denn Sie können nichts für die Tatsache, dass wir eine echte Verfassungskrise haben. Aber Sie sollten doch wenigstens mit uns über die Frage reden, was es eigentlich bedeutet, wenn man fünf Jahre lang erklärt, dass die wichtigste Grundlage, die die Arbeit von Abgeordneten in diesem Haus überhaupt erst legitimiert, nämlich die Verfassung des Landes Niedersachsen, von Ihnen außer Kraft gesetzt werden soll. Darüber werden wir noch einmal reden müssen. Doch statt dies in angemessener Art und Weise wirklich wahrzunehmen und gemeinsam als Parlamentarier einen Ausweg zu suchen, sind wir gerade dabei, das Parlamentsgeschehen zur Farce zu machen; denn es ist doch absurd, dass Sie uns hier heute etwas vorlegen, auf dessen Grundlage wir gemeinsam beschließen sollen, bis zum Jahre 2008 vorsätzlich die Verfassung zu brechen.
Demokratischer Streit zwischen Regierungsfraktionen und Opposition kann sich doch erst im Rahmen von Verfassung und auf der Grundlage derselben entwickeln. Wenn wir also in den kommenden drei Tagen so tun, als hätten die Fraktionen dieses Landtages wirklich eigene Möglichkeiten zur Gestaltung unseres Landes, dann pflegen wir hier nur mehr oder minder laut einen Scheinparlamentarismus, meine Damen und Herren. Natürlich
können wir das alles ignorieren, so wie Sie es heute Morgen gemacht haben, und unser übliches Pflichtprogramm absolvieren. Es gibt eine japanische Theaterform, das Kabuki-Theater.
- Sie scheinen da öfter mitzuspielen! - Dabei werden immer die gleichen Spielszenen mit exakt wiederkehrenden Bewegungen der Akteure wiederholt. Darin haben wir Politiker viel Übung, vor allem auch bei gegenseitigen Schuldzuweisungen. Meine Damen und Herren, ich weiß, dass Sie offensichtlich diese Schuldzuweisungen brauchen. Ich weiß auch, dass das für alle Parteien zum notwendigen Ritual gehört. Aber ich habe meine Zweifel, ob die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes dieses Ritual für genauso wichtig halten wie wir. Deshalb lassen Sie mich zu Beginn auch klar feststellen - -
- Entschuldigen Sie! Sie können noch nicht einmal ertragen, dass hier jemand eine Haushaltsrede hält.
- Sie verweigern dem Parlament und den Abgeordneten inzwischen nicht nur die Beratung durch den GBD, sondern auch noch das Rederecht hier im Landtag. Das ist Ihre Art und Weise.
Manchmal würde sich der Redner hier vorne freuen, wenn Ihre Zwischenrufe im ganzen Saale zu hören wären.
- Es gibt Leute, die reden vom Kartell der Mittelmäßigkeit. Bei Ihnen sind ein paar dabei, die erreichen noch nicht einmal dieses Niveau.
(Beifall bei der SPD - Friedrich Kethorn [CDU]: Bei euch keiner! - Da- vid McAllister [CDU]: Ich wollte heute zu euch nett sein! Das ist jetzt vorbei.)
Sie müssen sich doch nicht hier im Landtag verstellen. Es reicht doch, wenn Sie das draußen machen. Hier im Landtag können Sie sich so geben, wie Sie wirklich sind, Herr McAllister. Das dürfen Sie.
Meine Damen und Herren, dem Land Niedersachsen sind im Jahr 2002 und im Jahr 2003 mehr als 3,5 Milliarden Euro an Steuereinnahmen verloren gegangen. Das sind über 15 % unseres Landeshaushaltes. Im Jahr 2004 werden noch einmal Mindereinnahmen von 479 Millionen Euro gegenüber der Prognose aus dem vergangenen Herbst erwartet.
Insgesamt fehlen uns mehr als 5,2 Milliarden Euro oder mehr als 23 % unseres Landeshaushaltes gegenüber den Schätzungen des Frühjahrs 2002.
Meine Damen und Herren, kein Parlament und - ich sage es ganz offen - keine Regierung, egal von welcher Partei sie getragen wird, könnte diese weggebrochenen Steuereinnahmen durch Sparmaßnahmen komplett ersetzen.
Die gesamten freiwilligen Leistungen des Landes betragen nur 4 Milliarden Euro. Selbst wenn wir sie vollständig streichen würden: Der Landeshaushalt könnte nicht gerettet werden. - Das sind die objektiven Gründe für die dramatische Finanzentwicklung des Landes und nicht etwa fehlende Sparsamkeit oder übertrieben hohe Ausgaben in der Vergangenheit.
- Warten Sie einmal ab. - Sonst wäre das Land doch nicht bereits vor Ihrer Regierungszeit im bundesweiten Vergleich bei den Personalausgaben auf Platz 2 und beim Aufgabenzuwachs auf Platz 3
gelandet. Sie wissen doch genau, dass die alte Landesregierung exakt 11 187 Stellen abgebaut und 450 Millionen Euro eingespart hat.
- Entschuldigen Sie, Herr Ontijd. Das, was ich eben vorgelesen habe, sind die Zahlen Ihres Regierungsmitglieds Meyerding. Wenn Sie schon Zwischenrufe machen, weil Sie den Zahlen nicht glauben, dann wenden Sie sich bitte an Ihre Regierung und nicht an uns.
(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: So schwer es fällt, aber das ist auch Ihre Regierung!)
Ich weiß auch gar nicht, worüber Sie sich bei dem Thema aufregen, Herr Ontijd oder Herr Althusmann. Es geht nur um Zitate aus Ihren Texten. Ich lese Ihnen einmal vor, was Sie selbst in Ihrer mittelfristigen Finanzplanung als Ursachen der Finanzkrise benannt haben. Dort heißt es doch: Niedersachsen war in den vergangenen zwei Jahren von einer historisch einmalig negativen Einnahmeentwicklung betroffen. Zur Finanzierung der Landesaufgaben standen im Jahr 2002 rund 2 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen zur Verfügung als im Jahr 2000. - Da ist nichts mehr zu lesen von Ihrem Schuldvorwurf, die früheren Regierungen dieses Landes hätten überzogen viele Ausgaben produziert. Wenn das Ihr eigener Finanzminister schon aufschreibt, dem ich ehrlich gesagt so viel Ehrlichkeit gar nicht zugetraut hätte, dann müssen Sie sich darüber hier im Landtag nicht aufregen.
- Wenn Sie sich über so etwas aufregen, dann über ihn und nicht über mich. Das ist ein Zitat von Herrn Möllring und keines von mir. Ich verstehe, wenn Sie ihn nicht mögen. Aber beschimpfen Sie nicht mich! Beschimpfungen müssen Sie an ihn richten, meine Damen und Herren.
Meine Damen und Herren, Ihr Finanzminister - auf den könnten Sie doch wenigstens hören - hat hier im Landtag gesagt - ich zitiere -: Das Land Niedersachsen ist praktisch finanziell am Ende. Das Land Niedersachsen muss sich also dringend überlegen,
wie es nicht nur die Ausgaben reduziert, sondern auch die Einnahmen verbessert. Deshalb sind wir der Meinung, dass das Land Niedersachsen den gleichen Weg gehen muss, den bereits Bremen und das Saarland gegangen sind. - Meine Damen und Herren, Hartmut Möllring war es, der mit diesen Worten begründet hat, warum er der Überzeugung ist, dass das Land Niedersachsen die Hilfe des Bundes nach Artikel 107 Abs. 2 des Grundgesetzes in Anspruch nehmen soll. Ich gebe zu: Es war der Oppositionspolitiker Möllring, der diesen Antrag hier im Landtag gestellt hat. Das war nämlich genau vor acht Jahren, am 10. November 1995. Aber, meine Damen und Herren, die Lage ist doch heute unvergleichlich schlimmer. Warum bringt denn Ihr Finanzminister seine Klugheit von vor acht Jahren nicht in den Landtag ein,
Meine Damen und Herren, das Land ist in einer deutlich schwierigen Lage. Ihr Ministerpräsident persönlich hat diese schlimme und historisch einmalige Situation selbst erkannt. Er hat am 15. Juli der Neuen Presse gegenüber gesagt - ich zitiere -: Dann muss gegebenenfalls über das zeitweise Außer Kraft Setzen der Verfassung geredet werden, was die Dringlichkeit der Lage des Landes deutlich macht. Ich gehe jedenfalls nicht einfach zur Tagesordnung über, sondern habe einen Eid auf die Verfassung geleistet. - Meine Damen und Herren, Sie sind heute Morgen, als wir beantragt haben, den Haushaltsplan zurückzuziehen und mit uns gemeinsam über diese Lage zu reden, einfach zur Tagesordnung übergegangen. Wir haben Ihnen heute Morgen doch angeboten, einen gemeinsamen Weg aus dieser verfassungswidrigen Situation heraus zu finden.
Sie waren nicht einmal bereit, über die Veränderung der Tagesordnung zu diskutieren, meine Damen und Herren. Nicht einmal so weit geht Ihre Bereitschaft, im Parlament über Verfassungsbruch zu diskutieren.
eben schon immer gewesen: Draußen im Lande halten Sie wohlfeile Reden, und hier im Landtag tun Sie das Gegenteil.
- Ich könnte das doch machen. Sie haben doch hier im Landtag, als Sie in der Opposition waren, Mehrausgaben von 2 Milliarden Euro beantragt. Das wäre doch das Einfachste, was wir tun könnten.