Protocol of the Session on January 25, 2007

Wir kommen zu

c) Wer gewinnt und wer verliert bei den Plänen des Ministerpräsidenten zur Verankerung eines Flächenfaktors im kommunalen Finanzausgleich? - Anfrage Fraktion der SPD - Drs. 15/3491

Das Wort hat der Kollege Bartling.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 16. Januar 2007 wird unter der Überschrift „Wulff: Mehr Geld für Kreise“ berichtet, dass sich der Ministerpräsident für die Verankerung eines Flächenfaktors im kommunalen Finanzausgleich einsetzt. Er hatte in einer Debatte über Sonderzuschüsse für großflächige Landkreise für eine Verbesserung des kommunalen Finanzausgleichs geworben.

Vor dem Hintergrund der Annahme, dass diesem Engagement des Ministerpräsidenten sorgfältige Modellberechnungen zugrunde liegen dürften, fragen wir die Landesregierung:

1. Welche konkreten Modellberechnungen hat sie über die Verankerung eines Flächenfaktors im kommunalen Finanzausgleich angestellt, wann war dies der Fall, und welche Annahmen bzw. Verteilungsschlüssel wurden dabei jeweils zugrunde gelegt?

2. Welches Ergebnis hatten diese Modellberechnungen, d. h. welche Landkreise und kreisfreien Städte würden in welchem Ausmaß von der Aufnahme eines Flächenfaktors profitieren, bzw. welche würden demgegenüber schlechter gestellt?

3. Welche weiteren Auswirkungen hätte eine derartige Veränderung des Finanzausgleichssystems?

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Innenminister, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der kommunale Finanzausgleich ist und bleibt ein Politikfeld mit besonderer Herausforderung.

(Heiner Bartling [SPD]: Das stimmt! - Wolfgang Jüttner [SPD]: Bisher ist al- les richtig!)

- Ja, ich sage oft etwas, was richtig ist, wenn auch nicht immer.

Die Zuweisungen aus der Masse des kommunalen Finanzausgleichs sind für die Städte, Gemeinden und Landkreise von großer finanzieller Bedeutung.

(Dieter Möhrmann [SPD]: Auch das ist richtig!)

Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass es immer wieder Auseinandersetzungen zum einen um die richtige Höhe der vom Land bereitzustellenden Zuweisungsmasse und zum anderen um die bedarfsgerechte Verteilung der Mittel unter den Kommunen gibt.

Daneben sind die Interessenlagen innerhalb der kommunalen Familie über die richtige Verteilung der Mittel oftmals vollkommen unterschiedlich. Städte, Gemeinden und Landkreise konkurrieren untereinander. So ist in den vergangenen 15 Jahren inzwischen viermal der Niedersächsische Staatsgerichtshof wegen des kommunalen Finanzausgleichs angerufen worden, wobei die letzte Entscheidung zur Höhe der Zuweisungsmasse noch aussteht.

In seinem Urteil vom 16. Mai 2001 hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof bestätigt, dass der kommunale Finanzausgleich mit der Niedersächsischen Verfassung vereinbar ist. Dabei verpflichtet der Staatsgerichtshof den Gesetzgeber, sich bei der Gestaltung des kommunalen Finanzausgleichs kontinuierlich der Richtigkeit der von ihm zugrunde gelegten Prämissen zu vergewissern und gegebenenfalls neuen finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen. Der Staatsgerichtshof weist ausdrücklich darauf hin, dass dies u. a. auch für flächenbezogenen Bedarfsindikatoren bei den

Kreisaufgaben und für die Istausgaben bei der Ermittlung der Sozialhilfelasten gilt. Damit ist eine strikte Ausgaben-Aufgaben-Korrelation zu beachten.

Die Berücksichtigung flächenbezogener Bedarfsindikatoren wird deshalb im Rahmen von komplizierten und aufwendigen Berechnungen fortlaufend umfassend untersucht. Es wird in diesem Zusammenhang auch untersucht, ob es stark ballungsraumbezogene Aufgaben gibt und inwieweit sich eine Berücksichtigung solcher Bereiche im kommunalen Finanzausgleich und eine gleichzeitige Berücksichtigung von flächenbezogenen Aufgaben gegeneinander aufheben würden.

Aktuelle Auswertungen lassen diesbezüglich noch kein sicheres Ergebnis zu. Weitere Erkenntnisse werden die voraussichtlich im März 2007 vorliegenden Ergebnisse der kommunalen Jahresrechnungsstatistik 2005 bringen, da erst dann an neuere Zahlen aus den Jahresrechnungen der Kommunen angeknüpft werden kann.

Vor diesem Hintergrund ist die zurzeit geführte öffentliche Diskussion über die Berücksichtigung von Flächenfaktoren im kommunalen Finanzausgleich zu sehen. Diese Diskussion wird sicherlich fortgesetzt werden. Eine Entscheidung in der Angelegenheit wird voraussichtlich aber nicht vor Ende März dieses Jahres, nach Vorlage der finanzstatistischen Ergebnisse für das Jahr 2005 und anschließender Erstellung entsprechender Modellberechnungen, möglich sein.

Zeitungsberichte, nach denen sich die Landesregierung und an der Spitze der Ministerpräsident bereits auf einen Flächenfaktor festgelegt hatten, sind demnach schlicht falsch. Wer den Ministerpräsident kennt, weiß, dass er ein Anhänger von Abraham Lincoln ist, der einmal sinngemäß sagte, die Henne fange erst an zu gackern, wenn das Ei gelegt ist. Insofern kann es hier überhaupt noch nicht zu einer Festlegung gekommen sein.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielmehr, meine Damen und Herren, wird die Landesregierung Anfang Februar einen Gesetzentwurf einbringen, der die Auswirkungen der Hartz-IVGesetzgebung zum Inhalt hat. Wir werden dann, wie es üblich ist, auch die Modellberechnungen vorlegen; das ist keine Frage.

Meine Damen und Herren, Sie können versichert sein, dass die Landesregierung alles Machbare

dafür tun wird, um die Handlungsfähigkeit für die niedersächsischen Kommunen weiterhin zu gewährleisten und, wenn möglich, auch noch zu verbessern. So sind in den vergangenen Jahren bereits etliche Maßnahmen umgesetzt worden. Ich glaube, der größte Erfolg war, dass wir uns im Bundesrat mit der Absenkung der Gewerbesteuerumlage von 28 auf 20 % durchgesetzt haben. Dies bedeutet rund 200 Millionen Euro mehr für die niedersächsischen Kommunen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn Sie sich ansehen, was ansonsten bei Hartz IV gerade durch die Intervention des Ministerpräsidenten bei der Wohngelderstattung erreicht worden ist - Sie erinnern sich sicherlich daran, dass Steinbrück fast gar nichts mehr zur Verfügung stellen wollte -, dann werden Sie feststellen, dass hier viel erreicht wurde. Des Weiteren erinnere ich an die Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Verfassung sowie an das Modellkommunengesetz, um hier nur noch wenige Punkte anzuführen.

Bei allen weiteren Untersuchungen und sich anschließenden Entscheidungen bleibt oberstes Ziel, die Verfassungskonformität des niedersächsischen Finanzausgleichs weiterhin sicherzustellen. Aufgaben- und Ausgabengerechtigkeit müssen nachweisbar beibehalten werden. An diesen Vorgaben muss sich das weitere Vorgehen messen lassen. Sollte sich dabei herausstellen, dass gewichtige rechtliche Argumente dagegen sprechen, einen Flächenfaktor in das Finanzausgleichssystem zu integrieren, darf dies nicht den Weg dafür versperren, außerhalb des genannten Systems eine finanzielle Förderung der Fläche vorzunehmen, wenn dies aus anderen gewichtigen Gründen als zweckmäßig und gerecht erscheint.

Meine Damen und Herren, unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen bitte ich um Verständnis, dass ich zu den ersten, nur die weitere Entscheidungsfindung betreffenden internen Berechnungen keine Detailausführungen machen kann. Nach meinen bisherigen Ausführungen erübrigt sich eine Beantwortung der Fragen 1 bis 3. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Wenzel, bitte schön!

Herr Minister, in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung wurde vorgestern in einem Artikel ausgeführt, dass die Einführung eines Flächenfaktors in den kommunalen Finanzausgleich für die Landesregierung ein sehr diffiziles politisches Problem darstellt, weil es auf der einen Seite Verlierer und auf der anderen Seite Gewinner geben würde. Die Regierung hat hier das Sonderprogramm für den ländlichen Raum ins Spiel gebracht, was in diesem Presseartikel ebenfalls erwähnt wurde.

Meine Frage: Wie beurteilt die Landesregierung die mögliche Einführung eines solchen Sonderprogramms für den ländlichen Raum insbesondere vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags der sie tragenden Fraktionen? Darin wird nämlich ausgeführt: „Kommunale Förderprogramme sollen grundsätzlich in den kommunalen Finanzausgleich integriert werden.“

Vielen Dank. - Herr Minister!

Meine Damen und Herren, die Förderung des ländlichen Raumes ist der Landesregierung seit ihrem Amtsantritt

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Eine Her- zensangelegenheit!)

- Herr Jüttner, Sie haben recht - eine Herzensangelegenheit. Deshalb bestimmt sie auch von Anfang an unser Regierungshandeln. - Noch einmal vielen Dank für dieses Stichwort, Herr Jüttner.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Ich hatte es schon erahnt!)

Ich halte das auch insgesamt für sinnvoll. Der Minister für den ländlichen Raum hat die Programme gerade dargestellt.

In der Beantwortung der Dringlichen Anfrage habe ich eben dargelegt, dass man, wenn man über die Förderung der Fläche nachdenkt, einen finanzwissenschaftlichen Nachweis führen muss. Man muss die besonderen Belastungen in der Fläche zu den besonderen Belastungen in den Ballungsgebieten ins Verhältnis setzen. Das haben wir in den vergangenen Jahren immer getan. Dabei ist deutlich

geworden, dass die Ballungsgebiete z. B. immer besonders durch die Jugendhilfe belastet wurden. Die letzte Berechnung zeigt allerdings, dass die Jugendhilfe mittlerweile auch die Fläche belastet. Da wir noch nicht wissen, ob sich hier ein Trend abzeichnet, müssen wir die Berechnungen abwarten, die im März vorliegen werden.

Die Förderung des ländlichen Raums ist also die eine Angelegenheit. Sie ist in dem Programm auf den Weg gebracht worden. Die andere Angelegenheit ist der kommunale Finanzausgleich, der nach den Urteilen des Staatsgerichtshofs finanzwissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung zu tragen hat. Deshalb sollten wir diese Berechnungen abwarten. Aber die Förderung des ländlichen Raums ist uns nun wirklich eine Herzensangelegenheit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Herr Kollege Möhrmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierungskoalition hat sich ja seit langem auf die Fahnen geschrieben, für die Fläche etwas zu tun.

(Zustimmung von Hans-Christian Bi- allas [CDU] - Zuruf von der CDU: Sie setzt es auch noch um!)

Dabei ging es immer um den Flächenfaktor.

Es ist schon einigermaßen verwunderlich, dass nach der ganztätigen Klausur einer Regierungsfraktion, die angesetzt wurde, um über den kommunalen Finanzausgleich eine Entscheidung herbeizuführen,

(David McAllister [CDU]: Das ist falsch! - Reinhold Hilbers [CDU]: Mal wieder falsch informiert!)

anscheinend jeder ohne jegliche Grundlage vor sich her reden und seine Erfahrungen, was Fläche und was Ballungsraum angeht, zum Besten geben darf.