(Bernd Althusmann [CDU]: So ein Quatsch! Das sind keine Gutachten! Das ist Ihnen jetzt zehnmal erklärt worden!)
Die Auftraggeber dieser Gutachten, die Sie mittlerweile als „Stellungnahmen“ herunterzukochen versuchen, haben Sie nicht nennen wollen.
Das Vergabeteam wurde komplett ausgetauscht. Der Chefplaner wurde entlassen. Zum Zeitplan habe ich schon etwas gesagt. Die Kosten laufen aus dem Ruder, wenn die EU-Mittel verfallen. Und, meine Damen und Herren, es ist doch kein Geheimnis, dass auch einigen Kolleginnen und Kollegen bei der CDU angesichts dieser Planungen die Gesichtszüge entglitten sind.
Zu allem Überfluss muss sich dann noch der mittelständische niedersächsische Bewerber als „Torfstecher“ beschimpfen lassen. Die Zeche zahlt Niedersachsen am Ende auch noch.
Meine Damen und Herren, klare Verantwortungsstrukturen in der Landesregierung stelle ich mir ganz anders vor. Wenn man ein solches Projekt verfolgt, das laut Ihren eigenen Worten zu den Juwelen Ihrer Politik gehört, erwarte ich, dass so viel Dilettantismus und Missmanagement auf einem Haufen früher unterbunden wird und dass alles darangesetzt wird, dass die handelnden Akteure aus dem Rennen gezogen werden. Die handelnden Akteure sind an erster Stelle diejenigen, die zu verantworten haben, dass hier eine merkwürdige Geschichte nach der anderen in die Tat umgesetzt wurde.
Das Vergabeteam, Eurogate, die Realisierungsgesellschaft, Bremenports, Bremenports Consult, die Lagerhausgesellschaft, Ex-Holzmann-Leute bei
Hochtief und bei Bremenports Consult: Wenn man sich dieses Geflecht anschaut, dann erkennt man, dass dort immer Leute mit zwei Hüten auf beiden Seiten des Tisches saßen. Das haben Sie sich angeguckt, und jetzt haben Sie die Folgen zu tragen und zu verantworten. Sie haben offenbar mittlerweile den Überblick verloren. Es ist zu befürchten, dass das Projekt weiter vor sich hin trudelt.
Gefahr droht auch von anderer Seite. Sie haben es bisher abgelehnt, sich eindeutig gegen eine Elbvertiefung auszusprechen. Auch ein nationales Hafenkonzept steht in den Sternen. Meine Damen und Herren, dabei geht es um knallharte ökonomische Fragestellungen. Weil die sogenannten LocoVerkehre in Wilhelmshaven nicht ausreichen, muss man sicherstellen, dass nicht gleichzeitig alle Flussmündungen aufgebohrt werden.
Meine Damen und Herren, Herr Hirche, egal, wie die Vergabekammer und das OLG am Ende entscheiden: Sie sind nicht aus dem Schneider. Wir wollen Einblick in die drei Gutachten, und wir wollen Einblick in die fünf zusätzlichen interessengeleiteten Stellungnahmen, die Ihnen offenbar zugeleitet wurden.
Wir wollen wissen, ob hier 53 Millionen Euro mehr ausgegeben werden, als unbedingt notwendig gewesen wäre, wenn man sich die Gutachten wirklich in ihrer ganzen Schärfe zu Gemüte geführt hätte. Und wir werden Sie, Herr Hirche, und den Ministerpräsidenten nicht aus der Verantwortung entlassen. - Herzlichen Dank.
Der Zeitplan wird eingehalten. Das Verfahren folgt den Grundsätzen, die der Deutsche Bundestag durch die Bestimmung der Rechtsordnung festgelegt hat. Der Bundestag hat festgelegt, dass eine Vergabe nach bestimmten Grundsätzen durchzuführen ist und dass, wenn darüber Zweifel entstehen, eine Vergabekammer kritisch darüber schauen kann. Er hat sogar den Weg zu einem Oberlandesgericht eröffnet.
Herr Wenzel, Sie haben gesagt: Das interessiert uns nicht, am Ende werden wir uns das alles angucken. - Sie können sich das alles gerne angucken; da habe ich überhaupt keine Sorge. Aber ich denke, es ist die gemeinsame Überzeugung von mindestens drei Fraktionen, dass gegebene Gesetze bestimmen, wie eine Landesregierung zu handeln hat. Auf dieser Grundlage werden wir uns bewegen, und da können Sie noch so viele Verdächtigungen und Halbwahrheiten in die Welt setzen!
Meine Damen und Herren, es musste geprüft werden, ob ein Sonderangebot zweifelsfrei ist. Dazu sagen Recht und Gesetz, dass ein Sonderangebot anders betrachtet wird als das, was Gegenstand der Ausschreibung ist. Auch wenn Sie diesen Sachverhalt zehnmal anders sehen: Das wird so von den entsprechenden Instanzen abgeprüft. Ich habe keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass unser Vergabeteam gut gearbeitet hat und dass das Ergebnis bestätigt wird.
Meine Damen und Herren, Ihre Behauptung, dass das Wirtschaftsministerium mal so eben im freien Raum gehandelt hat, ist lächerlich. Wir haben das zusammen mit dem Finanzministerium, der Staatskanzlei und dem Umweltministerium über den Aufsichtsrat organisiert. Das ist auch selbstverständlich; denn hierbei handelt es sich, wie ich noch einmal betonen möchte, um das größte Infrastrukturprojekt des Landes.
Ich glaube - auch wenn ich die Resonanz an der Küste sehe -, dass zumindest die SPD allen Anlass hat, dieses Projekt weiter mitzutragen, und zwar auch hinsichtlich der Verfahrensschritte, die
rechtlich nicht so schnell abgehandelt werden können, wie wir alle uns das wünschen. Wegen der Eileinsprüche gegen den Sofortvollzug des Planfeststellungsverfahrens ist ein Verfahren beim OVG Lüneburg anhängig. Darüber wird im September/Oktober entschieden. Zurzeit könnte niemand bauen, selbst wenn die Bauentscheidung endgültig wäre. In einem Verfahren vor dem OLG wird möglicherweise über die Frage des ersten Bauloses entschieden, wahrscheinlich noch bevor im September das OVG sein Urteil fällen wird. Insofern ist hier keine Zeit verloren gegangen; es sei denn, Sie stellen das System und den Ablauf des Planfeststellungsverfahrens in Gänze infrage.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Vorwurf erhoben, hier seien billigend Mehrkosten in Kauf genommen worden. Dieser Vorwurf ist absurd. Herr Jüttner musste als möglicher Spitzenkandidat offenbar noch etwas auf die 50 Millionen Euro draufsatteln. Von daher ist von ihm nicht von Mehrkosten von 50 Millionen Euro, sondern sogar von 100 Millionen Euro die Rede, weil sich das natürlich noch besser anhört.
Am Ende wird selbstverständlich nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit entschieden. Damit ist aber nicht gesagt, dass der billigste Entwurf den Zuschlag bekommt. Die Vergabeordnung sagt auch hierzu ganz klar und eindeutig, wie zu verfahren ist. Wenn Sie ein Bauwerk erstellen wollen, das in dieser Form, mit diesem Geländesprung von 30 m, auf der Welt noch nicht errichtet worden ist, und wenn Ihnen die Fachleute vom Bau raten, dafür lieber das bewährte konservative Verfahren zu wählen, dann ist dagegen nichts einzuwenden.
Möglicherweise wollen Sie das Wort „Chefsache“ aber so verstanden wissen, wie es in Ihrer Regierungszeit gehandhabt worden ist. Dazu darf ich dann aber erinnern, dass Sie, Herr Jüttner, seinerzeit von - irrealen - 5 000 Arbeitsplätzen gesprochen haben, die in Ihrer Regierungszeit entstehen würden - was wir aber so nicht sehen. Außerdem waren Sie es, die die Konstruktion, dass Niedersachsen 80 % der Kosten trägt, aber nur zu 50 % mitreden darf, gewählt haben. Herr Gabriel hat ferner in den Raum gestellt, dass der Bund 90 Millionen Euro mitfinanziert. Für das Mehrwertsteuerproblem in der Größenordnung von 76,8 Millionen Euro haben Sie überhaupt keine Lösung gefunden. Erst wir haben durch die gewählte Holdingkonstruktion die Vorsteuerabzugsberechtigung erwirken können, sodass diese Be
träge nicht anfällig werden. - Die Chefsache, die das bei Ihnen war, hätte ein Minus von 166,8 Millionen Euro bedeutet.
Meine Damen und Herren, diese Landesregierung wird weiterhin nach den Grundsätzen der Niedersächsischen Verfassung verfahren. Der Ministerpräsident hat die Richtlinienkompetenz, aber die Ressortangelegenheiten werden in Verantwortung der Ressortchefs wahrgenommen. Ich lege Wert darauf, dass wir die Verfassung achten, dass wir Recht und Gesetze achten, dass der Zeitplan eingehalten wird und dass wir uns nicht durch Verdächtigungen, Halbwahrheiten und Gerüchte beeinflussen lassen.
d) Hirches Autobahnhalluzinationen an der Küste - Teure Anscheinserweckung mit fatalen Nebenwirkungen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3843
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich sollte die vorige Woche mit der Vorlage der Vorzugsvariante für die A 22 so etwas wie das Einläuten des Schlussspurts für diese Küstenautobahn werden. Wenn man sich dann aber die Schlagzeilen der NWZ vom vorigen Sonnabend - „Steuerzahler rügen A-22-Trasse“ und „Investoren schrecken vor Autobahnbau zurück“ - anschaut, kann man sagen: Es ist ein ganz schöner Rohrkrepierer geworden, den Sie da produziert haben. Das ist auch zu Recht so.
Anders als es die Landesregierung der Öffentlichkeit durch immer neue Aktionen glauben machen will, geht es bei der Küstenautobahn A 22 nämlich inzwischen mehr denn je um das grundsätzliche Ob und nicht um das differenzierte Wie.
Um die notwendige ehrliche Debatte hat sich Minister Hirche mit seinen Aktivitäten für eine vom Land finanzierte Planung in den vergangenen Jahren gedrückt. Das darf nicht länger geduldet werden, weil sein Hobby inzwischen viel zu hohe Kosten - auch beim Land Niedersachsen - verursacht. Allein im Haushalt dieses Jahres sind dafür 5 Millionen Euro etatisiert.
Sie alle wissen: Die begrenzten Finanztöpfe der EU und des Bundes sind bereits heute mit fest eingeplanten Straßenbauvorhaben auf absehbare Zeit hoffnungslos überzeichnet. Jetzt vorzugeben, eine Paralleltrasse zur gerade in der Erweiterung befindlichen A 1 zulasten anderer in Deutschland bereits zugesagter Projekte durchsetzen zu können, ist bewusste Irreführung der Öffentlichkeit und politische Anscheinserweckung der unfeinen Art.
Ihre vorgebliche Vision, Herr Hirche, von einer A 22 als historischem Nachfolger des Mittellandkanals, an der sich dann wie von Zauberhand wirtschaftliche Entwicklung wie eine Perlenschnur neu aufreiht, ist nichts weiter als eine bloße Halluzination.
Den Mittellandkanal für die norddeutsche Tiefebene gibt es längst. Das ist die küstennahe Schifffahrt. Die wirtschaftliche Nutzung der küstennahen Schifffahrt müssten Sie aber deutlich mehr unterstützen, als Sie es heute tun. Dafür brauchen wir von Ihnen in Zukunft - wir haben gerade darüber gesprochen - z. B. vor allem mehr Professionalität bei Planung und Ausschreibung des Tiefwasserhafens, damit nicht weitere Verzögerungen eintreten und wichtige EU-Zuschüsse zum Bau möglicherweise verfallen. Ein Nutzen oder auch nur ein nützlicher Zusammenhang der A 22 mit dem JadeWeserPort ist selbst nach Aussagen aus dem Wirtschaftsministerium, Herr Hirche, bzw. den entsprechenden gutachterlichen Stellungnahmen für die Hafengesellschaft nicht begründbar. Auch die ländlichen Bereiche zwischen Westerstede und Drochtersen, die an der Küstenautobahn lägen, wenn sie denn irgendwann gebaut würde, würden kaum Nutzen aus einem Autobahnneubau ziehen können - im Gegenteil.
- Es geht doch nicht um Fantasie, sondern um Fakten, Herr Kollege Thümler. - Untersuchungen von vergleichbaren Autobahnneubauten aus jüngster Zeit in den neuen Bundesländern zeigen nämlich, dass in den durchquerten ländlichen Räumen ein Kaufkraftabfluss zu beklagen war und lediglich durch die Trassen verbundene überregionale Oberzentren Nutzen aus solchen neuen Autobahnen ziehen können. Herr Thümler, Sie wissen, dass diese überregionalen Oberzentren bei der A 22 nun einmal nicht in Niedersachsen liegen.