Protocol of the Session on October 29, 2003

Man muss sagen, dass die Kommunen ihre Aufgabe, die sie in der Vergangenheit wahrgenommen haben und auch heute noch wahrnehmen, sich nämlich um die Sozialhilfe zu kümmern und außerdem den Versuch zu machen, Menschen aus der Sozialhilfe in Arbeit zu bringen, besser gelöst haben als die Bundesanstalt für Arbeit ihre zentrale Aufgabe, Arbeitslose in den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Meine Damen und Herren, wenn man jemandem eine neue Aufgabe geben will, dann sollte man sie demjenigen geben, der seine Schulaufgaben bisher erfolgreich und vernünftig erledigt hat. Das ist bei der Abwägung völlig eindeutig und völlig klar. Deshalb gibt es den „Niedersächsischen Weg“ mit dem Ziel, diese Aufgabe vor Ort durch die Kommunen dezentral erledigen zu lassen.

Dass die SPD-Fraktion hier im Landtag etwas anderes fordert, überrascht mich gar nicht. Die SPD tritt in der Regel für zentrale Lösungen ein. Dass die Grünen an dieser Stelle für zentrale Lösungen statt für dezentrale Lösungen vor Ort eintreten, zeigt allerdings die Widersprüchlichkeit ihrer Argumentation. Wir wollen das Know-how in den Kommunen nutzen und nicht beiseite schieben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir wissen sehr wohl, dass sich die Kommunen in diesem Zusammenhang untereinander nicht einig sind, dass die Landkreise in Deutschland die Übertragung dieser Aufgabe fordern und dass es Kommunen gibt, die glauben, dass sie damit überfordert sind.

Meine Damen und Herren, mein Vorredner hat gesagt: Was die Funktionäre im Landkreistag erzählen, darauf braucht ihr nicht zu hören. - Dazu muss ich sagen: Wenn das gilt, dann gilt das für alle, und dann brauchen wir darauf gar nicht zu hören. Ich setze aber auf einen Dialog mit den gewählten Funktionären in allen Bereichen, und wir haben sie nicht zu missachten. Es wird deswegen im Bundesrat zu einer Ablehnung der Vorschläge der Bundesregierung kommen, und dann werden wir in den Vermittlungsausschuss gehen. Ich setze darauf, dass es angesichts der Schwere des Problems, das es zu lösen gibt, ein Aufeinanderzugehen gibt. Meine Damen und Herren, der Bund hat kein Geld zu verschenken, und die Kommunen haben auch kein Geld zu verschenken; das ist klar.

Um eine Lösung für die Zukunft zu finden, bei der niemand den anderen sozusagen hinter die Fichte führt, wäre es zur Lösung dieser Aufgabe im Unterschied zu dem, was Frau Helmbold gesagt hat, sinnvoll, im Grundgesetz zu verankern, wie die Finanzströme in diesem Zusammenhang gewährleistet sind. Auf diese Weise könnte den Kommunen das Misstrauen genommen werden, sie würden hinter die Fichte geführt werden.

Meine Damen und Herren, entgegen dem, was Sie hier emotional vorgetragen haben, bin ich ganz sicher, dass das in den Gesprächen im Vermittlungsausschuss - im Unterschied zu Ihnen hatte ich schon Gelegenheit, im Vermittlungsausschuss mitzuarbeiten - berücksichtigt wird. Ich bin auch ganz sicher, dass wir eine Chance haben, das durchzusetzen, weil die Bundesregierung im Prozess des Gebens und Nehmens wohl den Versuch machen wird, zu einer Lösung zu kommen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwarz?

Nach dem nächsten Satz. - Ich bin mir so sicher, weil wir - auch das weiß jeder hier im Hause - eine Fülle von Gesetzen - von den Steuergesetzen über die Gesundheitsreform bis zu den Arbeitsmarktgesetzen - haben, und da werden wir mal sehen, dass wir bis Weihnachten zu Potte kommen. - Herr Kollege Schwarz!

Herr Minister Hirche, können Sie erklären, warum der Städtetag und der Gemeindebund bei Ihrem Modell Mehrkosten von 6,9 Milliarden Euro auf die Kommunen zukommen sehen?

Ich kann mir das nur vorstellen. Die Argumente aus Ostdeutschland kenne ich ja. Ich möchte das jetzt nicht öffentlich kommentieren, weil wir mit den Argumenten so umgehen, wie sie vorgebracht werden, aber als Landesregierung uns eines Kommentars über Motive und Beweggründe enthalten. Von daher habe ich festgestellt, dass hier unterschiedliche Auffassungen vorhanden sind.

Einige Kommunen glauben, sie seien damit überfordert. Deswegen hat die Landesregierung überhaupt kein Problem damit, beispielsweise im Vermittlungsausschuss auf die Bundesregierung zuzugehen, um für die Fälle, bei denen die Kommunen glauben, überfordert zu sein, eine Lösung zu finden, die etwa darin besteht, dass Dritte beauftragt werden, die Aufgabe von Job-Centern - welcher Art auch immer - wahrzunehmen. Es geht allerdings um die originäre Zuweisung dieser Aufgabe an den Leistungsträger, der vor Ort den Menschen am nächsten ist. Die Sorge der Kommunen ist, dass sich der Bund einer grundgesetzlichen Regelung zur Festschreibung der Finanzströme verweigert. Das ist allerdings für uns in diesem Zusammenhang eine Conditio sine qua non.

(Zuruf von der SPD: Das hat er aus Harry Potter!)

Ich kann gar nicht verstehen, warum sich die SPD einer solchen Lösung verweigern sollte; denn das hieße, dem Verdacht der Kommunaltrickserei und der Kommunalfeindlichkeit durch die Hintertür Nahrung zu geben.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Von daher können Sie das ausräumen, indem Sie einer solchen Lösung zustimmen.

Wir wollen nur noch zwei statt bisher vier Leistungskategorien, also nur noch Arbeitslosengeld als Versicherungsleistung aufgrund von Beitragszahlungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie eine neue Leistung zur Sicherung der Existenzgrundlagen, in der Arbeitslosenhilfe, Hilfe zum Lebensunterhalt, Grundsicherung und Wohngeld zusammengeführt werden. Meine Damen und Herren, das sind die wesentlichen Merkmale.

Ich will zum Abschluss noch hinzufügen, dass wir sehr wohl dabei bleiben, dass über die Zumutbarkeit geredet werden muss. Ich wiederhole das mit allem Ernst: Ein Arbeitsplatz ist wichtiger und Einstieg in die Arbeit ist wichtiger als ein voller Tariflohn vom ersten Tag an. Sonst werden wir nie ausreichend viele Arbeitsplätze in Deutschland schaffen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Frage an das soziale Gewissen jedes Einzelnen, die jeder anders beantworten kann, ist: Wollen wir Einstiegskorridore, wollen wir Treppen für die Menschen, die in Arbeitslosigkeit sind, schaf

fen, oder wollen wir die Hürden zum Einstieg in den Arbeitsmarkt so hoch halten, dass im Zweifelsfall jeder, der das bezahlen muss, dies nicht macht, sondern Arbeit nur an hoch qualifizierte Leute vergibt? Wenn es richtig ist, dass so viele unqualifizierte Leute arbeitslos sind, dann wird es allerdings höchste Zeit, über Zumutbarkeit zu reden.

Meine Damen und Herren, wir werden Hessen mit dem an die Seite treten, was wir tun. Ich bin sicher, dass wir am Ende den „Niedersächsischen Weg“ als Kompromissweg zwischen Bund und Ländern ein gutes Stück werden durchsetzen können.

(Starker, anhaltender Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung, zuerst zum Tagesordnungspunkt 9. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP annehmen möchte, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Die Mehrheit stimmte der Beschlussempfehlung zu.

Jetzt kommen wir zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 10. Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ablehnen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Ausschussempfehlung gefolgt worden.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 5: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über das Halten von Hunden - Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/245 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - Drs. 15/458

Die Beschlussempfehlung lautet: Annahme mit Änderungen. Frau Hansen erstattet den Bericht. Danach möchte sie für die CDU-Fraktion sprechen.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz empfiehlt Ihnen in der Drucksache 458, den Gesetzentwurf mit den aus der Beschlussempfehlung ersichtlichen Änderungen anzunehmen. Für diese Empfehlung haben sich die Mitglieder der Fraktion der CDU, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen ausgesprochen. Die der SPD-Fraktion angehörenden Abgeordneten haben den Gesetzentwurf abgelehnt.

Die mitberatenden Ausschüsse für Inneres und Sport sowie für Rechts- und Verfassungsfragen haben sich der Empfehlung des federführenden Ausschusses angeschlossen.

Der Gesetzentwurf sieht im Kernpunkt vor, die so genannte Rasseliste abzuschaffen, nach der Hunde bestimmter Rassen stets einer Erlaubnis bedürfen. Die Mitglieder der Fraktionen, die sich für die Änderung aussprechen, vertraten die Auffassung, bereits die in der vergangenen Legislaturperiode zum Hundegesetz durchgeführte Anhörung habe ergeben, dass die besondere Gefährlichkeit der im Gesetz bestimmten Rassen nicht nachweisbar sei. Demgegenüber wandten die Vertreter der SPD-Fraktion ein, die Hunde dieser Rassen verfügten über eine im Vergleich zu sonstigen Rassen erhöhte Beißkraft.

Der Entwurf sieht in der Nr. 4 eine Regelung vor, die die erneute Verwendung einer nach altem Recht erteilten Erlaubnis ausschließt, wenn bei einem bisher der Rasseliste zugehörigen Hund nunmehr die individuelle Gefährlichkeit und damit die Erlaubnispflichtigkeit festgestellt wird. Die in der Nr. 1/1 vorgeschlagene Regelung soll in Ergänzung dazu sicherstellen, dass in diesem Fall auch ein neuer Wesenstest durchzuführen ist.

Die übrigen Änderungen sind redaktioneller Art.

Damit möchte ich meinen Beitrag schließen. Der federführende Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz bittet darum, entsprechend der vorliegenden Empfehlung zu beschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion mache ich folgende Ausführungen: Auf den fürchterlichen Vorfall in Hamburg im Ju

ni 2000, bei dem der kleine Volkan von Hunden totgebissen wurde, haben wir in diesem Hause, wie auch andere Länderparlamente, mit Aktionismus reagiert. Die öffentliche Diskussion veranlasste alle Fraktionen, sich mit dem Thema „gefährliche Hunde“ näher zu befassen. Auch wir waren der Meinung, mit dem Verbot einiger Rassen den Missbrauch von Hunden verhindern und den Schutz der Bevölkerung gewährleisten zu können. Gegen die im Eilverfahren durch den damaligen Minister und heutigen Landtagskollegen Uwe Bartels beschlossene Hundeverordnung kam es zu Klagen. Die Verordnung wurde vom Gericht verworfen. Die Landesregierung legte einen neuen Gesetzesentwurf vor. Es wurde Ende Oktober 2002 eine Anhörung aller mit der Hundehaltung befasster Verbände, den Kommunalverbänden und Tierärzten durchgeführt.

Die Ablehnung gegen die erneute Aufnahme einer Rasseliste zog sich wie ein roter Faden durch alle Statements der Anzuhörenden. Die Abgeordneten der CDU-Landtagsfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen waren sich danach einig, ein Verbot einiger Hunderassen nicht in das Gesetz aufzunehmen. Die SPD-Fraktion hingegen beschloss in einer internen Abstimmung mit einer Stimme Mehrheit, den statischen Verweis auf das Bundesgesetz in dem neuen Niedersächsischen Hundegesetz zu verankern, und setzte dies auch im Plenum durch.

Heute liegt Ihnen der Änderungsantrag der Regierungskoalition vor mit dem Ziel, die so genannte Rasseliste abzuschaffen. Wir sind der Meinung, dass wir mit dem bestehenden Gesetz einen überhöhten Verwaltungsaufwand betreiben, ohne auch nur einen Hundebiss zu verhindern. Im Gegenteil; mir liegen dazu eindeutige Zahlen aus der Region Hannover vor. Jawohl, Herr Bartels.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert übernimmt den Vorsitz)

Beißunfälle wie in Hamburg beruhen auf dem Fehlverhalten der Menschen und dem Missbrauch von Hunden. Eine Tierärztin führte in der Anhörung folgenden Vergleich an: „Der Hund ist seit Menschengedenken ein treuer Begleiter und erfüllt die unterschiedlichsten Aufgaben. Ein Küchenmesser ist im Haushalt unverzichtbar. Beide bergen aber auch ein Gefahrenpotential bei falschem Umgang und bei Missbrauch. Aber niemand käme auf die Idee, die Küchenmesser zu verbieten.“ So weit die Tierärztin.

Wer oder was also macht die Hunde so gefährlich? Der Mensch. Die CDU-Fraktion vertritt die Auffassung, dass das Problem am oberen Ende der Leine ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Meine Damen und Herren, 90 % der Beißvorfälle, so wurde berichtet, beruhen auf Missverständnissen zwischen Mensch und Tier. Es mangelt an Sachkenntnis über die Erziehung und Haltung von Hunden sowie das Hundeverhalten in besonderen Situationen. Über einen solchen Fall berichtete die Berliner Zeitung am 18. September 2003. Ein zweijähriger Junge fütterte zu Hause einen Staffordshire Terrier mit einem getrockneten Schweineohr. Als der Hund das Schweineohr fallen ließ und der Junge es aufheben wollte, hörte die Mutter nur noch ein Knurren, und der Hund biss dem Jungen die Nasenspitze ab. Wie fürchterlich!

In diesem Zusammenhang wurde ein Verhaltensexperte befragt, ob es denn generell sein dürfte, dass Kinder Hunde fütterten oder nicht. Die Antwort war: Natürlich darf ein Kind einen Hund füttern. Aber es muss lernen, wie es richtig gemacht wird. Im aktuellen Fall waren in der Tat auch gravierende Fehler bei der Erziehung des Hundes gemacht worden. Dazu kommt, dass der Lebensgefährte der Mutter nach geltendem Recht gar keinen Hund halten durfte, weil er straffällig geworden war. Ich sage ausdrücklich: nach geltendem Recht. So meldete die Mutter den Hund auf ihren Namen bei der Kommune an. Herr Minister a. D. Bartels, solche Vorfälle werden wir allerdings durch kein Gesetz verhindern können.

Namhafte Verhaltensforscher haben in ihrem Gutachten darauf hingewiesen, dass die Gefährlichkeit nicht allein an einzelnen Rassen festzumachen ist. In einem Sonderdruck aus der Tierärztlichen Umschau steht:

„Die Auswahl der Rassen erscheint willkürlich. Sie lässt sich weder mit deren Entstehungsgeschichte noch mit der Erhebung über durch Hunde verursachte Schäden mittels verhaltensbiologischer Erkenntnisse begründen.“

Es gibt also keine rassebedingte Gefährlichkeit bei Hunden. Wir haben auf die Experten gehört und sind im Gegensatz zu Ihnen von der SPD-Fraktion lernfähig. Wir wollen heute das Gesetz ändern. Ich freue mich sehr, dass sich anscheinend auch in

der SPD-Fraktion der Sachverstand durchsetzt, und Sie heute eventuell doch zustimmen werden.

Am Montag dieser Woche, also genau vor zwei Tagen, bekam ich eine Mail vom Arbeitskreis Tierschutz der SPD in Hannover. Man höre und staune: Der hat die Novellierung des Gesetzes ausdrücklich begrüßt.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Hört! Hört!)