Protocol of the Session on December 10, 2003

Die Leiterinnen und Leiter der niedersächsischen Staatsanwaltschaften, die ich zur Vorbereitung der Stellungnahme beteiligt habe, teilen diese Bedenken und unterstützen meine Forderung nach Streichung der Vorschrift.“

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

So weit, meine Damen und Herren, der Generalstaatsanwalt. Sein Fazit:

„Das Instrument ist sachlich nicht geboten und in dieser rechtlichen Ausgestaltung verfassungsrechtlich mehr als fragwürdig. Ein praktischer Mehrwert für Polizei und Justiz ist von ihr im Ergebnis nicht zu erwarten. Im Gegenteil: Sollte dieses Gesetzesvorhaben umgesetzt werden, besteht die Gefahr, dass dadurch Schaden für die strafrechtlich unerlässliche Telekommunikationsüberwachung entsteht und damit Schaden für die Effizienz der Bekämpfung der organisierten und sonstigen schweren Kriminalität insgesamt.“

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, für mich - das nehmen Sie mir nicht übel - ist das eine schallende Ohrfeige für die Initiatoren dieses Gesetzes.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wer nun immer noch glaubt, dass der Generalstaatsanwalt aus Celle in der Anhörung eine Einzelmeinung vertreten hat, der sieht sich getäuscht. Die Gewerkschaft der Polizei hat heftige Kritik an der vorbeugenden Telefonüberwachung geübt. Nach GdP-Ansicht ist die geplante vorbeugende Telefonüberwachung ein Akt symbolischer Ge

setzgebung, mit der die Politik auf die Angst der Bevölkerung vor Terror reagiert und mehr Sicherheit vorgaukelt. Dabei hätten die jetzt geltenden Regelungen völlig ausgereicht. Sogar der von der FDP vorgeschlagene Sachverständige hatte große Bedenken bei der Einführung einer präventiven Telefonüberwachung.

Meine Damen und Herren von CDU und FDP, ich verstehe nicht, warum Sie nicht auf die Sachverständigen hören wollen. Ich habe Ihnen das schon einmal entgegengehalten: Wer abhören will, der sollte zumindest zuhören können.

Aber den größten Bock hat wieder einmal die FDP geschossen. Die FDP-Bundestagsfraktion bringt am 24. September einen Entschließungsantrag mit der Überschrift „Rechtsstaatlichkeit der Telefonüberwachung sichern“ in den Bundestag ein, in dem Folgendes zu lesen ist:

„Solange die rechtlichen Mängel bei der Anordnung von Telefonüberwachungsmaßnahmen nicht behoben sind, sind Bestrebungen nach einer Ausweitung von Telefonüberwachungen abzulehnen. Insbesondere die Einführung von vorbeugenden Telefonüberwachungen ohne konkreten Tatverdacht ist abzulehnen.“

Hört, hört! - Die FDP-Fraktion hier im Landtag hat diesen Gegenwind aus den eigenen Reihen zum Anlass genommen, um ein besonderes Glanzlicht zu setzen. Der innenpolitische Sprecher verkündet der Öffentlichkeit die frohe Botschaft, dass die FDP die präventive Telefonüberwachung entschärft habe. Bei Lektüre des Gesetzentwurfs entpuppt sich das Wort „entschärfen“ allerdings als glatte Lüge.

Mit der Behauptung, sie habe das Schlimmste verhindert, hat die FDP dafür Sorge getragen, dass künftig nicht nur wenige besonders schwerwiegende Straftaten Anlass für eine Telefonüberwachung sein dürfen, sondern dass künftig der lange Katalog der Straftaten von erheblicher Bedeutung gilt. Darunter fällt nicht nur so gut wie jedes Verbrechen, sondern auch - das ist eine neue Qualität die Teilnahme an einem solchen Verbrechen. Das, was uns die FDP als Entschärfung verkaufen will, ist damit eine erhebliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der präventiven Telekommunikationsüberwachung.

Meine Damen und Herren, „FDP verliert dramatisch an Bedeutung“ war in der Welt vom 11. Okto

ber zu lesen. Das ist schon ein bisschen her. Meine Damen und Herren von der FDP, wenn man sich Ihre Rückgratlosigkeit bei diesem Gesetz anschaut, dann kann einen das noch nicht verwundern.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Leider habe ich nicht ausreichend Zeit, um im Detail auf die Überflüssigkeit der übrigen Inhalte dieses Gesetzes einzugehen. Stichwortartig lassen Sie mich bitte folgende Punkte nennen:

Sie führen den gestrichen Ordnungsbegriff wieder in die Ermächtigungsgrundlage des Polizeigesetzes ein.

(David McAllister [CDU]: Sehr gut!)

Keiner der zur Anhörung geladenen Sachverständigen konnte auch nur ein einziges stichhaltiges Argument für die Wiedereinführung des Ordnungsbegriffes nennen.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Hört, hört!)

Die gut ausgebildete niedersächsische Polizei ist selbstverständlich in der Lage, jeden erdenklichen Sachverhalt unter eine konkrete Eingriffsbefugnis zu subsumieren, ohne dass es der Einführung einer pauschalen Ordnungsermächtigung bedarf.

(David McAllister [CDU]: Herr Minister a. D., Sie wissen, dass das falsch ist!)

- Aber verehrter Herr Kollege McAllister, Herr Biallas hebt hier hervor, dass die Medien so toll auf den Presseabend des Herrn Innenministers reagiert und gelobt haben, dass nun der Ordnungsbegriff eingeführt wird. In der HAZ von heute steht dazu aber ein bisschen widersprüchlich: Neues Gesetz zielt auf mehr Ordnung ab. Polizei kann jetzt gegen Schmutzfinken vorgehen.

(Beifall bei der CDU)

Dann wird beschrieben, meine Damen und Herren, dass das konkret schon in Niedersachsen geschieht. In der Stadt Braunschweig wird das also gemacht. Ich sage Ihnen auch, worauf das beruht. Das beruht nämlich auf einer Broschüre - alles schon geregelt -, in der die kommunalen Spitzenverbände gemeinsam mit dem Innenministerium Folgendes aufgeschrieben haben: Nach dem Runderlass des Niedersächsischen Umweltminis

teriums kann bei unzulässigen Ablagen von Gegenständen des Hausmülls und Zigarettenschachteln, Pappbechern, Bananenschalen usw. ein Verwarngeld in Höhe von 10,20 Euro festgesetzt werden, bei Zeitungen, Blechdosen usw. von 20,45 Euro. - Die Möglichkeit ist also vorhanden. Sie gaukeln hier vor, etwas Neues zu machen. Das ist aber längst vorhanden. Dafür brauchen wir den Ordnungsbegriff nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Was schon geregelt ist!)

Es ist zu befürchten, dass eine Änderung dort vorliegt, wo die Polizei Aufgaben haben soll wie die, der Bevölkerung einen möglicherweise unangenehmen Anblick etwa von Obdachlosen oder von Bettlern zu ersparen. Meine Damen und Herren von CDU und FDP, wenn Ihnen dieser Anblick unangenehm ist, dann erwarte ich, dass Sie sozialpolitisch aktiv werden.

(Beifall bei der SPD)

Tun Sie was für in Not geratene Menschen und nicht gegen sie! Doch was machen Sie? Sie ändern das Pflegegesetz mit der Folge, dass noch mehr Menschen in die Sozialhilfe abgedrängt werden. Sie ändern das Polizeigesetz, um sich den Anblick von Obdachlosen und Bettlern zu ersparen.

(Widerspruch bei der CDU)

Ich halte das für einen skandalösen Vorgang, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der SPD: Zynisch ist das!)

Meine Damen und Herren, die Zeit erlaubt es mir nicht, auf die völlig überflüssige Ausweitung des Unterbindungsgewahrsams auf zehn Tage einzugehen. Ich kann Ihnen sagen, in meiner Amtszeit haben wir in Ausnahmefällen mal die vier Tage gebraucht, die zurzeit möglich sind. Die zehn Tage sind völlig überflüssig.

Wir haben einen Änderungsantrag eingebracht, um den gezielten finalen Rettungsschuss so zu regeln, dass tatsächlich für den einzelnen Beamten Rechtssicherheit entsteht. Sie übernehmen nur das in das Gesetz, was wir in einer Rechtsverordnung geregelt hatten. Die bremische Lösung bringt genau das, was Sie eigentlich immer vor sich hertragen, nämlich dass der Polizeibeamte Sicherheit bekommt, dass er nicht auf Anordnung, sondern

nur aufgrund eigener Entscheidung den gezielten Rettungsschuss vornehmen kann. Das erreichen Sie mit dem, was Sie machen wollen, nicht. Deswegen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie überlegen würden, unseren Änderungsantrag mitzutragen. Denn das bringt Rechtssicherheit für die Polizeibeamtinnen und -beamten.

Meine Damen und Herren, alles in allem - ich mache keinen Hehl daraus - ist der Gesetzentwurf dennoch ein Paradebeispiel für völlig inhaltslose Symbolpolitik. Leider fehlt mir die Zeit, um auf alle Einzelheiten einzugehen. Es ist sinnloser Aktionismus. Ein Polizeigesetz ist eigentlich zu sensibel, um für reinen Populismus herhalten zu müssen. Sie sind sich dafür nicht zu schade.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Bode, Sie haben das Wort. Sie dürfen jetzt reden.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde auf Herrn Bartling jetzt lieber doch nicht eingehen.

(Lachen bei der SPD)

Wer anderen sagt, die Meldungen seien falsch, sollte vorher selber den Gesetzestext gelesen haben und nicht sagen, vom Richtervorbehalt stehe nichts drin. Er hat von uns gesagt bekommen, wo es steht, hat es aber trotzdem weiter behauptet. Das ist auch nicht die feine englische Art.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, unter den Landesgesetzen ist das Polizeigesetz dasjenige, welches dem Staat die Eingriffsoption in die Bürgerrechte jedes Einzelnen ermöglicht und damit die Ausformung des Gewaltmonopols darstellt. Es gibt drei Hauptzielsetzungen des SOG, erstens den Schutz der Bürger vor Gewalt und Verbrechen, zweitens den Schutz der Bürger vor staatlicher Willkür und drittens die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern. Meine Damen und Herren, ich bin schon der Auffassung, dass dieser Koalition aus CDU und FDP ein würdiges Ergebnis im Sinne dieser drei Ziele gelungen ist. Darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der FDP)

Genau wie der Herr Kollege Biallas es gesagt hat: Es ist vor allen Dingen ein liberales Gesetz.

(Lachen bei der SPD)

Meiner Rede stelle ich daher ein Zitat des Friedensnobelpreisträgers Gustav Stresemann voran, der da sagte:

„Liberal ist, wer die Zeichen der Zeit erkennt und auch danach handelt.“