Der Antrag der CDU- und der FDP-Fraktion, schulformbezogene Bildungsstandards, getrennt für Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien, in Niedersachsen vorzusehen, bringt mich zu der Frage: Was machen Sie dann eigentlich, Herr Albrecht, mit den Gesamtschulen, den IGSen? Wie wollen Sie die denn mit Ihren Bildungsstandards jemals vergleichen können?
Diese Standards wollen Sie dann in allen Schulformen mit Abschlussarbeiten überprüfen. Damit werden aus meiner Sicht weder die Verantwortlichkeit der Schulen noch die Unterrichtsqualität verbessert. Und das ist uns wichtig.
Wenn Bildungsstandards tatsächlich Leistungsvergleiche zwischen unterschiedlichen Schulen, Bundesländern und Staaten ermöglichen sollen, müssen sie schulformübergreifend sein - wie wir es in unserem Änderungsantrag beschreiben -, und sie müssen länderübergreifend sein. Denn mit Kleinstaaterei kommen wir nicht weiter. Wir wollen, dass Bildungsstandards zur Qualitätsentwicklung von Schule dienen. Schulen erhalten die Verantwortung für die Erreichung der Standards, aber auch die dafür nötige fachliche Unterstützung und die pädagogischen Freiräume. Mit Diagnosearbeiten wird regelmäßig überprüft, ob die Schulen diese Standards erfüllen. Diagnosearbeiten dienen damit der Qualitätsentwicklung von Schule, nicht der Auslese von Schülerinnen und Schülern. Bildungsstandards müssen ferner wissenschaftlichen Kriterien genügen, wie sie z. B. in der Expertise von Professor Klieme beschrieben werden, die der Kultusministerkonferenz vorgestellt wurde. Die Entwicklung der Standards und der dazu gehörenden Aufgabenpools muss bundesweit koordiniert werden und muss arbeitsteilig geschehen. Das können Sie mit unterstützen, haben Sie gesagt, Herr Albrecht. Dies ermöglicht nicht nur die Vergleichbarkeit über die Ländergrenzen hinweg, sondern spart auch noch Kosten.
Schließlich und letztendlich muss natürlich in der Lehramtsausbildung und in der Lehrerfortbildung gelernt werden, wie man mit Bildungsstandards
Meine Damen und Herren, so verstandene Standards bedeuten tatsächlich einen Paradigmenwechsel in der pädagogischen Diskussion: Nicht mehr der einzelne Schüler allein wird für seinen Erfolg oder sein Scheitern in der Schule verantwortlich gemacht; vielmehr wird die Schule genauso in die Verantwortung genommen. Das ist uns dabei wichtig.
Herr Minister, wir erwarten von Ihnen, dass Sie sich für die länderübergreifende Zusammenarbeit und die Kosten sparende arbeitsteilige Formulierung von jahrgangsbezogenen - nicht schulformbezogenen - Standards einsetzen. Die Verbesserung der Unterrichtsqualität an unseren Schulen in Niedersachsen und die Chance auf länderübergreifende Vergleichbarkeit dürfen nicht politischen Eitelkeiten einer Landesregierung zum Opfer fallen. Deshalb sollten Sie unbedingt unserem Änderungsantrag zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Albrecht hat ausführlich ein verzerrtes Bild der Vergangenheit hier vorgestellt. Ich sage: Lassen Sie uns über die Zukunft der Schulen sprechen!
Qualitätssicherung im Schulwesen durch Bildungsstandards - das klingt ziemlich akademisch und abgehoben. Aber es kann eines der zentralen Themen der Schulpolitik der nächsten Jahre werden. TIMSS, PISA und andere Untersuchungen haben uns gezeigt, wie wichtig das Thema ist. Man kann mit einigem Recht sagen: Die Diskussion über Bildungsstandards gehört zu den wichtigsten Folgerungen aus den PISA-Ergebnissen. Zu diesen Konsequenzen gehört allerdings auch, dass Bil
dung überhaupt wieder zu einem Hauptthema der öffentlichen Diskussion geworden ist. Dazu gehören auch Gemeinsamkeiten in und zwischen den Bundesländern, wie die Einsicht in die Notwendigkeit vorschulischer Sprachförderung, des frühzeitigen Fremdsprachenerwerbs und der Tendenz zu mehr Selbständigkeit der Schulen. Das alles sind Kernthemen der alten Landesregierung, die Kultusminister Busemann aufgegriffen hat und erfreulicherweise fortsetzt.
Eine der zentralen Voraussetzungen für Selbstständigkeit ist die Möglichkeit zur Rechenschaftslegung auf der Grundlage von Vergleichbarkeit. Weil das so ist, ist es wichtig, frühzeitig zu einer gemeinsamen Basis zu kommen, wenn man etwas für die Schulen und für die Schülerinnen und Schüler erreichen will. Auf Bundesebene jedenfalls ist das versucht worden. So wurde ein Verfahren zur Entwicklung von Bildungsstandards am 18. Februar 2003 von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn und der hessischen Kultusministerin Karin Wolff, CDU, gemeinsam in Berlin vorgestellt. Es wurde von den Experten allgemein als gute Arbeitsgrundlage anerkannt. Hauptverfasser war Professor Eckhard Klieme.
Wenn ich mir allerdings im Vergleich zu den dort formulierten Vorschlägen Ihren Antrag ansehe, dann erkenne ich die Aussagen der Expertise nicht wieder.
Anders gesagt: Man sollte die niedersächsischen Regierungsfraktionen von CDU und FDP nicht an das Thema Bildungsstandards heranlassen. Sie sind dem Thema nicht gewachsen.
Mit dem vorgelegten Antrag haben Sie das dankenswerterweise verdeutlicht. Sie erreichen offenbar noch nicht einmal den Mindeststandard, der nötig wäre, um den zu diesem Thema vorgelegten Expertisen auch nur die wichtigsten Informationen zu entnehmen. Ich will das begründen.
In Ihrem Entschließungstext werden Begriffe und Schritte vermengt, die Bestandteile einer sorgfältigen und daher notwendigerweise nicht von heute auf morgen zu erledigenden Arbeit sein müssen. Sie vermischen die Überprüfung der Qualität von
Ich kann die Bestandteile der in der Expertise entwickelten langfristigen Strategie hier nur andeuten. Sie reichen von der Festlegung von Bildungszielen über die Einigung über Kompetenzstufen bis hin zu konkreten Aufgabensammlungen. Das ist ein komplexer Vorgang, der nur mit den Lehrerinnen und Lehrern erfolgreich bewältigt werden kann, nicht aber gegen sie. Dazu sagt Professor Klieme - ich zitiere -: Das gesamte Instrumentarium sollte so kombiniert werden, dass die Komponenten sich sinnvoll ergänzen. Werden nämlich verschiedene Dinge in einen Topf geworfen, so kann bei Praktikern der Eindruck entstehen, durch eine Testlawine belastet und entmündigt zu werden. - Das alles haben Sie offenbar nicht verstanden. Ihr Antrag hat nicht die fachliche Sauberkeit, die für dieses Verfahren notwendig wäre. Ich möchte das nur an zwei Beispielen verdeutlichen.
Erstens. Sie fordern gleich im ersten Satz schulformbezogene Bildungsstandards. Welchen Unsinn Sie damit fordern, hat Frau Korter Ihnen gerade zu erklären versucht. Sie haben das offenbar immer noch nicht verstanden. Sie stehen damit auch allein auf weiter Flur. Im Gutachten wird als ein Merkmal guter Bildungsstandards - auch das steht darin; hören Sie sich das ruhig an, Frau Körtner - Verbindlichkeit für alle gefordert und folgendermaßen erklärt: Mindeststandards müssen schulformübergreifend für alle Schülerinnen und Schüler gelten.
Das ist auch absolut logisch. Schließlich werden auf dieser Ebene nicht Schüler, sondern Schulen verglichen. Wir haben schon auf Länderebene keine identischen Schulformen. Vergleichen Sie einmal eine Sekundarschule mit einer Realschule! Das gilt erst recht, wenn wir internationale Vergleichbarkeit anstreben. Ein Gymnasium ist nun einmal nicht identisch mit einem französischen lycée, eine Realschule ist nicht vergleichbar mit einem collège oder irgendeiner anderen Schule eines anderen Landes. Ist es ein sinnvolles Ziel, mit hohem Aufwand nur niedersächsische Gymnasien untereinander zu vergleichen, nur Hauptschulen untereinander, nur Realschulen untereinander? Nein, das ist eine Verschwendung von Ressourcen.
Aber bei Ihnen muss alles in die Zwangsjacke der Dreigliedrigkeit und eines verlogenen Begabungsgerechtigkeitsbegriffs gesteckt werden.
Es wird unsere Aufgabe sein, die niedersächsischen Schülerinnen und Schüler vor solchen Methoden zu schützen.
Zweitens. Sie bringen Bildungsstandards, Vergleichsarbeiten und Abschlussprüfungen schon in der Überschrift in einen unmittelbaren Zusammenhang, ebenso im Entschließungstext und noch deutlicher in der Begründung. Vielleicht sollten Sie doch noch einmal bei den Bildungsexperten nachlesen. Dort heißt es: Die Expertengruppe empfiehlt jedenfalls, Standards z. B. in den Klassenstufen 3 für die Grundschule und 9 für den mittleren Schulabschluss zu definieren. Insbesondere sollten sich die Vergleichsarbeiten nicht auf die Abschlussjahrgänge beziehen. Rückmeldungen in der Mitte der Bildungsgänge können es den Schulen leichter machen, auf die Befunde zu reagieren. Zudem sind die Ergebnisse in diesem Fall weniger leicht mit Abschlussprüfungen verwechselbar oder als solche missbrauchbar. - „Missbrauchbar“, das dürfen Sie sich ruhig auf der Zunge zergehen lassen.
Eine sachlich geführte, geduldige Debatte um Schulqualität, Bildungsstandards und Selbstständigkeit wäre ein möglicher Weg aus der Misere ideologischer Grabenkämpfe. Aber dazu müsste jedenfalls über die Grundrichtung Einigkeit bestehen. Eingeholte Fachkenntnis dürfte nicht nur dazu verwendet werden, Seifenblasen und Schlagworte zu produzieren. Noch ist Zeit dazu.
Herr Poppe, bitte warten Sie einen Augenblick! Erstens möchte ich bitten, die Lautsprecher für Herrn Poppe etwas lauter zu drehen, zweitens möchte ich die Besuchergruppen bitten, etwas leiser zu sein.
Nehmen Sie doch den vorliegenden Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen als ersten Grundkurs. Die Verfasser, denen ich ein ausdrückliches Kompliment mache, haben die Expertise vom Februar jedenfalls angemessen ausgewertet.
Vorläufig aber gilt für mich das Zitat aus der Zeit, die im Zusammenhang mit der IGLU-Studie der CDU/FDP-Koalition in das Stammbuch schrieb: Nicht nur deutsche Schülerinnen und Schüler haben Leseschwächen, auch deutsche Politiker. Genauso ist es. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! PISA hat gezeigt, dass zum Wohl der Kinder das Leistungsniveau an unseren Schulen regelmäßig überprüft werden muss. Nur so können Defizite an den Schulen schnell erkannt und aufgefangen werden, und Bildung kann effizienter gestaltet werden.
Unsere Kinder und Jugendlichen müssen auf dem deutschen und dem europäischen Arbeitsmarkt wieder wettbewerbsfähig werden.
Mit diesem Antrag wollen wir jetzt damit anfangen - hier in Niedersachsen! Das unterscheidet uns von Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen und offenbar auch von der SPD, die diesen Änderungsantrag unterstützen. Wir wollen nicht warten, bis sich die Kultusministerkonferenz - vielleicht nach etlichen Expertenrunden und in drei Jahren auf Bildungsstandards geeinigt hat. Vielleicht einigt sie sich auch nie, und selbst wenn sie sich einigt, wird sie hinterher womöglich von Frau Bulmahn blockiert, wie wir das auf anderen Feldern gerade erlebt haben.
Wir wollen eigene Standards entwickeln, und zwar jetzt. Wir wollen vorankommen. Wir wollen auch hier ein Zeichen des Neuaufbruchs setzen.