Protocol of the Session on November 8, 2006

Frau Heister-Neumann, Sie haben bei der Einbringung des Haushalts erläutert, dass eine Stellenmehrung nicht erforderlich ist, da die Landesregie

rung beabsichtigt, genau in den vier Punkten, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgezeigt hat, das Widerspruchsverfahren wieder einzuführen. Wenn das nicht der Fall sein sollte, dann korrigieren Sie mich. Aber Sie haben zumindest dargelegt, dass die Landesregierung dabei ist, Änderungen vorzunehmen. Eigentlich könnte man sagen, wenn es schnell ginge, dass sie das Problem erkannt und zumindest teilweise gehandelt hat. Aber haben Sie das Problem nicht schon im Kabinett vorgetragen?

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Das wird hier nicht verraten!)

Wie hat das Kabinett reagiert?

(Unruhe bei der CDU)

Das ist eine sehr interessante Frage; denn allein der NDR hat schon über 3 000 „Widersprüche“ auf Halde liegen, die noch bearbeitet werden müssen.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was nach dem Abfallwirtschaftsgesetz nicht zulässig ist!)

Stimmt es, dass das Kabinett die Resultate eines Gutachtens abwarten will? Reicht es nicht aus, die von Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern detailliert erarbeiteten und ausgewerteten Daten und Werte zu verwenden? Wenn das zutrifft, dann stellt sich für mich die Frage: Trauen Sie Ihren eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu diesem Zeitpunkt nicht?

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Skan- dal!)

- Genau, Herr Kollege Biallas, das wäre ein Skandal. Ich würde mich freuen, heute von unserer Ministerin dazu etwas zu hören.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist unsere Mi- nisterin!)

Zu den einzelnen Themengebieten, die die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen angesprochen hat, werden wir erst in der Ausschussberatung Stellung nehmen. Ich freue mich auf eine hoffentlich zügige, aber trotzdem intensive Beratung. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Jetzt hat sich für die FDP-Fraktion Herr Professor Dr. Zielke zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist erfreulich und gut für das parlamentarische System, sich als Angehöriger der Regierungskoalition in der Lage zu sehen, einmal einen Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen unterstützen zu können, jedenfalls was die Problembeschreibung und die richtige Absicht betrifft. Nicht dass das Thema völlig unerwartet käme, in Fachkreisen und in den Regierungsfraktionen wird über die Bewertung der Abschaffung des Widerspruchsverfahrens seit etlichen Monaten diskutiert.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Es ist immer klarer geworden, dass es sich bei der Klagewelle nach Abschaffung des Widerspruchsverfahrens in weiten Teilen nicht um ein vorübergehendes Phänomen handelt, das dann einfach wieder verebbt. Vielmehr müssen wir dafür sorgen, dass hier keine Dauerflut entsteht, die einen Teil unserer Gerichtsbarkeit unter Wasser zu setzen droht.

Da hilft es auch nicht viel, dass in einigen Sparten die Klagefreudigkeit der Bürgerinnen und Bürger ein wenig gesunken ist.

(Unruhe)

Meine Klagefreudigkeit wird gleich hinsichtlich der Lautstärke zunehmen. Professor Zielke hat das Wort! - Bitte schön!

Unter dem Strich ist die Lage an den Gerichten gekennzeichnet dadurch, dass die Berge unerledigter Akten höher werden und der Rechtsweg für die Rechtsuchenden zu einer Geduldsprobe wird. Allerdings haben wir schon bei der Einführung der jetzigen Regelung durchaus vorausschauend beschlossen, die Auswirkungen wissenschaftlich begleiten zu lassen und dann die Ergebnisse zu evaluieren und gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen. Insofern, verehrte Grüne, rennen Sie mit Ihrem Antrag offene Türen ein.

(Zustimmung von Stefan Wenzel [GRÜNE])

Schon bald werden die ersten Ergebnisse des wissenschaftlichen Begleitgutachtens vorliegen. Dieses Verfahren, seinerzeit von allen befürwortet, sollten wir einhalten.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Diese Regierung und die sie tragenden Fraktionen arbeiten genauso solide und verlässlich weiter wie von Anfang an. Wir werden uns jetzt bestimmt nicht von der Opposition in wilde legislatorische Hektik treiben lassen.

(Beifall bei der FDP)

Die Gründe für den Anstieg der Klagen mögen für die Bereiche, die Sie unter den Punkten 1 bis 4 aufzählen, durchaus verschieden sein und unterschiedliche Maßnahmen sinnvoll erscheinen lassen. Deshalb bin ich mir noch nicht sicher, dass die Lösung, die Sie vorschlagen, Herr Kollege Lennartz, genau die passende ist. Wir werden diese Diskussion im Ausschuss in der angemessenen Tiefe und Sorgfalt führen.

Die Justiz - das lassen Sie mich zum Abschluss sagen - ist bei der FDP in guten Händen. Wir können uns durchaus vorstellen, dass kurzfristig die Situation durch neue Richter gemildert werden kann. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön, Herr Professor Dr. Zielke. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön.

(David McAllister [CDU]: Hallo, Uwe!)

Frau Präsidentin! Herr McAllister! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben eine Verwaltungsreform in Niedersachsen in den letzten dreieinhalb Jahren vorgelegt, die äußerst erfolgreich gewesen ist. Wir können vor allen Dingen, was die finanziellen Auswirkungen angeht, jetzt schon darlegen, dass wir dann als Ergebnis in der Endphase bis zu 300 Millionen Euro langfristig eingespart haben. Das als kurze Vorbemerkung.

Ein Teil der Verwaltungsreform war auch die Teilabschaffung des Widerspruchsverfahrens. Hierzu haben wir von Anfang an gesagt, dass wir hier Neuland für Niedersachsen beschreiten. Allerdings haben andere Bundesländer uns hier einiges voraus. Insofern konnten wir auch auf die Erfahrungen zurückgreifen.

Wir haben bewusst von Anfang an gesagt, dass wir eine Evaluierung vornehmen müssen, dies auch kontinuierlich während des gesamten Prozesses. Wir haben das Gesetz für das Jahr 2009 befristet. Dann würde eigentlich das Widerspruchsverfahren wieder eingesetzt, wenn wir nicht etwas anderes in diesem Bereich beschließen. Das ist die Ausgangssituation.

Insofern haben wir von Anfang an gesagt, aus den Erfahrungen, die wir aus den anderen Bundesländern haben, dass wir einen Anstieg im Klageverfahren haben werden. Das, was wir jetzt nach zwei Jahren vorfinden, entspricht genau der Prognose, die wir bei Verabschiedung des Gesetzes gemacht haben. Es ist insofern keine überraschende Entwicklung und auch keine dramatische Entwicklung.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Warum ha- ben Sie es dann gemacht?)

Wenn Sie die vernünftigen Maßnahmen ergreifen, haben Sie anschließend einen Rückgang bei den Klageverfahren. Wir werden den Bericht der Evaluation haben. Wir haben Herrn Dr. Müller-Rommel bzw. Herrn Dr. Meyer vom Zentrum für Demokratieforschung der Universität Lüneburg beauftragt. Den Zwischenbericht werden wir am 15. Februar 2007 erhalten und werden ihn dann auch hier vorlegen können.

Wir haben aber schon zum jetzigen Zeitpunkt einen Sachstandsbericht bekommen. Ich möchte einiges daraus darstellen. In mehreren Sachgebieten sind die Klageeingänge schon vor Aussetzung zum 1. Januar 2005 relevant angestiegen, z. B. in den Bereichen Bestattungs- und Friedhofsrecht, Vergabe von Studienplätzen, Studiengebühren, Gewerberecht und Wohngeldrecht. Das heißt, Rechtsänderungen, die dort vor Abschaffung des Widerspruchsverfahrens verabschiedet worden sind, haben zu einem Anstieg geführt. Das kann man bei der Bewertung des Widerspruchsverfahrens nicht mit ins Feld führen.

In mehreren Sachgebieten deutet sich schon jetzt ein Rückgang oder eine Stabilisierung der Eingangszahlen an, u. a. in den Bereichen Land- und

Ernährungswirtschaft, Studienplatzvergabe, Ausländerrecht, Fahrerlaubnisse, Wohngeld, Benutzungsgebühren und BAföG. Hier wird sich eine moderne Verwaltungspraxis schon ausgezahlt haben. Das ist schon jetzt bei dem Sachstandsbericht zu sehen. Die Prognose „erst Anstieg, anschließend Rückführung“ ist hier schon dargelegt worden.

Meine Damen und Herren, daneben gibt es einige Bereiche, wo es sehr unterschiedliche Entwicklungen gibt, je nach Verwaltungsgerichtsbezirk. Hier kann man die Gewerbeordnung anführen, Handwerksrecht, Gaststättenrecht, um nur einige wenige zu nennen.

Dann gibt es einen vierten Bereich, und zwar landwirtschaftliche Subventionen, auch kommunale Steuern, wo wir durchaus einen Anstieg zu verzeichnen haben, der in einer Größenordnung ist, die zu beachten ist. Das ist überhaupt keine Frage. Aber auch das ist nach Verwaltungsgerichtsbezirken völlig unterschiedlich. Bei den Subventionen in der Landwirtschaft ist es z. B. der Bereich Stade, wo wir einen enormen Anstieg haben. In anderen Bereichen, z. B. in Osnabrück, haben wir überhaupt keine Probleme. Insofern gehört dies hier noch einmal genauer untersucht.

Wir haben uns im Kabinett mit dieser Frage befasst. Das kann ich durchaus bestätigen. Dazu müssen wir eines feststellen. Wichtig ist, dass wir die Möglichkeit haben, ein modernes Beschwerdemanagement umsetzen zu können. Das ist bei den Rundfunkgebühren sehr schwierig, weil wir sehr wenig Einfluss auf die GEZ haben, dass man dort nur für Niedersachsen ein vernünftiges Beschwerdemanagement einführt. Hier haben wir einen Anstieg zu verzeichnen. Deshalb macht es durchaus Sinn, in diesem Bereich zu reagieren und bei den Rundfunkgebühren das Widerspruchsverfahren wieder einzuführen.

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Professor Dr. Lennartz?

Immer gerne.

Herr Minister, Sie haben erwähnt, dass Sie eine Evaluation oder wissenschaftliche Begleitung in Auftrag gegeben haben und schon über einen Sachstandsbericht verfügen. Wann ist dieser Auftrag erteilt worden?

Herr Minister!

Im September ist der Auftrag erteilt worden. Haben Sie ein Problem damit, dass wir im September einen Auftrag vergeben haben?

(Zuruf von Professor Dr. Albert Len- nartz [GRÜNE])

- Es ist doch klar, dass man zunächst einmal zwei Jahre abwartet, wie die Zahlen sind, damit man diese Zahlen dokumentieren und dann reagieren kann. Das ist überhaupt kein Problem. Am 15. Februar 2007 werden wir den Zwischenbericht haben, dann kann man auf dieser Basis vernünftig reagieren. Das ist überhaupt kein Problem. Wir haben gesagt, bis zum Jahr 2009 ist das Gesetz befristet. Das heißt, endgültig entscheiden müssen wir im Jahr 2008. Wir sind also völlig im Zeitplan. Da gibt es also überhaupt kein Problem, darüber zu reden.

Wichtiger Punkt ist, dass wir ein Beschwerdemanagement in den Bereichen einrichten müssen, in denen wir einen Anstieg haben. Das ist noch nicht überall gelungen. Wo wir das allerdings schon haben, da gibt es hervorragende Äußerungen auch zu diesem Bereich.