Wir appellieren auch gerade an Sie, Ihren vermeintlichen bundespolitischen Einfluss auch gegenüber Ihrem Parteigenossen, Herrn Tiefensee, auszuüben, um ihm deutlich zu machen, dass das so nicht akzeptabel ist.
Wie gesagt: Wir streiten mit dem Bund nicht darüber, ob die Bahn an die Börse gebracht werden soll, sondern wir streiten mit der Bundesregierung über das Wie. Wir wollen eine Bahnreform, aber wir wollen sie definitiv nicht zu diesen Bedingungen. Der Gesetzentwurf von Herrn Tiefensee ist in dieser Form nicht zustimmungsfähig, weil unsere Interessen in Niedersachsen nicht ausreichend berücksichtigt werden. Der Gesetzentwurf muss dringend überarbeitet werden.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist die erste halbwegs sachliche Rede, die ich seit Jahren von ihm gehört habe!)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das zurzeit vorliegende Privatisierungskonzept der Deutschen Bahn AG wird anscheinend nur noch von zwei Personen unterstützt: Das sind die Herren Tiefensee und Mehdorn.
Alle anderen sehen das Konzept als schweren Schlag gegen den Wettbewerb auf der Schiene, die Qualität des Schienenverkehrs und die Versorgung der Fläche an. Eine solche Koalition nicht nur von Verfassungsrechtlern und Politikern, sondern auch von Fahrgastverbänden hat es noch nie gegeben.
Die Bundesländer sind - wie ein am Montag vorgelegtes Gutachten, das im Auftrag der Verkehrsministerkonferenz erstellt wurde, ergeben hat - Verlierer dieser Privatisierung. Das hat Herr McAllister eben eindrucksvoll ausgeführt.
Es steht zu befürchten, dass Trassen- und Stationspreise für den Regionalverkehr erheblich ansteigen, ohne dass dafür die Regionalisierungsmittel angehoben werden. Damit drohen eine Ausdünnung der Takte und Streckenstilllegungen.
Ich darf daran erinnern, dass Bundesverkehrsminister Tiefensee gemeinsam mit dem Bundesfinanzminister schon einmal die Regionalisierungsmittel zulasten der Länder gekürzt hat. Die CDU/FDP-geführte Landesregierung hat allerdings
diese Kürzung mit Landesmitteln im Nachtragshaushalt 2007 teilweise kompensieren können und damit dramatische Streckenstilllegungen verhindert.
Im Gesetzentwurf ist auch keine Anpassung der Bundeszuschüsse an die Bahn vorgesehen, falls das Streckennetz ausgedünnt wird. Die Bahn kann also die Profitabilität der Netz AG durch Stilllegungen deutlich steigern.
Vor diesem Hintergrund ist die Forderung von Minister Hirche, im Bundesrat am 12. Oktober vorgetragen - ich nehme an, er wird sie hier wiederholen -, nur berechtigt: Sicherstellung von Bestand und Leistungsfähigkeit des Netzes in der Fläche, Vermeidung einer stärkeren Belastung der Länderhaushalte und größere verkehrspolitische Einflussmöglichkeit.
Aber das Privatisierungsvorhaben ist insgesamt gesehen auch ziemlicher Murks. Es ist überhaupt nicht klar, was dort eigentlich geplant wird. Zwischen Eigentumsmodell, Integrationsmodell und Eigentumssicherungsmodell findet sich kaum noch jemand zurecht - vielleicht mit Ausnahme der eben genannten zwei Personen; wer die dritte Person ist, wird uns Herr Jüttner vielleicht noch verraten.
Minister Tiefensee macht es sich einfach und sagt, sein Eigentumssicherungsmodell bedeute lediglich eine Art Leasingvertrag zwischen Bahn AG und Bund über das Netz. Hat Ihnen schon einmal jemand ein Autoleasing ohne Anzahlung angeboten, bei dem dann auch der Leasinggeber jeden Monat Geld für die Instandhaltung des Autos zahlt, und wenn Sie das Auto dann nach zwei Jahren zurückgeben, erhalten Sie, weil es ja in solch einem guten Zustand ist, auch noch 10 000 Euro dazu?
Für die FDP gibt es nur eine ganz klare Privatisierungsstrategie. Wir wollen die vollständige Privatisierung der Transport- und Logistiksparten nach vorheriger Abtrennung der Netzsparte.
Das Netz wird als neutraler aktiver Trassenvermarkter positioniert. Die Privatisierungserlöse wären in diesem Modell deutlich höher - auch weil eine vollständige Privatisierung möglich wäre -, und es wären keine aberwitzigen Rechtskonstruktionen erforderlich, um die grundgesetzlichen Infrastrukturverpflichtungen des Bundes zu erfüllen.
Zusammenfassend bleibt mir nur, an Sie, verehrte Damen und Herren von der SPD-Fraktion, zu appellieren: Am 26. Oktober findet Ihr Bundesparteitag statt. Dort haben Sie es in der Hand, dort haben Sie die Chance, mit einem klaren Entschluss den aberwitzigen Plänen von Herrn Tiefensee ein Ende zu machen. - Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aus der Sicht der SPD-Landtagsfraktion ist es schon erstaunlich, dass Herr Hirche beim Thema Bahnprivatisierung plötzlich als Verteidiger der öffentlichen Daseinsvorsorge auftritt.
Die FDP hat jahrelang bewiesen, dass sie genau das Gegenteil will: Privatisierung statt öffentliche Gemeinwohlinteressen.
(Zustimmung bei der SPD - Ernst- August Hoppenbrock [CDU]: Das stimmt doch nicht! - Ulf Thiele [CDU]: Die Not muss aber groß sein, wenn Sie eine solche allgemeine Diskussion anfangen!)
Der Minister tritt offensichtlich nur in Wahlkampfzeiten aus wahltaktischen Gründen als Verteidiger auf, der beim passenden Angebot aus Berlin das Tafelsilber - Herr Rickert hat das eben deutlich gemacht - lieber heute als morgen verscherbeln will. In den letzten Jahren konnte man den Eindruck gewinnen, Herr Hirche sei nicht Wirtschaftsminister, sondern Privatisierungsminister. Herr Minister Hirche, der jetzt hier als heiliger Samariter auftritt, entpuppt sich aber vielleicht ganz schnell als Darth Vader.
(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Mann, Mann, Mann! So richtig verstanden habe ich das aber nicht! - Bernd Althusmann [CDU]: Die Macht ist mit uns, Frau Kollegin! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Herr McAllister, Sie wollten ja eine Stellungnahme der Landtagsfraktion: Die SPD-Landtagsfraktion wird den vorgelegten Gesetzentwurf klar ablehnen und - darauf können Sie sich verlassen - ihren Einfluss auf Bundesebene wahrnehmen. Sicherlich werden wir erfolgreicher sein als Sie.
Niedersachsen darf durch die weitere Umsetzung der Bahnreform in der Fläche nicht abgehängt werden. Niedersachsen als Flächenland ist darauf angewiesen, auch in kleineren Gemeinden eine leistungsfähige Infrastruktur auf der Schiene vorzuhalten. - Es ist erstaunlich, Herr Althusmann, dass Sie das so belustigt.
Meine Damen und Herren, es ist wirklich so laut, dass wir hier oben im Präsidium nicht genau verstehen und hören können, was am Rednerpult gesagt wird.
Niedersachsen als Flächenland ist darauf angewiesen, auch in kleineren Gemeinden eine leistungsfähige Infrastruktur auf der Schiene vorzuhalten. Das erwarten die Bevölkerung und die Wirtschaft zu Recht von Bund und Land; denn ohne Infrastruktur in der Fläche ist eine positive wirtschaftliche Entwicklung in Niedersachsen überhaupt nicht denkbar. Unerlässliche Voraussetzung zur Erfüllung des grundgesetzlichen Auftrags der
Gemeinwohlverpflichtung und der Daseinsvorsorge, die wir als SPD-Fraktion im Übrigen immer etwas ernster nehmen als Sie,
ist unserer Auffassung nach die Wahrung des Einflusses auf die Bahninfrastruktur hier in unserem Land.
Wir als SPD-Landtagsfraktion lehnen eine Privatisierung der Deutschen Bahn, die Anteilseignern mit ihren privatwirtschaftlichen Interessen Stimmrechte an der Unternehmensführung und -entwicklung einräumt, ganz klar ab. Das werden wir auch auf Bundesebene deutlich machen.
Die Bereitstellung einer leistungsfähigen Infrastruktur wird sich in Zukunft als noch wichtiger erweisen. Die SPD will, dass der Schienenverkehr dabei als umweltfreundliches Verkehrsmittel eine steigende Bedeutung erhält.
Während die Bundeskanzlerin bei dem Thema auf Tauchstation geht, haben wir eine ganz deutliche Position im Gegensatz zur Bundes-CDU. Die Bundes-FDP will die Filetierung der Deutschen Bahn. Das ist heute in den Wortbeiträgen ganz deutlich geworden.
Um diese Zukunftsaufgabe der Bahn meistern zu können, brauchen wir eine zusätzliche Kapitalausstattung der Bahn AG. Natürlich ist es völlig unstreitig, dass sich auch die Bahn AG dem Wettbewerb stellen muss. Die weiteren Schritte der Bahnreform dürfen aber nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen. Diese sind aus unserer Sicht, dass der Einfluss der Länder und des Bundes auf den Ausbau des Netzes gewahrt bleibt bzw. durch eine entsprechende Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung besser abgesichert wird.
Um es klar zu sagen: In Niedersachsen darf sich der Schienenpersonennahverkehr nicht verschlechtern. Die Erreichbarkeit und die Mobilität in der Fläche ist zentraler Auftrag der Daseinsvorsorge.