Mal langsam! Herr Kollege Möhrmann, Sie sind uns zwar lieber als Ihr Fraktionsvorsitzender, aber man muss schon darauf hinweisen, dass diese Frage fachlich im Zuständigkeitsbereich des niedersächsischen Ministers für Raumordnung liegt und dass ich als Ministerpräsident gerade zu diesem Punkt hier bin, weil ich einmal in dieser Woche erleben wollte - von Käuflichkeit durch die Tabakindustrie bis zum JadeWeserPort -, dass Ihr Fraktionsvorsitzender in die Bütt geht. Er führt die Debatten überall draußen im Land, verunsichert die Menschen und verängstigt sie, und hier im Parlament sucht er immer das Weite.
Da muss ich schon sagen: Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, dass Dinge, die in der Öffentlichkeit, an der Küste und andernorts, thematisiert werden, auch hier im Parlament vertreten werden. In dieser Woche gibt es ein unglaubliches Gefälle zwischen dem, was draußen im Lande gesagt wird, und dem, was hier im Parlament behandelt wird. Darauf wollten wir hinweisen.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch bei der SPD - Heinrich Aller [SPD]: Jetzt ist auch der nicht zuständige Minister vor Angst wieder- gekommen!)
Meine Damen und Herren, wir müssen uns jetzt einig werden, ob wir hier die aufgerufenen Tagesordnungspunkte 38 und 39 behandeln oder ob wir uns über die Präsenz und Abwesenheit von Abgeordneten unterhalten sollten.
(David McAllister [CDU]: Das ist unser Thema! - Hans-Christian Biallas [CDU]: Herr Jüttner ist ja augenblick- lich weg!)
(Weitere Zurufe von der CDU - Glocke des Präsidenten - Wolfgang Jüttner [SPD] betritt den Saal - Beifall bei der CDU und bei der FDP)
(Anhaltende Zurufe von der CDU - Karin Stief-Kreihe [SPD]: Das Thema scheint nicht zu interessieren!)
Meine Damen und Herren, der Abgeordnete Möhrmann hat sich zu Wort gemeldet. Die SPDFraktion hat noch 1:50 Minuten Redezeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich hätte mir gewünscht, dass Sie in dieser Frage die Position der SPD-Landtagsfraktion unterstützt hätten,
wenn es darum geht, die Erdverkabelung durchzusetzen. Was hier abläuft, ist eine taktische Variante.
Sie trauen sich nicht mehr, das kalt durchzuziehen, sondern setzen jetzt darauf, dass neu diskutiert wird, dass Zeit ins Land geht und dass dann das umgesetzt wird, was E.ON und andere wollen, nämlich Leitungen über der Erde. Deswegen, meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, glaube ich, wäre es besser, Sie würden Ihre Zeit darauf verwenden,
sich hinter diese Forderung zu stellen, als sich Sorgen über die Anwesenheit des Oppositionsführers zu machen.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass wir jetzt in der Tagesordnung fortfahren und dass dann diejenigen Redner hier am Mikrofon sprechen, die ich vorher aufgerufen habe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst kann ich mich eigentlich erst einmal freuen. Offenbar wollen alle Fraktionen dieses Hauses die unterirdische Verlegung von Höchstspannungsleitungen. Zumindest haben alle Fraktionen entsprechende Anträge im Jahre 2005 gestellt. In der Sache passiert jedoch nichts, bzw. die Landesregierung tut genau das Gegenteil von dem, was die Fraktionen fordern.
Die landesplanerische Feststellung für die Freileitung Ganderkesee - Sankt Hülfe ist erteilt, aber im Bundesrat stimmte die Regierung Wulff Ende letzten Jahres einem Infrastrukturplanungsbeschleu
nigungsgesetz zu, das genau das verhindert, was offenbar alle Fraktionen hier wollen. Sie haben das Energiewirtschaftsgesetz so geändert, dass eine Erdverkabelung von Höchstspannungsleitungen faktisch nicht möglich ist. So einfach, wie Sie, meine Damen und Herren von der SPD, es in Ihrem erneuten Antrag formulieren, geht es leider nicht. Auch wenn wir hier gemeinsam so beschließen, wie Sie das in Ihrem Antrag fordern, werden wir die Freileitungen bekommen, egal ob sie über das Landes-Raumordnungsprogramm oder nachfolgend in einem Raumordnungsverfahren festgelegt werden.
Wir können den Feststellungen in Ihrem Antrag natürlich zustimmen. Die Ausnahmetatbestände im LROP, also im Landes-Raumordnungsprogramm, müssen reduziert werden. Selbstverständlich ist bei der Betrachtung der Kosten eine volkswirtschaftliche Gesamtbetrachtung erforderlich. Dass bei Freileitungen immense Kosten auf die betroffenen Bürgerinnen und Bürger abgewälzt werden, die sich nach geltender Rechtslage kaum dagegen wehren können, ist völlig unhaltbar. Wer will letztendlich ein Haus kaufen, an dem in 50 m oder 100 m Entfernung eine 380-kV-Leitung oberirdisch vorbeiführt? - Es stellt sich dann auch die Frage, welche Bank dann noch bereit ist, solche Immobilien zu beleihen.
Meine Damen und Herren von der SPD, Ihr Antrag in allen Ehren - erzählen Sie das aber auch einmal Ihren Parteifreunden im Bund. Wer hat denn mit dem Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz das Energiewirtschaftsgesetz im Dezember letzten Jahres so geändert, dass eine unterirdische Verlegung von Erdkabeln fast ausgeschlossen ist? Das war die Große Koalition. Das waren CDU und SPD auf Bundesebene. Die Landesregierung hat dem selbstverständlich zugestimmt, obwohl CDU und FDP hier im Landtag etwas ganz anderes beantragt haben und vor Ort auch anders reden.
Wenn Sie sich einmal die Mühe machen, das Energiewirtschaftsgesetz genau zu lesen, werden Sie feststellen, dass dort in § 21 a die Formulierung zu finden ist, dass möglicherweise höhere Kosten bei der Erdverkabelung zwar grundsätzlich bei den Netznutzungsentgelten umgelegt werden können, aber nur wenn das Erdkabel durch einen Planfeststellungsbeschluss zugelassen ist. Wenn Sie in diesem Gesetz weiter nachforschen, auf welcher Rechtsgrundlage ein solcher Planfeststel
lungsbeschluss ergehen soll, werden Sie nichts finden, jedenfalls nichts für 380-kV-Leitungen. Es gibt somit keine fachrechtliche Grundlage für Erdkabel im Höchstspannungsbereich. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen:
Erstens. Eventuelle Mehrkosten werden bei der Festsetzung von Netznutzungsentgelten durch die Bundesnetzagentur nicht anerkannt.
Zweitens. Ohne Planfeststellungsverfahren bekommen Sie rein organisatorisch eine Erdverkabelung kaum hin. Ein Energieversorgungsunternehmen müsste für die Gesamtstrecke unzählige Einzelgenehmigungen beantragen, z. B. für die Querung von Gewässern und für die Querung von Straßen. Die Verfahren könnten natürlich einzeln vor jedem Gericht landen. Im Übrigen könnte jeder betroffene Grundstückseigentümer gesondert klagen.
Von daher ist es durchaus nachvollziehbar, dass zurzeit kein Energieversorgungsunternehmen eine Erdverkabelung beantragt. Völlig unabhängig davon ist zu sagen, dass das, was Frau Geuter vorhin gesagt hat, richtig ist, nämlich dass die Unternehmen diesen Präzedenzfall scheuen, weil sie sonst in die Bredouille kämen, überall entsprechend agieren zu müssen.
Meine Damen und Herren von der CDU und FDP, man mag der Landesregierung bei etwas gutem Willen noch zugestehen, dass sie diesen Kuddelmuddel im Bundesgesetz nicht durchschaut hat. Sie haben sich aber schon bei den Beratungen zum Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz geäußert und alles getan, um Erdkabel zu blockieren. Dort war nämlich zunächst daran gedacht, Erdkabel zumindest auf 10 % der in der denaNetzstudie für erforderlich gehaltenen Neubaustrecken vorzusehen. Aber selbst das ging der Regierung Wulff zu weit. Diese Landesregierung hat sich im Bundesrat dafür eingesetzt, dass es keine Sonderregelung für Erdkabel gibt.
Die Landesregierung sowie CDU und SPD im Bund sind dafür verantwortlich, dass die neuen Höchstspannungsleitungen zwischen Wahle und Mecklar in Südniedersachsen, in den Landkreisen Northeim und Göttingen, entlang der Ems und oben im Landkreis Friesland, wenn sich nicht ganz schnell etwas im Energiewirtschaftsgesetz ändert, voraussichtlich als Freileitungen gebaut werden. Meine Damen und Herren, darauf sollten Sie Ihre Besucher aus diesen Regionen einmal hinweisen,
Herr Wulff, wenn Sie in einem Gespräch mit den von den Freileitungen zwischen Ganderkesee und Sankt Hülfe Betroffenen im Januar dieses Jahres hier in Hannover gesagt haben, Sie würden mit der E.ON reden wollen, aber leider seien Ihnen rechtlich die Hände gebunden, dann ist das fast schon eine Vorspiegelung falscher Tatsachen. Sie spielen hier das Unschuldslamm. Sie haben aber genau dieses Recht, das Ihnen die Hände bindet, selbst mit beschlossen. Herr Ministerpräsident, ein solches Verhalten gegenüber den Betroffenen ist unglaubwürdig.
Ohne eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes können wir in das Landes-Raumordnungsprogramm hineinschreiben, was wir wollen. Bei der geltenden Rechtslage werden wir die Erdkabel nicht hinkriegen, selbst wenn die Landesregierung in dieser Sache guten Willens wäre, was ich ihr übrigens angesichts des Verhaltens in der Vergangenheit ausdrücklich nicht zubillige. Von wohlfeilen Worten hier im Hause hat niemand etwas. Wir haben Ihnen mit unserem Antrag einen Weg aufgezeigt, wie dieser Murks aus dem Bundesgesetz wieder herauszubekommen ist. Wenn Sie andere praktikable Lösungen haben, so sind wir für diese durchaus offen. Insofern hoffe ich auf konstruktive und interessante Beratungen in den Ausschüssen, die im Sinne der Betroffenen möglichst schnell geführt werden sollten. - Danke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Versorgungsstrukturen ist für die Daseinsvorsorge der Bevölkerung wichtig, aber auch für die Nutzung und Weiterentwicklung ihrer existenziellen Ressourcen spielt sie eine zentrale Rolle in der Landesraumordnung. Das gilt vor allem für ein kostengünstiges und dauerhaftes Energieangebot. Im Klartext: Es geht um Strom.
nalen Vernetzung der Versorgungsstrukturen - ich erwähne hier die transeuropäischen Netze - stellt sich die Frage der energetischen Infrastruktur völlig neu. Durch den Ausbau der regenerativen Energieträger, aber auch durch die geplante Offshorewindkraftnutzung kommt es verstärkt zu dezentralen Netzanbindungen zur Einspeisung und Weiterleitung von Strommengen. Aus verschiedenen Gründen hat es in Deutschland in den letzten Jahren einen Entscheidungsstau beim Netzausbau gegeben.
Die Investitionen in die deutschen Stromversorgungssysteme haben nach Erhebungen des VDE in den letzten 25 Jahren um ca. 40 % abgenommen. Die durchschnittliche Stromausfallzeit ist in diesem Zeitraum von jährlich 15 auf 23 Minuten angestiegen. Das stimmt nachdenklich. Die Deutsche Netzagentur kommt in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass bis 2015 850 km neue Verbundnetztrassen gebaut werden müssen. Um diese Vorhaben zu bewältigen, wurde der Ausbau der Stromtrassen in das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz aufgenommen. Dadurch soll der notwendige Netzausbau beschleunigt werden. Das Gesetz ist am 17. Dezember 2006 in Berlin beschlossen worden. Dadurch wird deutlich, dass für die Versorgungssicherheit im Rahmen des Energiewirtschaftsgesetzes der Bund zuständig ist. Das wird oft vergessen. Wenn man Frau Geuter hört, könnte man glauben, dass Sie mit dem, was dort politisch beschlossen wird, nichts zu tun haben.
Wir erleben auch in anderen politischen Bereichen, dass es so dargestellt wird, dass das, was nach Ihrer Meinung weniger gut läuft, ausschließlich Sache der CDU und CSU ist und dass Sie mit diesen Dingen nichts zu tun haben. Wir sollten hier, wie ich meine, durchaus einmal sagen - in dieser Hinsicht hat Herr Janßen nicht ganz unrecht -, dass die Bundespolitik diese Fragen anders bewertet hat, was das Energiewirtschaftsgesetz und das Infrastrukturplanungsbeschleunigungsgesetz anbelangt. Wir hätten uns aus niedersächsischer Sicht, was die speziellen Fragen der Trassenführung angeht, andere Regelungen gewünscht.