Herr Kollege Jüttner, es ist natürlich schwierig, wenn Sie erst zur Sache sprechen, dann die letzten Sekunden aber nutzen, um von der Sache abweichen. Meiner Meinung nach ist das jetzt aber kein weiteres Thema.
Hier ist vonseiten der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sofortige Abstimmung beantragt worden. Ich frage zunächst einmal, ob 30 Mitglieder des Landtages diesem Antrag widersprechen. - Ich sehe, das genickt wird. Auf jeden Fall widerspricht die CDU-Fraktion diesem Antrag. Damit ist das Quorum für eine Ausschussüberweisung erreicht.
Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 15 soll an den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit überwiesen werden. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen.
Der Antrag unter Tagesordnungspunkt 16 soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit und zur Mitberatung an den Kultusausschuss überwiesen werden.
- Ja, zur Mitberatung ebenfalls an den Haushaltsausschuss. In Ordnung. Das wird so aufgenommen. - Wer so beschließen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen worden.
Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung: Kommunen bei Asylbewerberleistungen nicht bevormunden - Wertgutscheinpraxis abschaffen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/4021
Zur Einbringung des Antrags erteile ich Frau Kollegin Langhans von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!
- Frau Langhans, wir warten noch ein bisschen. Am besten setzen Sie sich wieder ein paar Minuten auf Ihren Platz. - Es ist sehr laut, und alle meinen, sich jetzt im Saal unterhalten zu müssen. Wir warten noch einen Moment. - Ich bitte darum, dass sich die Gruppenbildungen auch auf dieser Seite des Saales auflösen. - Frau Langhans.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht nur das Thema Kinderarmut, auch das Thema Wertgutscheine ist in diesem Haus nicht zum ersten Mal Gegenstand von Debatten. Aber verändert hat sich in Niedersachsen auch auf diesem Gebiet nichts. Trotz jahrelanger Forderungen von Kirchen, Wohlfahrts- und Flüchtlingsverbänden sowie der kommunalen Spitzenverbände, die Wertgutscheine abzuschaffen, hat sich weder die Landesregierung noch die Regierungskoalition bewegt.
Verändert haben sich allerdings die Asylbewerberzahlen: Sie sind so drastisch zurückgegangen, dass sie jetzt auf dem niedrigsten Stand seit schätzungsweise 20 Jahren sind. Nach Ihrer Logik, meine Damen und Herren, ist dies eine Folge von konsequenter Beibehaltung der Gutscheinpraxis. Aber so ganz kann dies nicht stimmen; denn zahlreiche Bundesländer sind inzwischen dazu übergegangen, Bargeld auszuzahlen. Es wäre eigentlich folgerichtig, dass es aufgrund der Tatsache, dass mehrere Bundesländer Bargeld auszahlen, zu einem Anstieg der Asylbewerberzahlen gekommen wäre. Das ist aber mitnichten der Fall.
Einen kleinen Moment noch einmal! - Herr Kollege Hogrefe! Kaum haben sich Gruppen aufgelöst, bilden sich wieder neue. Ich bitte Sie, das nach draußen zu verlegen. - Frau Langhans!
Danke. - Herr Innenminister, Sie beharren darauf, dass nur Wertgutscheine ungewollte Zuwanderung verhindern könnten. Das ist meines Erachtens eine grobe Fehleinschätzung, wie die Zahlen zeigen.
Auch Ihre Argumentation, Wertgutscheine könnten Alkoholmissbrauch und Drogenhandel verhindern oder Schleuserbanden Einhalt gebieten, war schon damals falsch und wird auch heute durch gebetsmühlenartiges Wiederholen nicht besser; denn keines der Bundesländer, die Bargeld auszahlen, beklagt einen Anstieg von Aktivitäten der Schleuserbanden oder von Drogenkriminalität. Spätestens hier sollten sich die Koalitionsfraktionen fragen, was andere Bundesländer können, was Niedersachsen nicht kann. Das Asylbewerberleistungsgesetz gilt bundesweit.
Diese Frage stellen sich inzwischen auch Kommunen, und hier wächst der Widerstand gegen die bevormundende Praxis der Landesregierung. Die Kommunen wollen nicht länger hinnehmen, dass Asylbewerber ständig Pöbeleien, offenen Anfeindungen und ausländerfeindlichen Äußerungen beim Einkauf mit Wertgutscheinen ausgesetzt werden.
inzwischen gehandelt, auch mit den Stimmen der FDP und CDU. Sie haben sich für die Bargeldauszahlung an Asylsuchende ausgesprochen. Übereinstimmend beklagen die Kommunen in ihren Resolutionen und Anträgen an die Landesregierung den hohen Verwaltungsaufwand und die zusätzlichen Kosten, übereinstimmend weisen sie auf die wiederkehrenden Schwierigkeiten im Einzelhandel mit der Auszahlung von Wechselgeld hin. Auch das eingeschränkte Wahrenangebot für Asylsuchende wird als Problem angesprochen.
Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, Sie haben sich Bürokratieabbau, Kostenreduzierung und die Erweiterung kommunaler Handlungsspielräume auf Ihre Fahnen geschrieben und eigens dafür ein Modellkommunen-Gesetz verabschiedet. Wenn Sie dieses Gesetz ernst nehmen und nicht völlig unglaubwürdig werden wollen, dann kann es für Sie keinen Grund mehr geben, die kostenintensiven und verwaltungsaufwendigen Gutscheine beizubehalten.
Unser Antrag entspricht den Zielen der Entbürokratisierung. Deshalb sehen wir keinerlei Anlass, die Kommunen diesbezüglich weiterhin zu bevormunden und ihren Handlungsspielraum einzuengen. Es muss ihnen überlassen werden, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, ob sie Bargeld oder Wertgutscheine ausgeben. - Danke.
Frau Präsidentin! Werte Herren, werte Damen! Meine Fraktion ist bereits 2003 mit der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für die Abschaffung der Wertgutscheine nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes eingetreten; schon damals wollten wir die Entscheidung, ob bar ausgezahlt wird oder Wertgutscheine vergeben werden, den Kommunen überlassen. Inzwischen ist der Widerstand gegen die gängige Praxis der Wertgutscheine in vielen Städten und Landkreisen gewachsen. Der gravierendste Unterschied zwischen uns und den Regierungsfraktionen ist, dass wir Vertrauen in das Fachpersonal der Kommunen haben, das weiß, ob generell bar ausgezahlt werden soll oder ob es im
Einzelfall angebracht ist, Wertgutscheine auszugeben. Wir brauchen kein Modellkommunen-Gesetz, um den Kommunen mehr Entscheidungsmöglichkeiten zu geben. Wir würden handeln, weil wir wissen, dass die Auszahlung von Bargeld den Effekt von Verwaltungsvereinfachung hat und die Abschaffung von unnötiger Bürokratie bedeutet.
Herr Schünemann, Sie als neuer Minister für Integration - diesen Fachbereich haben Sie leider vier Jahre lang verheimlicht - müssten doch als Erster Ihrer Fraktion deutlich machen können, dass Wertgutscheine eine Ausgrenzungsmaßnahme für Menschen sind, die bei uns Asyl suchen bzw. geduldete Flüchtlinge sind, also Menschen, die unseren Schutz brauchen. Dies muss es uns wert sein, Wertgutscheine abzuschaffen, weil die keinen Wert haben.
Ich hoffe auf eine konstruktive Diskussion mit den Regierungsfraktionen im Fachausschuss, weil ich weiß, dass Menschen lernfähig sind. Warum nicht auch Politiker der CDU und der FDP? Abschließend bitte ich darum, diesen Antrag mitberatend der Ausländerkommission zuzuweisen, und bedanke mich herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Frau Kollegin Rübke. - Zu Wort gemeldet hat sich von der CDU-Fraktion Herr Kollege Hiebing. - Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieses Thema ist in diesem Hause bereits öfter Gegenstand einer Erörterung gewesen. Diese Diskussion ist nicht neu, Frau Kollegin Rübke, die Argumente sind es ebenfalls nicht. Wie Sie alle wissen, haben wir uns in der 13. und 14. Wahlperiode und auch zu Beginn der 15. Wahlperiode - ich habe es einmal in den Protokollen nachgelesen mit diesem Thema befasst. Der Niedersächsische Landtag hat sich in den vergangenen Wahlperioden mehrfach intensiv damit auseinandergesetzt und jeweils mit Mehrheit - auch als Sie Regierungsverantwortung trugen - entschieden, dass es bei der Gewährung von Leistungen in Form von Wertgutscheinen an Asylbewerber bleiben solle.
Es ist richtig, die Zahl der Asylbewerber ist rückläufig. Ich bin durchaus der Auffassung, dass dies
keine positive Zahl an sich ist. Aber als wir in den 90er-Jahren 500 000 Asylbewerber pro Jahr hatten, wussten wir allesamt und über alle Fraktionen hinweg nicht, wie wir mit diesem Problem fertig werden sollten. Ich glaube, es ist kein Argument für oder gegen die Wertgutscheine, dass die Zahl der Asylbewerber gesunken ist.
Meine Damen und Herren, nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes sind im Regelfall und vorrangig Sachleistungen zu gewähren. Im Einzelfall kann als Ausnahme auch eine Bargeldleistung gewährt werden.
Als Fazit bleibt festzustellen: Das Wertgutscheinverfahren hat sich in Niedersachsen, wie ich finde, bewährt, und zwar auch unter humanitären und verwaltungspraktischen Gesichtspunkten. Die Form der Leistung berücksichtigt sowohl die Wahrung der Selbständigkeit als auch - das scheint mir auch wichtig - die Eigenverantwortung der Asylbewerber. Die Erfahrungen vieler, wenn auch nicht aller Kommunen bestätigen: Der Verwaltungsaufwand ist durchaus vertretbar. Es wird nicht bestritten, dass dieses Verfahren etwas kostenintensiver ist, aber es ist inzwischen durchaus praktikabel und unkompliziert. So habe ich es mir vom Fachpersonal meiner Heimatgemeinde erklären lassen. Ich glaube, wir sollten in diese Aussagen durchaus Vertrauen haben. Ich verlasse mich darauf, dass das funktioniert. Auch auf die Frage, ob die Asylbewerber selbst diese Praxis als inhuman oder menschenverachtend empfinden, ist mir deutlich geantwortet worden, dass dies nicht der Fall ist.
Ein Missbrauch von Wertgutscheinen, den wir alle nicht wollen, ist nahezu ausgeschlossen. Wertgutscheine können und sollen nicht zweckentfremdet eingesetzt werden.
Eben gerade haben wir eine Debatte über Kinderarmut geführt. In diesem Zusammenhang ist aus Ihren Reihen vorgeschlagen worden, zu prüfen, ob die Mittel richtig verwendet werden. Jetzt wollen Sie, dass z. B. bei der Auszahlung der Wertleistungen für Nahrungsmittel für Erwachsene und Kinder freigestellt wird, in welcher Form die Leistungserbringung erfolgt. Aber bei einer Leistungserbringung in bar ist doch der Missbrauch wahrscheinlicher als in Wertgutscheinen. Frau Kollegin Rübke, das werden auch Sie nicht bestreiten können.
Meine Damen und Herren, im Übrigen hat der Bundesgesetzgeber noch einmal deutlich gemacht - Frau Kollegin Rübke, in diesem Fall sitzen wir doch in einem Boot -, dass ihm dieses Prinzip des Vorrangs der Sachleistungen wichtig ist, und zwar so wichtig, dass er die Frist, in der es angewendet werden soll, im Asylbewerberleistungsgesetz von 36 auf 48 Monate verlängert hat. Das ist ein Beschluss des Deutschen Bundestages, der mit der Mehrheit der Großen Koalition zustande gekommen ist.
Im Übrigen können wir im Ausschuss noch sehr intensiv über dieses Thema diskutieren. In der vorliegenden Fassung lehnen wir die Forderungen des Antrags der Fraktion der Grünen jedenfalls ab. - Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Hiebing hat darauf hingewiesen, dass wir uns schon mehrfach mit diesem Thema beschäftigt haben. Ich will deshalb nur kurz einige Punkte zusammenfassen.
Erstens. Dieser Antrag ist im Landtag am falschen Ort gestellt. Denn für diesen Bereich ist der Bundestag zuständig. Das Asylbewerberleistungsgesetz ist ein Bundesgesetz. Dort ist in § 3 geregelt, dass Sachleistungen Vorrang haben und nur im Einzelfall - also nur bei Einzelpersonen, wenn es in irgendeiner Art und Weise gerechtfertigt ist - Ausnahmen gemacht werden können. Das bedeutet, wenn Länder tatsächlich von dieser Regelung abweichen - ich kann es mir aber kaum vorstellen -, dann ist dies rechtswidrig.
Zweitens. Auch wenn Kommunen in Niedersachsen von dieser Regelung abweichen, ist das rechtswidrig, und die Kommunalaufsicht muss und wird einschreiten.
Frau Langhans hat gesagt, dass die Länder, die angeblich von dieser Regelung abweichen, keinen Anstieg bei den Asylbewerberzahlen zu verzeichnen haben. Frau Langhans, die Asylbewerber