Protocol of the Session on January 24, 2007

Ich lasse über die Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zu den Eingaben abstimmen, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen. Wer ihnen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, die Tagesordnungspunkte 4 und 5 rufe ich vereinbarungsgemäß zusammen auf:

Tagesordnungspunkt 4: Zweite Beratung: Einsetzung einer Enquete-Kommission „Schaffung zukunftssicherer Kommunen in Niedersachsen“ - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/3192 - Beschlussempfehlung des Ältestenrates Drs. 15/3414

und

Tagesordnungspunkt 5: Erste Beratung: Förderung und Intensivierung der interkommunalen Zusammenarbeit in Niedersachsen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/3476

Die Beschlussempfehlung des Ältestenrates zu Drucksache 3192 lautet auf Ablehnung.

Der Abgeordnete Professor Dr. Lennartz von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eine ungewöhnliche Vorgehensweise - sie macht mir aber nichts aus -, dass ich sozusagen als nicht Einbringender das erste Wort habe.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das stimmt nicht! Sie sind Einbringender bei der Vorlage, die zur zweiten Be- ratung ansteht!)

Herr Professor Lennartz, ich habe die Tagesordnungspunkte 4 und 5 aufgerufen. Unter dem Punkt 4 behandeln den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Damit haben Sie zuerst das Wort. Unter dem Punkt 5 behandeln wir den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP; zu diesem Punkt haben dann Redner der beiden genannten Fraktionen das Wort.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Ist die Uhr angehalten?)

Die Uhr läuft im Augenblick weiter. Ich will jetzt erneut starten und mich dabei zunächst auf den Antrag von CDU und FDP beziehen.

Gegen interkommunale Zusammenarbeit ist nichts einzuwenden, aber gegen Ihren Antrag schon; denn er ist nach meiner Auffassung nicht auf der Höhe der Zeit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Sie sagen, der Landtag solle feststellen, dass interkommunale Zusammenarbeit den Erhalt der kommunalen Selbstverwaltung sichert. Das ist keine Begründung; das ist eine unbegründete Behauptung. Beispiele - so sagen Sie - gäben die seit Jahrzehnten erfolgreich praktizierten Projekte der Zusammenarbeit. Damit fallen Sie nach meinem Verständnis Ihrem Innenminister in den Rücken. Denn warum macht die Landesregierung interkommunale Zusammenarbeit zu einem neuen Schwerpunkt, wenn sie doch, wie Sie es darstellen, seit Jahrzehnten praktiziert wird, also ein alter Hut ist?

Tatsächlich gibt es auch nach unserer Auffassung auf diesem Feld in Niedersachsen in letzter Zeit eine neue Qualität. Ich verweise auf das Gutachten von Hesse und Götz, das in Ihrem Antrag auch erwähnt wird. Mit dem Titel des Gutachtens „Kooperation statt Fusion?“ ist vermeintlich die Alternative formuliert: Gebietsreform und Funktionalreform versus Ausschöpfung immanenter Einsparpotenziale.

Meine Damen und Herren, Sie fordern die Landesregierung auf, fachgesetzliche Regelungen des Landes für interkommunale Zusammenarbeit gängig zu machen. Sie fordern darüber hinaus, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass interkommunale Zusammenarbeit nicht dem Vergaberecht unterliegt. Aus unserer Sicht sind das eigentliche Problem die EU-Vorgaben zur Wettbewerbsneutralität, nach denen es keine steuerliche Bevorzugung öffentlicher gegenüber privaten Unternehmen geben darf. Ähnlich ist übrigens auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Das zentrale Problem sind nicht die Punkte, die Sie genannt haben, sondern das, was ich gerade genannt habe.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn diese EU-Probleme nicht gelöst werden, dann werden die kalkulierten wirtschaftlichen Effekte, nach Auffassung des Innenministeriums in einem Umfang von 15 bis 20 %, nach Auffassung von Professor Hesse in einem Umfang von 5 bis 15 %, komplett aufgehoben werden. Das heißt, die Einsparpotenziale, die Sie sich versprechen, würden in diesem Umfang komplett verloren gehen.

Meine Damen und Herren, unser Antrag zielt auf Vorarbeiten für eine Neuordnung der Aufgaben und der Zahl der Landkreise als zweite Stufe der Verwaltungsreform nach Abschaffung der Bezirksregierungen. Im November hat der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Dr. Hubert Meyer, in der Zeitschrift Die öffentliche Verwaltung einen Artikel zur Regionalkreisbildung publiziert und sich kritisch mit Mecklenburg-Vorpommern und den dortigen Plänen auseinandergesetzt. Juristisch entscheidend für die Zulässigkeit von Regionalkreisen ist die Frage, ob in diesen noch kommunale Selbstverwaltung identitätsstiftender Art stattfinden könne. Meyer weist darauf hin, dass beispielsweise in der Region Hannover nicht mehr, sondern weniger Aufgaben als in herkömmlichen Landkreisen in Niedersachsen wahrgenommen werden. Warum? - Weil die Gemeinden innerhalb der Region mehr Aufgaben übernommen haben, als das vorher üblich war.

Das ist - unabhängig von der Frage, ob man die Region Hannover als Maßstab nimmt - der Beleg dafür, dass sehr wohl auch in Regionalkreisen identitätsstiftende kommunale Selbstverwaltung stattfindet. Von daher geht es nur noch um die Frage: Ist die Gebietsreform politisch gewollt und in der Sache sinnvoll? - Wir sind der Auffassung - das wissen Sie -, dass sie in der Sache sinnvoll ist. Über den Weg dorthin kann man streiten, aber man sollte nach meinem Verständnis nicht das tun, was Sie machen, nämlich zu sagen: Das ist ein Tabuthema für uns, für uns gibt es nur interkommunale Zusammenarbeit.

(Glocke des Präsidenten)

Ich empfehle Ihnen - damit komme ich zum Schluss -, sich noch einmal das Gutachten von Professor Hesse anzuschauen, und zwar konkret zumindest die Seite 136. Dort empfiehlt Herr Professor Hesse, ein finanzielles Anreizsystem für die interkommunale Zusammenarbeit aufzulegen, aber auch dieses um die Perspektive von Zusammenschlüssen ganzer Gebietskörperschaften zu ergänzen. Denn - so Hesse weiter - dafür sprechen

die im Vergleich größtmöglichen Synergieeffekte, da dauerhafte Kooperationskosten entfallen und sich maximale Einsparpotenziale zeitnah und nicht in Abhängigkeit von Kooperationsgesprächen und -vereinbarungen realisieren lassen.

Sie haben Herrn Hesse beauftragt. Das war eine gute Entscheidung. Jetzt sollten Sie auch auf ihn hören. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Hiebing das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die vom Niedersächsischen Landtag eingesetzte Enquete-Kommission „Demografischer Wandel - Herausforderung an ein zukunftsfähiges Niedersachsen“ hat sich bisher sehr intensiv mit verschiedenen, sehr komplexen Fragestellungen der Folgen der demografische Entwicklung auf allen Ebenen auseinandergesetzt. Ich bin mir sicher, dass das noch zu vielfältigen Konsequenzen führen wird - aber ich sage auch deutlich: hoffentlich zu den richtigen.

Meine Damen und Herren, in dieser EnqueteKommission ist u. a. die Entwicklung in den verschiedenen Regionen Niedersachsens sehr sorgfältig untersucht worden. Wir wissen: Bei aller Vielfalt und Schönheit unseres Landes gibt es auch deutliche Unterschiede. Deshalb bedarf Niedersachsen meines Erachtens einer sehr differenzierten Betrachtung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen, wenn man Ihren Entschließungsantrag liest, kann man sehr schnell zu dem Ergebnis kommen: Sie liebäugeln mit einer Gemeindeund Kreisreform. Sie wollen Regionen. Bei den Damen und Herren der Sozialdemokraten weiß man nur, dass sie zum Teil Sympathie für solche Ideen haben.

(Zuruf von der CDU: Genauso ist es!)

Meine Damen und Herren, ich sage sehr deutlich: Mit dieser Landesregierung und den Koalitionsfraktionen von CDU und FDP ist diese von Ihnen gewollte Veränderung nicht zu machen. Dazu gibt es Alternativen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der SPD: Die Landräte sind schon weiter!)

Ein Jahr vor einer Landtagswahl ist es immer gut, wenn die Wählerinnen und Wähler des Landes wissen, woran sie sind. An Ihrem Antrag, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der Grünen, wird deutlich, was Sie wollen. Die Sozialdemokraten wollen - das habe ich eben gesagt vermutlich etwas Ähnliches. Sie mögen es aber nicht ganz so deutlich sagen.

Meine Damen und Herren, die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen haben eine erfolgreiche Verwaltungsreform auf den Weg gebracht, die die kommunale Ebene gestärkt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Oh, nein!)

Wir haben eine gesamte Verwaltungsebene abgeschafft, nämlich die Bezirksregierungen. Wir haben Verwaltungen verschlankt

(Reinhold Coenen [CDU]: Gott sei Dank!)

und Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagert, und zwar - ich finde, das ist wichtig - inklusive der entsprechenden Mittel. Viele staatliche Aufgaben sind so näher an die Bürgerinnen und Bürger herangebracht worden, also dorthin, wo sie hingehören.

(Zustimmung bei der CDU)

Lassen Sie mich deutlich sagen: Größe allein bringt noch keinen Erfolg und bedeutet auch noch nicht Effizienz im Verwaltungshandeln.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Defizite, die durch eine kommunale Neugliederung behoben werden könnten, gibt es meines Erachtens nicht. Es mag hier und da, insbesondere in dünn besiedelten Gebieten, in strukturschwachen Räumen des früheren Zonenrandgebietes, Bereiche geben, in denen besondere Problemlagen zu verzeichnen sind. Die Klärung dieser Sonderfälle erfordert jedoch nicht

die Einsetzung einer Enquete-Kommission, sondern bedarf individueller Lösungen.

Es ist meines Erachtens falsch, den Herausforderungen im Hinblick auf den demografischen Wandel mit der Zerschlagung von Landkreisen und der Schaffung von Regionen begegnen zu wollen. Im Gegenteil: Angesagt ist eine weitere Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, wo immer das möglich ist. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich erinnere auch daran, dass diese Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen dafür gesorgt haben, dass die für die Kommunen sehr wichtige Konnexität mit großer Landtagsmehrheit in der Landesverfassung verankert worden ist. Sie hatten 13 Jahre lang Gelegenheit, das zu tun, aber Sie haben es nicht geschafft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erinnere auch daran, dass die Gewerbesteuerumlage von 28 Punkten auf 20 Punkte gesenkt worden ist. Sie können jeden Bürgermeister fragen, was das aktuell in seiner Kasse ausmacht. Das sind 200 Millionen Euro für die Kommunen in Niedersachsen. Das und vieles mehr hat diese Landesregierung über den Bundesrat auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)