Protocol of the Session on April 26, 2007

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Busemann, Sie haben vorhin gesagt, es sei ja Wahnsinn, was die Grünen für ein Weltbild hätten, wenn sie der Meinung seien, dass es am besten sei, wenn alle Kinder - auch die mit Beeinträchtigungen und Behinderungen - gemeinsam mit anderen Kindern in der Schule mit Unterstützung von sonderpädagogischen Förderkräften unterrichtet würden. Herr Minister Busemann, ich frage mich: Was für ein Weltbild haben Sie denn, wenn Sie diese zutiefst demokratische und zutiefst christliche Forderung für Wahnsinn erklären? Dann wären auch die Länder Island, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien wahnsinnig, die alle unter 1 % Förderschulquote haben. Auch das sind Flächenstaaten. Reden Sie sich nicht immer damit heraus. Meiner Meinung nach ist Ihre Position zutiefst undemokratisch.

(Zustimmung von Dorothea Steiner [GRÜNE] - Zuruf von Karl-Heinz Klare [CDU])

Jetzt ist nicht Herr Klare dran, sondern Frau Körtner. Sie hat noch eine Redezeit von 3:16 Minuten.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Angesichts der Kürze der mir zur Verfügung stehenden Redezeit will ich nicht auf Herrn Muñoz eingehen, weil der Herr Kultusminister dies schon getan hat. Ich möchte auch nicht auf die Rede von Herrn Meinhold eingehen, weil seine Einlassungen belehrend, ungeordnet und inhaltsleer waren.

Frau Korter, ich möchte mich zunächst einmal Ihnen zuwenden, weil ich von Ihnen mehr kollegiale Redlichkeit und eine objektivere Orientierung an Fakten und Zahlen erwartet hätte. Dieser Erwartung haben Sie aber nicht entsprochen. Frau Kollegin Pfeifer hat hier sehr eingehend dargelegt, wie der Bereich Sonderpädagogik seit der Regierungsübernahme durch uns in qualitativer und auch in quantitativer Hinsicht verbessert worden ist.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU])

Sie haben uns einmal dafür gelobt - daran erinnere ich -, dass wir diesen unheilvollen Kreis im Hinblick auf die pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die besonders benachteiligten Kinder durchbrochen und additiv dafür gesorgt haben, dass solche Kräfte eingestellt worden sind, also nicht Lehrerstellen in Stellen für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter umgewandelt wurden, was zur Folge gehabt hätte, dass die Unterrichtsversorgung sukzessive immer weiter verringert worden wäre. All das und auch das, was Frau Pfeifer hier vorgetragen hat, ist von dieser Landesregierung in die Wege geleitet worden.

Sie wissen ganz genau, dass der Fachverband Sonderpädagogik und all die vielfältigen Förderorte sehr glücklich darüber sind, dass sich die Fraktionen von CDU und FDP sowie die Landesregierung dieses Bereiches sehr sensibel und auch richtig mit Herzblut angenommen haben. Ich bin sehr enttäuscht, dass Sie nicht die kollegiale Größe hatten, dies einmal anzumerken, Frau Korter.

Frau Körtner, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Korter?

Nein. - Ich möchte Ihnen nicht absprechen, dass Sie genau wie wir nur das Beste für unsere Kinder wollen. Ich weiß aber, dass wir hinsichtlich der Integration keinen Konsens erzielen werden. Denn wir sind am einzelnen Kind orientiert. Wir beziehen uns auf jedes einzelne Kind. Sie aber sind auf Systeme fixiert. Sie sind gefangen von dieser Ideologie, heilsbringend von oben ein Konzept für alle zu entwickeln. Sie denken nicht einmal ansatzweise daran, dass es insgesamt acht Förderschwerpunkte gibt und dass gerade im sonderpädagogischen Bereich die betroffenen Kinder völlig unterschiedlicher Hilfen und Unterstützung bedürfen. Ich gebe mich in der Hinsicht keiner Hoffnung mehr hin. Ich weiß aber, dass wir - getragen von den Fachleuten, getragen vom Fachverband für Sonderpädagogik - in unserem Flächenland Niedersachsen genau dieses tun. In einem Flächenland wie Niedersachsen, in dem wir regionale Konzepte mit allen Beteiligten vor Ort entwickeln, wäre das, was Sie wollen, geradezu verhängnisvoll. Von oben übergestülpte Konzepte und eine Einheits

schule können wir in diesem Flächenland nicht gebrauchen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich stelle fest, dass die Besprechung der Großen Anfrage damit abgeschlossen ist.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 19: Zweite Beratung: Förderung von Schülerinnen und Schülern mit diagnostiziertem Autismus - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2539 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses Drs. 15/3727

Die Beschlussempfehlung lautet auf Annahme.

Die Fraktionen sind übereingekommen, auf eine Aussprache zu verzichten und über die Beschlussempfehlung direkt abzustimmen. Ich muss sagen: Mir selbst tut es leid; denn ich hätte dazu reden wollen. Aber es ist halt so.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu

Tagesordnungspunkt 20: Eigenständigkeit der FeuerwehrUnfallkasse erhalten! - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/3712

Zu diesem Antrag findet jetzt keine erste Beratung, sondern nur die Ausschussüberweisung statt.

Mit diesem Antrag soll sich federführend der Ausschuss für Inneres und Sport befassen. Mitberatend tätig werden sollen der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit, der Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien, der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen möchte, den

bitte ich um ein Handzeichen. - Das ist so beschlossen.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 21: Zweite Beratung: Korrektur der Abschaffung der Widerspruchsverfahren dringend erforderlich! Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/3260 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 15/3646

Die Beschlussempfehlung lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Zu Wort gemeldet hat sich Herr Professor Dr. Lennartz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben im November des vergangenen Jahres den Antrag gestellt - und wir haben das hier im Plenum dann das erste Mal diskutiert -, möglichst zum Januar oder in der frühen ersten Phase dieses Jahres aus der Vielzahl der Bereiche, die vom Widerspruchsverfahren ausgenommen worden sind, vier Bereiche wieder kurzfristig mit Widerspruchsverfahren auszustatten, und zwar solche Bereiche, in denen sich anhand der Klagezahlen bei den Verwaltungsgerichten aus unserer Sicht die Sinnhaftigkeit eines Widerspruchsverfahrens, also eines Vorverfahrens, erwiesen hatte.

Ich habe nicht viel Zeit. Deshalb fasse ich mich kurz und gehe auf den Antrag nicht mehr im Detail ein. Ich erinnere nur daran, dass es eine interessante Differenz in der Debatte gab. Zum einen hat nämlich Herr Dr. Biester von der CDU-Fraktion - kurz zusammengefasst - gesagt: Wir haben die Probleme zur Kenntnis genommen, und wir werden uns auch kurzfristig in der Fraktion damit befassen, um zu sehen, wie wir damit umgehen können. - Anschließend haben wir die Rede von Herrn Schünemann gehört, der sagte: Wir haben eine Evaluation in Auftrag gegeben - das war ja zutreffend -, und die wird insgesamt drei Jahre dauern. Nach den Ergebnissen der Evaluation können wir

weitersehen. - Das war für meine Begriffe schon ein ungewöhnlicher Vorgang. Aber das nur am Rande.

Ich möchte kurz auf einen Beitrag vom Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg, Herrn Dr. van Nieuwland, eingehen, der in den Niedersächsischen Verwaltungsblättern, Ausgabe 2/2007, zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in Niedersachsen nach zwei Jahren eine Zwischenbilanz formuliert hat.

(Bernd Althusmann [CDU]: Die habe auch ich gelesen!)

Zu der Evaluation, die das Innenministerium in Auftrag gegeben hat, sagt er an einer Stelle - Zitat -:

„Damit drängt sich die Frage auf, ob die Evaluierung nicht vielleicht doch eher den Charakter einer Alibiveranstaltung hat und die Entscheidung über die Fortführung oder gar Ausweitung dieser Reform schon von Anfang an beschlossene Sache war.“

Ich finde, Herr Minister Schünemann, Sie hätten sich die 70 000 Euro, die Sie für die Evaluation bezahlen werden oder in Teilen schon bezahlt haben, sparen können, wenn Sie sich nach dem alten, Ihnen ansonsten doch so lieben Motto „Von Bayern lernen, heißt siegen lernen“ die Ergebnisse einer Evaluation im Regierungsbezirk Mittelfranken verschafft hätten.

(Glocke der Präsidentin)

Vielleicht liegen die ja bei Ihnen sogar vor, aber Sie wollen die nicht zur Kenntnis nehmen. Im Regierungsbezirk Mittelfranken ist nämlich zwischen 2004 und 2006, also über einen Zeitraum von zwei Jahren, das Widerspruchsverfahren auf einer großen Zahl von Feldern ausgesetzt worden. Dann hat man dort sozusagen zusammengefasst in einer Evaluationsgruppe, die allerdings nicht extern war, sondern aus den verschiedenen beteiligten Ressorts zusammengesetzt war, die Quintessenz gezogen, zu der die Kurzfassung wie folgt lautet:

„Die Arbeitsgruppe Widerspruchsverfahren in Bayern, Regierungsbezirk Mittelfranken, kommt zum Ergebnis, dass die Abschaffung des Vorverfahrens zu einer deutlichen Mehrbelastung der Verwaltungsgerichte geführt

hatte. Es konnte kein Beschleunigungseffekt festgestellt werden. Vielmehr wurde die Dauer eines Rechtsbehelfsverfahrens erhöht. Für den Bürger steigen zudem die Kosten, und auch in der Verwaltung konnten keine Einsparungen realisiert werden.“

(Glocke der Präsidentin)

Das ist eine Aussage, die ist eigentlich an Präzision nicht zu übertreffen. Es kann ja sein, dass Sie meinen, dass sich das in Niedersachsen nicht bestätigen wird. Auf jeden Fall meine ich, dass Aussagen, wie Sie sie kürzlich im Montagsinterview des Weserkurier vom 23. April 2007 getroffen haben, weit an der Realität, die Sie im Artikel von van Nieuwland nachlesen können, an den Zahlen - -

Herr Lennartz, Ihre Redezeit ist längst abgelaufen. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ja, ich bin sozusagen beim letzten Satz. - Van Nieuwland bringt die Zahlen der Steigerung der Klagen noch nicht, und Sie haben in dem Interview gesagt - Zitat -:

„Auch die Zahl der Klagen vor den Verwaltungsgerichten sinkt nach der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens deutlich und immer weiter.“

Das war ein wunderschöner Schlusssatz. Jetzt ist Schluss, Herr Lennartz.

(Die Vizepräsidentin schaltet dem Redner das Mikrofon ab - Zustim- mung von Ursula Helmhold [GRÜNE])

Nächster Redner ist Herr Dr. Biester von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Normalerweise beginnt die Diskussion ja mit der Mär, wie gut und wie effektiv das Widerspruchsverfahren doch war, wie kostengünstig, wie bürgerfreundlich, wie bürgernah. Ich glaube, mein Vorredner, Prof. Dr. Lennartz, hatte einfach nicht die Zeit, um das seinerseits zu wiederholen. Ich erwarte eigentlich einen vergleichbaren Wortbeitrag von der Kollegin Bockmann.

(Heike Bockmann [SPD]: Die auch keine Zeit hat!)

Deshalb dazu vorweg noch einmal Folgendes. Wir haben das Widerspruchsverfahren, das weitestgehend abgelöst worden ist, sehr genau darauf überprüft, in welchen Verfahren das Widerspruchsverfahren wirklich gut war. Damit meinen wir, wenn wir „gut“ sagen: Wo hat es dazu geführt, dass es eine Veränderung der behördlichen Entscheidungen gegeben hat bzw. dass eine Befriedung damit verbunden gewesen ist? - Wir mussten feststellen, dass das weitestgehend nicht der Fall war, sondern dass das Widerspruchsverfahren ein Durchlaufverfahren war, das der Bürger noch zusätzlich hinter sich bringen musste, bevor er zu Gericht gehen konnte, mit der weiteren Folge, dass er zusätzliche Widerspruchsgebühren zu zahlen hatte und dass sich der Rechtsschutz durch die Dauer des Vorverfahrens plus des nachfolgenden Gerichtsverfahrens eher verlängert hat. In den Fällen, in denen wir festgestellt haben, das Widerspruchsverfahren war ein erfolgreicher Rechtsbehelf, haben wir ihn nicht abgeschafft, sondern bestehen lassen.