Protocol of the Session on December 14, 2007

einzelnen Ebenen (Kreis und Samtgemeinden) sein. Bereits vor Verabschiedung des Gesetzes war jedoch auch diese Regelung umstritten. Selbst innerhalb der Landesregierung gab es schwerwiegende Bedenken. Während das Finanzministerium sowohl steuer- als auch ausschreibungsrechtliche Fragestellungen aufgeworfen hatte, sah jedoch der Innenminister keinerlei Probleme.

Gegenstand des vor dem Staatsgerichtshof geführten Verfahrens ist eine Kommunalverfassungsbeschwerde von zwei Samtgemeinden sowie acht ihrer Mitgliedsgemeinden, die durch die in § 4 des Lüchow-Dannenberg-Gesetzes vorgesehene Aufgabenübertragung einen Verstoß gegen Artikel 57 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung gerügt hatten.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Welche Konsequenzen hat das Urteil des

Staatsgerichtshofs für den Landkreis Lüchow

Dannenberg und die dortigen kommunalen Strukturen?

2. Welche Auswirkungen hat das Urteil darüber hinaus z. B. auf das bislang von der Landesregierung verfolgte Konzept der interkommunalen Zusammenarbeit in Niedersachsen?

3. Welchen Handlungsbedarf sieht die Landesregierung nach diesem Urteil, und welche Konsequenzen wird sie ganz konkret daraus ziehen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister Schünemann hat das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Staatsgerichtshof hatte sich zum ersten Mal mit der Frage zu befassen, ob die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung in Artikel 57 der Niedersächsischen Verfassung auch den übertragenen Wirkungskreis, also die von den Kommunen wahrgenommenen staatlichen Aufgaben, schützt. Das Gericht hat diese Frage bejaht und ist damit deutlich über den Schutzbereich der entsprechenden grundgesetzlichen Garantie hi

nausgegangen. Weder Artikel 28 des Grundgesetzes in der Ausformung der diesbezüglichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch die Verfassungen anderer Länder kennen eine derartig weite Gewährleistung kommunaler Selbstverwaltung, die einen Anspruch der Gemeinden auf Übertragung staatlicher Aufgaben einschließt. Dementsprechend war auch die allgemeine niedersächsische Rechtsauffassung und Staatspraxis bisher eine andere. Gemeinsam diskutiert - und als Konnexitätsregelung einer guten verfassungsrechtlichen Lösung zugeführt - haben wir die berechtigte Forderung der Kommunen, für den Fall der Übertragung staatlicher Aufgaben unverzüglich

durch Gesetz einen entsprechenden finanziellen Ausgleich zu erhalten.

Auf Grund der neuen Inhaltsbestimmung des Artikels 57 der Niedersächsischen Verfassung bestehen jetzt erstmals spezifisch verfassungsrechtliche

Anforderungen an die Verlagerung staatlicher Aufgaben von den Gemeinden auf die Landkreise. So hat das Gericht insbesondere die Darlegungs- und Begründungspflicht des Gesetzgebers deutlich angehoben, eine Abwägung aller Vor- und Nachteile der Aufgabenverlagerung im Lichte der - jetzt als betroffen anzusehenden - kommunalen Selbstverwaltungsgarantie verlangt und auf die Erforderlichkeit von Organisationsuntersuchungen oder Kosten-Nutzen-Analysen in diesem Zusammenhang hingewiesen. Solche Untersuchungen und Analysen sind zwar für die Landesverwaltung nichts Neues. Ich darf insoweit nur auf die Gesetzesfolgenabschätzung zur ersten Phase der Verwaltungsmodernisierung oder auch die Vorbereitung von Vorschlägen zur kommunalen Zusammenarbeit der Einbürgerungsbehörden oder Standesämter verweisen. Sie werden uns allerdings künftig im Zusammenhang mit Aufgabenzuweisungen stärker als bisher beschäftigen.

Das Urteil des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes wird von der Niedersächsischen Landesregierung entsprechend den „Spielregeln“ unserer Demokratie uneingeschränkt akzeptiert, in allen seinen Teilen. Andere sollten das im Übrigen auch tun. Ich meine damit vor allem diejenigen, die selbst jahrelang die Hände in den Schoß gelegt und der dramatischen Entwicklung der kommunalen Haushalte im Landkreis Lüchow-Dannenberg tatenlos zugesehen haben.

(Beifall bei der CDU)

Als die neue Koalitionsregierung von CDU und FDP dann wirklich handelte, haben die gleichen Menschen nichts Besseres zu tun gehabt, als das Projekt in jeder Hinsicht als untauglich und unseriös darzustellen. Wie so etwas konkret aussieht, kann man einmal mehr den einleitenden Sätzen zu dieser Mündlichen Anfrage entnehmen. Allen denjenigen, die sich jetzt angesprochen fühlen dürfen, sei die Entscheidung des Staatsgerichtshofes zur genauen Lektüre auch der ihnen nicht genehmen Teile empfohlen. Die Landesregierung und auch z. B. der Niedersächsische Landkreistag - in einem aktuellen Rundschreiben an seine Mitglieder

haben sich selbstverständlich dieser Mühe der genauen Lektüre unterzogen. Hingewiesen sei hier deshalb in aller Kürze auch auf folgende Feststellungen des Gerichts - ich zitiere hier sinngemäß -:

Der mit dem Lüchow-Dannenberg-Gesetz verfolgte Zweck, die kommunalen Haushalte zu konsolidieren, ist verfassungsgemäß. Die Stabilität öffentli

cher Haushalte ist nicht nur ein wichtiger Gemeinwohlbelang, sondern hat selbst Verfassungsrang.

Die für unwirksam erklärte Verlagerung der staatlichen Aufgaben auf den Landkreis ist grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Haushaltskonsolidierung.

Der Gesetzgeber musste angesichts der dramatischen finanzwirtschaftlichen Entwicklung nicht

länger auf die freiwillige Realisierung von Einsparmaßnahmen der betroffenen Kommunen vertrauen.

Und der Gesetzgeber musste schließlich auch nicht eine mögliche Landkreisgebietsreform der Verlagerung staatlicher Aufgaben auf den Landkreis vorziehen.

Aus alledem ergibt sich, dass Regierungsfraktionen und Landesregierung mit dem Lüchow

Dannenberg-Gesetz insgesamt einen nicht nur verfassungsrechtlich zulässigen, sondern in seiner Zielsetzung sogar einen verfassungsrechtlich gebotenen Weg zur notwendigen Haushaltskonsolidierung beschritten haben.

(Beifall bei der CDU)

Die Wiederherstellung der mit Verfassungsrang ausgestatteten Haushaltsstabilität im Bereich Lüchow-Dannenberg sollten wir alle - und damit meine ich insbesondere auch die Damen und Herren von den Oppositionsfraktionen - tatkräftig unterstützen. Sie wird für die Sicherung kommunaler Selbstverwaltung im Raum Lüchow-Dannenberg von ganz entscheidender Bedeutung sein. Gerade die Menschen vor Ort erwarten zu Recht von uns, dass der Umstrukturierungsprozess weiter geht und wir nicht auf halbem Wege stehen bleiben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Infolge des Urteils des Staatsgerichtshofes sind die seit dem Inkrafttreten des Lüchow

Dannenberg-Gesetzes am 1. November 2006 vom Landkreis Lüchow-Dannenberg wahrgenommenen staatlichen Aufgaben ab sofort wieder von den jetzt allerdings nur noch drei statt vorher fünf Samtgemeinden zu erfüllen. Die Samtgemeinden erhalten diesbezüglich auch wieder - wie bis zum

1. November 2006 - die entsprechenden Zuweisungen nach dem Niedersächsischen Finanzausgleichsgesetz für die Erfüllung dieser Aufgaben. Alle anderen Strukturmaßnahmen des LüchowDannenberg-Gesetzes werden durch die Gerichts

entscheidung nicht berührt. Dies sind der Zusammenschluss der Samtgemeinden Lüchow und

Clenze zur Samtgemeinde Lüchow (Wendland), der Zusammenschluss der Samtgemeinden Dannenberg (Elbe) und Hitzacker (Elbe) zur Samtgemeinde Elbtalaue sowie die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften als zusätzliche Organisationsform zur Intensivierung kommunaler Zusammenarbeit.

Auf dieser Grundlage des weiter geltenden Lüchow-Dannenberg-Gesetzes wird die Strukturreform fortgesetzt. Über das bisher schon Erreichte hinaus sind nach wie vor erhebliche Einsparungen notwendig und auch erzielbar. Das Ministerium für Inneres und Sport wird den Dialog mit allen Kommunen im Bereich Lüchow-Dannenberg in den kommenden Monaten noch einmal intensivieren. Hierüber bin ich mir - ungeachtet der Entscheidung des Staatsgerichtshofs - gerade auch mit denjenigen Kommunen einig, die die Verfassungsbeschwerden eingelegt haben. Von Beteiligten vor Ort ist mir diesbezüglich erst vor kurzer Zeit das Angebot zu einer gemeinsamen Projektorganisation unter maßgeblicher Einbeziehung der Regierungsvertretung Lüneburg unterbreitet worden.

Einzelheiten hierzu werden zurzeit besprochen. Die Bereitschaft zur Mitarbeit und Kooperation für die Fortsetzung des Strukturprozesses ist also auch bei den Verantwortlichen vor Ort in LüchowDannenberg vorhanden. Ich werde sie selbstverständlich nutzen. Gemeinsam werden wir weitere konkrete Einsparvorhaben auf den Weg bringen.

Darüber hinaus stehe ich selbstverständlich weiter zu meiner Zusage für das Land, nach Maßgabe konkreter Zielvereinbarungen 36 Millionen Euro an besonderen Bedarfszuweisungsmitteln zur Unterstützung des Umstrukturierungsprozesses einzusetzen. Von diesem Geld sind bereits mehr als 13 Millionen Euro an den Landkreis und die Samtgemeinden ausgezahlt worden.

Zu Frage 2: Das Urteil des Staatsgerichtshofes hat keine Auswirkungen auf das von der Landesregierung verfolgte Konzept der Intensivierung interkommunaler Zusammenarbeit. Es betrifft - ich wiederhole das gern noch einmal - die Zuweisung staatlicher Aufgaben an kommunale Körperschaften und nicht Fragen der interkommunalen Zusammenarbeit.

Zu Frage 3: Die Frage nach den konkreten Auswirkungen des Urteils des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes ist bereits beantwortet worden. Die

Landesregierung sieht keinen darüber hinausgehenden aktuellen Handlungsbedarf. In gleicher Weise hat sich im Übrigen auch bereits der Niedersächsische Landkreistag geäußert. Ungeachtet dessen wird die Landesregierung die Urteilsgründe der Entscheidung unverzüglich und mit der gebotenen Sorgfalt weiter prüfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Bevor ich Herrn Bartling das Wort zur ersten Zusatzfrage erteile, möchte ich Ihnen miteilen, dass sich die Fraktionen geeinigt haben, auch über Tagesordnungspunkt 31 ohne Aussprache abzu

stimmen.

Herr Kollege Bartling, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hatte in der abschließenden Beratung des Lüchow-Dannenberg-Gesetzes am

16. Mai 2006, wie dem Protokoll der Plenarsitzung zu entnehmen ist, Folgendes gesagt - ich erlaube mir einmal, mich selbst zu zitieren -:

„Die Übertragung von Gemeindeaufgaben aber auf den Landkreis werten wir als einen durch nichts begründeten Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Ich habe nach wie vor erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieses Konstrukts und sehe einer gerichtlichen Klärung dieser

Frage vor dem Staatsgerichtshof mit großem Interesse entgegen. Ich vermute einmal, Sie werden sich hier die weitere Klatsche abholen.“

So viel aus der Debatte um das Lüchow

Dannenberg-Gesetz vor eineinhalb Jahren. Was ich vorausgesagt hatte, ist eingetreten.