Protocol of the Session on November 15, 2007

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Das haben die nicht begriffen!)

Meine Damen und Herren, es muss unser aller Ziel sein, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Daher müssen wir alles tun, das jetzige Wachstum zu erhalten. Das wird aber zunehmend schwieriger. Da wird wieder einmal an der Arbeitsmarktgesetzgebung herumgebastelt. Dabei zeigen sich doch gerade jetzt erst Erfolge der letzten Änderungen. Wieder wird es teuer, anstatt die Überschüsse der Bundesanstalt für Arbeit für eine noch kräftigere Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge zu verwenden und damit für eine Entlastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu sorgen.

Auch die Nebenkosten explodieren. Die sogenannte zweite Miete ist bald höher als die normale Miete. Der Ölpreis erreicht Rekordhöhen, und in seiner Folge steigen Gas-, Kraftstoff- und Strompreise, sodass den Verbrauchern immer weniger Geld bleibt, um ihre normalen Ausgaben zu bestreiten. Das gilt übrigens auch für kleine und mittlere Unternehmen.

(Swantje Hartmann [SPD]: Können Sie auch etwas zur Arbeitslosigkeit sagen?)

Meine Damen und Herren, der Konsumklimaindex sinkt deutlich und zeigt uns, dass eine nennenswerte Stützung des Wachstums über die Binnennachfrage nicht zu erkennen ist. Da muss der deutsche Außenhandel erheblich kämpfen, um sich bei steigendem Eurokurs und der Unsicherheit im Bankenbereich am Weltmarkt zu behaupten und weiterhin die einzige Stütze für das Wachstum zu sein. Meine Damen und Herren, ich behaupte, wir bewegen uns zurzeit auf sehr dünnem Eis. Um einen Einbruch der Konjunktur zu vermeiden, müssen wir die Binnennachfrage stärken. Durch die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt müssen frei werdende Mittel in die Senkung der Sozialabgaben fließen.

Angesichts dieser Rahmenbedingungen müssen wir alles tun, um den Aufschwung am ersten Arbeitsmarkt zu stützen und die im Antrag angesprochene Zielgruppe durch eine Vielzahl von Instrumenten in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, Herr Hagenah, statt Ältere und Langzeitarbeitslose für viel Geld im dritten Arbeitsmarkt unterzubringen, der für sie in der Regel leider auch zur Falle wird, da ein Übergang in den ersten Arbeitsmarkt äußerst selten gelingt.

Meine Damen und Herren, wir haben in Niedersachsen unter dieser Landesregierung die Instrumente geschaffen, um hier helfen zu können. Der Niedersachsen-Kombi und das Programm „Arbeit durch Qualifizierung“ helfen Langzeitarbeitslosen und Älteren.

Sie haben vorhin gesagt, Herr Hagenah, 2 600 sei eine geringe Zahl. Aber jeder Einzelne - das wissen Sie -, der in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung kommt, ist wichtig. Beim Programm „Arbeit durch Qualifizierung“ wird jeder zweite Teilnehmer nach Ende der Maßnahme vermittelt. Dieses Programm zeigt auch, wie wichtig für die im Antrag angesprochenen Menschen Qualifizierung ist. Diese Qualifizierung erreichen die Menschen immer am besten in den Betrieben und nicht außerhalb. Genau das ist der Unterschied zwischen dieser Seite und der anderen Seite des Hauses.

Dieses Programm zeigt auch, dass eine Vielzahl - das ist natürlich richtig - von Instrumenten auch in Zukunft nötig sein wird, um Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln zu können. Überhaupt nicht hilfreich ist ein Verstecken von Langzeitarbeitslosen in Drei-Jahres-Maßnahmen, an deren Ende wieder Arbeitslosigkeit steht.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss den Antragstellern, Bündnis 90/Die Grünen, sagen: Die Beschäftigungsmöglichkeiten, die Sie schaffen wollen, verdrängen reguläre Arbeitsplätze, vor allem im Handwerk. Das hier auszugebende Geld ist besser in Maßnahmen zu investieren, die das Wachstum stützen und damit Arbeitslosigkeit weiter verringern. Nur das zählt, meine Damen und Herren. Der Antrag ist abzulehnen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Kollegin Hartmann, Sie haben für die SPDFraktion das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir erleben derzeit im Rahmen der konjunkturellen Erholung und der arbeitsmarktpolitischen Erfolge der ehemaligen rot-grünen Bundesregierung einen spürbaren Rückgang der Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU)

Diese Entwicklung ist ein Erfolg, weil sie vielen Menschen in unserem Land wieder Perspektiven gibt.

Frau Hartmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, jetzt gerade nicht - nicht von dem Kollegen.

(Zurufe von der CDU: Was?)

Aber dieser Erfolg, dessen Grundlagen in der Regierungszeit Schröder gelegt worden sind, kann uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Erholung am Arbeitsmarkt immer noch und dauerhaft an vielen Arbeitslosen vorbeigeht. Viele Langzeitarbeitslose haben immer noch sehr geringe Chancen, in eine reguläre Beschäftigung im allgemeinen Arbeitsmarkt zu wechseln. Wer lange Zeit arbeitssuchend ist, über geringe Qualifizierung und vielleicht auch gesundheitliche Probleme verfügt, dem eröffnen sich trotz konjunktureller Erholung und Rückgang der Arbeitslosigkeit kaum reale Perspektiven am Arbeitsmarkt. Für die SPD ist klar: Wir müssen uns auch um diese Menschen kümmern. Arbeit hat auch etwas mit Menschenwürde zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Dazu zählen für uns faire Löhne und vernünftige Arbeitsbedingungen. Die Landesregierung hat es in den letzten Jahren versäumt, eigene wirksame Akzente in der Arbeitsmarktpolitik zu setzen. Ihr fehlte das Gespür für die Notwendigkeiten. Sie war ideenlos und hat sich erfolglos bemüht, mit fremdem Geld den Kombilohn durchzusetzen. Der Niedersachsen-Kombi ist nicht gerade ein Erfolgsmodell. Er erreicht nicht die Zielgruppe der gering Qualifizierten, gerade der älteren Arbeitnehmer.

Angesichts der Entwicklung, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt immer noch an vielen Langzeitarbeitslosen vorbeigeht, müssen wir uns fragen, ob wir nicht eine klare, aktive Arbeitsmarktpolitik und ein ganzheitliches Konzept für öffentliche Beschäftigung brauchen. Die Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt steht an erster Stelle. Aber Menschen, die dauerhaft kaum eine Chance auf Vermittlung in den allgemeinen Arbeitsmarkt haben,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

müssen durch öffentlich geförderte Beschäftigung ein Recht auf Teilhabe am Erwerbsleben erhalten.

Stattdessen hat sich die Landesregierung aus der Beschäftigungspolitik verabschiedet.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wie bitte?)

Wenn wir uns heute über die finanziellen Fragen in der Renten- und Arbeitsmarktpolitik unterhalten, so werden - wie sich in der Debatte um die Verlängerung der Lebensarbeitszeit und die Bezugsdauer von ALG I gezeigt hat - die Debatten zukünftig verstärkt von der Frage der Qualifizierung und Weiterbildung dominiert werden.

Qualifizierung ist die Schlüsselfrage für die Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit während des

gesamten Erwerbslebens. Was wir brauchen, ist ein Aktionsplan für die Beschäftigungssicherung älterer Arbeitnehmer, den die Landesregierung gemeinsam mit Wirtschaft und Gewerkschaften initiieren muss.

Unter Bundesarbeitsminister Franz Müntefering

wurde erfolgreich die Initiative „50plus“ ins Leben gerufen,

(Beifall bei der SPD)

durch die in dem zweijährigen Umsetzungszeitraum bis Ende September 2007 in 62 regionalen Beschäftigungspakten mehr als 20 200 Langzeitarbeitslose im Alter von 50 bis 64 Jahren in den allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelt werden konnten. Den Zahlen des Bundesarbeitsministeriums ist zu entnehmen, Herr Hagenah, dass fast 81 % in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsver

hältnisse und mehr als 57 % davon in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse vermittelt werden

konnten. Insofern ist das schon ein richtiger Weg. Geplant ist, diese Programme regional auszuweiten und ab 2008 eine zweite Programmphase bis 2010 zu starten. Dabei wird das Ziel verfolgt, mithilfe der Initiative 50 plus in den kommenden drei Jahren 50 000 ältere Langzeitarbeitslose in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Die kontinuierliche Qualifizierung, insbesondere auch die Frage, wie Weiterbildung in kleinen Unternehmen besser organisiert werden kann, muss ernsthaft besprochen werden. Weiterbildung kann nicht erst dann beginnen, wenn ein Arbeitnehmer schon arbeitslos geworden ist, sondern muss sich als

selbstverständlicher Bestandteil in den betrieblichen Alltag integrieren

(Beifall bei der SPD)

und darf nicht der freiwilligen Teilnahme oder der Eigeninitiative des Beschäftigten überlassen bleiben.

Ein Unternehmer ist hier nämlich gefordert, die Frage der Qualifizierung vorausschauend zu betrachten und als kontinuierliche Maßnahme in den Betrieb zu integrieren. Personalentwicklung darf sich daher nicht, wie häufig vorzufinden, nur auf Führungsebenen konzentrieren, sondern muss alle Beschäftigten umfassen. Nur so können in der Zukunft Vermittlungshemmnisse durch mangelnde Qualifikation verhindert werden. Eine klare, kommunal ausgerichtete Arbeitsmarktpolitik wie die, die in Ansätzen schon besteht, mit einem echten öffentlichen Beschäftigungssektor ist für viele

Langzeitarbeitslose heute der richtige politische Weg, der im Antrag der Grünen auch deutlich wird. Allerdings, Herr Hagenah, enthält der Antrag unter Nr. 4 auch die Einführung des sogenannten Progressivmodells und damit die Forderung nach einer Umsteuerung von Beitragszahlung in Richtung Steuerfinanzierung der Sozialsysteme, bei der

noch viele Fragen offen sind.

Ohne Steuererhöhungen wird das aber nicht gehen. In dem Punkt sind wir heute nicht bei Ihnen, Herr Hagenah, da die Konjunktur im Augenblick keine Steuererhöhungen und erst recht keine Debatten über Steuererhöhungen verträgt.

(Beifall bei der SPD - Roland Riese [FDP]: Neue Positionen bei der SPD!)

Aus diesem Grunde können wir diesem Antrag trotz richtiger Ansätze unter den Nrn. 1 bis 3 nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das ist aber schade!)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Möllring das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier schon gesagt worden: Die Lage am Arbeitsmarkt entwickelt sich in Deutschland und damit in Niedersachsen weiterhin sehr erfreu

lich. Im Oktober dieses Jahres, also im letzten Monat, waren rund 57 400 weniger Menschen arbeitslos als im Oktober des Vorjahres. Damit haben wir den niedrigsten Stand seit Oktober 1994 erreicht. Deutlich zurückgegangen ist insbesondere auch die Zahl der jüngeren Arbeitslosen. Ende Oktober waren noch 35 700 Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet. Dieses ist der niedrigste Stand seit 1998.

Der Konjunkturaufschwung hat endlich auch die Langzeitarbeitslosen erreicht. - Herr Hermann hat es völlig richtig dargestellt: Ohne Wirtschaftskraft werden wir hier vieles versuchen können, aber letztendlich kann nur der Aufschwung die Arbeitslosigkeit vermindern. - Gegenüber Oktober 2006 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen um knapp 23 % auf nun 106 000 Personen zurückgegangen. Erfreulich ist auch die weiterhin hohe Dynamik auf dem Arbeitsmarkt. Über 65 000 Menschen haben allein im Oktober ihre Arbeitslosigkeit beenden können, d. h. sie haben eine neue Stelle bekommen; gleichzeitig waren 34 000 offene Stellen bei den Arbeitsämtern gemeldet.

Auch der Ausbildungsmarkt hat sich gut entwickelt. Ende September meldeten die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern 7 % mehr abgeschlossene Ausbildungsverträge als im letzten Jahr. Die Zahl der nicht vermittelten Jugendlichen liegt um ein gutes Viertel niedriger als im Vorjahr. Das zeigt, dass sich der Arbeitsmarkt in Niedersachsen sehr positiv bewegt.

Was wollen nun die Grünen? - Sie fordern in ihrem Antrag Instrumente, die es schon lange gibt. So hat der Bund mit dem Beschäftigungszuschuss nach § 16 a SGB II ein neues Förderinstrument geschaffen, das zum 1. Oktober in Kraft getreten ist und von den ARGEn und Optionskommunen angewendet wird. Insgesamt sollen damit rund 100 000 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze im gemeinnützigen Bereich geschaffen werden. Nach Ablauf von zwei Jahren ist dann sogar eine unbefristete Förderung möglich.