So kennt man Sie, Herr Präsident. - Meine Damen und Herren! Erst einmal, Frau Meißner: Meine Kollegin hat nicht gesagt, die Gesellschaft zieht sich zurück und man müsse selbstständig sein; vielmehr hat sie gesagt, es besteht der Trend bzw. wir befürchten, dass es so ist. Das ist der eine Punkt.
Das Zweite. Was wir von Ihnen gehört haben, hilft uns in keiner Weise weiter und hilft schon gar nicht den Drogenabhängigen oder denen, die gefährdet sind. Was wir gehört haben, ist Eigenlob für das gewesen, was eigentlich so gut wie gar nicht passiert ist. Ich meine, wir müssen hier endlich tätig werden und dürfen nicht nur Sonntagsreden halten.
(Christian Dürr [FDP]: Da waren auch keine stichhaltigen Argumente! Dazu kann man auch nichts sagen! Da war nichts!)
Aber ich glaube, hier lügen sich einige, auch Frau Meißner, in die eigene Tasche. Frau Meißner, worum geht es in diesem Antrag? Wir haben hier
am 23. Juni 2005 gemeinsam etwas beschlossen zur Drogen- und Suchtberatung und, und, und. In der Zwischenzeit gab es sogar eine Mitteilung der Landtagsverwaltung, in der stand, dass uns die Ergebnisse Ende Juni 2007 - das wäre nach fast zwei Jahren gewesen - mitgeteilt würden. Jetzt haben wir Mitte Juli, und es ist noch immer nichts auf dem Tisch. Deshalb brauchen wir hier auch nicht über das Nichtrauchergesetz und sonst irgendetwas zu reden, sondern müssen bei den Fakten bleiben. Es ist doch zwei Jahre her, dass hier einstimmig ein Konzept zur landesweiten Vernetzung aller an der Drogen- und Suchtbekämpfung Beteiligten von der Landesregierung gefordert wurde, zwei Jahre, in denen nichts passiert ist.
Ebenfalls vor zwei Jahren wurde ein interministerielles Gesamtkonzept zur präventiven Drogenund Suchtbekämpfung gefordert - auch hier Fehlanzeige. Wissen Sie was, meine Damen und Herren? - Das ist absolute Ignoranz gegenüber den Beschlüssen des Landtags und ein Tritt gegen das Schienbein der Regierungsfraktionen. Denn auf deren Vorlage ist der besagte Beschluss vor zwei Jahren gefasst worden.
Dasselbe Spielchen haben wir bei der Fortführung der Substitutionstherapie mit Heroin erlebt. Beschluss: 12. Juli 2006. Kabinettsbeschluss: 3. Juli 2007. Dort hieß es: Wir treten endlich der Bundesratsinitiative von Hessen bei. - Meine Güte! Das kann doch wohl fast nicht mehr wahr sein!
Sie gehen in der Drogen- und Suchtbekämpfung auf Tauchstation. Der Einzige, der hier ab und zu den Mund sehr groß, sehr weit und sehr laut aufmacht, ist der sogenannte harte Hund, Herr Schünemann. Das ist der Einzige, von dem man über Drogen- und Suchtbekämpfung noch irgendetwas hört.
Wir müssen uns über die Fakten gar nicht mehr unterhalten. Schauen Sie sich doch den Drogenbericht der Bundesregierung an: 1,6 Millionen Menschen alkoholabhängig; jedes Jahr sterben 40 000 Menschen an den Folgen des Alkoholkonsums; 140 000 Menschen sterben in der Bundesrepublik an den Folgen des Tabakkonsums. Die Zahl der Drogentoten ist Gott sei Dank zurückge
gangen; der Konsum von Heroin und Crack geht ebenfalls zurück. Aber erschreckend ist, dass immer mehr Menschen früher zu Zigarette und Flasche greifen und sich besinnungslos saufen.
(Bernd Althusmann [CDU]: Sie wollen doch die Coffeeshops einführen! Steht das nicht bei den Grünen im Programm? Bei den jungen Grünen?)
Die Zahl der jungen Menschen, die mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden, ist um 40 % - das ist eine Zahl, die man sich einmal vor Augen führen muss, wenn man zwei Jahre lang die Hände in den Schoss gelegt und nichts auf den Tisch gelegt hat - gestiegen.
Die Zahl der jungen Menschen, die Cannabis nehmen, hat sich in den letzten fünf, sechs Jahren fast verdoppelt.
Ich weiß nicht, weshalb wir den Antrag, den die SPD hier vorgelegt hat, noch beraten sollen. Wir könnten ihn eigentlich hier und heute sofort beschließen.
Denn von den vier Punkten des Antrags ist der vierte Punkt erledigt, und die anderen drei haben wir vor zwei Jahren beschlossen. Es geht nur darum, dass diese Landesregierung endlich ihre Hausaufgaben macht
und wir auf die gesellschaftlichen Herausforderungen reagieren können. Fangen Sie an zu arbeiten, meine Damen und Herren!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Janssen-Kucz, Sie kommen aus der Jugendhilfe. Sie wissen ganz genau, dass es nicht nur darum geht, irgendwelche Erkrankungen zu bekämpfen, wenn sie vorliegen, sondern dass es ganz entscheidend darum geht, frühzeitig Prävention zu betreiben. Dies tun wir sehr intensiv, und das habe ich auch gesagt.
Ich habe gesagt: Wir müssen Kinder stärken - dies ist gleichzeitig eine Antwort auf Herrn Albers -, damit sie wirklich dazu in der Lage sind, damit klarzukommen.
Was Heroin angeht, habe ich darauf hingewiesen, dass wir, seitdem das Modellprojekt 2006 ausgelaufen ist, dieses Thema weiterverfolgt haben. Es war ganz wichtig, sensibel vorzugehen, damit der Erfolg nicht gefährdet wird und vom Bundestag nichts abgelehnt wird. Sie wissen genau, wo die Widerstände lagen. Sie lagen nicht bei der FDPFraktion und auch nicht bei unserem Koalitionspartner hier, sondern bei einer anderen Partei weiter aus dem Süden.
Es ist doch viel besser, so lange auf den Erfolg hinzuarbeiten, bis man tatsächlich sieht, dass es erfolgreich laufen kann. Das haben wir gemacht, und nur das führt zum Ziel.
(Zustimmung von Christian Dürr [FDP] - Hans-Dieter Haase [SPD]: Man nennt ihn auch den „einsamen Klop- fer“!)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fakten und die Sachlage sind anders, Frau Meißner. Wenn Sie hier das Hohelied der frühzeitigen Prävention singen, dann singen wir das gerne mit. Aber dann wartet man nicht zwei Jahre, bis man sein Konzept auf den Tisch gelegt hat! Dann ist man schon seit zwei Jahren an der Arbeit! Also: Gerne frühzeitige Prävention, aber bitte nicht noch
einmal zwei Jahre lang die Hände in den Schoß legen! Die Arbeitsergebnisse auf den Tisch, um Handlungsoptionen abzuleiten!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir betrachten es als vorrangiges Ziel, Menschen vor der Sucht und den damit verbundenen gesundheitlichen und sozialen Folgen zu bewahren. Wenn Menschen aber in die Sucht geraten, brauchen und haben diese unsere Unterstützung. Ich möchte Ihnen dies beispielhaft an einigen Schwerpunkten unseres Handelns verdeutlichen:
Erstens. Wir fördern Angebote in der Suchthilfe und der Suchtprävention mit mehr als 7 Millionen Euro jährlich. Dadurch sichern wir ein gut ausgebautes flächendeckendes Netz mit beispielsweise ca. 100 Fachstellen für Sucht und Suchtprävention. Entzugs- und Entwöhnungsplätze stehen stationär und ambulant zur Verfügung. Niedergelassene Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser, Rehakliniken und Fachstellen arbeiten zum Wohle der Betroffenen zusammen und bilden Netzwerke.
Zweitens. An der Erstellung eines interministeriellen Gesamtkonzepts zur Suchtprävention wird intensiv gearbeitet. Suchtprävention, meine Damen und Herren, ist ein außerordentlich umfangreiches Feld. Sucht oder süchtige Verhaltensweisen lassen sich nicht mit Ad-hoc-Lösungen beseitigen. Faktoren wie Familie, Sozialisation, Bildung und Beruf sind zu berücksichtigen. Um alle diese Aspekte einfließen zu lassen, hat ein interministerieller Arbeitskreis bis Mitte Mai dieses Jahres siebenmal getagt und gemeinsame Ziele in der Suchtprävention erarbeitet. Der Sozialausschuss wurde wiederholt über die Bearbeitungsschritte unterrichtet. Dem Landtag ist ein Zwischenbericht gegeben worden, und eine Vorlage in Berichtsform ist bis Ende 2007 angekündigt.
Drittens. Das Projekt „HaLT - Hart am LimiT“ ist ein Modellprojekt des Bundes. Das Land Niedersachsen hat zusammen mit acht Bundesländern an diesem Modellprojekt teilgenommen, und zwar am
Standort Osnabrück. Wir haben das Projekt mit 30 % der Projektkosten unterstützt. Nachdem der Bund eine erneute Verlängerung signalisiert hat, haben wir dem Träger eine befristete Weiterfinanzierung bis zum 31. Dezember 2007 angeboten. Die Ergebnisse dieses Modellprojekts werden zurzeit auf Bundesebene ausgewertet.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle eines klar und deutlich sagen: Modellprojekte sind keine Selbstläufer und schon gar keine Dauerläufer. Projekte haben eine temporäre Ausrichtung und sind beendet, wenn das Ergebnis vorliegt. Gute und umsetzbare Projektergebnisse müssen dann in das vorhandene Hilfesystem, also damit in den Prozess, implementiert werden. Zuständigkeiten und Finanzierung sind zu klären sowie Rahmenbedingungen zu schaffen. Das ist unser Ziel. Nur so können gewonnene Erkenntnisse in den Arbeitsalltag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Fachstellen für Sucht und Suchtprävention eingehen. Nur dies ist sinnvoll.
Viertens. Das Land Niedersachsen hat sich finanziell in erheblichem Maße am Forschungsprojekt zur Vergabe von Diamorphin an Schwerstopiatabhängige beteiligt, und zwar mit einer Gesamtsumme von inzwischen 2,9 Millionen Euro.