Protocol of the Session on September 13, 2007

Meine Damen und Herren, umso bedauerlicher ist es, dass am vergangenen Freitag eine gemeinsame Position der Innenministerkonferenz in zentralen Fragen des Antiterrorkampfes gescheitert ist. Das habe ich, gerade wenn wir in einer schwierigen Situation sind, zum ersten Mal in der Innenministerkonferenz erlebt.

Wir wissen: Trotz der Professionalität unserer Sicherheitsbehörden konnten die Terrorpläne letzte Woche nur vereitelt werden, weil wir aufgrund der Tätigkeit anderer an Schlüsselinformationen gelangt waren. Noch nie war der Handlungsbedarf, mit den Terroristen Schritt halten zu können, so dringlich wie jetzt.

Der Präsident des BKA, Jörg Ziercke, hat in einem beinahe flehentlichen Appell die Innenminister aufgefordert, die Onlinedurchsuchung bei Computern von Terrorverdächtigen zuzulassen. Hier

geht es nur um wenige, aber dafür ganz entscheidende Fälle.

Als Präsident Ziercke dieses den Innenministern vorgetragen hat und dargestellt hat, wie die Abläufe dort gewesen sind, welche Möglichkeiten das BKA und die anderen Sicherheitsbehörden gehabt haben, aber auch welche Sicherheitslücken vorhanden gewesen sind, herrschte durchaus für ein oder zwei Minuten Betroffenheit auch bei den Innenministern, denn sie wissen, dass wir jetzt Handlungsbedarf in diesem Bereich haben.

Uns allen muss klar sein: Wenn wir in der Frage der Onlinedurchsuchung weiter keine Einigung finden werden, machen wir uns umso mehr von den Informationsfähigkeiten ausländischer Dienste abhängig. Dieser Zustand geliehener Sicherheit ist auf Dauer nicht tragbar, weil er immer ein Restrisiko birgt, wertvolle Informationen verspätet oder gar nicht zu erhalten. Wir können es nicht zulassen, blind und wehrlos gegenüber den Dschihadisten zu werden, weil unsere Sicherheitsbehörden keine Möglichkeit mehr haben, in ihre Kommunikationsstrukturen einzudringen.

Wenn jetzt, wie in aktuellen Pressemeldungen zu lesen war, die Bundesjustizministerin immer noch fordert, die Sicherheitsbehörden sollten erst einmal definieren, ob und wofür sie eine Onlinedurchsuchung brauchen, dann kann ich nur antworten: Wir brauchen dieses Instrument bei Terrorverdächtigen, weil es nach Meinung der Fachleute unverzichtbar ist, um in die Kommunikationswege militanter Islamisten über Computer und Internet einzudringen und Anschlagspläne rechtzeitig aufzudecken.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb muss hier die Frage erlaubt sein: Wollen wir in Kauf nehmen, dass Terroristen die blinden Flecken bei unseren Sicherheitsbehörden weiter gezielt ausnutzen und ihre mörderischen Pläne unentdeckt bleiben, oder wollen wir ein Anschlagsrisiko im Vorfeld so weit wie möglich minimieren und damit Schaden vom deutschen Volk nach besten Kräften abwenden? - Wenn wir Letzteres wollen, sollten wir den sicherheitspolitischen Mehrwert, der sich durch neue Fahndungsinstrumente erzielen lässt, schon jetzt aktiv nutzen und Schlupflöcher für militante Islamisten so rasch wie möglich schließen.

Es wäre falsch und gefährlich, die Last und die Verantwortung für eine effektive Terrorismusbe

kämpfung ausschließlich auf unsere Sicherheitsbehörden zu delegieren. Angesichts der eminenten Bedrohungsdimension bedarf es eines Zusammenwirkens aller gesellschaftlichen Kräfte über die ohnehin erforderliche, intensive Vernetzung aller einschlägig zuständigen Behörden hinaus. Dem terroristischen Netzwerk muss ein vollständiges und schlagkräftiges gesellschaftliches Informations- und Präventivnetzwerk entgegengestellt werden. Eine wehrhafte Demokratie muss sich der terroristischen Herausforderung auf allen Ebenen - wirklich auf allen Ebenen - stellen.

Ein wesentliches Ziel ist es, potenzielle terroristische Gewalttäter schon dort auszumachen, wo sie sich möglicherweise mit extremistischen Verhaltensweisen zeigen. Ich will hier aber klarstellen: Es geht hierbei eben nicht um Denunzierung legitimer Meinungsäußerungen oder gar um Spitzeltum. Überprüfungen müssen aber dort möglich sein, wo signifikante Hinweise auf extremistische Tendenzen vorliegen.

Es ist nicht akzeptabel, dass beim islamistischen Extremismus anderes gelten soll als beispielsweise beim Rechtsextremismus oder beim Linksextremismus.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen in einem umfassenden Ansatz auch sicherstellen, dass zur Abwehr islamistischer Bedrohungen das gesamte staatliche Maßnahmeninventar zum Einsatz kommt. So muss es im Falle von Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit, die sich mit extremistischen Handlungen aktiv gegen unsere Gesellschaftsordnung stellen, möglich sein, auch ihren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland zu beenden.

Die in Europa in Erscheinung getretenen Terroristen haben sehr unterschiedliche persönliche Hintergründe. Vom arabischen Studenten aus gut situiertem Elternhaus über hier geborene Kriminelle mit Migrationshintergrund bis hin zu deutschen Konvertiten ist nahezu jede Variante vertreten. Angesichts dieser sich immer heterogener darstellenden Täterprofile und der rasanten Entwicklung von Tatgelegenheiten und Tatmitteln sind wir gefordert, unser rechtliches und strategisches Instrumentarium permanent zu evaluieren und auf Zukunftstauglichkeit zu prüfen.

Natürlich müssen wir hierbei auch intensiv die Erweiterung von Strafbarkeiten prüfen. Der aktuelle Terrorfall zeigt uns auf schmerzliche Weise,

dass unser geltendes Strafrecht neu justiert werden muss. Wenn Islamisten wie die in der letzten Woche festgenommenen in einem pakistanischen Terrorcamp ideologisch und militärisch gedrillt werden, um möglichst viele Menschen in Deutschland durch Terroranschläge umzubringen, dann wird es zur Pflicht, so zügig wie möglich einen praxistauglichen Entwurf für die Strafbarkeit solcher perfiden Aktivitäten auf den Tisch zu legen.

(Beifall bei der CDU)

Sonst macht sich unser Rechtsstaat zum Gespött der islamistischen Gotteskrieger.

Meine Damen und Herren, die Zeit drängt. Wir müssen nicht nur zu den richtigen Entscheidungen kommen; wir müssen die richtigen Entscheidungen auch schnell treffen. Damit will ich nicht einem hektischen Aktionismus das Wort reden, wie es immer dargestellt wird. Klar ist aber: Wir dürfen die rechtsstaatlichen Werte, für die wir alle stehen, nicht aus den Augen verlieren. Klar ist aber auch: Freiheit und Sicherheit bedingen einander. Freiheit ist ohne ein gewisses Maß an Sicherheit eben nicht möglich. Wer das eine gegen das andere ausspielt, verliert am Ende beides.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine kluge und vorausschauende Sicherheitspolitik muss umfassend angelegt sein. Dazu gehört auch, sich mit den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Menschen islamischen Glaubens in Niedersachsen und Deutschland ganz intensiv auseinanderzusetzen, zumal die meisten von ihnen einen Migrationshintergrund haben. Ich betone an dieser Stelle noch einmal: Die gefährliche Minderheit der gewaltbereiten Islamisten, die den Islam für ihre ideologischen Zwecke missbrauchen, dürfen wir mit der überwiegenden Mehrheit der friedlich bei uns lebenden Muslime nicht in einen Topf werfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein Generalverdacht gegen Menschen islamischen Glaubens wäre für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft fatal und würde militanten Islamisten nur in die Hände spielen. Denn sie wollen ja gerade Misstrauen und Ängste zwischen Muslimen und Nichtmuslimen säen. Sie wollen durch ihre dschihadistische Ideologie ein Klima des Kulturkampfes beschwören und demokratische Werte gegen die Religion des Islam ausspielen. Und das, meine Damen und Herren, dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gerade deswegen ist es wichtig, dass wir eine pauschale Stigmatisierung der Religion des Islam ausdrücklich ablehnen. Nur so können wir die Köpfe und Herzen insbesondere der jungen bei uns lebenden Muslime für unsere Demokratie gewinnen. Nur so haben wir eine reelle Chance, die aufgeklärten und moderaten Kräfte im Islam zu stärken. Umgekehrt muss es aber auch im Interesse der muslimischen Gemeinden liegen, Extremisten und Gewalttäter zu identifizieren und, wenn notwendig, mit den Sicherheitsbehörden zusammenzuarbeiten.

Wenn beispielsweise Hassprediger antisemitische Parolen verkünden, gegen das Grundgesetz hetzen oder die Scharia verbreiten, dann müssen sich friedliche Muslime davon klar abgrenzen und ein solches Verhalten auch anzeigen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nur so können wir den Anfängen wehren und islamistische Extremisten auch isolieren. Deshalb ist der Appell des Ministerpräsidenten richtig, dass die Muslime mit den Sicherheitsbehörden auch kooperieren. Ich habe mir einmal ausdrucken lassen, was die SPD-Abgeordnete Lale Akgün heute Morgen im NDR dazu gesagt hat:

„Das ist kein Aufruf zur Zivilcourage, sondern ein Aufruf zu Denunziantentum. Wir haben in Deutschland für solche Dinge einen sehr gut arbeitenden Verfassungsschutz und ein ebenso gutes Bundeskriminalamt.“

Meine Damen und Herren, wer so argumentiert, der weiß nicht, um was es geht. Hier geht es nicht darum, Falschparker anzuzeigen. Hier geht es darum, Hassprediger den Sicherheitsbehörden auch zu melden. Wer nicht bereit ist, dieses zu tun, der hat sich aus der Gesellschaft ausgegrenzt. Das ist etwas, was wir nicht akzeptieren können.

(Zustimmung bei der CDU)

Deshalb ist es richtig, diesen Appell an die friedfertigen Muslime in unserem Lande zu richten. Ich gehe davon aus, dass wir dies im Dialog auch erreichen werden.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Sicherheitsbehörden in unserem Lande suchen seit geraumer Zeit das Gespräch mit den Muslimen, auch mit den muslimischen Gemeinden. Hier wird der Dialog gesucht. Ich muss sagen, dass wir in der Vergangenheit das, worüber wir gerade gesprochen haben, eben noch nicht in dem Maße erreicht haben, dass es nämlich Hinweise gegeben hat. Aber daran muss gearbeitet werden. Ich hoffe, dass dieser Aufruf im Konsens erfolgt; denn auch die Bundesjustizministerin hat sich durchaus ähnlich eingelassen.

Meine Damen und Herren, für die Stabilität unseres freiheitlichen Gemeinwesens ist es elementar, die bei uns lebenden Muslime zu integrieren. Niedersachsen zielt mit seiner auf „Fordern und Fördern“ angelegten Integrationspolitik darauf ab, gleichberechtigte Partizipationschancen zu eröffnen und von vornherein eine Abschottungssituation zu vermeiden. Wir fördern auf vielfältige Weise den interreligiösen und interkulturellen Austausch und setzen damit klare Signale für muslimische Mitbürger, die friedlich bei uns leben wollen.

Auch das ist ein Beitrag für mehr Sicherheit in unserem Land: Indem wir unsere muslimischen Mitbürger ernst nehmen, ihnen gleichberechtigte Partizipation eröffnen, ihre Religion nicht unter Verdacht stellen, beugen wir einer Situation der Gettoisierung vor, tragen wir dazu bei, dass keine Parallelgesellschaften entstehen. Denn wo sich Strukturen der Abschottung, der kulturellen Isolation bilden oder verfestigen, gedeiht der Nährboden für radikales Gedankengut. Erst in einem solchen Klima können sich Islamisten wie Fische im Wasser bewegen und mit ihrer demokratiefeindlichen Ideologie Anhänger rekrutieren.

So gesehen kann eine aktive Integrationspolitik, wie sie diese Landesregierung verfolgt, spürbar dazu beitragen, den Einfluss von islamistischen Aktivisten einzudämmen. Und umgekehrt gilt: Indem wir solche Extremisten mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln des wehrhaften Rechtsstaates bekämpfen, helfen wir mit, dass integrative Maßnahmen besser angenommen werden und wirken können. Vorausschauende Integrationsund kluge Sicherheitspolitik sind also keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander. Wer das eine gegen das andere ausspielt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt und tut dem sozialen Frieden in unserem Land keinen Gefallen.

Meine Damen und Herren, ich will unmissverständlich unterstreichen, dass niemand einen in

formationssüchtigen Überwachungsstaat will. Eine wehrhafte Demokratie muss aber ihre Entschlossenheit gegenüber ihren Feinden deutlich zum Ausdruck bringen - erst recht gegenüber Extremisten, die auf eine massenhafte Tötung und Verletzung unschuldiger Menschen abzielen.

Ich halte es für dringend notwendig, schnell zu einer verfassungskonformen Regelung zur Onlinedurchsuchung zu kommen. Ich begrüße es ausdrücklich, dass im Entwurf des BKA-Gesetzes eine Regelung zur präventiven Telefonüberwachung enthalten ist. Diese Instrumentarien brauchen wir. Das ist die übereinstimmende Forderung aller Fachleute. Die Fachleute sagen uns auch, dass wir dieses gerade und ausschließlich im Bereich des Antiterrorkampfes und der Abwehr des Terrorismus benötigen. Bei der Onlinedurchsuchung sollte der Bund jetzt mit dem Gesetzgebungsverfahren sofort beginnen. Das muss heute unser Appell an alle Verantwortlichen sein. Verfassungsrechtliche Vorgaben, die im Verfahren zum Verfassungsschutzgesetz aus NRW gegebenenfalls ergehen, können wir dann im Rahmen der parlamentarischen Beratung im Bundestag und Bundesrat umsetzen.

Mit diesen Maßnahmen erhalten wir eine vernünftige Balance zwischen Sicherheit und Freiheit, weil beide Elemente zu den Grundfesten unseres Rechtsstaates gehören. Lassen Sie dies unsere gemeinsame Aufgabe sein! Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen, dass unsere offene Gesellschaft Terrorismus und Gewalt Einhalt gebietet! Meine Damen und Herren, es geht um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb, meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam alles dafür tun, dass wir die Sicherheit gewährleisten - gerade bei der Terrorismusbekämpfung. - Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat sich der Kollege Bartling zu Wort gemeldet. Herr Bartling, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich richtig gezählt habe, war dies die dritte Regierungserklärung, die Herr

Schünemann vor diesem Landtag abgegeben hat. Man darf in diesem Zusammenhang auch einmal an die beiden ersten erinnern und versuchen, den Zweck dieser Regierungserklärung zu bewerten. Ich habe den Eindruck, dass man an diesem Morgen das Ergebnis des Untersuchungsausschusses nicht solitär stehen lassen wollte. Das scheint mir die wesentliche Motivation für eine derartige Regierungserklärung zu sein.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Das ist eine Unver- schämtheit!)

Denn sonst gibt es wenige Gründe dafür, im Niedersächsischen Landtag zu diesem Thema eine Regierungserklärung abzugeben; denn das, meine Damen und Herren, was wir von Herrn Schünemann gehört haben, wussten wir zum größten Teil schon.

(Zurufe von der CDU - Unruhe - Glo- cke der Präsidentin)

Einen Neuigkeitswert hat das nicht.