Doch bezogen auf die wieder eingeführte Detailsteuerung und Gängelung der Hochschulen, hat sich der Minister in der Beratung keinen Millimeter bewegt. Was bleibt, ist - ich darf den geschätzten Kollegen Zielke zitieren - „die Vision einer großen Holding namens University of Lower Saxony mit den einzelnen Hochschulen als Filialen der Zentrale MWK. Für Autonomie ist da wenig Raum.“ Diese Holding, Herr Kollege Zielke, ist es wohl auch, die Herrn Minister Stratmann vorschwebte, als er heute so blumig von der Hochschule Niedersachsen gesprochen hat.
(Professor Dr. Dr. Zielke [FDP]: Von der Technischen Hochschule Nieder- sachsen! Das ist etwas anderes!)
Der Etatismus - Sie sehen es - feiert fröhliche Urständ. Dazu passt auch, dass zukünftig einzelne Studiengänge ebenso wieder genehmigt werden müssen wie eine wesentliche Änderung eines Studienganges, wobei im Gesetz völlig offen bleibt, was denn wesentlich ist. Bestimmt das die Ministerialbürokratie? - Ebenso festzulegen ist künftig die Art und Weise der Erfüllung von Aufgaben. Sollte sich da der zuständige Referent nicht gleich einen Arbeitsplatz an der Hochschule geben lassen, wie es in Urzeiten beim Kurator der Universität Göttingen der Fall war?
Einen Vorgeschmack auf das, was uns erwartet, brachte das Beispiel der Fachhochschule Hildesheim. Vielleicht erinnern Sie sich. Die Fachhochschule, das Präsidium, wagte es, einen Studiengang von Holzminden nach Hildesheim verlagern zu wollen. Minister Schünemann sorgte ganz schnell dafür, dass die Autonomie der Hochschule ein abruptes Ende fand. Jetzt sorgt das Gesetz dafür.
Es ist nicht mehr viel übrig geblieben von der Aufbruchstimmung, die mit der Verabschiedung des NHG 2002 überall an den Hochschulen im Lande zu spüren war. Dazu passt, dass sich mit dem Gesetz die alte Ordinarienuniversität wieder aus der Gruft erhebt
Rückschritte gibt es auch in der Gleichstellungspolitik. Frauenförderung wird nicht mehr explizit als Aufgabe der Hochschulen wahrgenommen, und Beteiligungsrechte der Gleichstellungsbeauftragten werden im Gesetz beschnitten.
Diese Politik hat uns nicht überrascht, da Gleichstellungspolitik der CDU generell ein Dorn im Auge ist und man doch allzu gern wieder zurück zu Adenauers Zeiten möchte.
Verlogen ist allerdings, dass ausgerechnet bei der Abschaffung von Beteiligungsrechten von Gleichstellungsbeauftragten - Gleiches gilt im Übrigen für die Beschneidung der Rechte der Personalvertretungen - auf die Autonomie der Hochschulen verwiesen wird. Hochschulen könnten Beteiligungsrechte freiwillig gewähren, hieß es aus Ihrem Hause, Herr Minister. Ich stelle fest: Autonomie wird immer dann hochgehalten, wenn es um die Abschaffung von Beteiligungsrechten geht.
Großzügig erweist sich der Gesetzentwurf auch dort, wo über die Studiengebühren der Studenten verfügt wird und Hochschulen gesetzlich verpflichtet werden sollen, Stipendien für begabte Studierende aus den Studiengebühren zu finanzieren. Das ist nicht nur ein Systembruch, worauf Herr Göke vom Landesrechnungshof hingewiesen hat, und wiederspricht der gesetzlichen Regelung, wonach die Studiengebühren ausdrücklich zur Verbesserung der Studienbedingungen eingesetzt werden müssen. Hier zeigt sich exemplarisch, wie der Minister die Verantwortung des Landes wahrnimmt: schlicht überhaupt nicht.
Wir alle haben doch noch das Triumphgeschrei im Ohr, als das Bundesverfassungsgericht das bundesweite Gebührenverbot kippte. Als es aber darum ging, auch die Verantwortung des Landes für die sozialverträgliche Ausgestaltung der Studiengebühren zu übernehmen, fühlte sich der Minister plötzlich nicht mehr zuständig. Zwar wurde die NBank mit der Gewährung von Krediten beauftragt, doch den Ausfallfonds haben die Hochschulen aus ihren eingefrorenen Etats in Zukunft selbst zu bestreiten. Nun sollen die Hochschulen auch noch per Gesetz verpflichtet werden, hochbegabte Studenten mit Stipendien zu versorgen und hierfür die Studiengebühren heranzuziehen. Herr Minister, Sie ziehen durch die Lande und brüsten sich mit der Förderung von Hochbegabten an Niedersachsens Hochschulen. Zahlen lassen Sie die Zeche von Studierenden, die sich vielleicht hoch verschulden müssen, um die Gebühren überhaupt aufbringen zu können.
Meine Damen und Herren, so wenig wie dieser Gesetzentwurf den Geist von Aufbruch und Fortschritt atmet, so wenig vermochte die Hochschulpolitik dieser Landesregierung bisher Impulse zu setzen. Stattdessen haben wir Stagnation und Stillstand im Lande und einen selbstzufriedenen Minister, der sich zunehmend zu einer Innovationsbremse für unser Land entwickelt.
Wie sagte es doch kürzlich der frühere Göttinger Professor und jetzige Rektor der Universität Karlsruhe, Professor Hippler? - „Niedersachsen ist auf dem Weg in die Drittklassigkeit.“
Nun kann man Kritiker als ahnungslos und dumm beschimpfen. Doch widerlegt ist ihre Kritik damit noch lange nicht.
Was wir brauchen, ist eine Hochschulpolitik, die Niedersachsen wieder nach vorne bringt. Die SPDFraktion hat dazu konkrete Vorschläge gemacht:
Erstens. Wir wollen zusätzliche Studienplätze schaffen und den Hochschulpakt für Niedersachsen nutzen.
Zweitens. Wir haben ein umfassendes Bildungskonzept vorgelegt, das von Beginn an jedes Kind fördert und die Durchlässigkeit im Bildungssystem sichert.
Drittens. Wir wollen die Fachhochschulen ausbauen und sie zu Innovationszentren und Wachstumsmotoren in ihren Regionen machen.
Viertens. Wir legen einen Gesetzentwurf vor, der die Eigenverantwortung der Hochschulen stärkt und ihre Wettbewerbsfähigkeit fördert.
Wie hieß doch das von Ihnen zitierte Prinzip? When there‘s a doubt, there is no doubt. Würde es auch für die Berufung von Ministern gelten, Herr Stratmann, wären Sie heute durchgefallen. - Herzlichen Dank.
(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: War das der Bodycheck? - Bernd Althusmann [CDU]: Das war nicht einmal ein Rempler!)
(David McAllister [CDU]: Das war ein Wattebäuschen! Das war doch kein Bodycheck! - Bernd Althusmann [CDU]: Das war nicht einmal ein bös- artiger Rempler! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
- Meine Damen und Herren, ich habe die Wortmeldung von Frau Dr. Heinen-Kljajić aufgerufen, und sie hat das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Stratmann, die heute abgegebene Regierungserklärung ist für Ihre Hochschulpolitik symptomatisch; denn sie hat die eigentlichen zentralen hochschulpolitischen Herausforderungen umschifft.
Sie war aus unserer Sicht schlicht überflüssig, und diese Einschätzung scheinen auch die Regierungsfraktionen zu teilen, wenn man sich vor Augen führt, wie die Plätze auf der Regierungsbank und die Reihen bei CDU und FDP während der Rede von Minister Stratmann besetzt waren.
Zum Ausbau der Kapazitäten und zur Öffnung des Zugangs, damit die steigenden Zahlen von Studierenden eben nicht zum Problem, sondern zu einer Herausforderung für dieses Land werden, sagen Sie nichts. Kein Wunder; denn die schwarz-gelbe Hochschulpolitik war von Anfang an unter die Knute des Finanzministers gestellt und nicht mit Ausbau, sondern mit Rückbau beschäftigt. Sie ha
ben den Rückbau der Hochschulmittel betrieben. Sie haben den Rückbau der Studienplätze betrieben. Sie haben mit den Studiengebühren die Zugangsgerechtigkeit zurückgebaut. Nicht zuletzt haben Sie mit der NHG-Novelle nun auch den Startschuss für den Rückbau der Hochschulautonomie und der Beteiligungsrechte gegeben. So macht man Hochschulen nicht fit für den Wettbewerb, so verstärkt man stattdessen das Süd/Nord-Gefälle in der deutschen Hochschullandschaft.
Aber der Reihe nach. Am Anfang stand bei Ihnen die Reduzierung der Mittel für den Hochschuletat im Rahmen des sogenannten Hochschuloptimierungskonzeptes, des HOK. Kürzungen von 50 Millionen Euro hatten die ohnehin unterfinanzierten Hochschulen zu verkraften. Umsetzbar waren diese Kürzungen oft nur dort, wo die personelle Fluktuation Stelleneinsparungen möglich machte. Schon das Verfahren macht also deutlich, dass es keinesfalls, wie der Name weismachen will, um „Hochschuloptimierung“ ging. Es ging nicht darum, in der niedersächsischen Hochschullandschaft strukturelle Schwächen zu beseitigen, sondern es ging Ihnen darum, Herr Minister Stratmann, ohne Rücksicht auf die Hochschulen möglichst schnell die Einsparvorgaben Ihres Kollegen aus dem Finanzministerium zu erbringen.
So führte das eine zum anderen; denn wenn der Etat gekürzt wird, führt das zwangsläufig auch zum Rückbau von Studienplätzen. Unter Ihrer Regierungsverantwortung, Herr Minister Stratmann, sind innerhalb von nur vier Jahren 16 % der Studienanfängerplätze abgebaut worden. Zum Teil ist dieser Rückgang direkte Folge des HOK, bedingt durch wegfallende Studiengänge oder Reduzierung des kapazitätswirksamen Lehrpersonals. Zum Teil ist dies aber auch die indirekte Folge der Umstellung auf Bachelor- und Masterabschlüsse.
Aufgrund des höheren Betreuungsaufwandes hat der Wissenschaftsrat einen zusätzlichen Lehraufwand von bis zu 20 % ermittelt. Wenn in Niedersachsen dieser Mehraufwand nicht durch eine Mittelaufstockung aufgefangen wird, sondern, im Gegenteil, durch Mittelkürzungen konterkariert wird, dann bleibt den Hochschulen eben nichts anderes übrig, als in großem Umfang Studienplätze abzubauen.
Wie fatal die Auswirkungen dieser Entwicklung sind, wird deutlich, wenn man sie im Licht der gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen betrachtet. Dabei sind zwei Bezugsgrößen relevant: erstens die demografisch bedingte Zunahme von Studienberechtigten inklusive des doppelten Abiturjahrgangs 2011 und zweitens die volkswirtschaftlich notwendige Anhebung der Zahl der Hochschulabsolventen.
Die genannten Rahmenbedingungen sind bis auf den doppelten Abiturjahrgang zugegebenermaßen nicht hausgemacht. Aber sehr wohl hausgemacht ist das Problem, dass Niedersachsen bisher die Chance verschlafen hat, die Hochschulen angesichts dieser Herausforderungen zukunftstauglich zu machen. Der politische Skandal liegt darin, dass Sie, meine Damen und Herren von CDU und FDP, die genannten Faktoren nach Vogel-Strauß-Manier weiterhin ausblenden.