Danke schön. - Für die SPD-Fraktion hat Herr Kollege Lenz das Wort. Sie haben noch Redezeit für drei Sätze.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Hirche, wenn Sie hier vom Ablenkungsmanöver der SPD-Fraktion sprechen, wenn Sie uns quasi als betonköpfig darstellen, dann kann ich nur sagen: Ablenkungsmanöver macht Herr Glos, und Betonköpfe sind diejenigen, die nicht erkennen wollen, dass auch auf dem Arbeitsmarkt stabile Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen.
Wenn Sie sagen, die Wirtschaft braucht stabile Rahmenbedingungen, dann sage ich: Die Debatte um den Kündigungsschutz braucht endlich einmal Verlässlichkeit. Vor zwei Jahren ist der Kündi
gungsschutz verändert worden. Er wurde im Koalitionsvertrag nicht umgesetzt, weil es nämlich ein Junktim gibt, und zwar das Thema der befristeten Beschäftigung ohne sachlichen Grund. Dafür, Auftragsspitzen abzuarbeiten, gibt es zwei Instrumente: Zeitarbeitsfirmen und ohne sachlichen Grund befristete Beschäftigungsverhältnisse.
Herr Hirche, ich würde mir wünschen, dass wir endlich einmal auf den Punkt kommen, damit diese unsägliche Diskussion, in der wir uns gegenseitig Vorwürfe machen, endlich aufhört.
Herr Dinkla, von der CDU-Fraktion hätte ich mir ein bisschen mehr erwartet, nämlich dass Sie heute einmal klare Position beziehen. Sie haben sich aber darum herumgedrückt. - Schönen Dank.
Tagesordnungspunkt 5: 40. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 15/3285
Zu den Eingaben aus der 40. Eingabenübersicht liegen bekanntlicherweise Änderungsanträge nicht vor. Die Behandlung der unter H. I. Nrn. 2 bis 12 und L. aufgeführten Eingaben 2959 (01 bis 09), 2960 (01 und 02) und 2980 entfällt, da sie von den Petenten zurückgezogen wurden.
Wer den Beschlussempfehlungen der Ausschüsse zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? Das ist so beschlossen.
Damit haben wir den Tagesordnungspunkt Eingaben für diesen Tagungsabschnitt abschließend behandelt. Die für Freitag vorgesehene Behandlung der strittigen Eingaben entfällt, da Änderungsanträge nicht vorliegen.
Tagesordnungspunkt 6: Einzige (abschließende) Beratung: Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen zur Änderung des Abkommens über das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt- Änderungsabkommen) - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 15/3091 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Drs. 15/3248 - Schriftlicher Bericht - Drs. 15/3301
Der schriftliche Bericht über die Ausschussberatungen liegt Ihnen bereits vor. Eine mündliche Berichterstattung ist daher nicht vorgesehen.
Artikel 1: - Hierzu liegt eine Änderungsempfehlung des Ausschusses vor. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so entschlossen.
Artikel 1/1. - Auch hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Dann ist das so beschlossen.
Artikel 2. - Auch hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer ihr zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist so beschlossen.
Gesetzesüberschrift. - Auch hierzu gibt es eine Änderungsempfehlung des Ausschusses. Wer sie beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Keine. Dann ist das so beschlossen.
Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetzentwurf seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich, sich zu erheben. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Beides sehe ich nicht. Dann ist das Gesetz so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 7: Erste Beratung: Entwurf eines Niedersächsischen Jugendstrafvollzugsgesetzes (NJugVollzG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drs. 15/3271
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Rahmen der Föderalismusreform ist nun der Vollzug gegen den geballten Sachverstand der gesamten Republik in die Länderhoheit übergegangen. Das bedeutet: Niedersachsen ist jetzt zuständig für den Erwachsenenvollzug, für die Untersuchungshaft und für den Jugendstrafvollzug. Die Suppe, die sich die Länder eingebrockt haben, müssen sie nun auch auslöffeln.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung bereits 1972 festgestellt, dass Eingriffe in die Grundrechte von Gefangenen einer gesetzlichen Regelung bedürfen. Für Erwachsene wurde dies bereits vor 30 Jahren verwirklicht. Für die Jugendlichen gibt es bis zum heutigen Tage nur eine Verwaltungsvorschrift auf Bundesebene aus dem Jahre 1977. Niedersachsen lebt also in einem verfassungswidrigen Zustand.
Auch deshalb hat das höchste Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland in seinem neuen Urteil vom Mai 2006 von einer Verwahrlosung des Rechts im Jugendstrafvollzug gesprochen. Bislang
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen hat herausgefunden, dass nur 30 % der inhaftierten Jugendlichen eine fachgerechte Betreuung in der Haft erhalten und 78 % aller, die nicht auf Bewährung freikommen, wieder hinter Gittern landen. Diese Quote ist deutlich höher als bei Erwachsenen. Im Durchschnitt verlassen die Jugendlichen den Vollzug nach elf Monaten und sollen dann im Alltag klarkommen. Wenn sie in den Vollzug kommen, haben nur ca. 5 % einen Berufsabschluss und das, obwohl die Jungen - es sind in der Tat meistens Jungen; nur 2 bis 3 % der inhaftierten Jugendlichen sind Mädchen - im Durchschnitt 19 Jahre alt sind. Bei diesem gesellschaftspolitischen Trauerspiel ist dem Bundesverfassungsgericht quasi die Hutschnur geplatzt. Das Gericht setzte ein Ultimatum bis Ende 2007. Bis dahin haben die Länder ein Jugendstrafvollzugsgesetz zu schaffen. Dabei machen die Richter aus Karlsruhe nicht nur juristische Vorgaben, sondern geben auch gesellschaftliche Wegweisungen. Dazu gehören besondere Regelungen für die Zahl der Familienbesuche, für die körperliche Bewegung und vor allen Dingen auch für die Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten. Mit anderen Worten: Wir brauchen ein Resozialisierungskonzept, weil wirksame Resozialisierung eben Straffreiheit bedeutet. Das ist die beste Sicherheit für die Bevölkerung, also Opferschutz in Reinkultur.
Zwar sind die Anstalten bei den Bildungsangeboten schon ziemlich aktiv, jedoch hieß es oft, eine Ausbildung lohne sich nicht, weil die Haftzeit zu kurz sei. Dieses Argument hat das Bundesverfassungsgericht nicht akzeptiert. Schließlich beträgt die sogenannte Wiederkehrquote in den Knast bei Jugendlichen ohne Schul- und Berufsausbildung 64 %. Besser sieht es bei den Jugendlichen aus, die eine Ausbildung haben oder im Vollzug eine Ausbildung machen. Von diesen Jugendlichen kommen nur 21 % wieder hinter Gitter. Die Diskrepanz ist also enorm.
Der Jugendstrafvollzug ist nun der erste Prüfstein in der Föderalismusreform. Sechs Bundesländer bestehen auf eigenständigen Lösungen. Dazu gehören die üblichen Verdächtigen: Bayern, Hessen und Niedersachsen. Hier geht es nicht um Klasse, sondern um Masse nach dem Motto: Ätsch, ich bin als Erster fertig. - Nach der verunglückten soge
Die zehn anderen Länder haben sich zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen und unternehmen den ernsthaften Versuch, zu einheitlichen und klaren Maßstäben zu kommen. Die Länder wollen aus der Bundesrepublik keinen Flickenteppich machen, und sie wollen auch nicht den Wettbewerb der Schäbigkeit antreten. Als Grundlage dient ihnen - und uns im Übrigen auch - der Gesetzentwurf des Bundes vom Juni 2006. Dieser Entwurf entspricht zu fast 100 % den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, die wir in Niedersachsen zu erfüllen haben. Er entspricht im Wesentlichen auch den Vorstellungen der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfe sowie den Vorstellungen anerkannter Kriminologen wie Professor Dr. Christian Pfeiffer.
Diesen Entwurf bringen wir in den Niedersächsischen Landtag ein, weil wir in einem parlamentarischen Verfahren unter Einbeziehung der Fachwelt und der Öffentlichkeit über den besten Strafvollzug für Jugendliche diskutieren wollen - so, wie es die anderen zehn Länder auch tun. Ich möchte Ihnen die zentralen Eckpunkte, die in ein solches Gesetz gehören, einmal aufzählen. Aus unserer Sicht sind folgende Mindeststandards zu erfüllen und erforderlich:
Erstens. Alleiniges Vollzugsziel bzw. Erziehungsziel muss sein, den Inhaftierten ein künftig straffreies Leben in Freiheit zu ermöglichen.
Zweitens. Die Jugendstrafanstalten sollen im Sinne der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ausreichend ausgestattete Schulabteilungen zur Bereitstellung eines differenzierten Lern- und Bildungsangebotes haben. Ich erinnere an Wiederkehrquote von 21 % bei Jugendlichen, die eine Ausbildung haben. Sie ist erheblich niedriger als bei denjenigen, die keinen Schulabschluss haben.
Drittens. Familiäre Kontakte für die Inhaftierten müssen in einem größtmöglichen Umfang zugelassen werden, anders als bei Erwachsenen.
Viertens. Zur Förderung der sozialen Kontakte und zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft soll die Unterbringung in Einrichtungen, die dem offenen Vollzug zugerechnet werden, realisiert werden können.