Protocol of the Session on April 27, 2007

(Christian Dürr [FDP]: Das liegt doch im Planungsbereich der Kommunen! Wir können doch nicht die Kommunen entmachten!)

Sie verhindern mit einem solchen Verhalten Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Niedersachsen. Das ist ganz klar.

Meine Damen und Herren, auch auf die Folgen des Klimawandels sind Sie in keiner Weise vorbereitet. Sie nehmen ihn noch nicht einmal wahr:

weder beim Gesundheitsschutz noch in der Landoder Forstwirtschaft, weder für den Hochwasserschutz im Binnenland noch für den Küstenschutz hat die Landesregierung ein Konzept, das den Klimawandel mit einbezieht.

(Christian Dürr [FDP]: Etwas konkre- ter, Herr Janßen!)

Dann sind Sie auch noch beratungsresistent.

(David McAllister [CDU]: Auch das noch!)

Unsere Forderung nach der Berufung eines Sachverständigenrats für Klimafragen haben Sie jedenfalls bislang abgelehnt. Vielleicht arbeiten Sie ja künftig wenigstens beim Klimakompetenzzentrum bei der GKSS in Geesthacht mit. Eine Unterrichtung im Ausschuss jedenfalls reicht nicht, um vor dem Hintergrund der Klimafolgen für Norddeutschland die notwendigen Vorsorgekonzepte entwickeln und umsetzen zu können.

Wie beratungsresistent Sie bei der Einarbeitung wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Klimawandel sind, haben Sie gestern bei der Dringlichen Anfrage zum Thema Küstenschutz demonstriert. Beim Küstenschutz - dem Bereich, in dem die Folgen des Klimawandels am dramatischsten sein werden - macht diese Landesregierung gerade vor, wie sie sich bislang auf den zukünftigen Klimawandel einstellt: nämlich gar nicht.

Herr Minister Sander, Ihre Küstenschutzplanungen sind von vorgestern. Der sogenannte Generalplan Küstenschutz berücksichtigt den klimabedingten Meeresspiegelanstieg und stärker werdende Stürme in keiner Weise. Er war schon zu dem Zeitpunkt Makulatur, zu dem er gedruckt wurde.

Der vergleichsweise konservative IPCC-Bericht prognostiziert z. B. einen klimabedingten Meeresspiegelanstieg von bis zu 59 cm pro Jahrhundert. Hinzurechnen müssen Sie an unserer Küste eine Landsenkung von bis zu 15 cm in den nächsten 100 Jahren. Damit sind wir bei ungefähr 74 cm. Sie können getrost noch einen höheren Wellenauflauf aufgrund zunehmender Starkwindereignisse hinzurechnen.

(Anneliese Zachow [CDU]: Es ist schon toll, was der Kollege alles weiß!)

Dabei sind große Einflussfaktoren, die den Meeresspiegelanstieg weiter beschleunigen könnten,

wie z. B. das Abschmelzen des Grönlandeises, überhaupt nicht berücksichtigt. Und sagen Sie nicht „Das ist nicht zu erwarten“! Zurzeit verliert Grönland dreimal so viel Eis, wie neu gebildet wird.

Wir fordern von Ihnen, dass Sie den Küstenschutzmaßnahmen einen Meeresspiegelanstieg von 80 cm zugrunde legen. Herr Sander wird wahrscheinlich gleich sagen „Alles grüne Panikmache“. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, die von der Küste kommen, Sie sollten sich gut überlegen, ob Sie an dieser Stelle wirklich hinter Ihrem Umweltminister stehen wollen. Unser Antrag hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern etwas mit der Sorge der Menschen hinter dem Deich. Dass diese Sorge mehr als begründet ist, müssten gerade Sie gut verstehen können.

Können Sie, meine Damen und Herren von der CDU, bei der derzeitigen Vorgabe von 25 cm Meeresspiegelanstieg pro Jahrhundert eigentlich ruhig zusehen? Sie müssten doch bei dieser Politik des Umweltministers mit der Faust in der Tasche herumlaufen. Besser wäre es, Sie holten Sie heraus und hauten auf den Tisch.

(Bernd Althusmann [CDU] und David McAllister [CDU] schlagen mit der Faust auf die Tische)

- Ja, gut! Hervorragend! Ein bisschen kräftiger noch!

Auch Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, müssen zur Kenntnis nehmen: Die Folgen des Klimawandels sind unausweichlich. Je länger wir diese ignorieren, desto dramatischer werden sie. Deshalb, meine Damen und Herren: Lassen Sie die Vertieferei an den Flussmündungen von Elbe, Weser und Ems! Sie erhöhen damit das Gefahrenpotenzial. Tiefere und breitere Flussmündungen führen unweigerlich dazu, dass Sturmfluten mit größerer Gewalt höher und weiter ins Binnenland auflaufen. Auch wirtschaftlich ist das nicht erforderlich. Kümmern Sie sich lieber um ein abgestimmtes norddeutsches Hafenkonzept, damit wir nicht drei Tiefwasserhäfen in Norddeutschland anlegen müssen!

Wir haben erfreut zur Kenntnis genommen, dass der Herr Ministerpräsident Wulff die Hamburger Pläne zur Vertiefung der Elbe zurzeit nicht mehr für zustimmungsfähig hält. Da haben wir aber auch schon etwas ganz anderes gehört. Wir wollen einmal abwarten, wie lange die Halbwertszeit dieser Aussage dauert. Wenn diese Landesregierung in

dieser Frage Glaubwürdigkeit und nicht nur Wahltaktik beweisen will, dann unterstützen Sie unseren Vorschlag, die im Bundeshaushalt für die Vertiefung von Elbe und Weser eingeplanten Mittel für den Küstenschutz einzusetzen!

(David McAllister [CDU]: Was sagt denn Herr Egloff dazu? - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Der ver- tritt Hamburger Interessen! - Gegenruf von David McAllister [CDU]: Davon musst du dich doch distanzieren! - Gegenruf von Wolfgang Jüttner [SPD]: Hab ich schon!)

Meine Damen und Herren, kommen Sie zur Vernunft! Passen Sie den Generalplan Küstenschutz unverzüglich dem steigenden Meeresspiegel an! Beziehen Sie alternative Methoden des Deichbaus in Ihre Planungen ein!

(Christian Dürr [FDP]: War das ein Deich aus Beton?)

Sichern Sie frühzeitig raumordnerisch zweite Deichlinien, wo sie in Zukunft erforderlich werden können, und kämpfen Sie mit uns gemeinsam für eine Aufstockung der Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“! Beziehen Sie die Ostfriesischen Inseln in den Generalplan Küstenschutz mit ein, und zwar nicht erst am SanktNimmerleins-Tag, und legen Sie vor allem ein Sofortprogramm auf, um die eklatantesten Schwachstellen an der Küste umgehend zu beseitigen! Die Deichabschnitte in der Wesermarsch, die Ostfriesischen Inseln und auch der Altenbrucher Bogen müssen umgehend gesichert werden.

Meine Damen und Herren, entwickeln Sie Konzepte für andere vom Klimawandel betroffene Bereiche - für den Gesundheitsschutz, für die Landwirtschaft und die Forstwirtschaft! Forschen Sie gezielt, um zeitnah Anpassungsprojekte umsetzen zu können! Am besten wäre es allerdings, wenn Sie es sich doch noch überlegen würden, meine Damen und Herren von SPD, CDU und FDP, der Berufung eines Sachverständigenrats zuzustimmen, damit wir die erforderlichen Anpassungsstrategien auf fundierter Grundlage entwickeln können. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Abgeordneter Janßen, Sie haben zeitlich gesehen bei der Einbringung dieses Antrags ein gutes Beispiel gegeben. Wenn die anderen Ihrem Beispiel folgen, dann holen wir auf.

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Harden zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser April ist der trockenste und wärmste seit vielen Jahrzehnten. In einigen Regionen ist im April nicht ein einziger Tropfen Regen gefallen. Selbst der Tau bleibt aus, wie Minister Ehlen vorgestern zitiert wurde.

Der Klimawandel ist das globale Umweltproblem, wenn nicht sogar das weltpolitische Megathema unserer Zeit und wird es vermutlich auch bleiben. Schmelzende Polkappen und Gletscher, steigender Meeresspiegel, die Bedrohung ganzer Inselgruppen und Küstenländer sind nur einige Stichworte. Die Klimaextreme nehmen auch hierzulande zu: Starkregen mit Jahrtausendfluten, Dürren, Windhosen und Orkane hinterlassen Verwüstungen. Es ist unübersehbar: Die Atmosphäre reagiert auf die Erwärmung mit verheerenden Folgeschäden.

Mit dem Kyoto-Protokoll gibt es erstmals eine international verbindliche Vereinbarung, den Ausstoß an Treibhausgasen zu verringern. Hierzu gehört vor allem Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Kohle und Erdöl. Die EU-Kommission schlägt Reduzierungspfade für die Industrieländer von 15 bis 30 % bis zum Jahr 2020 und von 60 bis 80 % bis 2050 vor. Die Bundesregierung hat gestern Morgen als Ziel angegeben, die Emissionen bis 2020 um 40 % zu verringern.

Diese Ziele sind schon heute mit den verfügbaren Techniken erreichbar. Deutschland ist hier als Vorreiter beim Klimaschutz gefordert. Entscheidend sind die Förderungen effizienter Technologien und die Schaffung klimapolitischer Rahmenbedingungen für den globalen Energiemarkt. Klimaschutz ist das Schlüsselthema für das 21. Jahrhundert. Das hat sich inzwischen breiten Bevölkerungsschichten erschlossen. Unser Problem ist, dass die Landesregierung das bislang offenbar wenig bemerkt hat.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ja Unsinn!)

Taten konnten wir bislang jedenfalls nicht registrieren, dafür jedoch etliche Unterlassungen - das ist in den letzten Tagen bereits ausgeführt worden.

Die Kollegin Brigitte Somfleth und der Kollege Wolfgang Jüttner haben im November bzw. im Dezember darauf hingewiesen, dass die Landesregierung die EFRE-Mittel für Klimaschutz und zum Ausbau erneuerbarer Energien ungenutzt gelassen hat.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist totaler Quatsch, Herr Harden! Das ist nicht die Wahrheit!)

Für Deichbau - eine Pflichtaufgabe des Landes werden 112 Millionen Euro EU-Mittel umgewidmet. Ich würde das nicht kritisieren, wenn im Bereich Forschung und Entwicklung mehr in erneuerbare Energien investiert würde. Nehmen Sie sich ein Beispiel an Dänemark: Die Dänen haben Mitte der 1990er-Jahre in den Bereichen Bildung, Forschung und Entwicklung massiv in erneuerbare Energien investiert. Heute herrscht dort Vollbeschäftigung, und es werden Arbeitskräfte aus Deutschland angeworben.

Bei der Windkraft - der Ministerpräsident hat vor einigen Stunden noch gesagt, dabei wären wir spitze - werden wir von Sachsen-Anhalt fast überholt. Das ist eine Folge Ihrer Vernachlässigungen dieses Themas.

(Anneliese Zachow [CDU]: Nein!)

Dass Niedersachsen das Schlusslicht in der Umweltpolitik ist, hat gerade erst der deutsche Sachverständigenrat für Umweltfragen gutachterlich bestätigt.

(Christian Dürr [FDP]: Wer erzählt Ih- nen denn so etwas?)

- Sie wollen das vielleicht nicht hören, aber das ist so. Sie hätten ja anders handeln können.

Der Bezug von Ökostrom wurde gekündigt. Niedersachsen nimmt unter CDU und FDP Abschied von der Rolle als Vorreiter und als leuchtendes Beispiel in Sachen Ökologie und Nachhaltigkeit. Die Zerschlagung des ökologischen Fachverstandes durch die Landesregierung passt dazu wie die Faust aufs Auge.

Im Nachhaltigkeitsbericht der Landesregierung, der uns gestern in die Fächer gelegt wurde, sind Initiativen zum Klimaschutz aufgeführt. Unter der „Landesinitiative Energieeinsparung“ wird dabei die Förderung des Projektes „Energiemobil Niedersachsen“ zusammen mit dem NABU subsumiert. In Euro ist das vermutlich nicht auszudrücken; denn die Angabe, wie viel Geld dafür zur Verfügung gestellt wird, fehlt.

(Zuruf von Anneliese Zachow [CDU])

- Frau Zachow, wahrscheinlich ist der Betrag so klein, dass man ihn kaum noch registrieren kann.

Ferner wird Landesinitiative Brennstoffzelle mit einem Landesbeitrag von 9,5 Millionen Euro, verteilt auf die Jahre 2004 bis 2007, aufgeführt. Das ist eher minimal.

(Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt sogar noch mal 6,5 Millionen um zwei Jahre verlängert! Lieber Kollege, um zwei Jahre verlängert! Sie sollten mal nachschauen!)

- Für zwei Jahre? Toll! Das ist ja eine Rieseninvestition, wenn man bedenkt, welche Bedrohung eigentlich auf uns zukommt.

(Zuruf: Nun freut euch doch mal dar- über!)