Protocol of the Session on July 11, 2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe darauf hingewiesen, dass hier kein Erkenntnisproblem, sondern ein Handlungsproblem vorliegt. Es ist doch augenscheinlich so, dass die Erdkabel teurer sind. Und es ist kein Geheimnis, dass die Netzbetreiber überhaupt kein Interesse daran haben, dass an irgendeiner Stelle ein entsprechendes Präjudiz geschaffen wird. Denn sie schätzen, dass das Folgeentscheidungen nach sich ziehen könnte, aus denen sie nicht mehr herauskommen.

Sie haben doch im April - Stichwort „Telefon“ - hier deutlich gemacht, welche Entwicklungen das nach sich zieht. Deshalb geht es im Kern um die Frage: Wie viel Geld bringt diese Gesellschaft auf, um einen Paradigmenwechsel einzuleiten? - Das ist die entscheidende Frage. Reicht das im Moment an den sensiblen Stellen, und in welchem Zeitraum können wir eine vollständige Umstellung erreichen?

Auch Redlichkeit gehört dazu, Herr Wulff: Wenn wir die Ersten in Deutschland sein wollen, wo - außerhalb von Berlin - Erdverkabelung stattfindet, dann müssen Sie hier auch einräumen, dass vor dem Hintergrund der Beteiligung des Bundesrates im Sommer 2005 geprüft worden ist, ob der Bundesrat so etwas mitträgt. Der Bundesrat hat unter massiver Mitwirkung Niedersachsens dem Bundestag und der Bundesregierung signalisiert: Jeder Gesetzentwurf, der eine Sonderregelung zu Erdkabeln beinhaltet, wird von uns im Bundesrat abgelehnt.

(Ministerpräsident Christian Wulff: Das ist eine Unverschämtheit!)

- Nein, das ist so. Herr Gabriel hat Ihnen dieses Angebot doch vor wenigen Wochen in einem Brief gemacht. - Dann hat sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion diese Entscheidung des Bundesrates zu eigen gemacht und bis zum Oktober 2006 in den Verhandlungen, in denen es gelungen ist, sich auf einen sehr, sehr kleinen Kompromiss zu verständigen, dagegen gehalten. Ihre Leute in Berlin und im Bundesrat haben das bisher verhindert. Wenn Sie sich jetzt auf den Weg machen und neue Mehrheiten besorgen, dann helfe ich auf unserer Seite gerne mit. Unserer Bundestagsfraktion ging es übrigens nicht weit genug, was da verabredet werden sollte. Deshalb hat sie gesagt: Wir machen mit, obwohl wir eigentlich schon jetzt mehr wollen. - Das ist die Realität. Ich lasse nicht

zu, dass Sie hier etwas Gegenteiliges erzählen. Andere waren durchaus bereit, aber Sie haben bisher blockiert. Wenn wir jetzt zusammen vorankommen können, dann helfen wir gerne mit.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt erteile ich noch einmal dem Ministerpräsidenten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe es nun schon mehrfach erlebt, Herr Jüttner, dass Sie nicht in der Lage sind, Vorwürfe, die Sie nicht aufrechterhalten können, zurückzunehmen. Herr Dürr, Herr Althusmann und ich haben dargelegt, was sich damals im Jahr 2005 zugetragen hat, wie der Entwurf von Herrn Trittin durch Herrn Clement geändert wurde, wie die Gesetze voneinander getrennt wurden, wie der Bundesrat einstimmig - mit Zustimmung der SPD-regierten Länder - die Entschließung zum Energiewirtschaftsgesetz verabschiedet hat und wie dann der Bundestag diesen Passus nach der Anhörung fallengelassen, also nicht mehr aufrechterhalten hat. Und das war die Bundestagsmehrheit von SPD und Grünen, die es bis zum Herbst 2005 gab. Erst danach begann die Große Koalition.

Was die Energieversorger anbelangt, so haben wir inzwischen ein Schreiben von Herrn Dr. Maubach als zuständigem E.ON-Vorstand erhalten, der dort deutlich Folgendes macht:

„E.ON ist nicht ideologisch auf den Neubau von Freileitungen im Höchstspannungsfestnetz festgelegt. Der derzeitige Rechtsrahmen und der Vergleich unterschiedlicher Investitionskosten sowie technischer Kriterien führen aber im Ergebnis fast ausschließlich zum Vorschlag einer Freileitungsausbauvariante, die wir dann auch im jeweiligen Planungsprozess verfolgen müssen.“

Er formuliert weiter, dass er für unterirdische Lösungen offen ist, wenn wir dafür die Voraussetzungen schaffen. Im Übrigen hat das Bundesumweltministerium diesen Brief offenkundig vor wenigen Tagen an das Handelsblatt weitergeleitet; denn dort tauchte er wieder auf, was die Sache im

Zusammenhang mit Zitierungen durch Herrn Gabriel nicht gerade erleichtert.

Es geht um eine Mehrheitsfindung von Herrn Gabriel im Bundeskabinett; denn es ist ein Bundesgesetz. Bei dem Thema geht es um § 43 des Energiewirtschaftsgesetzes. Herr Gabriel müsste doch wenigstens den Versuch unternehmen, mithilfe einer Formulierung zur Änderung dieses Paragrafen auf der Bundesebene eine Mehrheit zu erlangen; denn wir werden den Bundestag und die Bundesregierung brauchen. Der Bundesrat ist nicht in der Lage, eine Regelung ohne den Bundestag zu beschließen. Das heißt, Herr Gabriel kommt aus der Verantwortung nicht heraus, weil es sich um ein Bundesgesetz handelt. Ich lasse mich gerne zum Nichtraucherschutz im Land auffordern, weil wir dafür zuständig sind. Aber uns aufzufordern, im Bundesrat einen Antrag einzubringen, um den Bundesrat aufzufordern, etwas zu machen, wofür wir zuständig sind, ist vom Ansatz her typischer Aktionismus.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist falsch! Sie haben ein Veto auf den Tisch gelegt!)

Wir hatten aber im Bundesrat ein großes Problem. Dass dies behoben wurde, dass wir also die Umlage der Netzanbindungskosten für Offshorewindparks durchbekommen haben, war der Erfolg von Herrn Sander und anderen. Natürlich haben Sachsen-Anhalt, Bayern und Baden-Württemberg gesagt: Wenn die da oben im Norden die Offshorewindparks machen, dann sollen sie auf den Kosten für die von ihnen gewünschte Energie, von der sie profitieren - Stichworte „Häfen“, „Entwicklung“, „Aufstellung“ und „Betrieb“ -, sitzen bleiben. Dieser Erfolg beim Energiewirtschaftsrecht, also die bundesweite Umlage der Kosten für die Offshorewindparks und deren Anbindung zu erreichen, hat überhaupt erst die Winkparks möglich gemacht, ohne dass wir unsere norddeutschen Industriestandorte gegenüber süddeutschen Standorten auf Dauer mehr belasten müssen. Für solche Dinge, die in unserem Interesse, nicht aber im Interesse der anderen liegen, Mehrheiten zu erlangen, das habe ich in diesem Verfahren im Bundesrat durchexerziert.

Statt uns gegenseitig darüber zu zerstreiten, wo wir die Probleme in Niedersachsen haben - Gabriel in seinem Wahlkreis, wir in unserem Land -, sollten wir miteinander weiterkommen. Sigmar Gabriel war

auch zu Ihren Zeiten nicht immer ganz einfach, vor allem nicht immer besonders teamfähig. Bringen Sie ihn hier zur Teamfähigkeit! Er muss Teamspieler werden, statt zu versuchen, daraus Kapital zu schlagen, was wen wie voneinander getrennt hat.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Wolfgang Jüttner [SPD]: Er hat Ihnen doch einen Brief geschrie- ben!)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll jetzt der Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sein, mitberatend der Umweltausschuss, der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr sowie der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 30: Einzige (abschließende) Beratung: Mehr Gerechtigkeit durch stärkere Besteuerung von Millionen-Nachlässen - Erbschaftssteuer verfassungskonform neu gestalten - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/3576 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen Drs. 15/3882

Beschlossen ist, dass dieser Antrag ohne Aussprache verabschiedet wird.

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses lautet auf Ablehnung. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Das Erste war die Mehrheit.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 31: Zweite Beratung: a) Für Transparenz bei EU-Agrarsubventionen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/2936 - b) Transparenzinitiative der europäischen Union unterstützen - Antrag der Fraktion der SPD Drs. 15/3206 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Drs. 15/3894

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Klein von Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir wollten mit unserem Antrag Transparenz bei den Transferzahlungen an die Landwirtschaft erreichen - nicht zur Befriedigung menschlicher Neugier oder zum Schüren von Neiddiskussionen, wie immer wieder behauptet worden ist, sondern um damit eine Debatte darüber auszulösen, wie man mit öffentlichen Geldern gesellschaftlich gewünschte Leistungen erhält. Es geht um die Frage: Wie kann man diese Transferzahlungen nach sozialen, Einkommens-, beschäftigungspolitischen oder ökologischen Kriterien verteilen?

(Unruhe)

Herr Klein, warten Sie einen Augenblick, bis erstens die Gespräche an der Regierungsbank eingestellt sind und zweitens die Unruhe im Plenarsaal etwas zurückgegangen ist. - Wir haben Zeit. - Jetzt können Sie fortfahren, Herr Klein.

Bis heute ist das jedenfalls nicht der Fall. Die Zahlungen erfolgen undifferenziert. Es gibt große Profiteure unter den Lebensmittelkonzernen, was sicherlich nicht so gedacht war. Es gibt flächenstarke, spezialisierte, durchrationalisierte Betriebe, bei denen man eindeutig von einer Überförderung sprechen kann.

Wie verlief die Diskussion? - Zunächst schritten die EU und auch die Bundesregierung kräftig voran und wollten die Sache in die Hand nehmen. Mit der Zeit hat nun aber offensichtlich die Lobby der Verheimlicher wieder die Oberhand gewonnen. Was die Transparenz angeht, soll es Verzögerungen bis 2009 geben. Das heißt, es wird nicht möglich sein, beim Gesundheitscheck 2008 eine Weichenstellung für 2014 auf der Basis gesicherter Daten vorzunehmen. Es soll nur noch eine Gesamtsumme genannt werden. Es soll nicht mehr gesagt werden, wofür die Mittel verwendet werden. Nationale Mittel sollen ganz außen vor bleiben. Das ist eine erhebliche Einschränkung.

Es ist doch schließlich ein Unterschied, ob es sich um eine undifferenzierte Flächenzahlung, um eine Investitionsförderung oder um Geld für eine Agrarumweltmaßnahme geht. Wie soll man denn ohne diese Angaben z. B. die Beschäftigungswirkung beurteilen? Wie soll man Eignung, Erforderlichkeit und Effizienz beurteilen, wie es etwa der Steuerzahlerbund fordert?

Ich glaube, es geht inzwischen durchaus auch um eine sehr grundsätzliche Frage: Welche Landwirtschaft wollen wir eigentlich?

Bei der Einführung der Direktzahlungen waren die Ziele noch relativ klar: Der Agrarhaushalt müsse zum Instrument einer echten finanziellen Solidarität zugunsten derjenigen werden, die Solidarität am notwendigsten brauchten, hieß es. Deswegen sollten die direkten Beihilfen entsprechend der Betriebsgröße, der Einkommenshöhe, den regionalen Gegebenheiten und anderen wichtigen Faktoren gestaffelt werden. Es ging um Einkommenshilfe für eine angemessene Lebensführung und um die Erhaltung des ländlichen Raumes.

Auch in der Agenda 2000 war mit der „multifunktionalen Landwirtschaft“ eine Definition gewählt worden, die neben der Lebensmittelproduktion auch eine flächendeckende Gestaltung unserer Landschaft, die Sicherung der Siedlungsstruktur, die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Sicherung der gesellschaftlichen Anforderungen im Umwelt-, Verbraucher- und Tierschutz berücksichtigte.

Inzwischen gibt es eine sehr deutliche andere Tendenz. Der Berufsstand selbst versucht, landwirtschaftliche Betriebe als Unternehmen wie jedes andere auch zu definieren: kosten- und gewinnorientiert, weltmarkt- und exportorientiert. Die gegenwärtige Marktentwicklung pusht natürlich diese

Entwicklung. Ich sage hier ganz deutlich: Man kann diesen Weg gehen. Dann werden wir eben einfach die Erfüllung der gesellschaftlichen Anforderungen über das normale Ordnungsrecht sicherstellen, wie das bei anderen Branchen auch geschieht.

Herr Klein, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das waren ja erst zwei Minuten!)

Aber Sie haben mich vorhin unterbrochen, und die Uhr lief weiter.

Ich will nur noch eines sagen: Man muss sich entscheiden; beides geht nicht. So wie in Bamberg den ersten 30 % der Betriebe bei der Milch freie Fahrt zu geben und alle anderen weiter staatlich zu betütern - mit Ausgleichszahlungen, Steuererleichterungen und Subventionen -, das funktioniert nicht. Solidarität in der Landwirtschaft ist die Voraussetzung für die Solidarität der Gesellschaft mit der Landwirtschaft. Sonst ist eben 2014 Schluss mit den Subventionen. Dann müssen wir auch nicht mehr über Transparenz diskutieren. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr Lowin von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Europäische Union hatte im letzten Jahr ein Haushaltsvolumen von ungefähr 126 Milliarden Euro. Das war ungefähr fünfmal mehr als der Etat des Landes Niedersachsen. Im Durchschnitt zahlt jeder EU-Bürger, von der Wiege bis zur Bahre, 250 Euro für den EU-Haushalt. 42 % des europäischen Haushaltes werden für direkte und indirekte Zahlungen an den landwirtschaftlichen Bereich ausgegeben. Dies sind ungefähr 100 Euro je EU-Bürger in jedem Jahr.

Das Grünbuch „Transparenzinitiative“ der EU erreicht die Offenlegung derjenigen Zahlungen, die

direkt über die EU fließen. Dies ist schon so beschlossen. 75 % der Mittel werden aber von den Nationalstaaten über die geteilte Mittelverwaltung kofinanziert. Für die niedersächsischen Subventionen gibt es keine Transparenz. Wollen Sie diese wie schon zwölf andere Mitgliedstaaten der EU -, müssen Sie nun dem SPD-Antrag zustimmen. Wollen Sie eine Transparenz, die Vertrauen bei Bürgerinnen und Bürgern schafft, müssen Sie auch dem SPD-Antrag zustimmen.