In den Augen mancher, vor allem älterer Wissenschaftler war es eigentlich schon eine Fehlentwicklung, dass man irgendwo - bei der DFG oder der EU - Anträge für Forschungsprojekte stellen musste. Jetzt geht es um Anträge ganzer Universitäten. Aber zum Glück passen sich die Hochschulen den veränderten Bedingungen an; Forschung und Lehre können auch unter den neuen Bedingungen gedeihen.
Wir erkennen aber ein grundsätzliches Problem, wenn wir das Verhältnis von Staat und Hochschule betrachten. Der Staat ist auf Gleichheit ausgelegt, auf gleiche Regeln für alle: Jedes Kind muss in die Schule, prinzipiell ist jeder junge Mann zum Dienst an der Waffe verpflichtet, und jeder ALG-Empfänger hat Anspruch auf die gleiche Leistung. Auch Hochschulpolitik ist lange nach egalitären Prinzipien betrieben worden. Alle Studiengänge und alle akademische Bildung sollten gleich wichtig, gleich lang und gleichermaßen kostenlos sein und brächten gleichwertige Abschlüsse; jeder Absolvent bekäme hinterher BAT II a.
Faktische Unterschiede etwa bei den Berufschancen wurden geleugnet oder waren zumindest unerwünscht. Auch heute sind solche Denkmuster durchaus noch virulent. Aber seit den 90er-Jahren sind die egalitären Paradigmen zunehmend erodiert, auch weil der Staat immer weniger Hoch
schulabsolventen selbst einstellen konnte. Anders als in Zeiten des Wirtschaftswunders ist heute in Zeiten knapper Kassen auch der Ruf nach Effizienz immer lauter und drängender geworden.
Effizienz bedeutet, eine Aufgabe nicht irgendwie, sondern sachgerecht auszuführen und mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Erfolg zu erreichen. Dies aber bedeutet, dass unterschiedliche Aufgaben unterschiedlich anzugehen sind. Das bedeutet bei komplexen Aufgaben ein hohes Maß an Differenzierung und Flexibilität. Das ist das Kernproblem bei jeder sogenannten staatlichen Aufgabe, die hinreichend komplex ist: Gleichheitsziele und Effizienz beißen sich.
Was wir in den letzten Jahren an unseren Hochschulen erlebt und selbst gestaltet haben - der Prozess ist mitten im Gange -, ist schlicht und ergreifend der Einbruch des Effizienzdenkens und der Differenzierung in eine ehemalige Domäne staatlicher Gleichheitsfiktion.
Einige Beispiele dazu: Wir haben uns von der Fiktion der gleichen Eignung aller Studienbewerber für alle Fächer verabschiedet.
Das Niedersächsische Hochschulzulassungsgesetz, das wir im letzten Jahr beschlossen haben, stellt einen Meilenstein in der deutschen Hochschulentwicklung dar. Ich erinnere mich noch gut, welche Fraktionen in diesem Hause gegen dieses urvernünftige Prinzip, dass Studium und Student zusammenpassen sollen und dass man dies nicht allein dem Zufall überlassen sollte, Sturm gelaufen sind: eben der Antieffizienzblock.
(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und bei der CDU - Wolfgang Jüttner [SPD]: Klasse! Wer hat denn da ge- holfen?)
Herr Abgeordneter, einen Augenblick noch einmal! - Ich mache Frau Bertholdes-Sandrock darauf aufmerksam, dass sie hier im Saal nicht telefonieren darf. Das ist auch draußen an den Türen zu
Ein weiteres Beispiel dafür, dass auch andere gute Ideen haben: Mit der Einführung der leistungsorientierten und flexiblen Besoldung von Professoren im Rahmen der W-Besoldung haben wir von der Vorstellung Abschied genommen, alle Professoren seien gleich produktiv und für eine Hochschule gleich wichtig. Effizienz ist auch die Förderung der Forschung einzelner und von Forschungsgruppen über Projektmittel statt über feste Personalstellen; ich habe dies vorhin erwähnt. Mittlerweile sind auch ganze Fachbereiche, Graduiertenschulen und als Krönung gar ganze Universitäten in die leistungsbezogene, also differenzierende Förderung einbezogen.
Bachelor/Master als letztes Beispiel: Auch dies dient der Effizienzsteigerung durch Differenzierung. Je nach dem, ob ein Student eine berufsbezogene wissensbasierte Ausbildung anstrebt - dies tun die meisten - oder selbst an wissenschaftlicher Arbeit interessiert ist, wird er sein Studium nach dem Bachelor fortsetzen oder nicht. Das ist offensichtlich effizienter, als wenn sich alle mit einer oft nur mühsam erquälten, angeblich wissenschaftlichen Arbeit zum Diplom qualifizieren müssen.
Leider gilt aber auch hier: Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage. Wir Deutschen nehmen manche Dinge - dies gilt gerade für die Umstellung auf Bachelor- und Masterstudiengänge - in einer Weise ernst, über die Kollegen im Ausland nur den Kopf schütteln. Da bin ich genau wieder bei unserer staatlichen Gleichheitsfiktion. Ebenso wie das Diplom für alle immer weniger zur Berufswelt passte, so passt natürlich auch nicht jeder Studiengang in das Prokrustesbett von Bachelor und Master. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand nach sechs Semestern einen berufsqualifizierenden Abschluss als Arzt hätte, dann würde ich meine Gesundheit doch lieber einem Kollegen mit der antiquierteren Ausbildung anvertrauen. Manche akademischen Berufsausbildungen dauern länger als andere, einfach weil mehr gelernt werden muss. Auch bei der Lehrerausbildung bestehen wir zu
Kompliziert ist die Sachlage bei den Diplomingenieurstudiengängen an unseren technischen Universitäten. Es ist fraglich, ob die bisherige Aufteilung, nach der erst sehr gründlich die Grundlagenfächer und danach die Anwendungsgebiete gelernt werden, schlechter als die neue Aufteilung ist: erst etwas Grundlagen, dann Anwendungsgebiete, dann Bachelorexamen, dann erneut, aber vertieft Grundlagen und schließlich vertiefte Anwendungsgebiete. Für denjenigen, der von vornherein allein am Bachelorgrad interessiert ist, ist das in Ordnung. Für den Studenten, der so etwas wie das klassische Diplom im Visier hat, liegt der Vorteil der neuen Struktur nicht auf der Hand.
Auch an einem weiteren für unsere Hochschulentwicklung entscheidenden Bereich hat das auf Gleichheit fixierte Staatsdenken immer noch die Oberhand: bei den Studienbeiträgen. Ich bleibe bei dem, was ich schon bei früheren Gelegenheiten in diesem Hohen Hause gesagt habe.
keine Frage, das wusste schon Karl Marx. Aber gleiche Studiengebühren für alle ist nichts anderes als eine allgemeine Studentenkopfsteuer.
Unterschiedliche Studiengänge sind unterschiedlich schwer, kosten unterschiedlich viel, bieten völlig unterschiedliche Berufschancen und sind vermutlich von unterschiedlicher Bedeutung für die Gesellschaft. Warum soll dann der Beitrag der Studierenden einheitlich sein? Ich sehe schon im Geiste Verfassungsrechtler die Stirn runzeln. Aber es sollte möglich sein, für differenzierte Studiengebühren verfassungsfeste Regelungen zu finden. Dass dies überhaupt als Verfassungsproblem gesehen werden kann, zeigt im Grunde nur, wie sehr das Gleichheitsdenken unsere Gesellschaft durchwurzelt hat und immobilisiert.
Frau Dr. Heinen-Kljajić, Sie kritisieren das Darlehensmodell des Landes und vergessen dabei, dass auch BAföG zurückgezahlt werden muss. Außerdem gibt es eine moderate Kappungsgrenze für BAföG und Studienbeiträge zusammen.
Die Beispiele zeigen, dass das Spannungsfeld zwischen Gleichheit und Effizienz im Bereich der staatlichen Aufgaben gerade im Bereich der Hochschulpolitik fortbesteht. Wir Liberalen in Niedersachsen versuchen, der einfachen Vernunft zum Durchbruch zu helfen. Dies haben wir auch bei der Novellierung des Niedersächsischen Hochschulgesetzes getan. An dieser Stelle nur ein Beispiel von etlichen: Wir haben uns dafür eingesetzt und unseren Koalitionspartner auch davon überzeugen können, dass die Präsidenten der Hochschulen nicht nur gewählt werden, sondern entgegen dem Regierungsentwurf im Notfall auch abgewählt werden können, wenn auch mit einer hohen Hürde für die Abwahl; denn eine Präsidentin oder ein Präsident soll führen können und nicht bei jeder unpopulären Entscheidung um den Job fürchten müssen. Wo wir den Regierungsentwurf geändert haben, haben es die Koalitionsfraktionen getan; SPD und Grünen waren punktuell Mitläufer.
Wir sind in einer Phase des Umbruchs der Hochschullandschaft. Das NHG, das wir heute beschließen wollen, spiegelt den heutigen Entwicklungsstand und die heutigen Erkenntnisse wider. Deshalb ist klar: Vieles von dem, was wir heute beschließen wollen, wird von Dauer sein, einige Dinge werden sich vielleicht anders als gedacht entwickeln, und manches mag sich gar als Irrtum herausstellen. Das nächste NHG kommt bestimmt. Aber ganz im Gegensatz zu dem, was Sie, Frau Kollegin Andretta, behauptet haben, sind uns die Hochschulen dankbar, dass wir mit diesem NHG viele unsinnige Regelungen des NHG von 2002 zurechtgerückt haben.
Ich komme zum Schluss. Wir werden die Probleme unserer, der niedersächsischen, Hochschulen vermutlich nicht lösen, indem wir sie in planwirtschaftlicher Manier in verschiedene Wissensproduktionsstätten aufteilen und eng verzahnen. Das ist das optimale Vorgehen, wenn man - wie VW wenige, aber hochkomplexe Produkte in hoher
Stückzahl herstellen will, deren Teile haargenau zueinander passen müssen. Hochschulen haben aber zwei ganz andere Produktlinien, nämlich wissenschaftliche Erkenntnisse und hoch qualifiziert ausgebildete Absolventen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse sind aber Tausende voneinander relativ unabhängiger, wenn auch vernetzter Einzelprodukte, deren Bedeutung sich anfangs meist überhaupt nicht abschätzen lässt. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind nicht planbarer als die Zukunft im Allgemeinen.
Und ist es nicht gerade im Sinne von Kreativität zu wünschen, dass die zweite Produktlinie, die jungen Menschen, einen vielfältigen Strauß unterschiedlicher Bildungsbiografien in die Gesellschaft mit einbringen?
Ich möchte nicht missverstanden werden. Das spricht nicht gegen Vernetzung. Keineswegs spricht das gegen das Projekt einer NTH, einer Niedersächsischen Technischen Hochschule, das Herr Minister Stratmann in seiner Regierungserklärung erwähnt hat. Ganz im Gegenteil! Gelingen wird ein solches Projekt aber am besten, wenn sich viele Beteiligte auf allen Ebenen von Anfang an eingebunden wissen und es innerlich mittragen, wenn Effizienz und Enthusiasmus sich verbinden um die Worte des Ministers zu benutzen. - Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, bevor wir zur Abstimmung zu Tagesordnungspunkt 3 kommen, kommen wir zur Berichterstattung. Frau Graschtat, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur hat beschlossen, dass es einen mündlichen Bericht zum Niedersächsischen Hochschulgesetz geben soll. In Anbetracht des Ganges der Beratungen wäre es sicherlich nicht sinnvoll, diesen Bericht hier am Ende der Debatte vorzutragen. Deswegen gebe ich den mündlichen Bericht zu Protokoll. - Vielen Dank.
Der federführende Ausschuss für Wissenschaft und Kultur empfiehlt in der Drucksache 3281 mit den Stimmen der Ausschussmitglieder der Regierungsfraktionen und gegen die Stimmen der Ausschussmitglieder der Oppositionsfraktionen, den Gesetzentwurf der Landesregierung anzunehmen und - mit dem genau entgegengesetzten Abstimmungsergebnis - den Gesetzentwurf der SPDFraktion abzulehnen. Die mitberatenden Ausschüsse für Rechts- und Verfassungsfragen, für Inneres und Sport, für Haushalt und Finanzen sowie für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit haben sich dieser Empfehlung mit jeweils gleichem Abstimmungsergebnis angeschlossen.
Da es sich um ein umfangreiches Änderungsgesetz zum NHG handelt und im Laufe der Ausschussberatungen eine Vielzahl von Änderungen beschlossen worden ist, möchte ich meinen mündlichen Bericht auf einige wenige wesentliche Änderungsempfehlungen und Diskussionsschwerpunkte beschränken.
Zunächst möchte ich auf den neu aufgenommenen § 36 a hinweisen, der mit „Gemeinsame Einrichtungen von Hochschulen“ überschrieben ist. Diese Bestimmung geht auf einen Formulierungsvorschlag der Regierungsfraktionen zurück, der im Laufe der Beratungen modifiziert worden ist. Das mit dieser Regelung verbundene Grundanliegen, eine gesetzliche Grundlage für derartige Einrichtungen zu schaffen, ist von den Vertretern aller Fraktionen im federführenden Ausschuss begrüßt worden. Über die genaue rechtliche Ausgestaltung der Regelung gingen die Auffassungen auseinander. Die Vertreter der Oppositionsfraktionen haben sich der Auffassung angeschlossen, dass die rechtlichen Vorgaben nicht hinreichend präzise und zum Teil in sich widersprüchlich sind. Die Vertreter der Regierungsfraktionen hingegen haben sich gegen eine weiter gehende gesetzliche Festlegung ausgesprochen, um die Gestaltungsmöglichkeiten nicht zu sehr einzuschränken.
Die nächste wesentliche Änderung des Gesetzentwurfs, auf die ich Sie aufmerksam machen möchte, ist der Erhalt der Möglichkeit der Abwahl von Mitgliedern des Präsidiums. Sie finden diese Regelung in § 40. Der Entwurf hatte zunächst eine Streichung dieses Paragrafen vorgesehen. Aufgrund eines Änderungsvorschlages der Regierungsfraktionen empfiehlt Ihnen der Ausschuss jetzt eine Regelung, die die Abwahl mit einer Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder des Senats ermöglicht. Die Oppositionsvertreter im fe