Protocol of the Session on April 26, 2007

Ich sage das deshalb so klar, damit es nicht heißt, ich würde die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ministeriums beschimpfen. Nein! Sie machen hervorragende Arbeit. Aber die Steuerung in dieser Frage, Herr Minister, fehlt komplett.

(Joachim Albrecht [CDU]: Der Erlass ist doch eine hervorragende Konzep- tion!)

- Nein, das ist keine Konzeption.

Meine Damen und Herren, ich möchte jetzt ideologisch werden.

(Oh! bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Genau! Schenke ihnen einen ein!)

Das ist ja so ein schöner Vorwurf: In dem Moment, in dem man etwas anders sieht, ist es Ideologie. Die Ideologie der Sozialdemokraten aus Sicht der Konservativen ist die gemeinsame Schule, nichts anderes.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Einheits- schule!)

Ich möchte Ihnen sagen, was unsere Ideologie ist: Wir Sozialdemokraten haben einen anderen Ansatz. Er ist nicht von heute auf morgen gekommen, er hat sich entwickelt. Wir sagen: Die Vielfalt von Menschen und von Kindern ist eine Bereicherung. Sie ist auch eine Bereicherung der Schule. Die Verschiedenheit von Kindern ist ein Vorteil, den man nutzen sollte. Alle Kinder - unabhängig von sozialer und ethischer Herkunft oder etwaigen Behinderungen - tragen zu einem positiven Klima bei.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Sehr richtig!)

Deshalb soll man sie zusammen lassen. Wir sagen: Wir fügen sie in Gruppen zusammen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Und das passiert nicht?)

Dieser Ansatz wird im Bereich der Kitas richtig gemacht, Herr Kollege Klare. Der zweite Bereich, in dem auch eine ganze Menge gemacht wird, ist der Bereich der Grundschulen.

Herr Minister, in aller Klarheit sage ich noch einmal ideologisch, was die Sozialdemokraten mit der gemeinsamen Schule vorhaben, damit das endlich einmal anders diskutiert wird: Wir wollen, dass jedes Kind ein Anrecht auf einen Platz in der gemeinsamen Schule hat. Da wird nicht gebettelt. Da werden keine Anträge gestellt. Wenn Eltern, deren Kind eine Behinderung oder einen sonderpädagogischen Förderbedarf hat, kommen, dann steht die

Tür weit auf. - Das ist der Ansatz unserer Politik. Wir werden niemanden ausklammern.

(Beifall bei der SPD - Karl-Heinz Klare [CDU]: Und wie wollen Sie das ma- chen?)

Wir betrachten Anderssein als Normalität. Wir alle hier sind anders. Das ist ein normaler Zustand. Wir müssen von dem Denken des sogenannten Besonderen wegkommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir gehen davon aus, dass Rücksichtnahme, gegenseitiges Verständnis und gemeinsames Miteinander die besten Voraussetzungen für Lernen sind; denn wenn der Einzelne - wie auch immer er sein mag - in der Schule Wertschätzung erfährt und dies gemeinsam und nicht isoliert geschieht, wie es in wesentlichen Teilen passiert, dann kann man davon ausgehen, dass das eine positive Wirkung hat.

Herr Meinhold, das war der Schlusssatz! Sie haben Ihre Redezeit bereits um eine halbe Minute überschritten.

Lassen Sie mich noch einen Satz sagen. Heute müssen Eltern darum bitten, dass ihre Kinder aufgenommen werden. Unser Konzept sagt auch: Wenn Eltern mit ihren Kindern einen speziellen, anderen Weg gehen wollen, dann werden wir dazu nicht Nein sagen.

(Die Präsidentin schaltet dem Redner das Mikrofon ab)

Herr Meinhold, der nächste Redner wird aufgerufen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt der Kollege Schwarz das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Beitrag von Herrn Meinhold for

dert in der Tat zu einer Stellungnahme heraus. Ich habe jetzt allerdings nicht die Zeit dafür. Aber ich werde die Gelegenheit suchen, mich mit dem, was Sie heute gesagt haben, auseinanderzusetzen. Das wird aber an anderer Stelle sein. Ich muss mich zunächst einmal mit dem beschäftigen, was die Grünen in ihrer Großen Anfrage gefragt haben.

Herr Meinhold, ich stimme mit Ihrer Auffassung überein, dass es sinnvoll gewesen ist, eine solche Anfrage zu stellen, sodass wir eine gute Grundlage für eine Diskussion haben. Das ist in Ordnung. Frau Korter, das akzeptiere ich.

(Zustimmung von Karl-Heinz Klare [CDU])

Ich meine, man kann Ihr Bemühen um Integration durchaus anerkennen. Aber ich muss sagen: Das war es dann auch schon. Ihr Beitrag war komplett von Polemik durchsetzt. Das ist nicht in Ordnung gewesen.

Ein kurzes Wort zu Herrn Muñoz: Sie müssen akzeptieren, dass man das, was Herr Muñoz in Deutschland abgeliefert hat, sehr unterschiedlich sehen kann. Wenn eine Zeitung wie die FAZ berichtet, er habe sich in dreister Form benommen, dann ist das für mich ein Hinweis darauf, dass wir mit unserer Auffassung nicht verkehrt liegen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, man kann alles das, was Frau Korter gesagt hat, auf einen Nenner bringen: Sie wollen die Förderschulen abschaffen, und wir wollen die Vielfalt der Förderung. Das ist der Kern der ganzen Angelegenheit.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Frage, ob Integration stattfinden muss, ist im Prinzip völlig unumstritten. Die Frage, wie Integration stattzufinden hat, wird höchst unterschiedlich gesehen, übrigens nicht nur von den Parteien, sondern in der gesamten Gesellschaft. Aus unserer Sicht hat jedes Kind ein Recht darauf, seinen Stärken und Fähigkeiten entsprechend gefördert zu werden. Durch die Förderung individueller Stärken und die gezielte Unterstützung von Schwächen sollen allen Schülerinnen und Schülern Fertigkeiten vermittelt werden, die es ihnen insgesamt ermöglichen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und sich in die Gesellschaft einzubringen. Dabei spielt nach unserer Auffassung aber nicht der Lernort die entscheidende Rolle, sondern es

kommt auf den individuellen Förderbedarf jedes einzelnen Kindes an.

(Zustimmung von Daniela Pfeiffer [CDU])

Eine Gleichbehandlung in dem Sinne, wie Sie von den Grünen sie immer wieder fordern, garantiert diese individuelle Förderung aber noch lange nicht. Die Institution Schule steht bei der gemeinsamen Unterrichtung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf und den davon nicht betroffenen Kindern vor riesigen Herausforderungen.

Die Förderung des Lernens, der emotionalen und sozialen Entwicklung, der geistigen, der körperlichen und motorischen Entwicklung sowie von Sprache, Hören und Sehen stellt eine wichtige Ergänzung des Kerncurriculums dar. Zu diesem Sachverhalt gibt es zwei vernünftige Alternativen: Einerseits kann die beste Förderung bedeuten, dass Kinder mit unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen gemeinsam unterrichtet werden. Das muss aber nicht zwingend so sein. Zur Wahrheit gehört andererseits auch, dass einem bestimmten Förderbedarf am besten Rechnung getragen werden kann, wenn Kinder zunächst in getrennten Klassen oder Schulen unterrichtet werden.

Ich möchte Ihnen zum Schluss auch noch Folgendes sagen: Außergewöhnlich wertvolle Erfahrungen habe ich machen können, als ich mit behinderten Kindern zusammengearbeitet habe. Ich sage es Ihnen: Es ist nicht immer hilfreich, Kindern tagtäglich Defizite vor Augen zu führen. Demgegenüber ist es aber sehr positiv, wenn man das Lerntempo anpassen und sehr gezielt Unterstützung gewähren kann.

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Bei alledem sollte unser Ziel sein, bei jedem Vorgang mithilfe der Förderung einen Zustand zu erreichen, bei dem eine Integration auch sachlich und inhaltlich begründet werden kann.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke, Herr Schwarz. - Zu einer Kurzintervention hat sich jetzt Frau Steiner gemeldet. Frau Steiner, eineinhalb Minuten!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, Sie haben gerade mit einem ähnlichen Tenor wie Kultusminister Busemann auf Herrn Muñoz eingeprügelt.

(Hans-Werner Schwarz [FDP]: Ach was, einprügeln! Wir haben nur unter- schiedliche Positionen vorgetragen!)

Sie haben einen FAZ-Artikel benutzt, um dies zu untermauern. Ich möchte Sie jetzt einmal darauf hinweisen, dass die Süddeutsche Zeitung über genau das gleiche Verfahren berichtet und Herrn Muñoz dahin gehend zitiert hat, dass er es gewohnt sei, dann, wenn er in Diktaturen seine Konzepte vortrage, auf Ablehnung und heftige Kritik zu stoßen, dass seine Positionen aber in einem Land wie Deutschland in einer derart arroganten Weise gleich vom Tisch gewischt würden, hätte er noch nicht erlebt. Ich möchte Sie fragen: Finden Sie nicht, dass Sie genau dieser Kritik entsprechen, weil auch Sie die Positionen anderer, die andere Auffassungen untermauern, ebenfalls in arroganter Art und Weise wegwischen?

(Beifall bei den GRÜNEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Da hat sie recht!)

Jetzt antwortet Herr Schwarz.

Frau Steiner, wir unterscheiden uns in einem Punkt. Ich habe hier lediglich festgestellt, dass es unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Einschätzung von Herrn Muñoz gibt. Der eine sieht das so, der andere sieht das so. Sie aber sind nicht in der Lage, eine andere Position zu bewerten. Das ist der Unterschied zwischen uns. Ich glaube, dass Herr Muñoz dazu viel zu wenig Zeit hatte. Ich glaube sogar, dass er mit Vorgaben hierher gekommen ist, wenn man einmal all das analysiert, was wir von dem, was er gesagt hat, zur Kenntnis bekommen haben. Deshalb bin ich der Meinung, dass das, was er zu einem solch wichtigen Bereich abgeliefert hat, höchst oberflächlich war.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt hat sich noch einmal Frau Korter zu Wort gemeldet. Sie hat noch eine Redezeit von einer Minute.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister Busemann, Sie haben vorhin gesagt, es sei ja Wahnsinn, was die Grünen für ein Weltbild hätten, wenn sie der Meinung seien, dass es am besten sei, wenn alle Kinder - auch die mit Beeinträchtigungen und Behinderungen - gemeinsam mit anderen Kindern in der Schule mit Unterstützung von sonderpädagogischen Förderkräften unterrichtet würden. Herr Minister Busemann, ich frage mich: Was für ein Weltbild haben Sie denn, wenn Sie diese zutiefst demokratische und zutiefst christliche Forderung für Wahnsinn erklären? Dann wären auch die Länder Island, Griechenland, Italien, Portugal und Spanien wahnsinnig, die alle unter 1 % Förderschulquote haben. Auch das sind Flächenstaaten. Reden Sie sich nicht immer damit heraus. Meiner Meinung nach ist Ihre Position zutiefst undemokratisch.