Protocol of the Session on March 8, 2007

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt die Kollegin Helmhold das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Da die Geschäftsordnung leider nicht die Möglichkeit vorsieht, angesichts der vorangeschrittenen Zeit und der momentan herrschenden Kulisse Reden zu Protokoll zu geben, bleibt es uns nicht erspart, sozusagen die Absurdität zu Ende zu treiben. Ich werde versuchen, mich kurz zu fassen.

Wir reden heute wieder einmal über Pflege. Das ist zwar immer gut, um diese Tageszeit aber werden wir dem Thema damit nicht gerecht. Niedersachsen ist auf die Herausforderungen durch die wachsende Zahl älterer und pflegebedürftiger Menschen leider nicht ausreichend vorbereitet. Wenn die Koalitionsfraktionen heute ihren eigenen Antrag für erledigt erklären wollen, dann wollen wir uns dem gern anschließen. Das Thema ist damit allerdings noch lange nicht vom Tisch. Weder sind die Herausforderungen eines adäquaten Umgangs mit der künftig wachsenden Anzahl von Demenzerkrankten hinreichend bearbeitet noch die Finanzierung der steigenden Bedarfe oder das Thema der Kostensteigerungen bei den erbrachten Leistungen der Pflege. Was wir zukünftig brauchen, sind nicht allein neue Pflegearrangements, vielfältige Hilfemixe und eine neue Kultur des Helfens, sondern wir brauchen daneben vielfältige Wohnformen und Angebote, ein Heimgesetz, das dies auch ermöglicht, und Angebote, die dem Wunsch der Menschen nach einem selbst bestimmten Leben in Würde entsprechen.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktionen, im Jahr 2005 haben Sie einen umfassenden Antrag meiner Fraktion zu diesem Thema abgelehnt und damit die Chance vertan, bereits frühzeitig die Weichen so zu stellen, dass die Auswirkungen des sozialen und des demografischen Wan

dels im Bereich der Pflege hätten zukunftsweisend beantwortet werden können.

Der Antrag der SPD-Fraktion, der in Teilen - ich will jetzt nicht wiederholen, was Frau Groskurt gesagt hat - nicht erledigt ist, ging in die richtige Richtung. Mir wäre es allerdings wichtig gewesen, ihn so zu präzisieren, dass eine Erweiterung des Angebots der stationären Unterbringung für Menschen mit demenziellen Erkrankungen zwingend um die Ausweisung notwendiger Standards in diesem Bereich zu ergänzen wäre. Die Berichte der Besuchskommissionen des Ausschusses für die Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung berichten reihenweise von Einrichtungen, die Menschen mit demenziellen Erkrankungen völlig unzureichend unterbringen; häufig in geschlossenen Einrichtungen, ohne dass dafür die Voraussetzungen vorliegen würden. Oft fehlen bewohnerorientierte Konzepte und eine entsprechende fachärztliche Betreuung.

Was Sie mit der Erledigung dieser Anträge auch nicht erledigen können, ist, dass wir dringend eine Reform des Pflegeversicherungsgesetzes brauchen. Leider zeichnet sich ab, dass die Große Koalition nach den unsäglichen Vorgängen um die so genannte Gesundheitsreform, jetzt der Reformeifer vollständig verlassen hat und sie nun eine Warteschleifenpolitik verfolgt. Es heißt deshalb: Still ruht der See. Alles soll in Ruhe angegangen werden, sagte die Gesundheitsministerin. Das ist angesichts der völlig diametral entgegengesetzten Vorstellung der Koalitionsfraktionen in Berlin auch notwendig.

Eine Pflegereform wird diesen Namen erst dann verdienen, wenn sie eine Finanz- und Strukturreform und vor allem den Pflegebegriff neu bestimmt. Wir plädieren im Kern für eine solidarische Bürgerversicherung und für ergänzende Finanzierungselemente im Sinne einer Demografiereserve. Das muss schnell passieren, meine Damen und Herren. Ein Aussitzen in Berlin wird den pflegebedürftigen Menschen nicht helfen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat jetzt die Kollegin Meißner das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich werde meine Redezeit von drei Minuten nicht ausreizen, weil gar nicht mehr so viel gesagt werden muss. Ich möchte zu Anfang feststellen, Frau Helmhold: Es ging nicht um ein Aussitzen in Berlin. In diesem Fall ging es vielmehr darum, die Landesregierung aufzufordern, mehr zu tun. CDU und FDP haben einen Antrag zur Optimierung der Pflegestrukturen gestellt, nachdem wir den Pflegebericht gesehen und im Sozialausschuss diskutiert haben. Es kommt durchaus vor, dass die Fraktionen die gleichen Ideen haben wie die Regierung oder das Ministerium. Das Ministerium hat sehr schnell reagiert. Darum konnten wir unseren eigenen Antrag, der sich u. a. ebenfalls auf Demenz bezog, für erledigt erklären. Denn alles ist auf dem Weg.

Gleiches gilt für den SPD-Antrag. Auch da ist eigentlich alles auf dem Weg und eingetütet; ob es nun um gerontopsychiatrische Zentren oder niedrigschwellige Angebote geht. Es ist doch alles im Werden. Das heißt ja nicht, dass wir in Zukunft nicht noch mehr tun könnten. Darauf achten wir auch in der Enquete-Kommission. Alles, wozu hier aufgefordert wird, läuft aber bereits. Darum brauchen wir die Landesregierung nicht mehr zu beauftragen. Es wäre eine Farce, wenn wir „Tut etwas“ sagen würden, obwohl sie schon etwas tut.

Ein letzter Punkt: Wie schon gesagt wurde, werden die Bundesmittel zügig weitergeleitet. Am Stichtag 30. November lagen 136 Anträge für eine fast flächendeckende Versorgung vor, wie Herr Balz im Ausschuss berichtet hat. Damit ist Niedersachsen sehr gut aufgestellt, denke ich.

Darum bleiben wir dabei: Die Anträge sind erledigt. Es ist alles auf einem guten Weg.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Möllring das Wort - der erste Mann, der am heutigen Weltfrauentag zu diesem Thema spricht.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Ulrich Biel [SPD]: Wirtschaftsminister, Sozialminister, Verkehrsminister, Fi- nanzminister!)

- Herr Biel, ich halte dieses Thema für so wichtig, dass wir es auch ausreichend diskutieren sollten, obwohl es schon 17 Uhr ist.

(Ulrich Biel [SPD]: Dagegen habe ich nicht gesprochen! Ich habe nur Ihre Aufgabenbereiche aufgezählt - Wirt- schaftsminister, Sozialminister, Ver- kehrsminister, Finanzminister!)

Uns allen ist bekannt - wir haben ja auch eine entsprechende Enquete-Kommission -, dass unsere Gesellschaft altert. Das ist grundsätzlich positiv, bringt aber den Nachteil mit sich, dass es dementsprechend zusätzliche demenziell erkrankte Menschen in Deutschland und damit auch in Niedersachsen gibt.

Hier ist schon gesagt worden, dass sich die Landesregierung diesen Herausforderungen in ganz besonderer Weise stellt. Es gibt einen Landespflegebericht. Dieser ist Ihnen bekannt. Er stellt eine gute Grundlage für die Bestimmung der notwendigen Handlungsfelder dar.

(Beifall bei der CDU)

Ich will an vier Beispielen deutlich machen, wo die Landesregierung bereits tätig ist.

Erstens. Seit 2004 wurden zwei ambulante gerontopsychiatrische Kompetenzzentren in Hannover und Braunschweig gefördert. Sie haben folgende Themenschwerpunkte: die Unterstützung der lokalen, regionalen und landesweiten gerontopsychiatrischen Versorgungsangebote durch Wissenstransfer und Erfahrungsaustausch; die Weiterentwicklung kooperativer vernetzter Strukturen zu Verbundsystemen; die Qualifizierung durch Fortbildung und Fachtagungen; die Verknüpfung professioneller Arbeit und bürgerschaftlichen Engagements.

Zweitens. Es ist gelungen, im Lande nahezu flächendeckend eine wohnortnahe und regional gleichmäßige Versorgung mit niedrigschwelligen Betreuungsangeboten sicherzustellen. Dadurch verfügen wir über ein hervorragendes Angebot, um auch den an einer Altersdemenz erkrankten Menschen Zugang zu sozialen Kontakten und positiven Begegnungen zu ermöglichen.

(Zustimmung bei der CDU)

Ich stimme Frau Helmhold vollkommen zu, dass das Wegsperren die völlig falsche Betreuung ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Bis Dezember 2006 haben in Niedersachsen insgesamt 195 Leistungsanbieter eine Anerkennung als niedrigschwelliges Betreuungsangebot erhalten. Die Fördermittel des Bundes und des Landes für das letzte Jahr wurden bis auf den letzten Cent ausgeschöpft. Auch 2007 werden die Bundes- und Landesmittel für die Förderung fortgeführt. Diese Förderpolitik kommt den pflegebedürftigen demenziell Erkrankten, aber auch den pflegenden Angehörigen im Lande unmittelbar und unbürokratisch zugute.

(Zustimmung bei der CDU)

Drittens. Daneben unterstützen und fördern wir auch neue bedarfsorientierte Konzepte in der Versorgung demenziell erkrankter Menschen. Als Beispiel nenne ich nur die Pflegeoase im Seniorenzentrum in Holle. Diese Pflegeoase ist ein spezielles Betreuungs- und Pflegekonzept für eine Kleingruppe von Bewohnern, die in einer solchen Oase eine neue Lebensform erleben können. In einem großen und schön gestalteten Raum soll gemeinsam der Alltag stattfinden. Mit diesem Konzept soll für Demenzkranke die Stille und Einsamkeit in Einzelzimmern überwunden werden. Hierfür stellt das Land 50 000 Euro zur Verfügung. Meine Kollegin Ross-Luttmann hat sich von der hoch qualifizierten Arbeit in Holle vor kurzem persönlich überzeugt.

Viertens. Darüber hinaus wurde der Landesfachbeirat Psychiatrie beauftragt, bis zum Herbst dieses Jahres für Niedersachsen ein zukunftsfähiges Konzept für ein abgestuftes flächendeckendes System der Versorgung und Unterstützung von Menschen mit demenziellen Erkrankungen zu entwickeln. Ich erwarte hier wichtige Hinweise auf weitere erforderliche Schritte sowohl im Bereich der ambulanten als auch der stationären Versorgung und Pflege.

Meine Damen und Herren, das Land Niedersachsen wird sich auch im Rahmen der Reform der Pflegeversicherung für die besonderen Bedürfnisse und Belange demenziell erkrankter Menschen einsetzen, z. B. dafür, dass demenzielle Erkrankungen zukünftig stärker bei der Einstufung in die Pflegeversicherung berücksichtigt werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer mit demenziell Erkrankten zu tun hatte oder hat, weiß, dass es erhebliche Schwierigkeiten gibt, für sie eine angemessene Pflegestufe zu bekommen. Bei der bevorstehenden Reform der Pflegeversicherung ist die Bundesregierung daher aufgefordert, einen Anspruch auf Pflegezeit zu prüfen.

Diese Aufforderung der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister aus dem November letzten Jahres findet die volle Unterstützung dieser Landesregierung; denn heute werden etwa 70 % der Demenzerkrankten in Privathaushalten gepflegt. Sie alle wissen, dass zu 80 % Frauen diese Pflege leisten. Gleichzeitig sind viele dieser Frauen aber gezwungen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Als Folge davon befinden sich die Pflegenden häufig in einer andauernden Überforderungssituation oder stehen vor der schweren Entscheidung, sich entweder für die Pflege eines Angehörigen oder für den Beruf zu entscheiden. So etwas ist nicht hinnehmbar.

Mit der Einführung einer Pflegezeit erhalten pflegende Angehörige, die ihre Erwerbstätigkeit zugunsten der häuslichen Pflegetätigkeit unterbrechen, wie bei der Elternzeit eine Rückkehrgarantie in den Beruf. Wir müssen bei der möglichen Einführung einer Pflegezeit aber natürlich darauf achten, dass sie sich insbesondere für Frauen letztlich nicht als ein weiteres Einstellungs- und Aufstiegshemmnis erweist.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Daher ist auch zu prüfen, wie die sozialversicherungsrechtliche Absicherung und damit eine existenzsichernde Zukunft vor allem der pflegenden Frauen gelingen kann.

Meine Damen und Herren, Pflegebedürftige werden vielfach professionell, oft aber auch von nahen Angehörigen versorgt. Ihnen allen, sowohl den Professionellen als auch den Angehörigen, gehört unser Dank für ihre Einsatzbereitschaft bei dieser Aufgabe. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - David McAllister [CDU]: Ausgezeich- net, Herr Sozialminister Möllring!)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Daher kommen wir zur Abstimmung.

Wer der Nr. 1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3016 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Das Erste war die Mehrheit.

Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen will und damit den Antrag der Fraktionen von CDU und FDP in der Drucksache 3021 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Das ist einstimmig so entschieden worden.

Ich rufe jetzt auf

Tagesordnungspunkt 34: Einzige (abschließende) Beratung: Niedersächsischer Anti-Doping-Aktionsplan für einen sauberen Sport - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/3204 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 15/3598

Die Beschlussempfehlung lautet: Annahme in geänderter Fassung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Die Fraktionen sind übereingekommen, über diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache abzustimmen.