Protocol of the Session on December 13, 2007

Ich gebe zu: Der Weg, die Justiz für die Herausforderungen der Zukunft fit zu machen, ist manchmal steinig. - Herr Professor Dr. Dr. Zielke, ich danke Ihnen sehr für die Beschreibung dieses Weges. Sie haben mir aus der Seele gesprochen. Ich kann Ihnen aber wirklich versichern, das wird mich nicht davon abhalten, diesen Weg Stück für Stück beharrlich weiterzubeschreiten.

Wir sind auf diesem Weg schon ein gutes Stück vorangekommen. Die Bundesregierung hat im Jahr 2005 unser Konzept zur großen Justizreform in die Koalitionsvereinbarung aufgenommen. Das heißt nicht anderes, als dass jetzt die Aufforderung an den Bund zu richten ist, die eigene Koalitionsvereinbarung bitte schön umzusetzen.

Letztlich haben sich am 1. November 2007 noch einmal 11 von insgesamt 16 Justizministerinnen und Justizminister der Länder für die Förderung grundlegender struktureller Veränderungen in der Justiz ausgesprochen. Es sind allesamt die verantwortlichen Ressortminister für diesen Bereich.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Wege, die in die Zukunft führen, werden erst dadurch Wege, dass man sie geht. Auf diesem Weg liegen weitere Projekte für die kommende erfolgreiche Legislaturperiode dieser Landesregierung.

Ich möchte an dieser Stelle nur zwei Beispiele nennen: Wir wollen die richterliche Mitbestimmung reformieren. Wir werden außerdem die Bewährungshilfe, die Führungsaufsicht und die Gerichtshilfe zu einem einheitlichen und leistungsstarken Justizsozialdienst zusammenfassen. Wir werden das Projekt in Bremervörde realisieren. Wir werden weiterhin die Einrichtung bürgerfreundlicher Justizzentren forcieren.

Meine Damen und Herren, wir haben einen klaren Kompass und machen unsere Justiz fit für die Zukunft. Die Zukunft gehört denjenigen, die in der Gegenwart realitätsbezogen handeln. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, der Bereich Justiz ist damit abgeschlossen.

Wir kommen jetzt zum Bereich

Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Als erstem Redner erteile ich Herrn Kollegen Schwarz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei allen Gegensätzen richte ich zu Beginn meinen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums. Auch in diesem Jahr haben wir die erbetenen Unterlagen im Rahmen der Haushaltsberatungen sehr prompt bekommen. Traditionell gehört auch eine gute Arbeitsmappe dazu. Das ist so nicht überall üblich. Dafür meinen herzlichen Dank. Ich hoffe, das wird auch in den nächsten Jahren so sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir wissen, soziale Gerechtigkeit und Solidarität zwischen Starken und Schwachen sind nicht nur eine moralische Verpflichtung. Vielmehr haben sie den sozialen Frieden in unserem Land seit Jahrzehnten maßgeblich geprägt und gesichert. Wir werden alles daransetzen, dass das auch so bleibt, meine Damen und Herren. Für Herrn Wulff & Co. hingegen war die Sozialpolitik viereinhalb Jahre lang die Spardose des Landes oder, wie Herr Jüttner gestern gesagt hat, die Abbruchstelle: Privatisierung der Landeskrankenhäuser, Zer

schlagung des Landesjugendamtes, Streichung

des Pflegewohngeldes, Abschaffung des Landesblindengeldes, Nullrunden in der Behindertenhilfe all dies ist nicht vergessen. Wir werden auch dafür sorgen, dass es nicht vergessen wird, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Es soll niemand glauben, dass sich der Ministerpräsident inhaltlich bei dieser Politik geändert hat. Wir stellen lediglich fest, dass er aus wahltaktischen Gründen seit einigen Monaten weichgespült durch die Sozialpolitik geht. Spätestens nach dem 27. Januar gäbe es dann wieder den alten Wulff. Unsere Aufgabe ist es, dies zu verhindern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will Ihnen das belegen. Ein Blick in den Sozialhaushalt bestätigt: Während seit einigen Monaten die Landesregierung in allen anderen Ressorts mit dem Geld nur so um sich schmeißt, bekam der

Sozialhaushalt beim Nachtragsetat 2007 keinen einzigen Euro ab.

(Christa Elsner-Solar [SPD]: Das ist doch typisch!)

Von der globalen Minderausgabe im Gesamthaushalt in Höhe von 88 Millionen Euro muss allein der Sozialetat 33 % erwirtschaften, d. h. den von Ihnen vollmundig gefeierten Wahlgeschenken im Sozialbereich in Höhe von 800 000 Euro steht im gleichen Etat eine globale Kürzung in Höhe von 29 Millionen Euro gegenüber. Das, meine Damen und Herren, ist der plumpe Versuch einer dreisten Täuschung der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der SPD)

Auf diese Art und Weise haben Sie 2006 im Sozialbereich 37,5 Millionen Euro rückwirkend gestrichen, 2007 werden es 30 Millionen Euro sein. Ich will Ihnen nur sagen, wo Sie 2006 still und heimlich mit rückwirkenden Kürzungen zugeschlagen haben: 2 Millionen Euro in der Sozialhilfe, 6 Millionen Euro in der Jugendhilfe, 14 Millionen Euro im Wohnungsbau und 12 Millionen Euro bei Blindenhilfe und Blindenfonds. Wenn wir die Sozialministerin bitten würden, uns das einmal zu erklären, würde sie sich vermutlich wieder in Ahnungslosigkeit wähnen, meine Damen und Herren. Diese Politik der sozialen Kälte gilt es in Niedersachsen endlich zu beenden.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen, dass partnerschaftliche Sozialpolitik keine Worthülse mehr bleibt. Zwei Krisengipfel der Wohlfahrtsverbände gegen diese Landesregierung sind genug. Wer bei Wohlfahrtsverbänden erst 25 % der Mittel kürzt, um sich dann vor der Wahl für 5 % Nachschlag feiern zu lassen, ist schlicht und einfach unredlich und ein politischer Scharlatan zugleich.

(Beifall bei der SPD)

Gemeinsam mit den Partnern der Wohlfahrts- und Sozialverbände, Kirchen, Gewerkschaften und

Selbsthilfegruppen muss es in der nächsten Legislaturperiode Aufgabe sein, das soziale Niedersachsen wieder weiter nach vorne zu entwickeln. Wir freuen uns auf diese Aufgabe, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

1,2 Millionen Niedersachsen - das ist jeder Siebte, vor allem aber jedes vierte Kind - gelten in Niedersachsen nach den WHO-Kriterien zwischenzeitlich als arm. Arm zu sein heißt nicht nur, weniger Geld zu haben, sondern auch von Lebens-, Bildungsund Gesundheitschancen teilweise ausgeschlossen zu sein. Armut hat allerdings darüber hinaus in Niedersachsen zusehends ein Kindergesicht - eine Situation und Ausgangslage, die wir auf keinen Fall akzeptieren wollen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen in eigener Verantwortung endlich den von Ihnen fünf Jahre lang strikt verweigerten Armutsbericht. Wir wollen diesen regelmäßig vorlegen, um ihn dann mit der Armutskonferenz zu beraten, und dann Lösungsmöglichkeiten suchen. Wir wollen eine eigene Kinderbemessung bei den Regelsätzen und keine Anlehnung an die der Erwachsenen. Dazu ist eine Bundesratsinitiative

notwendig. Wir wollen ferner einen Sozialfonds in Höhe von 6 Millionen Euro, mit dem unbürokratisch für finanzschwache Elternhäuser das Essen in der Schule, die Lernmittel und die Schülerbeförderung gesichert werden können.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, als wir dies am

13. September im Parlament beantragt haben, hat der Kultusminister - ich formuliere das einmal so in meine Richtung erheblich herumgepöbelt. Er hat nicht nur darauf hingewiesen, dass er über diesen Sachverhalt keinerlei Daten zur Verfügung habe. Er hat mir gleichzeitig vorgeworfen, ich leide an Amnesie und Wahrnehmungsstörungen und könne ja wohl nicht den Eindruck vermitteln, als hätten wir in diesem Land Heerscharen von hungernden Kindern in der Schule.

Zwei Monate später stellt dieser Kultusminister in einer Pressemitteilung seines Hauses fest: In Niedersachsen gibt es zurzeit allein an Ganztagsschulen 32 000 betroffene Schülerinnen und Schüler. Meine Damen und Herren, ich finde, Herr Busemann, Sie sollten sich für die Angriffe, die Sie vorher gefahren haben, entschuldigen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Nun hat Herr McAllister hier gestern gesagt, Sie nähmen Kinderarmut sehr ernst. Ich will Ihnen einmal sagen, was Ihr 3-Millionen-Euro-Fonds

bedeutet. Herr Busemann stellt in seiner Pressemitteilung fest, dass das Essen in Ganztagsschu

len - - - Wir reden nicht von Gymnasien, in denen auch eine Essensspeisung gegeben wird und

nachmittags Kursangebote vorhanden sind. Die kommunalen Spitzenverbände reden im Übrigen nicht von 32 000, sondern von 90 000 betroffenen Kindern; aber ich unterstelle einmal, Ihre Zahlen wären die absolute Obergrenze. Sie stellen in Ihrer eigenen Pressemitteilung fest: Das Essen kostet 2,50 Euro. Davon werden aus dem Warenkorb der Sozialhilfe 1,03 Euro finanziert. Damit bleibt für die betroffenen Eltern und ihre Kinder eine Finanzierungslücke von 1,47 Euro. Wenn Sie Ihre 3 Millionen Euro auf 32 000 Kinder herunterbrechen, dann sind das 35 Cent pro Kind. Es bleibt dann immer noch eine Lücke von 1,12 Euro. Meine Damen und Herren, Kinderarmut und dieses Problem ernster zu nehmen - das sieht wirklich anders aus!

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich füge in aller Sachlichkeit, aber auch Deutlichkeit hinzu: Eine Regierung, die Lernmittelfreiheit und Hausaufgabenhilfe abgeschafft hat, hat für diesen Personenkreis maßgeblich zur Steigerung der Kinderarmut beigetragen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir schon dabei sind: 1,4 Millionen Menschen arbeiten zwischenzeitlich in Vollzeit - diese Zahl hat sich in den letzten Monaten fast verdoppelt - und brauchen ergänzende Sozialhilfeleistungen. Das ist erniedrigend und entwürdigend für diese Menschen. Dies bedeutet in der Folge aber auch niedrigere Renten und vorprogrammierte

Altersarmut.

(Norbert Böhlke [CDU]: Gilt das ei- gentlich nur für Niedersachsen?)

- Weil das eben nicht nur für Niedersachsen gilt, fordere ich Sie auf, Ihren Kampf gegen Mindestlöhne endlich aufzugeben, meine Damen und Herren!