Protocol of the Session on November 8, 2006

(Beifall bei der SPD)

Profiteure - das wird Sie nicht wundern - sind wieder einmal mehr die Südländer. Bayern hat sein Leibniz-Budget um fast 7 % erhöht, ähnlich BadenWürttemberg. Der Bund geht mit und verdoppelt diese Mittel. Denn wenn Länder wie Niedersachsen aus dem Forschungstopf weniger abrufen, können andere Länder ihre Mittel aufstocken. Herr Minister, wir hätten von Ihnen heute gern etwas Konkretes zu dieser Frage gehört. Stattdessen philosophieren Sie, dass spätestens jetzt der Zeitpunkt gekommen sei, zu dem die norddeutschen Länder ihre Stärken bündeln müssten. Machen Sie in Niedersachsen endlich Ihre Hausaufgaben, und verhindern Sie, dass Forschungsgelder des Bundes weiter verschenkt werden! Schleichen Sie sich hier nicht länger aus der finanziellen Verantwortung!

(Beifall bei der SPD)

Die Vorbereitung der Hochschulen auf die kommenden geburtenstarken Jahrgänge gehört zu den wichtigsten bildungspolitischen Aufgaben. Die SPD stellt sich dieser Aufgabe und nimmt die Verantwortung des Landes für die junge Generation an. Wir wollen bereits in den Haushalt 2007 33 Millionen Euro einstellen, um neue Studienplätze an Niedersachsens Hochschulen zu schaffen. 33 Millionen Euro vom Land und 33 Millionen Euro vom Bund - damit können wir in den nächsten Jahren 10 000 zusätzliche Studienplätze schaffen. Wir werden diese Studienplätze vor allem an Fachhochschulen schaffen. Fachhochschulen bilden nicht nur praxisbezogen, schnell und kostengünstig aus, aus unseren Fachhochschulen kommt auch der so dringend benötigte hoch qualifizierte Nachwuchs für die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Niedersachsen. Deshalb darf Niedersachsen nicht zu einem Land werden, in dem junge studierwillige Menschen zur Abwanderung gezwungen werden.

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Ziel der Landespolitik muss es sein, jungen Menschen eine Bildungsperspektive in Niedersachsen zu geben.

(Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Genau das machen wir! - Karl- Heinz Klare [CDU]: Wer wird denn zur Auswanderung gezwungen?)

Aber nicht nur das: Niedersachsen muss auch attraktiv für junge Zuwanderer werden.

(Beifall bei der SPD)

Dies ist nicht nur eine Frage der sozialen Verantwortung für die kommende Generation, es ist auch ein Gebot der ökonomischen Vernunft.

Meine Damen und Herren, jeder weiß es: Die Studierenden von heute sind die Fachkräfte von morgen. Sogar der Hochschulexperte der CDU-Fraktion, Herr McAllister, hat das verstanden. Kürzlich war im rundblick zu lesen, dass Herr McAllister einen Brief an seinen Amtskollegen in Mainz geschrieben hat, in dem er sich über Zöllners Modell eines Vorteilsausgleichs beschwert. Folgt man Zöllners Modell, müsste Niedersachsen 45 Millionen Euro für seine Landeskinder zahlen, die in Mainz, Trier oder Kaiserslautern studieren. Das will Herr McAllister nicht. Warum nicht? - Ganz einfach: Niedersächsische Landeskinder kehrten nach ihrem Studium selten in ihr Heimatland zurück und seien als gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte ein gutes Geschäft für RheinlandPfalz. Es überwiegen - ich zitiere Sie, Herr McAllister - „Mitnahmegewinne für das Land, in dem die jungen Leute studiert haben, und nicht für das Land, aus dem sie kommen.“ Bravo, Herr McAllister. Sie haben recht!

(Beifall bei der SPD)

Rheinland-Pfalz hat Vorteile von Niedersachsens Studenten. Das Problem ist aber: Niedersachsen hat die Nachteile. Auch wir hätten gerne die Vorteile von unseren Studenten.

(Beifall bei der SPD)

Herr McAllister, deshalb wollen wir im Unterschied zu Ihnen die klugen Köpfe in Niedersachsen halten. Entwicklungshilfe für Bayern und BadenWürttemberg können wir uns schlicht nicht leisten.

(Beifall bei der SPD)

Wie groß der Nachholbedarf an qualifizierten Kräften in Niedersachsen ist, hat uns eindrucksvoll die aktuelle Studie des NIW „Bildung und Qualifizierung in Niedersachsen“ vor Augen geführt. In Niedersachsen werden im Bundesvergleich weniger hoch qualifizierte Arbeitskräfte mit akademischem Abschluss eingesetzt. Gerade hier aber entstehen die neuen Jobs, die so dringend benötigt werden. Der Anteil junger Menschen mit Hochoder Fachhochschulreife fällt in Niedersachsen mit 31 % eines Altersjahrgangs gemessen an internationalen Maßstäben noch stärker zurück als im deutschen Durchschnitt mit 35 %. Diese Entwicklung wird dann dramatisch, wenn auch noch die Studierneigung sinkt. Genau dies ist in den letzten Jahren zu beobachten. Trotz wachsender Zahl von Studienberechtigten ist die Zahl der Studienanfänger in Niedersachsen seit 2003 um mehr als 18 % gesunken. Niedersachsen belegt damit den vorletzten Platz. Nach uns kommt nur noch SachsenAnhalt. Im Bundesdurchschnitt sank die Zahl der Studienanfänger lediglich um 5,9 %.

Angesichts dieser Zahlen ist es wenig tröstlich, Herr Minister, wenn Sie heute selbstzufrieden verkünden, dass in diesem Wintersemester die Zahl der Studienanfänger nicht weiter abgesunken ist und an der Hochschule Vechta sogar gestiegen ist.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Neue Be- scheidenheit!)

Entscheidend ist, dass die Studierneigung steigt und so das Bildungspotenzial besser ausgeschöpft wird.

(Beifall bei der SPD)

Genau das ist aber nicht der Fall. Während die Zahl der Studienanfänger stagniert, steigt die Zahl der Studienberechtigten weiter an. Herr Minister, was Sie uns heute als Erfolg verkaufen wollen, ist in Wahrheit ein Alarmsignal.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn diese Landesregierung nicht endlich ihre perspektivlose Hochschulpolitik beendet und schleunigst gegensteuert, fällt Niedersachsen weiter zurück. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen dem Anteil Hochqualifizierter und der Wirtschaftskraft einer Region.

Zur Stärkung der Wirtschaftskraft in Niedersachsens Regionen tragen auch die vorhandenen For

schungseinrichtungen einer Region bei. Dazu gehören vor allem die Fachhochschulen als fester Kooperationspartner der kleinen und mittelständischen Unternehmen. Beim Technologietransfer spielen die Fachhochschulen eine Schlüsselrolle. Deshalb müssen Fachhochschulen auch in Zukunft stark in der Forschung sein und brauchen wissenschaftlichen Nachwuchs, der auch in Masterstudiengängen an Fachhochschulen ausgebildet wird.

(Beifall bei der SPD)

Ihr Vorschlag, Herr Minister, den Fachhochschulen dieses in Zukunft zu verwehren, ist alles andere als zukunftsweisend. Sie greifen tief in die Mottenkiste und machen die alte Hierarchiedebatte wieder auf: Erste Klasse Universität, zweite Klasse Schmuddelklasse, Fachhochschule. Diese Debatte ist längst überholt. Universitäten und Fachhochschulen sind andersartig, aber gleichwertig.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Hätten Sie doch nur einmal zugehört, was er gesagt hat!)

Ihre Vorstellungen - genau diese Vorstellungen schwingen mit -, Fachhochschulen zukünftig zum Sammelbecken downgegradeter Universitätsstudiengänge zu machen, sind abenteuerlich und diskreditieren unsere Fachhochschulen.

(Beifall bei der SPD)

Fachhochschulen sind ein Erfolgsmodell für Niedersachsen.

(Zustimmung von Wolfgang Jüttner [SPD])

Die Chancen, dass Niedersachsen bei den qualifizierten Fachkräften aufholt, sind da. In den nächsten Jahren verlassen die geburtenstarken Jahrgänge die Schulen. Der Anteil der Abiturienten steigt und wird weiter steigen; denn immer mehr junge Menschen wechseln nach der Grundschule auf ein Gymnasium. In diesem Jahr sind es nahezu 43 %. Es freut uns, dass Minister Busemann dies nicht als Bedrohung begreift. Er hat vielmehr erklärt: Wir wünschen uns hohe Abiturientenzahlen. - Die SPD unterstützt den Minister dabei. Herr Busemann, bei aller Freude über hohe Abiturientenzahlen muss man Sie jedoch fragen: Was sagen Sie den Abiturienten, wenn sie die Schule verlassen und vergeblich an die Tore der Hochschulen klopfen? Sagen Sie ihnen, wie das Ihr

Kollege Stratmann tut: „Geht doch in den Osten“? Wie erklären Sie den Abiturienten, dass die Verkürzung der Zeit bis zum Abitur auf zwölf Jahre sinnvoll ist, wenn das gewonnene Jahr jetzt mit dem Warten auf einen Studienplatz wieder verloren geht? Was sagen Sie den Haupt- und Realschülern, deren Chancen auf einen Ausbildungsplatz weiter schwinden werden, weil der Mangel an Studienplätzen schon jetzt zu einer Verdrängung von Haupt- und Realschülern auf dem Ausbildungsmarkt führt?

(Beifall bei der SPD)

Was wir brauchen, ist eine Bildungsstrategie, die das Ganze in den Blick nimmt, eine Bildungsstrategie, die dafür sorgt, dass das Fundament, die frühkindliche Bildung, breit und stark ist, eine Bildungsstrategie, die dafür sorgt, dass niemand mehr die Schule ohne Abschluss verlässt, dass genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden und dass ausreichend Studienplätze geschaffen werden. Herr Minister, nur mit schönen Worten wird das nicht gehen.

(Zustimmung bei der SPD)

Heute steht auch die Verabschiedung der Novelle zum Niedersächsischen Hochschulgesetz auf der Tagesordnung.

(Zuruf von der CDU: Eine sehr gute Novelle!)

Bei der Einbringung hat Herr Minister Stratmann die Novelle noch als Jahrhundertwerk gepriesen, das Maßstäbe setze und die Welt aufhorchen lasse.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Aber aus welchem Jahrhundert? Das ist doch die Frage!)

Heute spielte das NHG in der Regierungserklärung aus gutem Grund nur noch eine Nebenrolle. In der dreitägigen Anhörung wurde mehr als deutlich, dass niemand nach diesem Gesetz gerufen hat, niemand das Gesetz will und es auch niemand braucht - die Hochschulen am wenigsten.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Gesetz weist nicht nach vorne, sondern fällt in vielen Bereichen hinter das bundesweit richtungweisende NHG aus dem Jahre 2002 zurück. Dort, wo bisher klare Zuständigkeiten geregelt waren,

rühren jetzt viele im Brei, und der Minister rührt immer mit.

(Zuruf von Björn Thümler [CDU])

Die SPD-Fraktion will den 2002 erfolgreich begonnenen Weg zu mehr Hochschulautonomie konsequent fortsetzen. Deshalb haben wir einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Die Eigenverantwortung der Hochschule bei der Einrichtung von Studiengängen und den Berufungsverfahren wird ausgebaut, und die Stiftungshochschulen bleiben für uns Motoren des Wandels und bekommen mehr wirtschaftliche Freiheit. Das Berufungsrecht wird ihnen auf Dauer übertragen. Mit der neuen Personalkategorie des Hochschuldozenten - im Angelsächsischen bekannt als Lecturer - nehmen wir eine Forderung des Wissenschaftsrates auf und bieten eine klare Alternative zur Wiedereinführung des Akademischen Rates. Indem wir die Erhebung von allgemeinen Studiengebühren ausschließen, leisten wir einen Beitrag zu mehr Chancengleichheit und verhindern, dass sich in Zukunft nur noch Kinder aus reichen Familien ein Studium leisten können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Björn Thümler [CDU]: Das ist unwahr! Das wissen Sie!)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung dagegen ist eine einzige Misstrauenserklärung an die Hochschulen. Zwar ist es dank einhelliger Proteste der Hochschulen und verfassungsrechtlicher Einwände des GBD gelungen, im Beratungsverfahren die dicksten Klopfer wieder einzukassieren. So musste dem Senat das Abwahlrecht des Präsidenten wieder zugestanden werden, und die Entmachtung der Fakultätsräte musste rückgängig gemacht werden.

(Björn Thümler [CDU]: Das haben wir übrigens beantragt!)