lehrreich, wenn auch nicht neu. Aber wir reden heute darüber, was passiert, wenn ein Gericht nach einem strafrechtlichen Verfahren eine Sanktion verhängt hat, und wie diese Sanktion, wenn sie in einer Freiheitsstrafe besteht, in unseren Vollzugsanstalten vollzogen werden soll. Insofern habe ich den Anfang Ihrer Ausführungen nicht recht verstanden.
Ich kann mich auch der Diskussion, ob ein Gesetz, zwei, drei oder vier Gesetze auf den Weg gebracht werden sollten, nicht anschließen. Frau Müller, ich möchte darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht nicht gesagt hat, dass ein eigenständiges Gesetz für den Jugendstrafvollzug erforderlich ist, sondern das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass eigenständige Regelungen für den Jugendstrafvollzug erforderlich sind. Die Frage, ob es ein Gesetz, zwei oder drei Gesetze sein sollen, ist eine rechtstechnische Frage, hat aber mit den
- Einverstanden. Aber es klingt immer etwas nach dem Motto: Sie halten sich nicht an die Verfassung, wenn Sie das in einem Gesetz regeln. - Das muss ich deutlich zurückweisen.
Meine Damen und Herren, ich will deutlich aussprechen - meine Vorredner sind kaum darauf eingegangen -: Wir wollen in der Tat - das prägt auch diesen Gesetzentwurf -, dass neben der Resozialisierung die Sicherheit der Bevölkerung als eines von zwei Vollzugszielen im Gesetz verankert wird. Das ist für uns mehr als Gesetzeslyrik. Denn wir gehen davon aus, dass dieser Umstand durchaus Auswirkungen auf den Alltag im Strafvollzug und auch auf zukünftige Entscheidungen in Strafhaftsachen haben kann und wird.
Ich will das in einen etwas größeren Zusammenhang stellen: Wir halten die Sicherheit der Bevölkerung für extrem wichtig. Der Vollzug ist für uns dabei ein Glied in einer ganzen Kette von Maßnahmen:
Erstens. Effektive und schnelle Ermittlung des Täters. Deshalb haben wir die Polizei personell verstärkt und die Polizeiarbeit reformiert.
Zweitens. Ein zügiges Strafverfahren durch die Gerichte. Deshalb haben wir Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet und die Strafgerichte in Niedersachsen personell verstärkt.
Drittens. Nach einer Verurteilung baldiger Strafantritt. Deshalb wurden zusätzliche Vollzugseinrichtungen auch schon von der Vorgängerregierung geschaffen. Ein weiteres PPP-Projekt, das wir im Gegensatz zur Opposition außerordentlich begrüßen, ist in Bremervörde geplant. Nur deshalb wollen wir in bestimmten Situationen, in Ausnahmefällen, eine Mehrfachbelegung zulassen. Das soll nicht die Regel sein, sondern eine Ausnahme unter ganz engen Kriterien.
Viertens. Im Vollzug wollen wir die Unterbringung des Straftäters so geregelt wissen, dass bis zu einer erfolgreichen Resozialisierung des Täters von diesem keine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht.
Deshalb, meine Damen und Herren, wird der geschlossene Vollzug der Regelvollzug sein. Nur derjenige, der aufgrund der Art seiner Straftat, seiner Persönlichkeit bzw. seines bisherigen Verhaltens in der Strafhaft geeignet erscheint, soll in den Genuss des offenen Vollzuges kommen. Das kann durchaus gleich zu Beginn der Strafhaft möglich sein, insbesondere bei kurzen Freiheitsstrafen, sicherlich nicht bei längeren Freiheitsstrafen.
Wir wollen auch der Ordnung im Vollzug einen großen Stellenwert einräumen. Deshalb ist für uns wichtig, dass nur derjenige, der sich freiwillig einem Drogentest unterzieht und damit nachweist, dass er drogenfrei ist, Urlaubs- und Ausgangsmöglichkeiten erhalten soll. Wir wollen - das ist heute Morgen schon einmal angesprochen worden -, dass Daten und Informationen über Gefangene im Rahmen datenschutzrechtlicher Vorgaben länger als bisher aufbewahrt und auch ausgewertet werden können, um so Auskünfte über kriminelle Entwicklungen und ihre Ursachen zu erhalten und für die Allgemeinheit damit einhergehende Risiken besser beurteilen und erkennen zu können.
Moderner Strafvollzug ist natürlich nicht das Wegschließen eines Strafgefangenen, sondern unter dem Stichwort des Chancenvollzuges - das verstehen wir darunter - geben wir jedem Strafgefangenen die Möglichkeit, die Angebote im Vollzug zu nutzen. Wer das auf Dauer nicht tut, der soll auf einen Grundpegel von Versorgungen zurückgefahren werden.
Wichtig für uns ist des Weiteren die durchgängige Betreuung der Strafgefangenen. Der Staat hat die Möglichkeit, in Form von therapeutischen Maßnahmen innerhalb der Strafhaft auf die Strafgefangenen einzuwirken. Nach der Haftentlassung des Straftäters folgen weitere Maßnahmen wie Bewährungshilfe, Führungsaufsicht, es gibt Hilfeeinrichtungen für Strafgefangene. Diese Maßnahmen wollen wir weiter vernetzen.
Ich fasse zusammen: Dieser Gesetzentwurf bedeutet eine ausgewogene Balance zwischen Resozialisierung und Sicherheit. Er ist modern und trägt den Realitäten Rechnung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will nur eine kurze Anmerkung machen. Herr Biester, genau so werden Sie die Vollzugsbedingungen in Niedersachsen deutlich erschweren. Warum akzentuieren Sie in den Vollzugszielen zukünftig die Sicherheit? - Die CDU-geführten Länder haben das ja immer wieder einmal eingefordert, aber das wurde von Strafrechtlern immer wieder abgelehnt, weil die Anstalten damit in einen schwierigen Zielkonflikt gestürzt würden. Denn ein Anstaltsleiter hat dann abzuwägen: Mache ich Resozialisierungspolitik, oder mache ich Sicherheitspolitik?
- Aber doch nicht hinterher! Die Strafgefangenen werden doch irgendwann entlassen. Dann wurden keine Resozialisierungsmaßnahmen durchgeführt, sondern die Leute wurden nur sicher verwahrt. Wenn sie aus dem Gefängnis herauskommen, dann sind sie genauso gefährlich wie vorher. Worin besteht dabei der Sicherheitsgewinn für die Bevölkerung? - Das erschließt sich mir überhaupt nicht. Von den Experten wird immer abgelehnt, die Anstalten in einen Zielkonflikt zu stürzen. Ich sage Ihnen, nehmen Sie davon Abstand! Das ist nicht vernünftig.
Die Sicherheit ist eine Folge des Vollzugs, aber sie kann nicht Ziel des Vollzugs sein. Das haben Sie aber nie verstanden. Deswegen werden wir zu der Anhörung die entsprechenden Leute einladen. Vielleicht werden Sie es dann verstehen.
Herr Kollege Dr. Biester, Sie haben ebenfalls anderthalb Minuten Zeit, um auf Herrn Briese zu antworten.
Ich bin Herrn Briese dankbar dafür, dass er den Unterschied unserer Positionen so deutlich herausgearbeitet hat. Das ist in der Tat der Unterschied. Wir stehen dazu. Das ist von uns politisch gewollt. Wir wollen, dass ein Strafgefangener erst dann wieder auf die Menschen „losgelassen“ wird - auch im Rahmen von Strafvollzugslockerungen -, wenn wir es verantworten können. Wir halten es nicht für einen Akt der Resozialisierung, wenn wir das zu früh tun und damit eine Gefährdung der Öffentlichkeit und der Menschen herbeiführen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute ist ein besonderer Tag für den Strafvollzug in Niedersachsen. Als erstes deutsches Bundesland legt Niedersachsen den Entwurf für ein Landesvollzugsgesetz vor - ein Gesetz, das neben dem allgemeinen Strafvollzug erstmalig auch die Bereiche des Jugendvollzuges und der Untersuchungshaft regelt.
Als erstes Bundesland wird Niedersachsen damit dem Grundgedanken der Erziehung jugendlicher Straftäter in einem Gesetz eine differenzierte Grundlage geben. Als erstes Bundesland erfüllt Niedersachsen so die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts zur Regelung des Jugendvollzuges.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir beraten heute auch einen Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der sich ausschließlich mit dem Jugendvollzug befasst. Leider haben wir während der heutigen Debatte nicht die Zeit, uns mit den Unterschieden der beiden Entwürfe intensiv auseinanderzusetzen. Allein die Frage, ob jugendliche Inhaftierte Anstaltskleidung tragen sollen oder nicht, könnte Gegenstand einer längeren Beratung sein.
Allerdings werden bei den Gesetzentwürfen sehr wohl die entscheidenden Unterschiede zwischen Ihrer und unserer Politik deutlich. Für uns ist das christliche Menschenbild das Maß der Dinge. Jeder Mensch hat eine eigene Würde - ganz gleich, welche Schuld er auf sich geladen hat. Ziel unseres Gesetzentwurf ist es daher, jedem jugendlichen Inhaftierten die Chance zu geben, sein Leben zukünftig straffrei zu gestalten. Niemand darf aufgegeben werden.
Nach christlichem Verständnis ist der Mensch allerdings selbst für sein Handeln verantwortlich. Wir dürfen daher gerade von jugendlichen Inhaftierten erwarten, dass sie sich anstrengen. Wir dürfen erwarten, dass sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten an ihrer Resozialisierung mitarbeiten. Wer nicht einmal dazu bereit ist, muss auch in einem Gefängnis erleben, dass sein Verhalten Konsequenzen hat.
Im Gesetzentwurf der Landesregierung steht daher ganz bewusst im Vierten Teil, in dem der Jugendvollzug geregelt ist, in § 112 Abs. 2:
Nach ihren Vorstellungen hat nicht der einzelne Mensch, sondern die Gesellschaft versagt, wenn eines ihrer Elemente strafbar geworden ist. Sie wollen sich durch dieses Gesetz quasi beim Inhaftierten entschuldigen, weil Sie gezwungen sind, ihm die Freiheit zu entziehen. Daher formulieren Sie:
Ich sehe in diesem Politikansatz allerdings eine große Gefahr. Sie würden ein fatales Signal setzen, wenn Sie jenen Jugendlichen, die die geringste Mitarbeitsbereitschaft zeigen, die meiste Aufmerksamkeit widmeten und jene belohnten, die sich nicht anstrengen. Mit Ihrem Ansatz heben Sie die falschen Vorbilder auf ein Podest und gefährden damit die erfolgreiche Resozialisierung aller. Mit der Welt außerhalb der Haftanstalten hätte das
Meine Damen und Herren, neben den Grünen gibt es in diesem Haus eine weitere Oppositionspartei. Das sage ich Ihnen, weil man es im Bereich des Strafvollzuges schnell übersehen kann. Nachdem der Deutsche Bundestag und der Bundesrat mit den Stimmen der SPD die Gesetzgebungszuständigkeit für den Strafvollzug auf die Länder übertragen haben, hat die niedersächsische SPD noch Monate damit zugebracht, zu erklären, sie wolle sich damit nicht beschäftigen. Das gipfelte in der Verzweiflungstat, einen Referentenentwurf des Bundes ungeprüft und unverändert als Gesetzentwurf in diesen Landtag einzubringen. Ansonsten wartete die SPD seelenruhig ab, bis das niedersächsische Justizministerium seine Fleißarbeit erledigt hatte - allerdings nicht, ohne ständig, so auch heute, dazwischenzurufen, man möge bitte nicht so schnell arbeiten.
Nachdem der Entwurf des Ministeriums in die Anhörung gegangen war, wartete die SPD, bis das Ministerium die Veränderungen zur bisherigen Gesetzeslage aufgeschrieben hatte, um dann reflexartig zu erklären, jede Veränderung zum Bundesrecht sei falsch. Das war schon sehr peinlich. Eines ist allerdings klar: Wer sich so wenig konstruktiv beteiligt, kann nur noch durch überzogene Kritik und unfaire Angriffe auf die Ministerin auffallen.
Sie tun mir leid, wenn Ihnen zu diesem Thema nichts Besseres einfällt. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.