Mit der ersten Regierungserklärung, Herr Schünemann, haben Sie erklären wollen, wie Sie Millionen mit der Zerschlagung der Bezirksregierungen einsparen wollten. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern: Sie sind mit dieser Regierungserklärung ganz schön baden gegangen, weil Sie den Journalisten und der Öffentlichkeit die wahren Zahlen vorenthalten haben.
In einer zweiten wollten Sie begründen, warum Sie das Ministerium zu einem Ministerium für Integration machen wollten. Mit dem Vorhaben sind Sie gescheitert. Ich glaube, das hat auch nicht gerade Begeisterungsstürme hervorgerufen.
Die heutige Regierungserklärung hat Ihnen wahrscheinlich gefallen, weil Sie das hervorgeholt haben, womit Sie in Niedersachsen durchaus bekannt geworden sind: Sie wollen sich nämlich als Hardliner profilieren, auch wenn Sie das Format eines Beckstein, eines Schily oder von mir aus auch eines Schäuble wahrscheinlich nicht erreichen werden.
Die Frage, die ich mir stelle, meine Damen und Herren: Warum hat der amtierende Ministerpräsident es eigentlich zugelassen, dass hier eine solche Regierungserklärung abgegeben wird? Ich halte das für ausgesprochen bemerkenswert, bemerkenswert insoweit, als sich auch der amtierende Ministerpräsident in die Reihe derjenigen einreiht, die aus den verhinderten Terroranschlägen politisches Kapital schlagen wollen.
Meine Damen und Herren, ich habe mich in Vorbereitung auf die Regierungserklärung einmal umgehört, was von dieser Landesregierung eigentlich erwartet wird. Da sind viele Themen zu benennen, etwa Bildungspolitik, Schulsystem, Unterrichtsausfall, Gesamtschulen, Studiengebühren, Lernmittelfreiheit, Zuwanderung und Integration und immer wieder Bildungspolitik.
Ich stelle fest: Niemand hat von dieser Landesregierung eine Regierungserklärung zum Thema „islamistischer Terrorismus“ erwartet.
(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das ist unmöglich, Herr Bart- ling! - Unruhe - Glocke der Präsiden- tin)
Das hat einen ganz einfachen Grund, meine Damen und Herren. Dabei gibt es wieder Übereinstimmung mit dem, was der Innenminister vorgetragen hat: Die Menschen in Niedersachsen haben großes Vertrauen in unsere Sicherheitsbehörden, trotz des amtierenden Innenministers.
Das ist ein ganz eindeutiges Verdienst der engagierten Arbeit unserer Sicherheitsbehörden. Ich möchte daher auch die Gelegenheit nutzen und mich bei der niedersächsischen Polizei und auch beim Verfassungsschutz für die engagierte Arbeit bedanken, die dort unter schwierigsten Rahmenbedingungen geleistet wird.
Ich möchte mich in diesem Zusammenhang auch ausdrücklich bei meiner Fraktion bedanken, die im Herbst 2001 die Voraussetzungen geschaffen hat,
Meine Damen und Herren, der aktuelle Fahndungserfolg hat gezeigt - darin stimme ich mit Herrn Schünemann überein -, dass die Sicherheitsarchitektur in Deutschland der angespannten Gefährdungslage standhält. Es hat sich gezeigt, dass wir im Kampf gegen den internationalen Terrorismus gut aufgestellt sind. Diesen Umstand, meine Damen und Herren, verdanken wir nicht zuletzt Otto Schily, der nach dem 11. September 2001 dafür gesorgt hat, dass sich die Menschen in Deutschland sicher fühlen können.
Dieser Fahndungserfolg ist insoweit auch Anschauungsunterricht für all diejenigen, die glauben, man könnte derartige Verbrechen in Deutschland ungehindert verüben. Meine Damen und Herren, Tatsache ist, dass die Menschen Vertrauen in die niedersächsischen Sicherheitsbehörden haben, weil sie wissen, dass dort gute Arbeit geleistet wird. Daran konnte auch ein verfassungswidriges Polizeigesetz nichts wirklich ändern.
Noch eines sollten wir endlich zur Kenntnis nehmen, meine Damen und Herren: Die Menschen haben die Nase voll von Politikern, die immer reflexartig aufspringen und ständig schärfere Gesetze, mehr Eingriffsbefugnisse, neue Straftatbestände und am Ende sogar weniger Ausländer fordern.
(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wie z. B. Herr Beck, Ihr Bundesvorsit- zender!)
Es ist bedauerlich und womöglich sogar der Politikverdrossenheit zuträglich, dass jetzt auch der niedersächsische Ministerpräsident auf diesen Zug aufspringt.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle nicht missverstanden werden. Ich bin der Letzte, der etwas verharmlosen will.
Die vereitelten Terroranschläge gegen Ziele in Deutschland zeigen, dass auch hier bei uns in Deutschland gewaltbereite Islamisten vorhanden sind. Die Ereignisse der letzten Woche müssen uns allerdings in einer ganz zentralen Hinsicht zum Umdenken bewegen. Nach dem 11. September 2001 sind viele davon ausgegangen, es handele
sich um ein importiertes Problem, das sich mit Zuzugsbeschränkungen und Ausweisungen in den Griff bekommen lasse. Diese Annahme hat sich spätestens jetzt als falsch herausgestellt. Wir haben es mittlerweile nicht mehr nur mit importiertem, sondern auch mit hausgemachtem Terrorismus zu tun. Die Amerikaner sprechen von „home grown terrorism“ - ich tue das nicht, sonst kriege ich wieder Ärger mit der Gesellschaft zum Schutz der deutschen Sprache.
Meine Damen und Herren, ich halte es für alarmierend, dass Unionspolitiker - eben ist das ja schon erwähnt worden - jetzt auch die Einrichtung eines Konvertitenregisters fordern, also einer Datei, in der all diejenigen Deutschen erfasst werden sollen, die in den vergangenen Jahren zum Islam konvertiert sind.
Ich glaube übrigens nicht, dass Herr Bosbach die männliche Eva Hermann der CDU ist. Ich fürchte vielmehr, dass es sich um eine Geisteshaltung handelt, die sich durchaus auch bei anderen wiederfinden lässt.
Meine Damen und Herren, ich will Ihnen die neue Dimension des Terrorismus, aber auch die fragwürdige Geisteshaltung mancher am Beispiel einer Passage aus einem Manuskript des Innenministers verdeutlichen, der sich ja im Moment auf vier Regionalkonferenzen zum nationalen Integrationsplan als oberster Integrationsminister gibt. Ich zitiere aus einer Rede, die sich übrigens ganz ohne Onlinedurchsuchung auf den Seiten des Innenministeriums abrufen lässt. Da heißt es: Wir dürfen diese gefährliche Minderheit, die den Islam für ihre ideologischen Zwecke missbraucht, aber nicht in einen Topf mit der überwiegenden Mehrheit der friedlich bei uns lebenden Muslime werfen.
Ein Generalverdacht gegen Menschen islamischen Glaubens wäre für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft fatal und würde militanten Islamisten nur in die Hände spielen. Denn sie wollen ja gerade Misstrauen und Ängste zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen säen. Sie wollen durch ihre Aktivitäten Integration hintertreiben. Das dürfen wir nicht zulassen!
Herr Schünemann, es ist richtig, dass ein Generalverdacht gegen Menschen islamischen Glaubens für den sozialen Frieden in unserer Gesellschaft fatale Auswirkungen hätte. Bitte sagen Sie das, bevor über Funk und Fernsehen wieder zur Bespitzelung islamischer Mitbürger aufgerufen wird. Sagen Sie es ebenfalls Herrn Bosbach mit seinem Vorschlag eines Konvertitenregisters.
Ich möchte Sie aber auf einen zentralen Irrtum in Ihrem Manuskript hinweisen. Sie sprechen von friedlich bei uns lebenden Muslimen. Ich habe noch nicht gehört, dass irgendjemand von friedlich bei uns lebenden Christen gesprochen hätte. Meine Damen und Herren, solange Sie zwischen uns, also der deutschen Gesellschaft, und den friedlichen Moslems einen Unterschied machen, verweigern Sie genau das, was Sie immer wortreich einfordern. Ich rede von Integration.
Meine Damen und Herren, Integration fängt in den Köpfen an. Da kann man auf Türschilder schreiben, was man will - das reicht nicht aus.
Der jetzt sichtbar gewordene hausgemachte Terrorismus hat die Tragweite dieses Irrtums gezeigt. Es gibt eine nicht zu vernachlässigende Anzahl hier aufgewachsener Deutscher, die übrigens insbesondere nach dem 11. September zum Islam konvertiert sind und in dieser Glaubensgemeinschaft ihre religiöse Heimat gefunden haben. Am Beispiel dieser Menschen wird besonders deutlich, dass eine Politik, die zwischen „uns“ und „den Moslems“ unterscheidet, auf fatale Art in die Sackgasse führt. Wir müssen deshalb endlich aufhören, verbale Gräben zwischen der deutschen Mehrheitsgesellschaft und dem Islam zu schaufeln.
Damit ich an dieser Stelle nicht missverstanden werde: Ich plädiere hier nicht dafür, die Augen vor dem gefährlichen islamistischen Extremismus zu verschließen.
- Sie irren, meine Damen und Herren. Sie SPD in Niedersachsen ist weder auf diesem Auge blind, noch verschließt sie die Augen vor den Gefahren des Rechtsextremismus in Niedersachsen. Auch darüber haben wir an dieser Stelle schon mehrfach diskutiert. Diesen halte ich übrigens für die Stabilität unserer Gesellschaft für genauso bedrohlich,
Wir kommen nur weiter, wenn wir nicht zwischen dem Islam und uns, sondern zwischen verfassungstreuen Mitbürgern und denen unterscheiden, die den freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat aus den Angeln heben wollen. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht ausreicht, nach jedem verhinderten Anschlag nach neuen Eingriffsbefugnissen für die Sicherheitsbehörden zu rufen. Ich werde auf die Onlinedurchsuchung noch eingehen.
Natürlich müssen wir unsere Sicherheitsgesetze einer ständigen Überprüfung unterziehen. Wir von der SPD haben das schon vor einem Jahr getan, als wir am 2.Oktober 2006 einen Gesetzentwurf zur moderaten Ausweitung der Videoüberwachung eingebracht haben, weil wir hier und da noch durchaus Handlungsbedarf sehen. Bis heute ist dieses Gesetz nicht verabschiedet worden, weil die Koalition aus CDU und FDP nach dem präventiven Abhördebakel vor dem Bundesverfassungsgericht faktisch handlungsunfähig ist.
Meine Damen und Herren von der FDP, Sie werden es nicht gerne hören, aber was Sie sich da mit Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz geleistet haben, ist von nichts und niemandem mehr zu überbieten: Da klagen prominente FDP-Bundespolitiker gegen den Großen Lauschangriff, FDP-Landespolitiker stimmen hier aber mit der rechtsstaatlich eher grobschlächtigen CDU für den präventiven Telefonlauschangriff.