Protocol of the Session on December 12, 2007

Ich eröffne die Beratung.

Zu Wort gemeldet hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Meihsies. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ihnen liegt eine Beschlussempfehlung zu dem Antrag „Leukämiefälle in der Elbmarsch müssen geklärt werden“ vor, die von allen vier Fraktionen dieses Hauses im Sozialausschuss vorbereitet und gemeinschaftlich beschlossen wurde. Der Beratung und gemeinsamen Beschlussfassung ist eine anderthalbjährige intensive Diskussion vorausgegangen, ein Dialog über die Parteigrenzen und unterschiedlichen Auffassungen zur Atomenergie hinweg, immer mit dem Ziel vor Auge, in diesem Bereich Aufklärung zu leisten. Das war das alleinige Ziel, das wir an dieser Stelle gemeinschaftlich verfolgt haben.

Ich bedanke mich bei der Kollegin und den beiden Kollegen, die bei diesem Dialog konstruktiv mitgearbeitet haben: Frau Meißner, Herrn Böhlke und Herrn Harden. Es war eine gute Arbeit im Sinne der Überschrift dieses Antrags.

Jenseits der unterschiedlichen politischen Auffassungen sind wir dazu gekommen, die Diskussion im Rahmen einer Anhörung zu vertiefen. Dabei ging es um die Frage, wie es zu den 16 Leukämieerkrankungen in der Elbmarsch kommen konnte. In der Anhörung haben wir leider feststellen müssen, dass wir keinen Schritt weitergekommen sind. Aber die durch die Landtagsverwaltung vorbereitete Anhörung war notwendig, um eine vertiefte Diskussion auf einer Sachgrundlage führen zu können. Das Ziel war also, von der Ebene der Spekulation, der Behauptungen und Vermutungen wegzukommen, und dies ist uns mit der Anhörung auch geglückt.

Wir haben in der anschließenden Diskussion zwar unterschiedliche Auffassungen gehabt, die ihren Grund in unterschiedlichen wissenschaftlichen Ergebnissen hatten bezogen auf das, was dort an sogenanntem radioaktiven Inventar in imaginären Kügelchen gefunden wurde.

Wir haben darüber diskutiert, wie wir auch vor dem Hintergrund der zeitlichen Begrenzung der Legislaturperiode weiter damit umgehen. Wir haben uns gemeinschaftlich entschieden, eine Formulierung zu finden, die den neuen Landtag in die Lage versetzen wird, auf der Grundlage dessen weiterzuarbeiten, was wir diskutiert haben. Dieses gemeinsame Ziel wird mit dem heutigen Beschluss erreicht.

Ich bin sehr dankbar dafür, dass wir in dieser Frage weiterkommen. Das sind wir - jenseits unterschiedlicher Auffassungen in bestimmten energiepolitischen Fragen - den Menschen und insbesondere den betroffenen Kindern schuldig. Ein neuer Landtag kann sich damit auf der von uns geschaffenen Grundlage befassen. Es war ein guter Vorschlag von dir, Uwe Harden, das Bundesamt für Strahlenschutz als neutrale Institution mit hineinzunehmen, damit ein Fragenkatalog vorgelegt werden kann, der es uns ermöglicht, die beiden uns vorliegenden unterschiedlichen Gutachten bewerten zu können. Auch dadurch sind wir einen Schritt weitergekommen.

Wichtig war auch die Bereitschaft auf allen Seiten, Frau Meißner, in der Sache weiterkommen zu wollen. Wichtig war mir ferner, die Begrifflichkeit „Verantwortung zu übernehmen“ in den letzten Satz aufzunehmen. Alle Fraktionen dieses Hauses haben Verantwortung übernommen. Vor dem Hintergrund der neuen Untersuchung, die uns das Bundesamt für Strahlenschutz in den letzten Tagen auf den Tisch gelegt hat, bekommt unser heutiger Beschluss noch eine andere Bedeutung im Hinblick auf die gerade genannte Verantwortung.

Wie gesagt, wir als Grüne-Fraktion freuen uns, dass wir heute mit Ihnen einen gemeinsamen Beschluss fassen können. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Herr Kollege Meihsies. - Für die CDU-Fraktion hat sich Herr Kollege Böhlke zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich unterstreiche, dass es in der Tat außergewöhnlich ist, das Thema Krümmel im Niedersächsischen Landtag atom- und gesundheitspolitisch zu behandeln und eine von allen vier im Landtag vertretenen Fraktionen getragene Beschlussempfehlung einzubringen. Dies würdige ich an dieser Stelle, weil wir die Thematik in der Tat sachorientiert und emotionsfrei aufgearbeitet haben, uns gemeinsam der Aufgabe gestellt haben, sachbezogen nach den Ursachen zu suchen, und das Ganze unumstritten auf einen gemeinsamen Weg bringen wollten. Das ist uns mit der zweitägigen Anhörung gelungen. Die Aufarbeitung der

Ergebnisse dieser Anhörung, bei der es eine unterschiedliche Bewertung durch die Wissenschaftler gegeben hat, ist auf den Weg gebracht, und wir wollten keinesfalls, dass dieser Antrag und unsere Arbeit der Diskontinuität zum Opfer fallen. Deshalb der gemeinsame Weg. Wir machen den Bürgerinnen und Bürgern in der Elbmarsch deutlich, dass wir ihnen helfen und zur Seite stehen wollen und auch ernsthaft die Ursachen erforschen wollen.

Es gibt noch etwas Außergewöhnliches, nämlich die Tatsache, dass unter der Landesregierung von Christian Wulff die Dinge konstruktiv auf den Weg gebracht worden sind. Dies steht im Gegensatz zu den Kollegen aus Schleswig-Holstein und Hamburg. Hier haben wir alle gemeinsam an einem Strang gezogen. Hierbei hat uns die Sozialministerin Ross-Luttmann unterstützt.

(Beifall bei der CDU)

Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung, für die ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanke.

In diesem Sinne wünsche ich mir, dass auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse sowie unseres Arbeitsstils in der nächsten Legislaturperiode ein erfolgreicher Abschluss des Auftrags, den wir heute formulieren, gefunden werden wird. - Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Kollege Harden zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die unendliche Geschichte der Elbmarschleukämien ist durch den ZDF-Film „Und keiner weiß, warum...“ wieder auf die Tagesordnung gekommen und hat durch den Antrag der Grünen Eingang in den Landtag gefunden. Dafür bin ich sehr dankbar.

Wir haben das Anliegen dieses Antrags, die Menschen in der Elbmarsch nicht allein zu lassen, gemeinschaftlich ernst genommen, wie es Norbert Böhlke und Andreas Meihsies gesagt haben.

Wir vier Fraktionen haben gemeinsam beschlossen, die Wissenschaftler anzuhören, die zu diesem Thema etwas beizutragen haben. Die Anhörung

hatte eine hohe Qualität. Ich bin ja schon ein bisschen länger im Landtag und halte dies für einen Höhepunkt der gesamten Zeit. Wir haben uns nicht auf die Aussagen des Ministerialapparats verlassen, sondern versucht, uns selbst ein Urteil zu bilden. Diese Anhörung war unglaublich spannend und hatte zum Teil aufrüttelnde Ergebnisse. Ich zitiere eine Aussage von Professor Mironow:

„Keines der in meinen Bodenproben festgestellten Nuklide entspricht den zu erwartenden. Sie sind allesamt künstlichen Ursprungs und nicht durch Tschernobyl oder Kernwaffen-Fallouts zu erklären.“

Diese Aussage blieb nicht unwidersprochen, ist bislang jedoch unwiderlegt.

Deswegen war es auch sinnvoll, dass wir gesagt haben, unsere Arbeit müsse in einem Fachgespräch, einem Kolloquium, eine Fortsetzung finden. Ergebnis unserer langen Überlegungen war, dass das Bundesamt für Strahlenschutz, das seine Zentrale in Niedersachsen, in Salzgitter hat, eine gute Adresse ist, um dieses Fachgespräch zu führen. Wir haben es ein bisschen vorbereitet, und ich muss dazu sagen, dass der Präsident des Bundesamtes und das Bundesumweltministerium sehr konstruktiv waren. Ich bin sehr froh, dass ein Fachgespräch wahrscheinlich im ersten Quartal 2008 stattfinden wird; der nächste Landtag wird sich damit befassen können.

Auch wenn es schon spät ist, will ich doch der Kollegin und den Kollegen der anderen Fraktionen danken. Frau Meißner hat ihren Job wirklich sehr gut gemacht; diese Anhörung war wohl das Schwierigste, was zu organisieren war.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich finde es auch gut, dass der Landtagspräsident uns nicht im Wege gestanden hat. Er hätte auch sagen können, dass die Anhörung zu teuer sei. Herr Böhlke ist immer verlässlich gewesen; das war wirklich ganz toll.

(Norbert Böhlke [CDU]: Mein Leben lang!)

- In dieser Frage.

Ich schließe in diesen Dank Monika Griefahn ein, die mitgeholfen hat, dass unsere Arbeit auf einen guten Weg gekommen ist.

Lassen Sie mich noch einige Sätze zu der Studie des Kinderkrebsregisters verlieren, die vom Bundesamt für Strahlenschutz auf den Weg gebracht worden ist. Derjenige, der dies federführend betrieben hat, wird auch bei dem Fachgespräch die Federführung haben. Das spricht eigentlich dafür, dass man Vertrauen in diese Institution haben kann, und zwar nicht nur aufseiten unserer Fraktion, sondern auch aufseiten der Bürger.

Die Studie beinhaltet möglicherweise auch für die Sache noch eine andere Komponente. Die Studie besagt: Je näher man an Kernkraftwerke herankommt, desto größer wird die Gefahr, dass Kinder an Leukämie erkranken. Es kann ja sein, dass sich bei uns in Krümmel und Umgebung zwei Effekte überlappen, dass also durchaus eine Erhöhung der Werte zu verzeichnen ist und dann noch ein Unfallereignis dazugekommen ist. Dieser Aspekt ist insofern sehr interessant.

Ich finde, dass der Zusammenhang zwischen Radioaktivität aus dem Atomkraftwerk und der durch sie verursachten Leukämie, den die Studie nahelegt, überdeutlich ist, und zwar auch deshalb, weil Radioaktivität als Verursacher von Leukämie seit langem bekannt ist. Wie man danach, so wie Frau Blettner, die diese Studie hat durchführen dürfen, noch ehrlich davon sprechen kann, dass eine Verursachung längst nicht erwiesen sei, ist mir schleierhaft. Es fehlt allerdings - das ist dasselbe Problem, das wir bei der Aufklärung der Leukämiefälle in der Elbmarsch haben - die letzte, juristisch nicht zu widerlegende Verbindung. Es fehlt im Prinzip so böse sich dies auch anhört - der auffällige Wert anhand eines Messgerätes bei einem Kleinkind, das an Krebs erkrankt ist. Es fehlt überhaupt die Messung der Immissionen, der empfangenen Strahlung der Bevölkerung in der Nähe kerntechnischer Anlagen. Man misst nämlich nur im Abluftkamin kerntechnischer Anlagen. Man misst nicht bei den Menschen, die dort wohnen. Das ist ein Unterschied. Das ist vom Denkansatz her sicherlich der entscheidende Fehler.

Herr Kollege Harden, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Runkel?

Nein, dann komme ich mit der Zeit nicht zurecht.

Zeit hätten Sie.

Er kann mich hinterher noch fragen. Ich bin ja noch eine Weile hier. Jetzt kriegen wir das nicht hin.

Ich habe auf die Lücke in der Umgebungsüberwachung schon hingewiesen. Ich weiß, dass Wissenschaftler, die sich damit befassen, durchaus unterschiedlicher Ansicht sind. Ich glaube, dass diese Lücke die Ursache dafür ist, dass wir hier nicht weiterkommen.

Als ich gestern nach Hause kam, fand ich zwei Mails von Ärzten vor, die wohl verfolgt haben, dass ich im Morgenmagazin etwas gesagt habe. Ich will aus der Mail eines Internisten aus Paderborn zitieren, der offenbar weit in der Welt herumgekommen ist. Er schrieb mir:

„Die Kinderleukämie in der Nähe der Atomkraftwerke entsteht nicht durch Gammastrahlung, sondern durch stammzellennahe Inkorporation alphastrahlender Elemente. Alphastrahlung wird bei der Umgebungsüberwachung nicht routinemäßig erfasst, sondern nur Gammastrahlung.“

Ich glaube, damit hat er recht.

Solange Kernkraftwerke am Netz sind und solange es Endlager gibt, werde ich dafür streiten, dass diese Lücke in der Umgebungsüberwachung geschlossen wird. Sonst dauert der Streit um die Leukämieverursachung noch endlos. Das wollen wir, wie ich denke, alle gemeinsam nicht.

Ich bitte Sie um Zustimmung zu der gemeinsamen Beschlussempfehlung aller vier Fraktionen dieses Hauses. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Kollegin Meißner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich werde

jetzt keine lange Rede halten. Es ist mir aber ein Bedürfnis, mich hier noch einmal zu äußern. Wir haben dieses Thema heute in der Aktuellen Stunde in ganz anderer Form behandelt. Ich habe heute Morgen darauf hingewiesen, dass die Diskussion im Sozialausschuss anders gelaufen ist. Das freut mich sehr.

(Zustimmung bei der CDU)