Glauben Sie denn wirklich, meine Damen und Herren, die Behinderten haben schon vergessen, wie starrköpfig Sie versucht haben, blinde Menschen wieder in die Isolation zu treiben und ihnen das Selbstwertgefühl zu nehmen?
Sie hatten sich nur böse verrechnet. Die Blinden in Niedersachsen haben stellvertretend für alle Behinderten dieser Landesregierung und den sie tragenden Fraktionen schmerzhaft die Grenzen ihrer eiskalten Sozialpolitik aufgezeigt, und das ist auch gut so.
Wir gratulieren auch von dieser Stelle aus dem Landesblindenverband für seinen unermüdlichen Einsatz. Er ist zu Recht vor wenigen Tagen mit dem „Politikaward 2006“ ausgezeichnet worden.
Der nächste Geniestreich gegen Behinderte bahnt sich schon an. Immer noch warten die Behinderten auf das wiederholt angekündigte Behindertengleichstellungsgesetz. Der von der SPD-Regierung eingebrachte Entwurf ging Ihnen damals nicht weit genug. Sie selbst haben auch nach vier Regierungsjahren noch nicht einmal eine Vorlage zustande gebracht. In der vertraulichen Regierungsauflistung der für das nächste Jahr geplanten Gesetzesvorhaben heißt es zum Behindertengleichstellungsgesetz:
„Die eingesetzte Projektgruppe hat Auftrag erhalten, den Gesetzentwurf grundsätzlich zu überarbeiten (Gel- tungsbereich nur für die Landesver- waltung, Verzicht auf alle strittigen Regelungen).“
Meine Damen und Herren, dazu brauchen Sie kein Gesetz; das können Sie auch in der Geschäftsordnung der Landesregierung regeln.
Sie haben Niedersachsen in der Behindertenpolitik bundesweit zum Schlusslicht gemacht und planen gerade den nächsten Wortbruch gegenüber den Behinderten.
Damit das klar ist: Das war nicht allein das Problem von Frau von der Leyen, sondern das ist mit der Unterstützung dieses Ministerpräsidenten geschehen, eines Ministerpräsidenten, der zwar einschmeichelnde Reden hält, aber das Handeln dieser Regierung steht dazu im krassem Widerspruch.
Da schwärmt Herr Wulff beim Paritätischen von den Jugendverbänden als tragende Säule der Jugendarbeit, vom landesweiten „Jahr der Jugend“ und von den Finanzzuschüssen an die Jugendverbände. Leider vergisst er dabei zu erwähnen, dass die Regierung den Trägern der Jugendarbeit in den letzten zwei Jahren 75 % der Mittel weggenommen und den Kinder- und Jugendplan in Höhe von 2,6 Millionen Euro komplett rasiert hat.
Als krönender Abschluss im „Jahr der Jugend“ löst die Regierungskoalition nun das Landesjugendamt und - noch viel schlimmer - den Landesjugendhilfeausschuss auf. An die Stelle des bisher gesetzlich verankerten Landesjugendhilfeausschusses tritt nun ein Beirat, dessen Zusammensetzung, Berufung und Aufgabenstellung völlig vom Wohlwollen der jeweiligen Landesregierung abhängig ist.
Die Gesetzesänderung wird handstreichartig durch das Parlament gepeitscht. Eine Anhörung der betroffenen Verbände wurde abgelehnt. Mir ist schon klar, dass Sie das Licht der Öffentlichkeit scheuen. Zwischenzeitlich liegen mehrere hundert Petitionen von nahezu allen Verbänden der Jugendarbeit vor, die Ihr Täuschungsmanöver eindrucksvoll entlarven. Wenn man dann noch die Forderung des Landkreistages vom 28. November dieses Jahres nach Kommunalisierung der Jugendhilfe dazu
packt, kann sich jeder ausrechnen, welchen Haltbarkeitswert die Aussagen der Ministerin und der Koalition auch in dieser Frage haben werden. Ihre jugendpolitische Geisterfahrt ist jedenfalls noch nicht zu Ende, und für die wachsenden Probleme der Jugendhilfe ist das eine Katastrophe.
In dieses Bild passt auch der Umgang mit dem einstimmigen - ich wiederhole: mit dem einstimmigen - Parlamentsbeschluss zur Stärkung der aktiven Vaterrolle. Auf Nachfrage bei den Haushaltsberatungen, wo der Landtagsbeschluss denn umgesetzt worden sei, die immerhin ehrliche Antwort: nirgends. - Frau Ministerin, so geht das nicht.
Sie mögen zwar die Opposition für lästig halten, aber Parlamentsbeschlüsse sind kein Lottoschein, bei dem man Glück hat, wenn er durch die Regierung zufällig gezogen wird.
Dass der Verkauf der Landeskrankenhäuser genau in dem Moment im Kabinett unter „Verschiedenes“ und ohne Kabinettsvorlage beschlossen wurde, als sich die eigenen Sozialpolitiker in Finnland aufhielten, zeigt einmal mehr eindrucksvoll, welchen Stellenwert die Sozialpolitik in dieser Koalition hat - nämlich gar keinen.
Ich habe gestern gelesen, die Ministerin arbeite geräuschlos. Das kann man bei den Landeskrankenhäusern zumindest nicht behaupten. Erst hat sie mehrfach Tausende von Beschäftigten lautstark auf die Straße gebracht, seitdem allerdings findet Frau Ross-Luttmann zu diesem Thema vorsichtshalber überhaupt nicht mehr statt.
Ich kann das nachvollziehen. Was wurde im Vorfeld nicht alles versprochen? - Transparentes Bieterverfahren, Einbindung der Beschäftigten, 200 privat finanzierte Betten im Maßregelvollzug, kein Verkauf um jeden Preis. Gehalten haben Sie davon nichts.
wurden rein zufällig hochrangige Mitarbeiter von potenziellen Bietern durch die Landeskrankenhäuser geschickt, um den Mitarbeitern die Privatisierung schmackhaft zu machen. Bei der Erarbeitung des Gesetzentwurfs stellt die Staatskanzlei fest, dass zwangseingewiesene Patienten nur durch das Land betreut werden dürfen, was die Privatisierung vollends zur Farce machen würde. Also verschwinden die entsprechenden Paragrafen heimlich aus dem Gesetzentwurf. Nur leider fliegt das auf, und seitdem haben Sie ernsthafte Erklärungsschwierigkeiten.
Und während dem Landtag noch erzählt wird, es sei alles im Zeitplan, bekommen die Mitarbeiter schon am 16. November dieses Jahres einen Brief, aus dem ich zitiere:
„Entgegen der bisherigen Planung wird es im Jahr 2006 noch keine Bekanntgabe der neuen Träger geben. Die Erteilung der Zuschläge an die Bieter erfolgt erst im ersten Quartal 2007, gegebenenfalls sogar noch später, im ersten Halbjahr 2007.“
Wissen Sie eigentlich, Frau Ministerin, welche Hängepartie das für die Beschäftigten bedeutet? Dass Sie vor Ort zwischenzeitlich jeglichen Kredit verspielt haben, finde ich nicht weiter schlimm, aber den Umgang mit den Betroffenen schon.
Die völlig planlose Zusammenführung in Maßregelvollzugszentren führt zu ebenso kritischen wie chaotischen Verhältnissen in einzelnen Häusern. So gibt es z. B. in Moringen 20 Betten für suchtkranke Patientinnen und Patienten. Zwischenzeitlich sind dort bei gleicher Personalausstattung 48 Personen untergebracht, also mehr als doppelt so viele. Moringen ist außerdem die zentrale Aufnahmestelle des Landes für Frauen. Inzwischen ist dort kein einziges Notbett mehr vorhanden. Ich sage Ihnen, Frau Ministerin, Sie bewegen sich auf ganz dünnem Eis, und wehe, wenn es bricht.
Die mangelnde Professionalität und Hilflosigkeit beim Handling dieses Themas durch das Sozialministerium wird mit fortschreitendem Verfahren immer deutlicher. Diese Regierung will einen Verkauf um jeden Preis - ungeachtet der Folgen für
Patientinnen und Patienten und ungeachtet der Folgen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Was für Frau von der Leyen das Blindengeld war, werden für Frau Ross-Luttmann zusehends die Landeskrankenhäuser, nämlich eine gnadenlose Bruchlandung.
Anlässlich des Weltaidstages am 1. Dezember 2006 hat die stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Frau Mundlos vor aufkommender Sorglosigkeit gegenüber Aidsinfektionen in Deutschland gewarnt. Es sei wichtig, gerade junge Menschen über den Virus wieder verstärkt aufzuklären.
Wir teilen diese Einschätzung ausdrücklich. Wir haben jedoch kein Verständnis, dass die CDU/FDP-Regierung die Mittel für die Aidshilfen seit Beginn ihrer Amtszeit um immerhin 543 000 Euro reduziert hat. Ab 2008 plant die Landesregierung ausweislich der mittelfristigen Finanzplanung eine erneute, zusätzliche Kürzung um 25 % bei den Aidshilfen. Dieses Vorhaben wäre das Ende der Aidsprävention in Niedersachsen.
Meine Damen und Herren, mit den Gefahren dieser Krankheit und mit den Betroffenen spielt man nicht. Allein diese Planspiele sind schon verheerend.
Die SPD-Fraktion schlägt in ihrem Haushaltsantrag eine Aufstockung der Mittel um 120 000 Euro auf 1,5 Millionen Euro vor. Ich gehe davon aus, dass die CDU nach der Erklärung von Frau Mundlos diesem Antrag zustimmen wird.
2005 haben diese Regierung und die Mehrheitsfraktionen die gesamten Landesmittel für die stationäre Altenpflege gestrichen, angeblich zur Stärkung der ambulanten Pflege, in Wirklichkeit aus Gründen der Haushaltsersparnis.
Als Ergebnis dieser Politik wurden zwischenzeitlich 12 000 Pflegebedürftige zusätzlich in die Sozialhilfe gedrängt. Sie werden in einigen Landkreisen aus Kostengründen in Mehrbettzimmern untergebracht - ein Lebensabend ohne Privat- und Intimsphäre. Dieses Verfahren lehnen wir nach wie vor entschieden ab.
Nun zeigt der Landespflegebericht aufgrund der demografischen Entwicklung für Niedersachsen dramatisch wachsende Bedarfe sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege und bei alternativen Wohnformen an. Das ist eine gigantische Aufgabe und Herausforderung für die nächsten Jahre.
Wer erwartet hatte, dass das Sozialministerium, beginnend mit dem Haushalt 2007, mit einer Lösungsstrategie darauf reagiert, wird diese vergeblich suchen.