Protocol of the Session on December 11, 2003

Ich will eine Geschichte hinzufügen, weil Sie auch das wieder als großen Erfolg dargestellt haben. Sie tun so, als hätten Sie für die Ausrüstung der Polizei mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Sie haben die Mittel für die Ausrüstung der Polizei jedoch um 10 Millionen Euro gekürzt. Das ist das Ergebnis, das hier vorgelegt wird.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will auch noch einmal auf das eingehen, was Sie hier eben besonders hervorgehoben haben, nämlich das Leasen von Autos. Das ist hin und her geprüft worden. Es hat sich nun einmal herausgestellt, dass Leasing kein geeignetes Modell ist. Wir erhalten von den Unternehmen Riesenrabatte und können die Autos wieder gut verkaufen. Deswegen ist Ihr Vorgehen ein Schreiten in die Leasingfalle. Das schreibt Ihr eigenes Ministerium für den

Haushaltsausschuss auf. Aber das nehmen Sie anscheinend gar nicht zur Kenntnis. Um kurzfristig einen Erfolg zu erzielen - in einem Jahr ein paar Millionen weniger, weil man keine Autos kauft -, schafft man sich Probleme in der Zukunft, die man dann nicht mehr bewältigen kann. Es ist ein abenteuerliches Verhalten, das Sie hier an den Tag legen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bartling, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Noack?

Mit größtem Vergnügen.

Herr Kollege Bartling, kann es sein, dass Sie über den Gang des Verfahrens im Vermittlungsausschuss nicht ausreichend unterrichtet sind? Denn Sie haben hier gesagt, wir sollten der Gemeindefinanzreform zustimmen. Sind Sie nicht darüber unterrichtet, dass diese Form der Gemeindefinanzreform bereits vom Tisch ist und dass derzeit im Vermittlungsausschuss über die Frage einer höheren Beteiligung an der Umsatzsteuer diskutiert wird, also genau das, was die Union will?

Vielen Dank für die Aufklärung. Ich sitze nicht dabei. Aber ich sage Ihnen noch einmal: Würden Sie dem zustimmen, was auf dem Tisch liegt, hätten die Kommunen in Niedersachsen im nächsten Jahr 500 Millionen Euro mehr. Das ist das Entscheidende.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Das ist falsch!)

Lassen Sie mich noch eines zu den Bezirksregierungen sagen. Helmut Rieger - er ist ja jemand, der nun nicht unbedingt in Verdacht steht, der SPD immer nachzurennen - schreibt:

„Was aber die Verwaltungsreform angeht mit dem Ziel, die Bezirksregierungen zu liquidieren, so zeigt sich immer mehr, dass dieser famose CDU-Einfall recht einsam die deutsche Reformszene besiedelt. Andere

Länder stärken die Bezirksregierungen zu Lasten der Sonderbehörden. In Niedersachsen macht man mit dem Fortschreiten des Reformprozesses die Erfahrung, dass sich nicht alles kommunalisieren lässt, was bisher bei den Bezirksregierungen lag.“

Das ist nur ein Beispiel. Lassen Sie mich das durch das ergänzen, was Sie, Herr Schünemann, eben zum Ausdruck gebracht haben. Sie wollen bei den Polizeidirektionen den Katastrophenschutz verankern. Nehmen Sie einmal die beiden aktuellen Schadenslagen, die wir gerade mit großem Erfolg bewältigt haben. Beim Elbehochwasser bedurfte es des Zusammenziehens von 40, 50 Leuten. Die haben einen Stab gebildet und konnten diese große Schadenslage dann sachgerecht bewältigen. Bei den Tierseuchen war es genauso; auch die wurden in Niedersachsen vorbildlich bewältigt. Wenn Sie in Zukunft die Polizeidirektionen haben, werden Sie aus allen möglichen Ämtern des Landes Leute zusammensuchen müssen, um so etwas zu bewältigen.

Wenn Sie solche Schadenslagen bewältigen wollen, dann brauchen Sie eine Koordination, eine Bündelungsbehörde, die dazu auch in der Lage ist. Sie zerschlagen etwas, ohne vorher geprüft zu haben, ob Sie das anders nicht besser hätten organisieren können. Sie suchen jetzt nach einer Organisationsform. Man merkt jetzt schon, dass Sie in eine Falle laufen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zum Bereich Justiz hat sich die Abgeordnete Bockmann von der SPDFraktion gemeldet. Ich erteile ihr das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Vertrauen in unseren Rechtsstaat schwindet, wenn die Menschen in unserem Lande immer häufiger erleben müssen - und das tun sie in der Tat -, dass sie nicht mehr zeitgerecht zu ihrem Recht gelangen. Diese Entwicklung muss uns riesengroße Sorgen bereiten. - So jedenfalls lautete sinngemäß die Kernaussage der CDU zum Justizhaushalt im September 2001.

Die Frage ist doch: Wie gehen Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, mit

dieser Sorge um unser aller Rechtsstaat um? Schließlich versprachen Sie noch in der Koalitionsvereinbarung, die Justiz etc. stärken zu wollen.

Ihre Antwort ist ein Justizhaushalt in Form einer Löcherliste. Messerscharfe Einschnitte in den Personalbestand der Justiz sind die Folge. Wir haben vorhin gehört, dass FDP und CDU einen Schwerpunkt auf die innere Sicherheit gesetzt haben. Aber die Justiz und der Justizvollzug gehören auch dazu. Stattdessen ist im Justizhaushalt ein radikales Rasieren angesagt, mit der Konsequenz, dass Ihre Wahlversprechen wie ein Kartenhaus zusammenklappen.

(Beifall bei der SPD)

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als seien die Personalausgaben im Einzelplan 11 um 3,481 Millionen Euro gestiegen. Tatsächlich ist jedoch die Arbeitsgerichtsbarkeit mit einem Volumen von 11 Millionen Euro vom Sozialministerium in den Justizhaushalt verlagert worden, sodass im Personalbereich de facto 8 Millionen Euro Einsparungen versteckt wurden.

Diese - ich nenne sie so - rechtsstaatliche Verelendungsstrategie wird weitergehen. Denn zusätzlich muss die globale Minderausgabe von 4,92 Millionen Euro eingespart werden. Da es auch nach Aussage der Ministerin im Sachkostenanteil des Haushalts überhaupt keinen Spielraum mehr gibt, werden diese 4,92 Millionen Euro zwangsläufig im Personalkostenanteil zu Buche schlagen.

Die jetzt schon weggefallenen 60 Stellen bei Gerichten, Staatsanwaltschaften und Folgediensten sind noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Für weitere 37 Stellen bei den Staatsanwaltschaften und Gerichten herrscht jetzt schon eine Wiederbesetzungssperre. Erste Folgen sind bereits sichtbar. In Braunschweig muss zum Jahresende die 10. Zivilkammer geschlossen werden.

Wenn Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von FDP und CDU, die - wie es der Niedersächsische Richterbund ausdrückte Beschädigung der Justiz billigend in Kauf nehmen, so hat das leider noch einen anderen Effekt. Ihre Antwort, auf steigende Eingänge, steigende Arbeitsvolumina mit Stellenreduzierungen zu reagieren, wird die Prozesse auf nicht kalkulierbare Zeit verlängern.

Ein Beispiel. Im Jahre 2002 sind bei den Arbeitsgerichten des Landes 42 814 Klagen eingegangen.

Im Jahre 2003 werden es ca. 47 000 sein. Für einen Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin ist es schon entscheidend, ob ein Kündigungsschutzprozess drei Monate oder die doppelte Zeit in Anspruch nimmt. Denn Rechtssicherheit bedeutet hier auch Existenzgrundlage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Kollege Helberg hat vor kurzer Zeit in diesem Hause dargestellt, welcher zusätzliche Geschäftsanteil bei den einzelnen Gerichten und Staatsanwaltschaften in Niedersachsen mit steigender Tendenz anfällt. Sie, Frau Ministerin, werden die Konsequenzen, nämlich eine Gerechtigkeitslücke, zu verantworten haben.

Der Niedersächsische Richterbund drückte es so aus:

„Der Wirtschaftsstandort Niedersachsen wird nachhaltig beeinträchtigt, weil gerade mittelständische Unternehmen durch lange Wartezeiten bei der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Forderungen in ihrer Existenz bedroht werden.“

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, ist diese und damit auch Ihre Haushaltspolitik eigentlich mit Ihrem immer wieder geprägten Begriff der Freiheit des Unternehmertums vereinbar? Der Kollege Rösler hat noch gestern in seiner Rede darauf hingewiesen, dass das Unternehmertum momentan einer gewissen Unfreiheit unterliegt. Diese Politikgestaltung bedeutet de facto aber doch nichts anderes, als dass die Mittelständler vor Gericht in eine Warteschleife geschickt werden, in der Hoffnung, dass sie diese Durststrecke wirtschaftlich überleben werden.

Wenn Sie, Frau Ministerin, diesen Landeshaushalt zugleich als eine Chance für durchgreifende Reformen in der Justiz sehen und es nicht bei Streitigkeiten über einzelne Haushaltspositionen belassen wollen, so antworten wir Ihnen: An Ihren langfristig angelegten Reformprojekten wollen wir gerne mitarbeiten. Wir als SPD-Fraktion können es aber nicht verantworten, dass die Justiz, wie es der Richterbund ausdrückte, zwischendurch kollabiert. Steigendem Arbeitsanfall kann nicht ad hoc mit Stellenkürzungen begegnet werden. Aus dieser Justiz eine tragende, wenngleich auch in der Luft hängende Säule zu machen, hat nichts mit einem gut funktionierenden Rechtsstaat zu tun.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, den Strafvollzug soll es genauso hart treffen. Auch hier sind von der CDU- und der FDP-Fraktion Haushaltsreduzierungen in Höhe von 60 Stellen plus eingeplant, wobei die globale Minderausgabe noch dazukommt. Wir finden es unverantwortlich, in diesem hoch sensiblen Sicherheitsbereich derartige Einschnitte vorzunehmen. Schließlich eignet sich Sicherheit nicht für Sandkastenspiele. Ein Haushaltsplan sollte kein Risikopapier sein.

Wie Sie aber mit den Menschen im Strafvollzug, den Justizvollzugsbediensteten, umgehen, zeigt folgende qualvolle Haushaltsberatung. Zwischen den Bediensteten, dem Justizministerium und den Fraktionen war Konsens, bei der Ausschöpfung von Stellenobergrenzen im gehobenen Dienst eine Angleichung an die anderen Bundesländer vorzunehmen. Deshalb wurde folgendes Modell geplant: 107 Hebungen kosten 486 000 Euro, sie werden aber gegenfinanziert. Der Vollzug hat ein intelligentes Einsparmodell dargelegt. Die Gegenfinanzierung sollte durch die Einsparung von 15 Stellen erfolgen, die in Celle I durch technische Sicherungen nicht mehr benötigt werden.

Am 9. Mai 2003 haben Sie, Frau Ministerin, in Verden erklärt, die volle Ausschöpfung der Stellenobergrenzen im gehobenen Dienst mit 107 Hebungen für den Haushalt 2004 angemeldet zu haben. Dann aber kam die Überraschung: Der Haushaltsplanentwurf enthielt keine eingesetzten Mittel, aber die 15 Stellen, die als Ausgleich angeboten worden waren, haben Sie durch den Finanzminister einkassieren lassen. - So also geht man mit der Gesprächs- und der Kompromissbereitschaft der Bediensteten um!

Die unendliche Story geht weiter. Zwischenangebote erfolgten - summa summarum wieder kein Geld im Haushalt. „Versprochen - gebrochen“ könnte man das Ganze charakterisieren. Denn das Goodwill-Angebot des Justizvollzuges hat ein Resultat: 15 Stellen einkassiert, Gegenleistung gleich null.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, wenn Sie sich schon keine Sorgen um unseren Rechtsstaat machen, dann tun wir es zumindest. Wir machen uns nämlich Sorgen um die Stimmung unter den Bediensteten in den Justizvollzugsanstalten. Sie ist noch nie so schlecht gewesen. Diejenigen, die bei relativ niedriger Bezahlung Tag und Nacht für die Sicherheit

der Bevölkerung gerade stehen müssen, werden nun von Ihnen an der Nase herumgeführt.

Gestatten Sie mir zu dieser Thematik ein Zitat von Willi Bernhard Albers, dem Vorsitzenden des Landesverbandes Niedersächsischer Strafvollzugsbediensteter: „Dies ist eine Zumutung und grenzt an Wahlbetrug.“

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dem hat die SPD-Fraktion nichts mehr hinzuzufügen.

In einer Pressemitteilung vom 5. September 2003 kündigte die Justizministerin an, dass sie hinsichtlich des baulichen Zustandes vieler Justizvollzugsanstalten bereits eine Wende eingeleitet habe. Diese Wende sieht, wie die Antwort der Ministerin auf eine Kleine Anfrage zeigte, so aus: Die Neubaumaßnahmen JVA Sehnde und JVA Rosdorf inklusive des viermonatigen Baustopps werden verzögert fortgeführt.

(Ilse Hansen [CDU]: Warum wohl?)

Die Wende beinhaltet auch, dass die Landesregierung keine Mittel zur Verfügung stellt, um in den Jahren 2003, 2004 und 2005 dringend erforderliche Maßnahmen einleiten zu können. Der Presse konnten wir entnehmen, dass unausgegorene Ideen wie der Umbau von Kasernen in Knäste im Raum standen.

Wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, die im Bau befindlichen Justizvollzugsanstalten fristgerecht zu erstellen, wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, diese Justizvollzugsanstalten in ausreichendem Umfang mit Personal zu versehen: Wie wollen Sie dann Knast-Kasernen mit qualifiziertem Personal und Sicherheitstechnik bestücken? Mit Luftblasen wird kein einziger zusätzlicher Haftplatz geschaffen.

(Beifall bei der SPD)

Sicherlich: Auch wir sehen die Finanznot des Landes Niedersachsen. Die Streichung von Personalstellen in der Justiz und im Vollzug steht aber in einem eklatanten Widerspruch zu der geplanten Einstellung von 1 000 Polizeianwärtern. Es ist geradezu ein Schildbürgerstreich, dass die Landesregierung mehr Polizei einstellt, die nachfolgenden Behörden gleichzeitig aber schwächt.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Sind Sie gegen die Polizei?)

Wer soll denn die Fälle anklagen? Wer soll denn die von den zusätzlichen Polizisten Beschuldigten verurteilen, wenn die Landesregierung bei Staatsanwaltschaften und Gerichten einspart? Und: Wie wollen Sie einen ordnungsgemäßen und sicheren Strafvollzug gewährleisten, wenn Sie die Justizvollzugsanstalten zu Sparschweinen degradieren?

(Beifall bei der SPD)