Protocol of the Session on March 8, 2007

Vielen Dank, Herr Minister. - Herr Kollege Wenzel hat eine Zusatzfrage.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Sander, am vergangenen Freitag hat das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Gestaltung des gesamten Feuilletons einer Gruppe namhafter deutscher Klimaforscher überlassen, die dort an diesem Tag die neuesten Erkenntnisse, die sich auch im IPPC-Bericht wiederfinden, niedergelegt haben. Dort ist zu lesen: Atomkraftwerke helfen nicht. - Weiter heißt es: Keiner der Forscher hält den Ausbau der Atomenergie für eine Option.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie zeigen in ihren Berechnungen, dass wir ohne Atomkraftwerke die dritte industrielle Revolution einleiten können. - Meine Frage, Herr Sander:

Haben Sie am vergangenen Freitag das Feuilleton gelesen?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Natürlich nicht! - Zurufe von der FDP)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir lesen natürlich alles Interessantes, was wir insbesondere zur weiteren Nutzung der Kernenergie finden. Wir sehen alles, was für die Kernenergie spricht, aber genauso kritisch wie das, was dagegen spricht. Ich glaube, Herr Kollege Wenzel - -

(Walter Meinhold [SPD]: Glauben heißt nicht wissen!)

- Ich hoffe, es ist mir gelungen, Ihnen den Bericht der Europäischen Kommission und die darin ausgewiesenen Zahlen und dargestellten Erkenntnisse deutlich genug darzubringen. Nun glauben Sie doch wenigstens der Europäischen Kommission! Sie glauben in dieser Frage offensichtlich niemandem. Ich habe eben doch ganz ideologiefrei versucht,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ihnen darzulegen, dass wir nicht auf die Kernenergie verzichten können, solange wir die fossilen Energieträger nicht durch erneuerbare Energien - insbesondere in der Stromproduktion - ersetzt haben.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ha- ben Sie es denn gelesen, Herr San- der?)

Herr Kollege Briese!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zwei Vorbemerkungen machen. Zum einen gibt es in dieser Frage einen Wissenschaftsstreit. Es gibt eine Menge Experten und

Fachleute, die sagen: Wir können es natürlich ohne Atomkraft und ohne längere Laufzeiten der Kernkraftwerke schaffen. Es gibt eine ganze Reihe von Klimaökonomen, die das behaupten. Ich nenne z. B. Herrn Edenhofer vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Es gibt natürlich auch Leute, die sagen: Wir schaffen es nicht ohne längere Laufzeiten. - Es gibt also einen klassischen Wissenschaftsstreit. Darauf gibt es keine endgültige Antwort. Aber es gibt mindestens genauso viele renommierte Leute, die sagen: Wir schaffen es natürlich ohne Kernkraft und brauchen auch keine längeren Laufzeiten. - Das vorweg.

Nun komme ich zu meiner ganz konkreten Frage: Wie hoch ist der Anteil der Atomkraftwerke in Niedersachsen am Primärenergieverbrauch? Können wir dann, wenn wir die Atomkraftwerke abschalten, diesen Anteil nicht durch die drei E - Energieeffizienz, Einsparung und erneuerbare Energien ohne Probleme kompensieren, wenn wir es denn wollten?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. Das waren zwei Fragen. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Anteil der Kernkraftwerke an der Gesamtenergieerzeugung in Niedersachsen beträgt rund ein Drittel;

(Walter Meinhold [SPD]: Das ist doch falsch!)

ihr Anteil an der Stromerzeugung beträgt rund 50 %. Wenn Sie dies mit der Gesamterzeugung von CO2 in allen Kernkraftwerken in Deutschland abgleichen, ergibt sich ein Einsparungseffekt von 160 Millionen t. Wenn Sie diese 160 Millionen t an CO2-Ausstoß, der ersetzt werden müsste, durch 17 teilen, dann kommen Sie auf ungefähr 9,4 Millionen t. Diese Werte müssten dementsprechend durch andere ersetzt werden. Um es ganz klar zu sagen: Der Anteil der Kernenergie an der allgemeinen Stromversorgung beträgt 26 %, der Anteil an der Grundlastversorgung 47,8 %. Die durchschnittliche Verfügbarkeit - das ist ein ganz wichtiges Argument - beläuft sich auf 89,8 %. Das Vermeidungspotenzial bei CO2 hat - um es zu wiederholen - eine Größenordnung von rund 160 Mil

lionen t. Es gibt allerdings etwas unterschiedliche Berechnungen. Manche kommen nur auf 120 Millionen t CO2-Einsparung, die die Kernenergie für uns leisten kann.

Dieser bedeutende Mix, den die Kernenergie im gesamten Energiemix leistet, kann im Augenblick nicht durch erneuerbare Energien ersetzt werden. Herr Kollege Wenzel, ich füge noch hinzu, dass ich das, was unsere Bundeskanzlerin im Augenblick in Brüssel anstrebt, sehr gut finde. Die Landesregierung steht voll dahinter. Es wird angestrebt, den Anteil der erneuerbaren Energien von derzeit 7 % auf 20 % im Jahre 2020 zu erhöhen. Das entbindet uns aber nicht von der Beantwortung der Frage, wie wir den Rest von rund 80 % durch erneuerbare Energien ersetzen können.

Vielen Dank. - Herr Kollege Bode stellt jetzt eine Zusatzfrage. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Aufgrund des beschlossenen Atomausstieges - es gibt dafür gesetzliche Grundlagen - sind ja bereits Maßnahmen eingeleitet worden. Ich frage die Landesregierung: Können Sie darlegen, wie sich der bisher umgesetzte Ausstieg aus der Kernenergie unter CO2-Gesichtspunkten ausgewirkt hat?

Vielen Dank. - Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Bilanz, die wir erstellt haben, gehen wir von einer CO2-Einsparung von 160 Millionen t aus. Wenn der Ausstieg aus der Kernenergie weiter erfolgen würde, müssten wir die dadurch entfallenen Anteile durch fossile Energieträger - also durch Kohle und Gas - oder durch erneuerbare Energien ersetzen. Wir dürfen den Wirtschaftsstandort Deutschland - darauf legt auch unsere Bundeskanzlerin sehr großen Wert - aber nicht auf Teufel komm heraus mit erneuerbaren Energien überfrachten, nur um das erwähnte Ziel zu erreichen. Wir haben uns eben darüber unterhalten, dass auch der Gesichtspunkt der Umweltverträglichkeit wichtig ist; wir haben uns in diesem Zusammenhang für die Kernenergie ausgesprochen,

weil wir darauf derzeit nicht verzichten können. Ebenso sind die Gesichtspunkte der Versorgungssicherheit und Preisgünstigkeit zu beachten.

Der Ausstieg, wie er jetzt geplant ist, ist im Prinzip noch kein Ausstieg, weil die Kraftwerke, die abgeschaltet werden, nicht aus Umweltgründen oder anderen Gründen, die die damalige Bundesregierung ins Feld geführt hat, abgeschaltet werden. Diese Kraftwerke sind abgeschrieben und wirtschaftlich nicht mehr notwendig. Die Abschaltung ist im Grunde eine energiepolitische Entscheidung der Energieversorgungsunternehmen, die bisher noch zu verkraften war. Die Diskussionen über die Stilllegung von Biblis und anderen Kernkraftwerken - seit gestern wird auch über die Stilllegung von Brunsbüttel diskutiert - zeigen aber, dass wir jetzt an das Problem herangehen müssen, weil wir im Prinzip längere Laufzeiten brauchen. Es gibt auch keine Gründe gegen längere Laufzeiten. Entweder sind Kernkraftwerke sicher - dann können sie auch weiter betrieben werden -, oder sie sind unsicher dann müssen sie abgeschaltet werden.

(Beifall bei der FDP)

Das ist doch gar keine Frage, Herr Trittin.

(Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Herr Wenzel. Das hätten Sie Ihrem Kollegen eigentlich schon längst beibringen müssen, der ja meinte, er hätte in dieser Frage in der Welt etwas bewegt.

(Ralf Briese [GRÜNE] meldet sich zu einer Zusatzfrage)

Herr Kollege Briese, Sie hatten schon zwei Fragen. - Herr Kollege Dürr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Wenzel, ich sage es ganz deutlich: Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Grünen überhaupt nicht verstanden haben, dass es bei der Lösung der dringenden Probleme des Klimaschutzes vor allem um Schnelligkeit geht. Ich finde das deshalb bedauerlich, weil sie nicht verstanden haben, dass wir in Zukunft auf überhaupt keinen CO2-freien Energieträger verzichten können, we

der auf die erneuerbaren Energien noch auf die Kernenergie.

Ich möchte die Landesregierung Folgendes fragen. Es gibt eine Studie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Ich denke, diese Gesellschaft ist über jeden Zweifel erhaben.

(Lachen bei den GRÜNEN)

- Meine sehr verehrten Damen und Herren von den Grünen, dass Sie Wissenschaftler nicht ernst nehmen, haben wir schon gemerkt.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Diese Studie trägt die Überschrift: „Klimaschutz und Energieversorgung in Deutschland 1990 2020“. In den Schlussfolgerungen kommt diese Studie zu folgendem Ergebnis - ich zitiere -:

„Die Kernkraftwerke leisten einen Beitrag zum Klimaschutz, der mittelfristig allenfalls zu einem kleinen Teil durch andere CO2-freie Energieträger übernommen werden kann. Daher ist zu empfehlen, die Kernkraftwerke länger laufen zu lassen, als bislang vorgesehen.“

Ich frage die Landesregierung, was sie von diesen Schlussfolgerungen hält.

Herr Minister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dürr, Sie haben das Ergebnis der Studie einer hoch anerkannten Gesellschaft zitiert. Dieses Ergebnis muss man, auch wenn es Ihnen nicht schmeckt, Herr Kollege Haase, zur Kenntnis nehmen und daraus vielleicht auch einmal Schlüsse ziehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich will ergänzend noch Folgendes sagen - vielleicht hilft das weiter -: Der Anteil der erneuerbaren Energien in der EU beläuft sich im Augenblick auf 7 %. Schauen Sie sich einmal an, in welchem Zeitraum wir diesen Anteil erreicht haben! Jetzt wollen wir im Prinzip innerhalb von 13 Jahren das hohe Ziel anstreben, den Wert im Grunde genommen zu verdreifachen. Es werden also Rie

senanstrengungen unternommen, um dieses Ziel zu erreichen. Aber auch dabei muss man immer Realitätssinn walten lassen und wissen, dass dieses Ziel auch unter Beachtung der anderen Aspekte sehr schwer zu erreichen ist. Die Landesregierung will jedoch, dass erneuerbare Energien einen größer werdenden Anteil unserer Energieversorgung übernehmen. Aber solange die erneuerbaren Energien nicht ausreichen, brauchen wir ganz wesentlich die Kernkraft.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)