Protocol of the Session on December 6, 2006

Herr Kollege Albrecht, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ist Ihnen bekannt, dass eine der Hauptschulen, die in dieser Liste der SPD als besonders gefährdet dargestellt wird, in der Stadt Hannover liegt und schon vor eineinhalb oder zwei Jahren von der rot-grünen Mehrheit geschlossen worden ist? Das ist SPD-Politik!

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Minister!

Ich habe diese Liste sehr sorgfältig studiert, Herr Kollege. Das ist mir bei dieser Gelegenheit auch aufgefallen. Übrigens ist mir dabei auch aufgefallen, dass die SPD auch den Schulstandort in meinem Heimatort, wo wir seit 30 Jahren ein blühendes Schulzentrum - Haupt- und Realschule - haben, als gefährdet ansieht. Das macht ja doch nachdenklich. 33 Standorte im Emsland, im Osnabrücker Land ist es mit 30 Standorten ähnlich, das zieht sich durchs ganze Land. Sie müssten doch einmal merken, was Ihnen Ihre eigenen kommunalen Fürsten geschrieben haben, z. B. aus Ostfriesland, aus dem Landkreis Leer, aus Emden, aus Aurich: Wir denken gar nicht an Schulschließungen, die in Hannover wissen gar nicht mehr, was in der Fläche los ist. - Sie sind bei diesem Thema also völlig neben der Spur. Ich kann nur sagen: Machen Sie nur weiter so. Das wird für Sie ein Himmelfahrtskommando. Ich freue mich auf den Wahlkampf.

Ich möchte Sie nur auf Folgendes hinweisen, bin aber nicht so ganz sicher, ob ich Ihnen die Zahlen nennen soll. Wenn Herr Jüttner da wäre und die Zahlen verinnerlichen würde, würde er keinen Finanzminister mehr für sein Schattenkabinett finden. Was Sie da anrichten wollen: Sie wollen Schulstandorte zu Hunderten aus der Fläche zurückziehen, müssen - wenn ich nur mit den gefährdeten Schulstandorten Ihrer Liste rechne - 4 500 Klassen an den dann zentralen Standorten neu bauen, was eine knappe Milliarde Euro kostet, Sie müssen die Fachräume, Aulen und was weiß ich nicht alles neu dazubauen, was eine weitere halbe Milliarde Euro kostet. Ich nehme Ihre Papiere ja immer sehr ernst.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Sie werden zwar immer dilettantischer, aber man muss sie halt ernst nehmen. Ich habe also einmal ausgerechnet, was es denn kostet, Ihren schönen Vorschlag - mit Herz, das finden wir alle toll, mit einer Klassenobergrenze von 24 Schülern für ganz Niedersachsen - umzusetzen. Meine Damen und Herren, für den Abend zum Nachdenken oder zum Angst kriegen: Das würde bedeuten, dass Sie nur unter dieser neuen Anforderung weitere 4 657 Klassen brauchen. Das entspricht weiteren 147 000 Lehrerstunden. Das wären 6 000 Vollzeitlehrkräfte.

Dann setzen wir noch eins drauf. Es gibt noch die Frage, die ich Ihnen schon fünfmal gestellt habe,

die Sie aber nicht beantworten - das muss Herr Jüttner ja irgendwann einmal wissen, wenn er auftritt -: Mit welcher Arbeitszeit tritt die Lehrerschaft in dieser gemeinsamen Schule auf? Mit der Arbeitszeit der Lehrer an der Förderschule, an der Hauptschule, am Gymnasium oder an der Realschule?

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Wir haben einfach einmal gesagt - damit wir fair bleiben -: Wir nehmen die Arbeitszeit der Lehrerschaft einer Gesamtschule, also 24,5 Stunden. Wenn wir das für das gesamte System hochrechnen, meine Damen und Herren, - -

(Anhaltende Unruhe)

Herr Minister, ich muss Sie noch einmal unterbrechen, weil der Geräuschpegel so hoch ist, dass ich Sie gleich nicht mehr verstehen kann.

(Zurufe von der SPD: Die CDU!)

Ich bitte um Ruhe.

Ich bin auch gleich fertig. - Meine Damen und Herren, allein dafür braucht man noch einmal 3 406 zusätzliche Lehrkräfte. Summa summarum kommen also rund 2 Milliarden Euro oder mehr auf Ihren Schattenminister - oder auf Herrn Jüttner, ich weiß nicht, wer die Bildung vertreten soll - zu. Sie haben es von vorne bis hinten nicht durchdacht.

Ich finde, es ist unerträglich, sich mit 15-seitigen Listen an die Bevölkerung zu wenden und die Leute an der Basis verrückt zu machen.

(Beifall bei der CDU)

Sie machen sich um ihre Kinder Sorgen, sie machen sich um die Standorte Sorgen, sie machen sich um das Dorf Sorgen. Sie fragen, wo der nächste entsprechende Bildungsweg ist. Sie bringen das alles derartig durcheinander. Es führt in der Sache überhaupt nicht weiter. Und, wie gesagt: In der Sache sind wir ohnehin viel, viel weiter als Sie. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung noch zwei Wortmeldungen vor. Aufgrund der Redezeitüberschreitung der Landesregierung erteile ich Frau Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen drei Minuten und Herrn Kollegen Meinhold direkt im Anschluss sechs Minuten zusätzliche Redezeit. - Frau Kollegin Korter!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren, ich möchte mich zunächst an Herrn Schwarz wenden. Herr Schwarz, Schülerinnen und Schülern bringt man bei, richtig zu zitieren. Dann sollten wir das auch im Parlament so machen. Sie haben hier aus der Zeitung vorgelesen, Grüne zeigten Verständnis für die Realschülerdemonstrationen. Sie zeigen Verständnis dafür, wenn man den ganzen Artikel liest, dass die Realschüler keine Regionalschulen aus Haupt- und Realschulen wollen; denn die Grünen in Schleswig-Holstein fordern Gemeinschaftsschulen unter Einbeziehung der Gymnasialschüler. Zitieren Sie also bitte sinngemäß richtig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Busemann, Sie möchten gerne, dass die Schulstrukturdebatte zu Ende ist. Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass Sie das gerne möchten. Kein Wunder - Sie stehen bei Ihrer Schulstrukturreform, die Sie hier aufgelegt haben, mit dem Rücken zur Wand.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie stehen mit dem Rücken zur Wand, weil Ihnen die Hauptschulen kaputt gehen, weil Sie das Hauptschulsterben zu verantworten haben, und weil Sie keine Antwort auf den demografischen Wandel haben. Sie haben nämlich überhaupt keine Antwort darauf.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich möchte gerne wissen, wie ein Kultusminister eigentlich rechnet, wenn er mit der gleichen Schülerzahl mit vier verschiedenen Schulformen - mindestens, wir haben ja sogar noch mehr - darauf kommt, Wohnortnähe verwirklichen zu können, mit

einer gemeinsamen Schule aber nicht. Das kann mir niemand vorrechnen.

Es ist ein Armutszeugnis für einen Kultusminister, dass Sie die Qualität dieser Schulform immer schlechtreden und sich nicht vorstellen können, dass man alle Schüler gemeinsam fördern kann. Herr Busemann, waren Sie noch nie an einer Waldorfschule? Haben Sie keine Ahnung von der Laborschule Bielefeld? Es gibt so viele Schulen, die längst so arbeiten - und Sie können es sich nicht vorstellen, dass man auch dort zum Abitur kommen kann. Das ist einfach nur peinlich für einen Kultusminister.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Sie alle hier im Hause wissen: Viele verschiedene Schulformen möglichst wohnortnah vorzuhalten, ist das teuerste Modell. Es ist nicht nur das ungerechteste, es ist nicht nur das pädagogisch unmöglichste, es ist auch noch das teuerste. Wer dem demografischen Wandel etwas entgegensetzen will, der muss für die Kleinen wohnortnah in einer gemeinsamen Schule anfangen und alle Bildungsangebote wohnortnah vorhalten können. Das machen wir mit unserer Basisschule, das macht die SPD mit ihrer Gemeinschaftsschule. Ich möchte einmal wissen, Herr Busemann: Womit möchten CDU und FDP in den Landtagswahlkampf gehen? Mit Ihrem überholten Konzept, das schon jetzt gescheitert ist?

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Herr Kollege Meinhold, Sie haben sechs Minuten Redezeit. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Korter, womit der Herr Minister, die CDU und die FDP in den Wahlkampf ziehen wollen? - Dazu muss ich Ihnen sagen: Daran habe ich Spaß, die sollen mit diesem Modell in den Wahlkampf gehen. Dann haben wir die richtige Auseinandersetzung. Das nehmen wir alle doch einmal an.

Aber Herr Minister, wenn ich Ihren Worten wirklich glauben könnte, dann würden Sie sagen: Als Kultusminister, der ich vom gegliederten Schulwesen überzeugt bin, lasse ich mich auf den Wettbewerb

mit der Gemeinschaftsschule/Gesamtschule ein. Das wäre doch die Antwort auf diese Fragen. Dann würden wir hier auch nicht mehr streiten.

(Zurufe von der CDU)

Das hat übrigens schon Werner Remmers zu Beginn seiner Amtszeit als Kultusminister geäußert. Er hat den Streit über das gegliederte und das integrierte Schulwesen aufgegeben. Er hat gesagt: Lassen Sie uns zu einem Mittelstreifen zurückfinden. Herr Minister, Sie rasen gerade an der rechten Leitplanke entlang. Das muss man einfach einmal so sagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Sie fahren links von der Autobahn!)

Das ist das eine.

Zweitens. Herr Minister, Sie werden Ihre Worte zum Thema Hauptschulen noch bereuen, weil die Wirklichkeit Sie einholen wird. Was werden Sie denn tun, wenn die Einzügigkeit mehr und mehr zum Prinzip an den Hauptschulen wird? Was wollen Sie dann tun, wenn Sie ein ordentliches Angebot organisieren wollen? - Sie werden den Schritt zur Konzentration auch in der Fläche tun müssen. Das heißt, das, was Sie hier eben so vollmundig gesagt haben, wird Sie noch einholen. Auf die Debatte, die dann zu führen ist, bin ich gespannt. Das ist aber nicht der entscheidende Punkt.

Ich sage es hier noch einmal in aller Klarheit. Mir ist es wirklich egal, ob die Regierung den Begriff der Einheitsschule prägt. Soll sie ihn doch prägen. Was wir wollen, ist etwas anderes. Wir sagen: Es gibt zwei Konzepte, und wir wollen den Wettstreit. Das steht so in unserem Konzept. Wir wollen den Wettstreit der Gemeinschaftsschule mit dem gegliederten System. Ihre Sorge, in diesen Wettstreit überhaupt eintreten zu müssen, ist doch allein schon verdächtig. Wenn Sie von Ihrer Lösung so überzeugt sind, dann treten Sie doch in diesen Wettstreit ein.

Nun noch eine Schlussbemerkung. Ich will die sechs Minuten Redezeit nicht ausschöpfen. Herr Schwarz, Sie haben hier aus einem Artikel zitiert. Ich werde mich jetzt selber darum kümmern, um mehr zu wissen. Wenn Schülerinnen und Schüler auf die Straße gehen, um zu demonstrieren, dann ist das zunächst einmal in Ordnung. Es gehört auch zum demokratischen Lernen, durch Protest auf der Straße oder wie auch immer für seine Mei

nung einzutreten. Ich habe aber ganz große Sorge davor, wenn unser gegliedertes Schulsystem dazu führt, dass die Schüler aus einer Schulform, nämlich die Realschüler, gegen die Schüler aus einer anderen Schulform, nämlich die Hauptschüler, aufstehen. Dann läuft im Bildungssystem etwas richtig schief.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit mache ich den Schülerinnen und Schülern überhaupt keinen Vorwurf. Uns als Politikern muss es aber größte Sorgen machen, wenn in einem Bundesland solche Demonstrationen stattfinden; denn diese Demonstrationen können sich relativ schnell ausdehnen. Ich meine, dass das Denken in den Kategorien von Hauptschule, Realschule und Gymnasium etwas damit zu tun hat, wie wir diese Kategorien in unserer Gesellschaft einpflanzen und ständig bestätigen. Der Artikel, den Sie zitiert haben, Herr Schwarz, müsste eigentlich auf allen Seiten dieses Hauses zu größter Besorgnis führen. Wir müssten alle sagen: Wir wollen nicht, dass Schülerinnen und Schüler aufgrund der Schulform gegeneinander aufstehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Berufsleben müssen alle Schülerinnen und Schüler schließlich ordentlich miteinander umgehen können. Das tun sie auch. Passen wir also auf, dass wir den von mir soeben skizzierten Prozess nicht weiter fortsetzen!

Die Antwort kann deshalb nur lauten: Herr Minister und meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, lassen Sie uns beide Systeme nebeneinander stellen. Lassen wir uns auf den Wettbewerb - dies ist ein Begriff, der hier immer wieder genannt wird - ein.