Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Haushaltsberatung kurz vor der Landtagswahl hat schon ihre Vorteile: Es geht alles ziemlich schnell, und im Nachklapp gibt es vonseiten der Regierung in Anbetracht der bevorstehenden Wahl auch noch einige Zuschläge. Die Zeiten der harten Einschnitte im Bereich der Gesundheitspolitik und im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik sind vorerst vorbei.
Es bleibt jedoch die Kerbe, die Sie unter SchwarzGelb seit Beginn Ihrer Amtszeit geschlagen haben. Schauen wir uns den Haushalt einmal etwas genauer an.
Eines Ihrer Schlagworte ist die sogenannte Offensive „Kinder- und familienfreundliches Niedersachsen“. Schaut man genauer hin, stellt man fest, dass im Sozialhaushalt 20 Millionen Euro übrig bleiben. Nach den Aussagen der Ministerin ist das ein Superprogramm, das rege abgerufen wird. Mein Eindruck ist eher: Es ist ein Flop, es ist ein Schuss in den Ofen.
Ich will auf folgenden Punkt näher eingehen. Unter dem Dach der Familien- und Kinderservicebüros werden gerade neue Jobs unterhalb der Armutsgrenze im Niedriglohnbereich eingerichtet. Für eine Tagesmutter wird zurzeit ein Satz von 2,50 Euro pro Kind und Stunde, bei Höherqualifizierung von 3 Euro pro Kind und Stunde bezahlt. Die Besteuerung um ein Jahr nach hinten zu verschieben, ist bei einem Stundenlohn von 2,50 Euro sowieso ein Hohn.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Reinhold Hilbers [CDU]: Die betreuen doch nicht nur ein Kind!)
Es heißt im Übrigen auch „Tagesmütter“ und nicht „Tagesväter“. Väter würden nie für 2,50 Euro arbeiten.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Wo wird denn für 2,50 Euro gearbeitet, Frau Janssen?)
Meine Damen und Herren, Sie bauen hier gerade einen neuen Niedriglohnbereich von Frauen für Frauen auf. „Pfui Teufel!“, kann ich da nur sagen.
Die Qualität bleibt in dem Bereich komplett auf der Strecke. Wenn man mit 2,50 Euro überleben will, heißt das letztendlich: Man kann nicht anders, als Großpflegestellen aufzubauen. Die Zukunft Niedersachsens sieht dann so aus: Großpflegestellen zur Unterbringung unserer kleinen Kinder. Da bleiben Qualität, die viel gerühmte Bildung, die Beratung und die Erziehung der Kinder auf der Strecke. Familien mit Zukunft, Zukunft für Familien - in Niedersachsen rückt das mit Ihnen unter SchwarzGelb in weite Ferne.
1,7 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt. Sie haben zumindest den Stellenwert von Kinder- und Jugendschutz erkannt. In die Koordinationszentren fließen 470 000 Euro. Der Kern dieses Modellprojekts, den Schutz von Kindern vor Vernachlässigung und Misshandlung durch verlässliche und verbindliche Kooperationen der bestehenden Hilfen auf kommunaler Ebene zu stärken, ist richtig und überfällig. Kooperation und Vernetzung sind die Zauberworte. Die Stärkung und der Ausbau dieser Netzwerke sind eindeutig Landesaufgabe. Mit lediglich vier Modellprojekten drücken Sie sich vor dieser Landesaufgabe. Das sind nur vier Tropfen auf dem heißen Stein.
Schauen wir uns den Bereich der Familienhebammen an. Es ist wichtig und richtig, die Familienhebammen weiter auszubilden und weiter zu qualifizieren. In Ihrem Haushalt stehen dafür läppische 70 000 Euro bereit. Das ist lächerlich. Damit wird auch noch die Koordination über die Stiftung „Eine Chance für Kinder“ bezahlt. Es bleibt dabei: Die Familienhebammen werden weiterhin nur nach Kassenlage der Kommunen eingesetzt. Aber das kann es doch nicht sein, wenn wir flächendeckend im Land Niedersachsen dem Kinderschutz die erste Stelle einräumen wollen, wenn wir alle Kinder erreichen wollen. Es nützt nichts, nach jedem tragischen Fall nach neuen Konzepten und Pflichtuntersuchungen zu rufen und auf Zuständigkeiten der Bundesregierung oder des gemeinsamen Ausschusses zu verweisen.
Erforderlich ist jetzt konkretes, schnelles Handeln. Wir haben doch das erfolgreiche Modell der Familienhebammen in Niedersachsen entwickelt. Weshalb nutzen Sie es nicht hier und jetzt sofort und nehmen dafür die erforderlichen Millionen, wie in unserem Änderungsantrag gefordert, in die Hand? Dann täten wir jetzt etwas für die Kinder und für die Familien. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Wir wollen hier und jetzt im Interesse des Kindeswohls handeln. Geben Sie sich im Rahmen der Haushaltsberatung einen Ruck! Meine Damen und Herren, mit den Kleinen steht es nicht zum Besten. Hier wurde viel Wind gemacht, es gab viele schöne Worte.
Im Bereich Jugendförderung ist es Ihnen gelungen, allein bei den Mitgliedsverbänden im Landesjugendring die Summe um 40 % von 3,4 Millionen auf 2 Millionen Euro zu kürzen. Jugendarbeit gibt
es kaum noch. Die Mädchenarbeit wurde gestrichen. Genderarbeit findet irgendwo hinter verschlossenen Türen statt. Sie haben das erarbeitete Know-how richtig verpulvert.
Mit der Streichung des Verdienstausfalls für ehrenamtlich Tätige in der Jugendarbeit haben Sie der Jugendarbeit einen Bärendienst erwiesen.
- Frau Meißner, Sie gucken mich so traurig an -, wenn Ihre FDP-Kollegen für die Wiedereinsetzung des Verdienstausfalls streiten. Das ist so etwas von verlogen. Sie haben das doch gestrichen!
Meine Damen und Herren, genauso ist es bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit. Auch hier werden mit spitzen Fingern nur die Haushaltsmittel fortgeschrieben, damit EU- und ESF-Mittel nicht verfallen. Es wird nur das Nötigste getan. Die Träger der Grundangebote der Jugendberufshilfe und der arbeitsweltbezogenen Jugendsozialarbeit können von Planungssicherheit nur träumen; denn Sie stellen die Mittel nur für drei Jahre bereit, obwohl die Förderperiode bis 2013 läuft. Sie sagen: Wir evaluieren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!
umfassend anspricht. Es gibt viele Splitterprogramme mit kurzen Laufzeiten, verteilt über vier Ministerien. Das macht deutlich, welchen Stellenwert Kinder- und Jugendpolitik bei Ihnen hat und dass Sie für die Zukunft der jungen Menschen nichts auf der Platte haben.
Niedersachsen steht aufgrund der starken gesellschaftlichen Veränderungen und der demografischen Entwicklung vor großen Herausforderungen. Die Kinder und Jugendlichen sind der Dreh- und Angelpunkt für die Zukunft Niedersachsens. Aber Zukunftsprojekte? - Weit gefehlt, die sucht man vergebens.
Zu einer Kurzintervention hat sich Frau Meißner gemeldet. Sie haben eine Redezeit von anderthalb Minuten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Janssen-Kucz, Sie sprechen hier von Verlogenheit im Wahlkampf. Wenn man etwas nicht sagt, geht das vielleicht in die gleiche Richtung.
Was ich Sie fragen wollte: Haben Sie denn gar keine Ahnung, dass es die Pro-Aktiv-Zentren gibt, die im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit erfolgreiche Arbeit geleistet haben?
Wissen Sie nicht, dass z. B. aufgrund der Programme zur Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit des Wirtschaftsministeriums sehr gute Vermittlungsquoten erreicht wurden?
Wenn Sie diese Punkte nicht ansprechen, dann ist das zumindest eine unterlassene Benennung von Tatsachen.
Zu den Tagesmüttern und Tagesvätern: Ich weiß im Moment nicht genau, wie viele Tagesväter es gibt, aber ich weiß definitiv, dass es Tagesväter gibt. Dabei geht es nicht darum, viel Geld zu verdienen, sondern darum, im häuslichen Umfeld andere Kinder mitzubetreuen. Das ist etwas ande
res, als wenn man irgendwo eingestellt wird. Sie haben ja selbst gesagt, der Richtsatz liegt bei 2,50 Euro pro Stunde pro Kind. Eine Tagesmutter kann bis zu fünf Kinder betreuen. Das hängt ja auch mit ihrer eigenen familiären Situation zusammen. Und der Verdienst ist unterschiedlich hoch, je nachdem, wie viele andere Kinder sie mitbetreut. Das kann man nicht genauso werten wie andere Tätigkeiten im Arbeitsmarkt. Wussten Sie das nicht?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Meißner, das war mir bekannt. Aber Sie haben es ja bestätigt: Der Trend dieser Landesregierung geht zu Großpflegestellen - die sind notwendig, damit die Menschen überhaupt ein Einkommen haben - billig, billig, billig.
Liebe Frau Meißner, Sie sagen, ich hätte die ProAktiv-Zentren usw. unterschlagen. Ich hätte das hier gerne alles dargelegt. Sie haben in diesem Bereich aber nur das Pflichtprogramm absolviert, mehr macht die Landesregierung nicht.
Aber wieso haben Sie das Programm nur für drei Jahre fortgeschrieben und nicht analog zur Förderperiode des ESF bis 2013? Wollen Sie nicht, dass die Träger Planungssicherheit haben, oder was steckt letztendlich dahinter? - Dabei bleiben auch Sie die Antwort schuldig.