Protocol of the Session on October 19, 2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin im Hinblick auf meinen originären Beruf als Notar über dieses Ansinnen, was hier von der einen oder anderen Seite kommt, geradezu erschüttert. Es geht um die Grundbuchordnung.

(Zuruf von den GRÜNEN - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Er darf eine Minute lang einführen! - Gegen- ruf von den GRÜNEN: Aber nur eine Minute lang! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Aber eine Minute kann lang sein!)

Im Grundbuch gibt es aus guten Gründen eine Abteilung I, die den Bestand und die Eigentümer beschreibt, eine Abteilung II, in der die dinglichen Rechte abgesichert sind, und eine Abteilung III, in der Grundschulden, Hypotheken usw. eingetragen sind.

Kann die Landesregierung bestätigen, dass es, was das Grundbuch angeht, erstens tunlicherweise so ist, zweitens es so bleiben sollte und keine Abteilung für Parteiprogramme und Informationsbroschüren aufgemacht werden sollte?

(Beifall und Heiterkeit bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Ehlen. Bitte schön!

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Da hätte auch Frau Heister-Neumann antwor- ten können!)

Herr Kollege Busemann, ja.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Da Herr Hogrefe seine Wortmeldung zurückgezogen hat, liegen weitere Wortmeldungen für Zusatzfragen nicht vor.

Ich rufe nun auf die

Frage 2: Strafverfolgung in Niedersachsen

Sie wird vom Herrn Kollegen Nacke von der CDUFraktion gestellt. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine konsequente Strafverfolgung ist für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Rechtsstaat unerlässlich. Die Herstellung von Gerechtigkeit ist für ein Gemeinwesen ein wichtiger Bestandteil seiner Legitimation. Eine hohe Verurteilungsquote bei Straftaten wirkt zum einen abschreckend auf potenzielle Straftäter, zum anderen dient sie dem Sicherheitsgefühl der Bürgerinnen und Bürger.

Ich frage daher die Landesregierung:

1. Wie hoch ist die aktuelle Zahl der Verurteilungen an den Strafgerichten in Niedersachsen im Vergleich zu 2002?

2. Wie verteilt sich die Zahl der Verurteilungen hinsichtlich der Straftaten, wie bezüglich der Herkunft und des Alters der Täter? - Herzlichen Dank.

Herzlichen Dank, Herr Kollege Nacke. - Für die Landesregierung antwortet Frau Ministerin HeisterNeumann. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Recht formuliert die Anfrage in ihrem Eingangssatz, dass eine konsequente Strafverfolgung für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unserem Rechtsstaat unerlässlich ist. Dies gilt umso mehr, weil sich Straftaten leider in keiner Gesellschaft verhindern lassen, auch nicht in unse

rer. Sie bringen in vielen Fällen erhebliches Leid für die Opfer mit sich. Die Herausforderung der Strafjustiz besteht darin, Straftaten ebenso zügig wie nachhaltig und mit dem nötigen Nachdruck zu verfolgen. Die Gewährleistung von Sicherheit und damit der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sind die vornehmsten Ziele der niedersächsischen Justiz und niedersächsischer Rechtspolitik. Die Strafjustiz dient den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes. Diese haben Anspruch auf Wiederherstellung eines durch Straftaten gestörten Rechtsfriedens.

Konsequente Strafverfolgung und Sicherstellung eines wirksamen Opferschutzes sind zwei Seiten derselben Medaille. Die niedersächsische Justiz verfolgt beide Ziele mit aller Kraft.

Strafverfolgung ist in den letzten Jahren für Polizei und Justiz weiß Gott nicht einfacher geworden; denn Kriminelle nutzen den technischen Fortschritt für ihre Zwecke. Moderne Kommunikationsmittel gehören zum Standard bei der Anbahnung und Abwicklung krimineller Geschäfte. In organisierten Strukturen existiert eine Mauer des Schweigens, die mit herkömmlichen Ermittlungsmethoden kaum zu durchbrechen ist. Viele Verfahren sind darüber hinaus deutlich komplexer als noch vor Jahren. Dies wird gerade im Bereich der Korruptionsdelikte augenfällig. Hier ist der Schaden durch eine einzige Tat häufig immens groß. Dabei geht es nicht nur um den finanziellen Schaden. Schwer wiegt vor allem der mit solchen Taten einhergehende Verlust des Vertrauens in die Funktionsfähigkeit der Institutionen unseres Staates und der Wirtschaft.

Deswegen hat die Niedersächsische Landesregierung in den letzten Jahren ein landesweites Netz von Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet, bei denen sich Spezialisten der Ermittlung von Korruptionsdelikten widmen. Selbstverständlich handelt es sich dabei nicht nur um organisatorische Maßnahmen. So hat die Landesregierung z. B. im Haushalt 2007 sieben neue Stellen für Staatsanwälte bei den Korruptionsschwerpunktstaatsanwaltschaften in Braunschweig, Osnabrück und Verden geschaffen, daneben weitere Stellen für einen Wirtschaftsreferenten und auch für das notwendige Servicepersonal.

Damit die niedersächsische Justiz die an sie gestellten Anforderungen bewältigen kann, ermöglicht die Landesregierung ihren Mitarbeitern umfangreiche fachspezifische Fortbildungen. Zudem

wird beispielsweise die EDV-Ausstattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften laufend dem Stand der Technik angepasst, um auch dadurch neue Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können. Viele der hoch qualifizierten und motivierten Justizbediensteten haben in den letzten Jahren Vorschläge entwickelt, deren Verwirklichung auch zur Verbesserung und zur Straffung von Arbeitsabläufen geführt hat.

Strukturelle Verbesserungen haben z. B. bei den Staatsanwaltschaften trotz erheblich gestiegener Verfahrenszahlen zu geringeren Verfahrensdauern geführt. Im Jahr 2006 lag die Anzahl der eingegangenen Ermittlungsverfahren - es waren 458 573 - um 6,4 % höher als noch im Jahr 2002. In diesem Jahr waren es 430 876 Straftaten. Trotzdem konnten die Staatsanwaltschaften in Niedersachsen ihre Verfahren schneller erledigen. Während ein Verfahren 2002 durchschnittlich 1,5 Monate vom Beginn der Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft bis zum Abschluss dort, also einer Anklage oder Einstellung, dauerte, verkürzte sich die durchschnittliche Verfahrensdauer auf 1,4 Monate im Jahr 2006.

(Zustimmung bei der CDU)

Die niedersächsischen Staatsanwaltschaften liegen damit unter dem Bundesdurchschnitt von 1,8 Monaten. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass der Anteil der Verfahren bei den Staatsanwaltschaften, die länger als zwei Monate dauerten, von 19,6 % in 2002 auf 18,8 % in 2006 verringert werden konnte.

Ähnlich ist die Entwicklung bei den Strafgerichten erster Instanz in Niedersachsen. Die Amtsgerichte hatten im Jahr 2002 76 201 Anklagen und Strafbefehle zu bearbeiten. Die durchschnittliche Verfahrensdauer vom Eingang der Anklage oder des Strafbefehls bis zum Abschluss der Verfahren durch Urteil oder Einstellung lag bei 3,8 Monaten. Im Jahr 2006 hatten die Amtsgerichte in Strafsachen 75 197 Verfahren zu bearbeiten. Die Verfahrensdauer lag wiederum bei 3,8 Monaten und damit unter dem Bundesdurchschnitt von vier Monaten. Den niedersächsischen Amtsgerichten ist es damit gelungen, den Anteil der Strafverfahren, die länger als sechs Monate dauern, von 15,5 % in 2002 auf 14,8 % in 2006 zu reduzieren.

Die Landgerichte in Niedersachsen benötigten in 2002 für die dort bearbeiteten 1 211 erstinstanzlichen Verfahren durchschnittlich 6,1 Monate und

lagen damit genau im Bundesdurchschnitt. 2006 brauchten die Strafkammern für 1 240 Verfahren im Schnitt nur noch 5,7 Monate bis zum Verfahrensabschluss und lagen damit deutlich unter dem Bundesdurchschnitt von 6,3 Monaten. Besonders deutlich ist der Unterschied zwischen den Jahren 2002 und 2006 bei den Verfahren, die länger als sechs Monate dauerten: Ihr Anteil konnte trotz gestiegener Eingangszahlen von 25,1 % in 2002 auf 22,9 % in 2006 gesenkt werden.

Die Niedersächsische Landesregierung hat in Anerkennung der gerade in umfangreichen Verfahren bestehenden erhöhten Anforderungen und Schwierigkeiten, die Verfahren in die Länge ziehen können, den Landgerichten im Jahr 2007 wiederum 15 weitere Richterstellen für Strafsachen bereitgestellt. Beim vorgesehenen Einsatz dieser Stellen durch die Gerichte, die ihr Personal selbst einteilen, wird dies dazu führen, dass große Strafverfahren noch schneller erledigt werden und damit dem Anliegen einer konsequenten und zügigen Strafverfolgung noch besser Rechnung getragen wird.

Die niedersächsische Justiz wird auch in Zukunft den veränderten Anforderungen und den Herausforderungen der Kriminalität flexibel und souverän begegnen. Sie wird ihrer Aufgabe, Straftaten konsequent und nachhaltig zu verfolgen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und zum Wohle unserer Gesellschaft gerecht werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Ausweislich der Strafverfolgungsstatistik für Niedersachsen, die bis 2006 vorliegt, legten die Staatsanwaltschaften in Niedersachsen im Jahr 2002 den niedersächsischen Gerichten insgesamt 104 513 Verfahren zur Aburteilung vor. Unter „Aburteilung“ versteht man alle Anklagen und Strafbefehlsanträge, die die Staatsanwaltschaften zu Gericht gebracht haben. In 85 366 dieser Fälle kam es zu einer Verurteilung zu einer Geld- oder Freiheitsstrafe mit oder ohne Bewährung, gegebenenfalls in Verbindung mit Maßregeln der Besserung und Sicherung. Dies entspricht einer Quote von 81,67 %.

(Beifall bei der CDU)

In den übrigen Fällen kam es entweder zu Einstellungen mit oder ohne Auflage oder zu Freisprüchen.

Im Jahr 2006 kamen 110 345 Fälle zur Aburteilung. Eine Verurteilung erfolgte in 91 109 Fällen. Dies entspricht einer Quote von 82,57 %.

Zu Frage 2: Die Strafverfolgungsstatistik für Niedersachsen ermöglicht eine sehr weitgehende Differenzierung der Verurteilungen, insbesondere nach Straftaten und Alter der Verurteilten. Diese hier aber im Einzelnen aufzuführen, ist im Rahmen der Beantwortung einer Mündlichen Anfrage nicht möglich; das sind sehr lange Zahlenreihen.

Ich möchte mich daher auf Eckpunkte beschränken. Zuallererst zu den Straftatengruppen. Hier sollen die Straftaten angeführt werden, die einerseits aufgrund ihres zahlenmäßigen Gewichts am Straftatenaufkommen, andererseits wegen ihrer Bedeutung in der öffentlichen Wahrnehmung eine besondere Rolle spielen. Einen Rückgang gab es bei den Verurteilungen wegen Diebstahls und Unterschlagung von 19 734 in 2002 auf 16 836 in 2006. Stark zugenommen hat dagegen die Anzahl der Verurteilungen wegen Betrug und Untreue: Während im Jahr 2002 wegen derartiger Delikte 13 854 Personen verurteilt wurden, waren es im Jahr 2006 immerhin 21 186 Personen. Die Zahl der Verurteilungen wegen Straftaten gegen das Leben hat abgenommen: Während es im Jahr 2002 in 265 Fällen zu einer Verurteilung kam, waren es im Jahr 2006 223. Wegen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung stieg die Zahl der Verurteilten in Niedersachsen von 754 im Jahr 2002 auf 918 im Jahr 2006. Die Zahl der Verurteilungen wegen Körperverletzungsdelikten stieg von 8 067 in 2002 auf 10 102 in 2006.

Die Zahl der Verurteilungen an der Gesamtzahl der Ermittlungsverfahren in einzelnen Straftatengruppen richtet sich dabei, soweit dies statistisch fassbar ist, nach unseren Feststellungen grundsätzlich nach der Entwicklung des Straftatenaufkommens: Gingen bei der Justiz in einer Straftatengruppe, beispielsweise der des Diebstahls, im Jahr 2006 weniger Verfahren ein als noch in 2002, sank die Anzahl der Verurteilungen, gingen, wie etwa in der Straftatengruppe Betrug und Untreue, mehr Verfahren ein, stieg auch die Zahl der Verurteilungen.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist ja unglaublich! Das wundert uns jetzt aber!)

Nun zur Herkunft. Die Strafverfolgungsstatistik erlaubt nur eine Differenzierung nach deutschen Verurteilten auf der einen und nichtdeutschen Ver

urteilten auf der anderen Seite. Von den 85 366 Verurteilten in 2002 waren 15 029 Ausländer oder Staatenlose,

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

das sind 17,61 %. Im Jahr 2006 waren von 91 109 Verurteilten 14 380 nichtdeutsche Personen, das sind 15,78 %.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Na, wirk- lich?)

Zum Abschluss zu den Altersgruppen. Im Jahr 2002 wurden von den niedersächsischen Strafgerichten 7 623 Personen verurteilt, die zur Tatzeit Jugendliche waren, also 14 bis einschließlich 17 Jahre alt. Im Jahr 2006 wurden aus dieser Altersgruppe 8 647 Personen verurteilt. Aus der Altersgruppe der Heranwachsenden, also der 18- bis einschließlich 20-Jährigen, wurden im Jahr 2002 insgesamt 9 709 Personen verurteilt, davon 2 881 nach allgemeinem Strafrecht und 6 828 Personen nach Jugendstrafrecht. Im Jahr 2006 waren es insgesamt 9 968 Personen, davon 2 927 nach allgemeinem und 7 059 nach Jugendstrafrecht.

Meine Damen und Herren, insgesamt kann man festhalten: Von 2002 bis 2006 stieg die Zahl der Verfahren, die bei der niedersächsischen Strafjustiz eingingen, um 6,4 %. Die Anzahl der Verurteilungen lag im Jahr 2006 um 6,7 % höher als im Jahr 2002. Im Gesamtzeitraum betrachtet aber sank die Dauer der Verfahren. Niedersachsen liegt damit im Bundesvergleich nach wie vor in der Spitzengruppe.

(Beifall bei der CDU)

In den letzten Jahren ist es damit der niedersächsischen Strafjustiz trotz des gestiegenen Verfahrensaufkommens gelungen, Strafverfolgung zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger konsequent und zügig zu betreiben. - Vielen Dank.