Protocol of the Session on January 26, 2007

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich verstehe die Überheblichkeit auf der rechten Seite des Hauses nicht, weil anscheinend völlig ausgeblendet wird - egal, für welches Schulsystem man sich entscheidet -, dass die demografische Entwicklung jedes Schulsystem unter Druck bringen wird.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das hat er doch gesagt!)

Herr Busemann, die entscheidende Frage ist doch: Mit welchem dieser Systeme können die kommunale Seite und die Landesseite so zurechtkommen, dass das Ziel, das wir alle zur Überwindung der PISA-Schwierigkeiten gemeinsam erreichen wollen, wirklich erreicht wird?

Herr Wiese, dazu reicht es nicht aus, irgendwelche polemischen Fragen zu stellen. In meinem Landkreis ist es so, dass durch den Wegfall der Orientierungsstufe die Schülerbeförderungskosten angestiegen sind. Wenn die Schülerzahlen zurückgehen, dann ist sowohl das gegliederte als auch das gemeinsame Schulsystem davon abhängig, dass man Schulstandorte findet, an denen die erforderlichen Kinderzahlen einigermaßen erreicht werden. Deswegen habe ich doch ein Problem damit, Herr Busemann, dass Sie uns auf die Frage 3 nicht geantwortet haben; denn es stellt sich ja heraus, dass der Innenminister am Beispiel Lüchow-Dannenberg - und es gibt weitere Beispiele, die ich Ihnen jetzt im Zusammenhang mit Haushaltsgenehmigungen nennen könnte

(Reinhold Coenen [CDU]: Langsam!)

in der Tat eine andere Linie verfolgt, was die Beibehaltung von Schulstandorten und die Investitionen in diese Schulstandorte angeht, - -

Herr Kollege, Sie müssen jetzt fragen.

- - - als der Kultusminister hier vorgibt.

(Zustimmung bei der SPD - Zurufe von der CDU: Was war denn das?)

Vielen Dank. - Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Möhrmann, der Innenminister hat deutlich gemacht, was seine Zuständigkeit ist und wie er im Lande und in den entsprechenden Städten, Gemeinden und Regionen verfährt. Das muss der Bildungsminister sicherlich nicht kommentieren.

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben deutlich gemacht, wie wir uns in Kenntnis der demografischen Probleme - durch flexible Regelungen usw. - gleichwohl in der Lage sehen, die Schulstandorte im Lande zu erhalten. Da Sie hier die durchaus vernünftige Frage gestellt haben, wie es weitergeht, in welchem System und unter welchen Rahmenbedingungen das Land gemeinsam mit den Schulträgern Schulstandorte erhalten kann, wie also die Dinge bei allen Schwierigkeiten vernünftig geordnet werden können, will ich Ihnen sagen: Sie müssen sich entscheiden, ob Sie Wolkenkuckucksheime verkaufen, die Sie offenbar erst nach der Wahl erklären wollen, oder ob Sie einen klaren Weg beschreiben können.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das ist un- erträglich!)

Ich sage dem Finanzpolitiker Möhrmann, der ja auch kommunale Verantwortung trägt und sozusagen für beide Ebenen rechnen kann: Wir haben wieder einmal übereinander gelegt, was eigentlich wäre, wenn die 474 Standorte von Herrn Jüttner - Presseerklärung der Sozialdemokraten vom November - tatsächlich aufgegeben würden, zum Teil aus demografischen Gründen, aus kommunalpolitischen Gründen oder eben aus dem Grunde, weil die tolle gemeinsame Schule eingeführt werden soll. Sie gehen ja geradezu aggressiv hierhin und sagen: Dann schließen wir die Förderschulen. - Ich werde heute noch nicht damit fertig, wie dreist Sie seit November oder auch schon seit einiger Zeit davor fordern, die Förderschulen zu schließen, weil das alles nicht mehr ins System passt usw.

Aber tun wir einmal so, als würden die 474 von Ihnen problematisierten Standorte im Zuge der gemeinsamen Schule einkassiert. Was bedeutet das für die kommunale Ebene?

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das sind Ih- re Planungen, nicht unsere!)

- Irgendwo muss ich Sie ja ein bisschen ernst nehmen und mich darauf einstellen. Ich werde hier ja auch gefragt. Dann sagen Sie wieder, der Minister ist nicht informiert, wenn Sie hier sozusagen Ihr eigenes Programm abfragen.

Da hier viele Kommunalpolitiker im Plenarsaal sind, will ich das einmal durchspielen. Wenn 474 Standorte aufgegeben würden, müssten letztlich 4 500 Klassenräume an den anderen, in der Regel zentralen Standorten neu errichtet werden.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie geben sie auf! Wir wollen sie nicht aufge- ben!)

- Wie wollen Sie es denn machen? - Das geht doch gar nicht. Es ist doch die Quadratur des Kreises, wenn Sie es uns so verkaufen, als könnte die gemeinsame Schule standorterhaltende Wirkung haben. Wie soll das denn gehen?

Ich will auf Folgendes hinweisen: Es entstünden Baukosten für die kommunalen Träger in Höhe von 900 Millionen Euro nur für die Klassenräume. Nehmen wir Fach-, Verwaltungs-, Sanierungsräume usw. entsprechend dazu, dann kommen nach der jetzigen Rechtslage auf die Kommunen Baukosten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu. Dann sagen die Kommunen mit Recht: Freunde im Landtag, ihr habt doch erst vor ein, zwei Jahren die Anwendung des Konnexitätsprinzips beschlossen. Liebe Landesregierung, Herr Jüttner, schicken Sie einmal 1,5 Milliarden rüber, damit wir für die gemeinsame Schule die entsprechenden Räumlichkeiten bauen können.

Wenn man das zusammenrechnet - von mir aus bei allem Wohlwollen, indem wir sagen: tolle Schule, Superschule, Schule, mit der alle zufrieden sind -, den Mehrbedarf - ich habe vorhin von 3 400 zusätzlichen Lehrern gesprochen - von 6 000 zusätzlichen Lehrern - und auch den Baubedarf berücksichtigt, dann kommen wir auf Kosten von jährlich 2 Milliarden Euro. Die Lehrerkosten haben wir jährlich an der Backe. Der Beweis, dass es besser wird, ist nicht geführt. Aber eines ist klar: Wir wären wieder bei 2002, bei Ministerpräsident Gabriel und Finanzminister Aller angekommen: Niedersachsen wäre pleite.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Poppe stellt seine letzte Zusatzfrage.

(Claus Peter Poppe [SPD]: Ich ziehe zurück!)

- Er zieht zurück. - Dann kommt der Kollege Klare dran.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Jüttner, ich bin durch Ihren Beitrag angeregt worden, eine Frage zu stellen, damit noch einmal deutlich wird, was eine Einheitsschule bewirkt.

(Uwe Harden [SPD]: Das ist Einheits- quatsch, was da vorne erzählt wird!)

Es werden nicht nur Hauptschulen dichtgemacht, sondern es werden Realschulen, Förderschulen und Gymnasien zugunsten einer Einheitsschule dichtgemacht;

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Sie bauen auf die grüne Wiese! Deshalb kostet das Geld!)

denn Sie werden aufgrund der demografischen Entwicklung kein Nebeneinander von gegliedertem Schulsystem und integriertem Schulsystem haben können.

(Zustimmung bei der CDU)

Das heißt, Sie machen Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Sonderschulen in der Fläche platt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Und alle in eine Schule nach Hannover!)

Vor diesem Hintergrund würde ich den Minister gerne fragen, ob es schon Informationen, Hinweise oder einen Überblick darüber gibt, wie die Elternschaften von Realschulen und Gymnasien, die sich für ihre Schule besonders einsetzen, sich mit ihren Schulen identifizieren, über das Einheitsschulmodell der SPD reden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: War das eine Frage? - Zuruf von Uwe Harden [SPD] - Unruhe bei der CDU)

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Harden, wir haben es doch gleich!

(Uwe Harden [SPD]: Das ist doch völ- lig absurd!)

Ich will noch einmal klarmachen: Gemeinsame Schule kann gegenüber dem, was wir jetzt haben, eigentlich keine standorterhaltende Wirkung entfalten. Ich habe letztes Jahr einmal ein Beispiel genannt, das Sie irgendwie missverstanden haben oder irgendwie missverstehen wollten. Nehmen wir eine Gemeinde mit 2 500 oder 3 000 Einwohnern, die eine Haupt- und Realschule hat. Diese erklären Sie für gefährdet und sagen: Jetzt kriegt ihr eine gemeinsame Schule. - Dann würde man meinen, dieser Standort bekäme bei Umsetzung Ihres Vorschlags das Förderschulangebot bis zum Gymnasialangebot entsprechend hinzu. Das geht doch einfach gar nicht. Das meinen Sie auch gar nicht. Ihr Angebot für eine Einheitsschule beruht darauf, dass Sie letztlich sagen: Wir konzentrieren an Standorten. - Da haben wir im Grunde genommen die von Ihnen im Rahmen der Förderschuldiskussion angeführte Messlatte der Vierzügigkeit zugrunde zu legen. Das wäre in sich sogar sinnhaft, wenn Ihr Modell richtig wäre. Das heißt aber: weniger Standorte, raus aus der Fläche. Das hat Auswirkungen auf die Schülerbeförderung und all das, was da zusammenkommt.

Man ist ja auch selbst interessiert, welche Begeisterung denn so ein Konzept der größten Oppositionspartei im Lande auslöst. Ich habe am Mittwoch schon aus ein paar Kommunalparlamenten zitiert, in denen gesagt worden ist: Das ist eine unmögliche Diskussion. Wir erhalten unsere Standorte. Wir verstehen das gar nicht.

Ich muss ehrlich sagen: Man mag ja manchmal auch Wahrnehmungsdefizite haben. Aber dass im Realschul- oder Gymnasialbereich oder überhaupt im Schulbereich, in der Wirtschaft oder in den Lehrerverbänden - vielleicht bis auf einen - so eine gewaltige Sehnsucht nach Ihrer gemeinsamen Schule mit all den Folgen wäre, das kann ich nicht erkennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Christa Elsner-Solar [SPD]: Die Ant- wort auf Frage 3 ist immer noch nicht gekommen! - Gegenruf von Bernd Althusmann [CDU]: Die müsstet ihr doch wissen; es ist euer Konzept!)

Herr Kollege Albrecht hat eine Zusatzfrage.

(Joachim Albrecht [CDU]: Die Frage, die ich stellen wollte, ist schon im Zu- sammenhang mit der Frage des Kol- legen Möhrmann beantwortet wor- den!)

- Vielen Dank. - Dann stellt der Kollege Dehde seine letzte Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit nicht wieder eine Frage beantwortet wird, die hier niemand gestellt hat, sage ich: Nehmen wir einmal an, dieser Minister könnte seine unsägliche Politik gegen den ländlichen Raum, Herr Busemann, fortsetzen.

(Zustimmung bei der SPD - Wider- spruch bei der CDU)

Dann würde ich gerne wissen, ob denn das Menschenmögliche des Innenministers, das Sie hier beschrieben haben, darin besteht, dass er durch seine Zielvereinbarungen und durch die Gewährung von Bedarfszuweisungen aktiv darauf hinwirkt, dass dringend notwendige Investitionen im ländlichen Raum getätigt werden können. Sie, Herr Minister Schünemann, könnten ja auch aktiv in Zielvereinbarungen das hineinschreiben, was nach Aussagen Ihres Kollegen Busemann menschenmöglich ist.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Minister, bitte sehr!