Protocol of the Session on November 15, 2007

Der Herr Ministerpräsident antwortet.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur Philosophie der Energiepolitik dieser Landesregierung möchte ich meinerseits noch

einmal sagen, dass natürlich der Wunsch aller - nicht nur der Gutmeinenden - sein muss, dass wir langfristig die gesamte Energie aus unendlichen Energiequellen gewinnen, also aus Sonne, die keine Rechnung schickt, aus Wind, aus den Gezeiten, aus Wasserkraft, aus Biomasse, was nachwächst, was sogar ein CO2-Speicher ist. Das muss das Ziel bleiben.

Mittelfristig ist dieses Ziel nach Meinung aller in unserer Zeit, wahrscheinlich zu unseren Lebzeiten nicht erreichbar. Herr Wenzel, es wird sogar von den meisten Grünen nicht vertreten, dass dieses Ziel so kurzfristig erreichbar wäre.

Ich glaube, dass kommende Generationen - das ist sozusagen die Last, die auf uns lastet - in 100 Jahren sagen werden: Was könnten wir mit dem Öl, was könnten wir mit dem Gas, was könnten wir mit der Kohle heute alles Sinnhaftes, z. B. als Schmierstoff, tun? Aber das ist von Vorgängern einfach verbrannt worden, einfach verfeuert worden. Die Erdatmosphäre ist aufgeheizt worden, der

Meeresspiegel ist angestiegen, die Gletscher sind abgeschmolzen. - Das wird der Vorwurf sein. Sie werden sagen: Die Neandertaler haben alles eingesetzt, was sie wussten. Aber frühere Generationen haben nicht alles eingesetzt, was sie hätten wissen können oder gewusst haben. Sie haben auf bestimmte Energieerzeugung aus ideologischen Gründen, etwa wegen mangelnder Durchsetzbarkeit, verzichtet. Sie haben beispielsweise Kernkraftwerke, die dem neuesten Stand der Technik entsprechen, vom Netz genommen, weil sie die Kohlekraft, die Gasverfeuerung für sinnhafter

gehalten haben als die Kernenergie. - Das wird später die Analyse sein. In der Hinsicht müssen wir uns gar nichts vormachen.

Ich halte das für problematisch, weil die Rohstoffe endlich sind, weil wir die CO2-Problematik haben und weil es noch keine Möglichkeit gibt, CO2 sinnhaft zu verwenden, zu beseitigen oder in Form von Sequestrierung in unterirdischen Kavernen zu

lagern. Das alles wird erprobt werden. Auch Wilhelmshaven wird diese Vorrichtung enthalten. Aber ob es dazu kommt, weiß man noch nicht. Herr Stratmann hat bereits darauf hingewiesen.

Wir setzen ja einen Schwerpunkt auf Energieeinsparung, auf energetische Gebäudesanierung und auf Energieforschung. Diese Landesregierung hat ein Energieforschungszentrum in Goslar errichtet, und in Oldenburg investiert EWE 50 Millionen Euro. Ich würde hier also auch die großen - EWE ist der Fünftgrößte in Deutschland - nicht immer so pauschal zu einem „Teufelswerk“ machen, sondern dort gibt es vernünftige und unterschiedliche Vorstellungen.

Am Ende stellt sich doch die Frage, ob die großen Kohlekraftwerke in Eemshaven an der niedersächsischen Grenze unsere Industriebetriebe versorgen werden - dann sind dort die Arbeitsplätze, dort die Gewinne, dort die Steuereinnahmen - oder ob das in Niedersachsen passiert, sodass wir dann nicht nur einen gewissen Einfluss darauf haben, sondern auch einen gewissen Nutzen davon, dass die Energie hier erzeugt wird.

Ich muss noch abschließend sagen, Herr Wenzel, dass wir unter einem gewaltigen Druck unserer energieintensiven Branchen stehen. Ob Kabelmetall in Osnabrück, ob Xstrata in Nordenham, ob die Papierindustrie in Dörpen - die energieintensiven Branchen stehen in einem gewaltigen europa- und weltweiten Wettbewerb der Standorte. Die Energiekosten machen etwa bei Xstrata in der Zinkfer

tigung mehr als 50 % der Gesamtkosten aus. Vor diesem Hintergrund entscheidet der Investor in Spanien in den nächsten Wochen, ob er sich in Nordenham oder in Australien ansiedeln wird und dort die Zinkfertigung vornehmen lassen wird. Denn die Transportkosten sind gegenüber den Energiekosten in Australien bzw. hier unmaßgeblich. Für diese energieintensiven Branchen brauchen wir einzelne Großkraftwerke mit 24-stündiger Verfügbarkeit, mit Versorgungssicherheit, mit

Preisgünstigkeit und mit Umweltverträglichkeit,

wenn wir Industriestandort bleiben wollen.

Herr Sander hat auf alle Aspekte hingewiesen. Ich bin ausdrücklich dankbar dafür, dass das ein Konsens zwischen SPD, FDP und CDU ist und dass wir zusammen mit dem SPD-Oberbürgermeister in Wilhelmshaven, Herrn Menzel - der schultert ja auch etwas; der hat ja im Grunde auch ein paar Kritiker oder Gegner -, sagen: Wir sind ein investitionsfreundliches Land. Wir brauchen diese Energieerzeugung. - Wir machen den Leuten nicht vor, als ginge alles mit dem Fahrrad, als gäbe es den mit dem Fahrrad angetriebenen Fernseher oder den Fernseher mit eigener Energieversorgung. Das funktioniert nicht, und dieses Bekenntnis muss man auch deutlich aussprechen. Sonst macht man den Menschen etwas vor und geht das Risiko großer Arbeitslosigkeit ein, weil man sich als Industriestandort verabschiedet.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Dürr, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wenzel, ich finde es schon schade, dass Sie die Konzerne in Gut und Böse unterteilen. E.ON Kraftwerke und E.ON Kernkraft, die gestern den Parlamentarischen Abend ausgerichtet haben, sind nach Volkswagen und Continental ein ganz wichtiger Arbeitgeber für die Menschen in Niedersachsen. Das muss man einmal sagen dürfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ursula Körtner [CDU]: Genau!)

Ich möchte insbesondere zum Thema Kernenergie noch etwas nachfragen. Nachdem ja durch den von Rot-Grün erzwungenen sogenannten Atomkonsens bereits das Kernkraftwerk in Stade stillge

legt wurde und im Rückbau ist und auch die Kernkraftwerke Grohnde, Unterweser und Emsland in den nächsten Jahren stillgelegt werden müssen, frage ich die Landesregierung: Wie hoch ist in Niedersachsen die Leistung, die aufgrund des rotgrünen Ausstiegsbeschlusses zukünftig nicht mehr klimafreundlich erzeugt werden kann? Wie viele Kohlekraftwerke mit welcher Kohlendioxidimmission sind erforderlich, um diese dann wegfallende Kraftwerksleistung zu ersetzen?

(Beifall bei der FDP)

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dürr, ich habe darauf hingewiesen, was wäre, wenn dieses Ausstiegsszenario Wirklichkeit werden sollte. Es ist ja noch immer zu hoffen, dass sich da etwas verändert. Wir leben in der Bundesrepublik Deutschland ja nicht auf einer Insel. Wir leisten uns einen volkswirtschaftlichen Luxus: Die Unternehmen haben eine Betriebsgenehmigung für 40 Jahre Nutzung ihrer Unternehmen bekommen. Die Laufzeit wird durch einen politisch nicht nachvollziehbaren Beschluss einfach einmal um acht Jahre verkürzt und auf 32 Jahre festgesetzt.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Das ist zwischen den Konzernen vereinbart worden!)

Das ist im Grunde volkswirtschaftlicher Luxus, wie ich gesagt habe, Herr Kollege Haase.

Nun aber zu der Frage, die Sie gestellt haben: Wenn so weitergefahren würde wie bisher, dann wird es im Grunde genommen höchste Zeit, die Planung für andere Kraftwerke vorzunehmen.

Emsland ist das letzte Kraftwerk, welches 2020 abgeschaltet wird und 2020 vom Netz geht. Es ist schon interessant, sich in Erinnerung zu rufen, dass auch die Vertreter der SPD diesen Beschluss der Bundesregierung damals mitgetragen haben und damit zu den Arbeitsplatzverlusten beitragen werden.

Wenn es so kommen würde - einige Kraftwerke sind ja mit 800 MW geplant -, dann brauchen Sie im Prinzip 1,75 Kohlekraftwerke als Ersatz. Das heißt, für die drei in Niedersachsen produzieren

den Kraftwerke brauchen Sie im Grunde genommen fünf Kohlekraftwerke. Ob das allerdings ein Gewinn für die Umwelt ist, kann ich nicht nachvollziehen.

Ich möchte insbesondere an die SPD appellieren: Der Bundesumweltminister ist ja manchmal sehr realistisch und sagt einiges, nicht nur in der Frage der Endlagerung, sondern auch in der Frage der weiteren Nutzung. Wenn man sich selbst in eine Falle begeben hat, dann muss man politisch rechtzeitig in der Lage sein, die Fehler nicht nur einzugestehen, sondern möglichst wieder herauszukommen. Ich sehe gewisse Ansätze, dass dies der Fall sein kann.

Kurzum: Wir brauchen fünf Kohlekraftwerke. Wenn Sie davon ausgehen, dass für die Planung und die Inbetriebnahme eines Kohlekraftwerkes acht Jahre benötigt werden - diese Zahl ist gestern genannt worden -, dann müssten Sie heute anfangen, um im Bereich der Unterweser ein neues Kohlekraftwerk zu bauen.

Derzeit gibt es Investitionsentscheidungen und Planungen von Electrabel und E.ON. Interessant ist, dass unterschiedliche Unternehmen investieren werden, nicht nur die vier. Sie kommen aus dem Ausland: Die Schweizer in Dörpen, Electrabel kommt nach Stade und nach Wilhelmshaven. Wir haben immer mehr Wettbewerb gefordert. Dieser findet in Zukunft in Niedersachsen statt.

Es gibt im Grunde genommen nur positive Entscheidungen. Denn die Unternehmen können sich darauf verlassen, dass die Investitionen, wenn sie sie in Niedersachsen tätigen, verlässlich sind. In der letzten Legislaturperiode ist es bei Biomasse und anderen Energieträgern ja häufiger der Fall gewesen, dass Entscheidungen zurückgenommen worden sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen mitteilen, dass wir jetzt 40 Minuten hinter der Zeit sind und dass sich noch zehn Kolleginnen und Kollegen zu Wort gemeldet haben. - Herr Dr. Runkel, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wenzel hat dazu aufgerufen, das,

was uns trennt, zu überwinden. Herr Wenzel, deswegen müssen wir einmal kurz über die Grundlagen der Kraftwerkstechnik reden; denn ich habe den Eindruck, dass viele Fragesteller diese nicht verstanden haben.

Hier wird von Wirkungsgraden von 90 % geredet. Dies ist nicht erreichbar. Bei einem Nutzungsgrad von 90 % in Kraftwerken sinkt der elektrische Wirkungsgrad auf unter 30 %. Das heißt, 70 % der Wärme müssen Sie in irgendeiner Form zu Heizzwecken verwerten. Das bedeutet, dass Sie einen riesigen Wärmebedarf haben müssen. Eigentlich dürfte es nicht Kraft-Wärme-Kopplung, sondern müsste es Wärme-Kraft-Kopplung heißen, weil Sie nämlich Wärme und als Beiprodukt ein bisschen Strom erzeugen wollen.

Ich frage die Landesregierung: Ist überhaupt ein so großer Wärmebedarf an diesen Standorten oder generell vorhanden,

(Hans-Jürgen Klein [GRÜNE]: Das ist doch das Problem!)

um die dabei entstehende Abwärme - setzen wir einmal voraus, überall wäre Kraft-Wärme

Kopplung oder Wärme-Kraft-Kopplung - zu nutzen?

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Wollen wir uns zusammen einmal etwas angu- cken? Vielleicht kommen wir ja voran, wenn wir uns einmal zusammen et- was angucken!)

Vielen Dank. - Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Wenzel, ich habe gerade schon auf den elektrischen Wirkungsgrad hingewiesen. Herr Kollege, ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie den Nutzungsgrad und all die Probleme, die damit verbunden sind, angesprochen haben. Wenn wir erreichen, dass Sie nicht mehr von 90 % Wirkungsgrad reden, dann haben wir damit einen Beitrag zur Versachlichung des Themas geleistet.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die Frage war ja, ob Abnehmer vorhanden sind. Die Verhandlungen mit den Energieversorgern,

z. B. am Standort Dörpen, führt natürlich nicht die Landesregierung, sondern das müssen die Unternehmer schon selbst machen. Aber wir helfen natürlich auf jeden Fall, wenn sie uns fragen und wenn wir vermitteln können.

Es geht ja auch um die Frage der Wasser- und Abwassergebühren. Das sind komplizierte Fragen, die zum Teil auch für Investitionsentscheidungen von Bedeutung sind, insbesondere dann, wenn wir an der Elbe oder an der Nordsee im Wettbewerb mit anderen Bundesländern stehen, nämlich ob die Investitionen dort stattfinden oder woanders. Das sind ja immer Investitionsentscheidungen für 40 Jahre.