnahmen auch wichtige Verbesserungen wie beispielsweise die Stellenhebungen für die Serviceeinheiten bei den Gerichten gegenüberstehen.
Meine Damen und Herren, natürlich hätte ich mir gewünscht, dass der Justizhaushalt in stärkerem Umfang verschont geblieben wäre. Auch die Kol
leginnen und die Kollegen der anderen Ressorts hätten sicherlich gerne auf so manche schmerzliche Kürzung für ihren Geschäftsbereich verzichtet. Die dramatische Haushaltslage des Landes lässt aber keinen weiteren Spielraum zu.
Entscheidend ist jedoch - das betone ich ausdrücklich -, dass sich die Landesregierung sehr wohl des Umstandes bewusst ist, dass die Justiz als staatlicher Kernbereich, als dritte Gewalt, handlungsfähig bleiben muss. Trotz der notwendigen und unumgänglichen Einsparmaßnahmen ist ihre Funktionstauglichkeit gesichert. Allerdings - dies sage ich ebenfalls deutlich - sind weiteren Kürzungen in den nächsten Jahren enge Grenzen gesetzt.
Meine Damen und Herren, die Aufgabe besteht jetzt darin, den sich ergebenden Zielkonflikt zwischen notwendigen Sparmaßnahmen und der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Justiz auch für die Zukunft aufzulösen. Ich bin sicher, dass wir das schaffen, wenn wir uns nicht in Euphemismen und durchsichtigen Zahlenwerken der letzten Jahre verlieren, sondern das Problem endlich bei der Wurzel packen.
Ferner muss es kurzfristig darum gehen, den Kostendeckungsgrad der Justiz zu verbessern. Eine weitere Erhöhung des Zuschussbedarfs der Justiz muss verhindert werden. Es kann beispielsweise nicht hingenommen werden, dass wir durch das grundsätzlich von uns begrüßte Gesetz zur Modernisierung des Justizkostenrechts, also den geplanten Änderungen des Gerichtskostengesetzes, des anwaltlichen Gebührenrechts und der Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen, mit jährlichen Mehrausgaben von ca. 3,1 Millionen Euro belastet werden. So stellt sich das die Bundesregierung vor. Vielmehr muss hier die Kostenneutralität für unser Land oberste Priorität haben. Entsprechende Anträge hat Niedersachsen mit anderen Bundesländern parteiübergreifend im Bundesrat gestellt.
Ein weiterer Punkt zur Verminderung von Ausgaben sind notwendige Änderungen im Bereich der Prozesskostenhilfe. Die Ausgaben für Entschädigung beigeordneter Rechtsanwälte sind in Niedersachsen in den letzten Jahren in Besorgnis erregender Weise gestiegen. Hier wollen wir mit anderen Ländern Änderungen des Prozesskostenhilfegesetzes erreichen, deren Ziel es sein muss, nur noch wirklich Bedürftige in den Genuss dieser staatlichen Leistung kommen zu lassen.
Meine Damen und Herren, beseitigt werden muss auch die weitgehende Kostenfreiheit der sozialgerichtlichen Verfahren. Es ist nicht einzusehen, dass Verfahrensbeteiligte auch im Falle ihres Unterliegens zur Zahlung weder von Gerichtsgebühren noch von Auslagen des Verfahrens, insbesondere solche für teure Sachverständigengutachten, herangezogen werden können. Dabei ist eine Beibehaltung der vollständigen Kostenfreiheit weder aus verfassungsrechtlicher Sicht noch aus sozialpolitischen Gründen erforderlich. An wirklich Bedürftige können trotzdem nach den Regeln der Prozesskostenhilfe auch in Zukunft Beihilfen geleistet werden. Niemandem wird dadurch der Rechtsweg abgeschnitten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die deutsche Justiz braucht eine grundlegende Reform. Sie steht wie der Zauberlehrling vor den überlaufenden Wassereimern. Wir haben zu viele Gesetze, Verordnungen, Rechtswege und Rechtsmittel.
Niemand kann mehr darüber hinwegsehen, dass das Übermaß des Rechts und die Fülle der Rechtswege und die Instanzen die theoretisch vielleicht perfekte Lösung um ihre praktische Wirkung bringen. Das Recht, seine Klarheit und seine Sicherheit kommen den Bürgern selbst immer weniger zugute. Sie müssen sich aus nicht weniger als fünf Gerichtsbarkeiten die richtige aussuchen, und sie müssen sich mit ebenso vielen Verfahrensordnungen und Rechtswegen plagen. Dem Bürger sind diese Funktionsweisen sowie die Sorgen und Nöte der Justiz nicht bekannt. Sein Interesse richtet sich an schnellen und nachvollziehbaren Verfahren und Entscheidungen aus. Das ist auch sein gutes Recht. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass er dieses Recht auch erhält. Ich habe mir deshalb mit meinem Amtseintritt vorgenommen, mich diesem Problem zu stellen. Für mich ist das Stichwort von der Beschränkung auf die Kernaufgaben kein Alibi für ein System undifferenzierter Kürzungen, sondern für mich ist es die große Herausforderung, der sich die Politik zu stellen hat, was natürlich eine mittelfristige Perspektive sein muss.
Sie hat es in den letzten Jahrzehnten zugelassen, dass sich der Staat zum justiziellen Hüter sämtlicher gesellschaftlicher Bereiche erhoben hat. Der Moloch Justiz mit seinen feinsten Verästelungen ist
für den Bürger nicht nur unüberschaubar geworden. Mit seinem umfassenden Anspruch vermittelt er ihm auch, Konflikte und Probleme müssen allein mit Hilfe der Justiz gelöst und alle Instanzenzüge ausgeschöpft werden, weil man der Richtigkeit einer einmal getroffenen richterlichen Entscheidung möglicherweise nicht vertrauen könne. Dem Bürger wird vorgespiegelt, die Justiz könne sich über mehrere Instanzen hinweg auch noch um den nichtigsten Nachbarschaftsstreit oder um jedes möglicherweise zu Unrecht ausgestellte Parkticket kümmern. Eine solche Justiz funktioniert nicht akzeptabel, und wir können uns eine solche Justiz auch nicht mehr leisten. Jeder weiß das.
Ich will endlich eine echte Reform der Justiz. Wir müssen übersichtlichere Strukturen schaffen, sodass der Bürger sofort weiß, an wen er sich bei Problemen zu wenden hat. Dies geht nicht über eine Zersplitterung in fünf Gerichtsbarkeiten. Die Justiz kann sich auch nicht um Dinge kümmern, die nicht notwendigerweise in ihren Aufgabenbereich gehören. Die Registerführung kann ohne den herbeigeredeten Qualitätsverlust von den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern geleistet werden.
Das Gerichtsvollzieherwesen sollte ebenso privat organisiert werden, wie einvernehmliche Scheidungen auch von Notaren durchgeführt werden könnten. Straf- und Gerichtsverfahren sollen zügig ablaufen. Meine Damen und Herren, damit uns das gelingt, dürfen wir nicht Denkverboten hinsichtlich des Aufbaus der ordentlichen Gerichtsbarkeit unterliegen.
Wir müssen einen flexibleren Personaleinsatz gewährleisten und den Richtern und Staatsanwälten die Zeit zurückgeben, die sie für die Sache wirklich brauchen.
Auch der Strafvollzug muss reformiert werden. Die Konzepte der 70er-Jahre sind überholt. Wir müssen uns davon lösen.
Die Annahme, Straftäter müssten nur lange genug behandelt werden, damit sie nicht mehr rückfällig werden, ist völlig falsch. Vielmehr sollten Behand
lungen an den messbaren Erfolg der jeweiligen Maßnahme und an der Bereitschaft der Gefangenen, daran mitzuwirken, ausgerichtet werden. Der Weg dahin führt über die längst überfällige bundesweite Rückfallstatistik.
Ich hoffe und setze darauf, dass einschneidende Veränderungen des Aufbaus und des Verfahrens der Institution Justiz in Zeiten des wirtschaftlichen Drucks leichter zu verwirklichen sind als in Perioden konsolidierender Verhältnisse. Dieser Nährboden reicht aber alleine nicht aus; es bedarf hierzu auch der Einsicht. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, Kürzungen im Haushalt anprangern, aber an der Aufrechterhaltung des nicht mehr finanzierbaren Systems beharrlich festhalten und damit immer neue Schulden das Wort reden, einzig getragen von der illusorischen Hoffnung auf Besserung,