Protocol of the Session on October 31, 2003

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Das sind Kommunen, die schwarz regiert sind, die rot regiert sind. Sie alle werden von der gleichen Thematik getrieben. Sie wollen für ihre Kinder vernünftige Verkehrsbedingungen an vernünftigen Schulstandorten vorhalten. Die gesamte Thematik werden wir gemeinsam mit dem Innenminister, mit der Sozialministerin und wahrscheinlich auch mit dem Wirtschaftsminister verantwortlich prüfen, um zu sehen, welche Folgerungen daraus gezogen werden müssen. Einstweilen bleibt der § 114 des Schulgesetzes so, wie er ist. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Janssen-Kucz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das waren sehr schöne Worte von Herrn Busemann. Er hat versucht, uns etwas zu beruhigen.

(Beifall bei der CDU)

Aber allein die Zwischenfrage des Kollegen Albrecht hat doch deutlich gemacht, in welche Richtung die Politik dieser Landesregierung in Sachen Schülerbeförderung geht.

(Bernd Althusmann [CDU]: Immer in die richtige!)

- Sie geht nicht in die richtige Richtung. Sie versuchen, sich bei allen öffentlichen Auftritten den Anstrich zu geben, dass Sie familienfreundlich sind

(Reinhold Coenen [CDU]: Das sind wir auch!)

und möglichst viele Bildungschancen eröffnen und den ländlichen Raum retten wollen.

(Jörg Bode [FDP]: Endlich hat sie es erkannt!)

Dieses Bild hat mit der Realität bei bestem Willen aber nichts zu tun.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Vorstoß von Innenminister Schünemann zeigt doch ganz deutlich, welch Geistes Kind diese Landesregierung ist. Der Vorschlag, die kostenlose Schülerbeförderung einzuschränken, ist unsozial und würde die Ungleichheit der Bildungschancen weiter erhöhen. Das sieht sogar Herr Busemann ein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das heißt im Klartext: keine Chancengleichheit und keine Familienfreundlichkeit, sondern Belastung der Familien und Ausgrenzung der Kinder im ländlichen Raum.

Den Anfang haben Sie mit Ihrem Vorstoß zur Abschaffung der Lernmittelfreiheit schon gemacht. Ich bin gespannt darauf, wie ein sozial gestaffelter Vorschlag aus dem Kultusministerium aussieht. Wird es wirklich dabei bleiben, dass Familien mit geringen Einkommen auch weiterhin entlastet werden? Wenn die Erziehungsberechtigten jetzt auch noch die Fahrkarten für die Fahrten zu den Schulen bezahlen sollen, kommt auf sie eine weitere

Belastung zu. Diese Belastung wird in vielen Fällen monatlich höher sein als die Belastung durch den jährlichen Schulbuchkauf. Das ist bei weitem nicht familienfreundlich, sondern familienfeindlich.

Meine Damen und Herren, wir leben im Flächenland Niedersachsen, und Bildungschancen sind immer abhängig von der Erreichbarkeit einer geeigneten Schule. Die Entfernungen zur Schule betragen im ländlichen Raum zum Teil 20 bis 30 km. Stellen Sie sich einmal vor, welche Strecken die Kinder zurücklegen müssen. Die vor zwei Jahren vorgelegt Strukturuntersuchung zur OS hat gezeigt, dass in dünner besiedelten Landkreisen deutlich weniger Kinder ein Gymnasium besuchen als in dichter besiedelten Landkreisen. Das liegt nicht daran, dass diese Kinder dümmer sind, sondern schlicht und einfach daran, dass die Schulen schlechter erreichbar sind. Die Eltern überlegen sich dann, ob sie ihre Kinder auf eine solch weite Strecke schicken wollen. Sie überlegen sich das sogar doppelt, wenn sie dafür auch noch löhnen sollen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn die weiten Fahrten zur Schule jetzt für die Eltern auch noch zu einem riesengroßen Kostenproblem werden, werden noch weniger Kinder aus einkommensärmeren Familien eine höhere Schule besuchen. Ihre Bestrebungen, Herr Minister Busemann, die Gymnasien aufs Land zu bringen, sind in Teilen eine Luftblase, weil den Kommunen das Geld fehlt, dezentrale gymnasiale Angebote zu unterbreiten. Auch bei mir im Landkreis haben Sie ja darauf verwiesen: Bleiben Sie schön in der Stadt. Überlegen Sie sich, ob Sie es sich antun wollen, in den entfernteren Regionen Schulangebote vorzuhalten.

(Ursula Körtner [CDU]: Wir haben sin- kende Schülerzahlen, Frau Janssen- Kucz!)

- Das hat nichts mit den sinkenden Schülerzahlen zu tun. - Meine Damen und Herren, letztendlich führt die von der Landesregierung auf den Weg gebrachte ideologisch motivierte Schulstrukturreform dazu, dass die Schülerbeförderungskosten ohnehin kräftig steigen werden. Die OS-Strukturuntersuchung hat deutlich ergeben, dass die Anbindung der Jahrgänge 5 und 6 an Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien von allen untersuchten Varianten die Teuerste ist. Die Modellrechnung hat ergeben, dass die Schulstrukturre

form allein die Kosten der Schülerbeförderung um 3 % steigen lässt. Das hört sich wenig an, ist aber eine Riesensumme.

Meine Damen und Herren, es ist nicht nur pädagogisch, sondern auch ökonomisch unsinnig, flächendeckend drei Schulformen nebeneinander anzubieten. Jetzt auch noch die Erziehungsberechtigten insbesondere im ländlichen Raum dafür zahlen zu lassen, ist in meinen Augen eine Unverschämtheit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie versuchen, Ihren Landeshaushalt auf Kosten von Familien und des ländlichen Raums zu sanieren, während Sie sich im Wahlkampf immer als Retter aufgeführt haben. Ich fordere Sie auf: Schmeißen Sie diese Überlegungen in die Mülltonne! Da gehören sie nämlich hin. Machen Sie nicht den ländlichen Raum platt. Zeigen Sie deutlich, dass Sie wirklich familienfreundlich sind. Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Janssen-Kucz, bei Ihrer nächsten Rede sollten Sie vielleicht einmal überlegen, ob es in Richtung Landesregierung nicht doch eine andere Bezeichnung als „welch Geistes Kind“ gibt. Es gibt sicherlich andere Formulierungen. Vielleicht wäre das ganz gut.

Als nächster Redner hat sich der Abgeordnete Bode von der FDP-Fraktion zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der SPD-Fraktion verwundert schon ein wenig. Sie wollen, dass der Landtag die Landesregierung auffordert - so steht es in dem Antrag zumindest geschrieben -, § 114 des Schulgesetzes weiterhin umzusetzen. Nun ist es aber so, dass diese unsere Landesregierung immer die bestehenden Gesetze ausführt. Dazu bedarf es keiner besonderen Aufforderung. Vielleicht war das bei Ihnen aber anders. Einzig der Landtag kann Gesetze ändern. Sollen wir uns jetzt selbst auffordern, etwas nicht zu tun? - Das kann es ja wohl nicht sein. Vielleicht hätten Sie nur eine Pressemitteilung schreiben sollen; denn damit hätten Sie den gleichen Effekt erzielt.

Die Geisteshaltung, die sich hinter Ihrem Antrag versteckt, macht mir durchaus Sorge; denn wenn Innenminister Schünemann oder auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion McAllister in der Öffentlichkeit den Abbau von Vorschriften und Normen, die den Kommunen aufgelegt worden sind, fordern, dann setzen Sie das sofort mit Leistungsabbau und Nachteilen für die Menschen gleich.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie haben - das zeigt Ihr Antrag deutlich - keinerlei Vertrauen in die kommunalen Beamten, in die Angestellten und in die Kommunalpolitiker im Lande, obwohl Sie noch einige haben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Unterschied zwischen uns ist, dass wir den Kommunen vertrauen. Wir glauben sogar - das machen wir bei der Verwaltungsreform deutlich -, dass die Kommunen einiges besser dezentral vor Ort regeln können als wir zentral in Hannover.

(Sigrid Leuschner [SPD]: Wenn sie das Geld kriegen, Herr Bode!)

Beim Abbau von Zwangsvorgaben an die Kommunen trennt sich allerdings auch Spreu vom Weizen; denn derjenige, der Konnexität predigt, der darf nicht Vorschriften und Zwang ausschenken. So kann ich Innenminister Uwe Schünemann nur darin unterstützen, weiterhin nach Zwangsvorschriften für die Kommunen zu suchen und diese abzubauen.

Nun ist es so - Sie alle haben das ja eben in der Debatte gehört -, dass alle Beteiligten darüber nachdenken, wie mit der Schülerbeförderung in Zukunft umgegangen werden soll. Dazu gibt es die unterschiedlichsten Vorschläge. Das liegt übrigens auch daran, dass es vor Ort unterschiedlich lange Schulwege, unterschiedliche Straßenausbauverhältnisse, unterschiedliche Radwegeausbauverhältnisse und ein unterschiedliches ÖPNV-Angebot gibt. Auch deshalb kann ich mir sehr gut unterschiedliche Lösungen vor Ort vorstellen. Einige Vorschläge nenne ich hier gern. Das ist z. B. der generell kostenlose Bustransport. Es gibt auch die Möglichkeit eines kostenlosen Bustransports in Ausnahmefällen, ansonsten bieten sich zu Fuß gehen und Rad fahren an. Damals, als ich die Schule besucht habe, bin ich übrigens mit dem Fahrrad zur Schule gefahren - es hat mir nicht geschadet, es hat mir Spaß gemacht. Ich habe trotzdem eine Busfahrkarte vom Landkreis gestellt be

kommen, und ich habe mich gefragt, warum er eine Fahrkarte bezahlen muss, wenn ich doch gar nicht Bus fahre. Meine persönliche Wunschvorstellung - das sage ich hier gerne - ist der Vorschlag des kostenlosen Bustransports bis zur nächstgelegenen Schule der jeweiligen Schulform. Wenn die Eltern etwas Besonderes haben wollen, dann müssen sie auch die Zusatzkosten dafür tragen.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist die Rechtslage, Herr Kollege! Das ma- chen wir schon!)

- Das machen wir nicht seit Jahren; da sollten Sie sich mal die Gesetzeslage anschauen. - Ein weiterer Vorschlag betrifft die Einführung eines generellen Eigenanteils der Eltern beim Schülertransport. Das ist ein interessanter Vorschlag: Man sagt nämlich, dass es nicht sein kann, dass der Staat - genau so wie bei mir damals - eine Jahreskarte bezahlt und der Schüler trotzdem mit dem Fahrrad fährt. Am interessantesten an diesem Vorschlag finde ich aber, dass er im Celler Kreistag von der SPD-Fraktion beantragt worden ist.

(Zuruf von der CDU: Das gibt es doch nicht!)

- Herr Schünemann, das wird sogar noch viel besser. - Es ist sogar so: Die Verwaltung erklärte dann, dass dies nicht gehe, da es entsprechende Landesgesetze gebe. Da haben die Genossen vor Ort gesagt, das sei egal, Gesetze könne man ändern. Sie haben sogar die Abgeordneten von Union und FDP aufgefordert, sich dafür einzusetzen.

Den Wortführer in dieser Debatte nenne ich Ihnen auch gerne, Herr Jüttner: Das war Ihr Fraktionskollege Herr Meyer.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Was?)

Vielleicht sollten Sie den mal fragen und Ihren Antrag überarbeiten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Damit komme ich zum Schluss. Schülerbeförderung ist im Zusammenhang mit der Konnexität zu sehen, genau wie alle anderen Vorschriften und Normen, mit denen Sie und Ihre Freunde in Berlin die Kommunen gängeln. Da kann es nur zwei Alternativen geben. Entweder übernimmt derjenige, der die Vorschrift und Regeln macht, die Kosten dafür, oder man schafft die Vorschriften und Regeln ab und stellt sie in die Freiheit der Kommu

nen. Wir vertrauen den Politkern und Mitarbeitern in den Kommunen, und daher wollen wir den Kommunen die Freiheit zurückgeben. Ich bitte die Landesregierung, dort weiterzumachen. - Vielen Dank.