Protocol of the Session on November 8, 2006

(David McAllister [CDU]: Was denn sonst?)

Es geht um einen Zusammenschluss auf freiwilliger Basis. Selbst Ihre Landesregierung - daran möchte ich erinnern; vielleicht haben Sie das schon vergessen - hat im Zusammenhang mit dem

ersten gescheiterten Gesetzentwurf zum LüchowDannenberg-Gesetz eine Anhörung der Bevölkerung, eine Bürgerbefragung - nicht im strengen Sinne der NGO, aber immerhin eine Bürgerbefragung - vor Ort durchführen lassen. Sie musste das tun, weil das der Artikel 59 Abs. 3 der Niedersächsischen Verfassung vorsieht. Das heißt zugleich: Jede Kreis- und Gebietsreform kommt in Niedersachsen - ob im Sinne dessen, was der Bund der Steuerzahler vorschlägt, oder in anderer Form gegebenenfalls gar nicht für die gesamte Landesfläche infrage, sondern nur von bestimmten Kernen her, in denen die Bereitschaft zu Fusionen weiter entwickelt ist. In jedem Fall wird die Verfassung dazu führen, dass eine solche Gebietsänderungsregelung eine Anhörung der Bevölkerung beinhaltet. Ein solches Votum der Bevölkerung wird man natürlich nicht übergehen können.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Jetzt einmal zu den Inhalten, nicht nur zum Verfah- ren!)

- Zu den Inhalten?

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Was wollen denn die Grünen?)

- Ich habe wohl mehrfach hier vorgestellt,

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Aber nicht heute!)

dass wir eine Kreis- und Gebietsreform für sinnvoll halten. Lesen Sie beispielsweise unseren Debattenbeitrag zu der Verabschiedung des Gesetzes zur Abschaffung der Bezirksregierungen. Dann werden Sie das feststellen.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wer mit wem? Welche Kreise?)

Ich möchte noch einmal kurz auf die Argumente eingehen. Sie sprachen von der Region Hannover. Für mich beispielsweise - ich glaube, auch für meine Fraktion - ist die Region Hannover nicht der allein selig machende Anknüpfungspunkt für eine Regionalisierung.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Oho! - Hans-Christian Biallas [CDU]: Ein Schuss in den Ofen!)

- Herr Biallas, sie ist auch kein Schuss in den Ofen. Das ist Ihre beschränkte Sichtweise,

(Beifall bei den GRÜNEN)

die Sie zum Teil von Ihren Kommunalpolitikern übernommen haben, die noch immer nicht den Frust darüber überwunden haben, dass es wieder nicht gereicht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Die Region Hannover und die Haushaltslage der Region Hannover sind nicht Produkt und Ergebnis der Regionsbildung - Herr Rösler, Sie als Regionsabgeordneter wissen das -,

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Ehemali- ger!)

sondern das ist im Wesentlichen durch den Sozialhaushalt und die Kosten des Sozialhaushaltes der Region wie auch in ganz vielen anderen Landkreisen erklärt.

Deswegen sage ich Ihnen: Es ist ein Flop, sozusagen mal eben mit einem schnellen Satz oder einigen schnellen Sätzen diesen Ansatz des Bundes der Steuerzahler abbügeln zu wollen. Sie werden sich diesem Thema stellen müssen. Wenn das nicht jetzt passiert, dann wird es eben 2008 passieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der nächste Redner ist Herr Jüttner von der SPDFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte um diesen Vorschlag des Bundes der Steuerzahler lohnt sich. Auch ich habe Kritik daran. Ich glaube, das Konsolidierungsvermögen durch eine Verwaltungsreform wird überschätzt. Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Kreise oder Regionen und die Zuschnitte so mit Sicherheit auf Dauer nicht tragen werden. Aber das ist gar nicht das Thema, sondern die Frage ist doch: Was bewegt den Bund der Steuerzahler zu solchen Vorschlägen? - Dazu möchte ich auf zwei Punkte hinweisen. Der erste Punkt ist die Finanzsituation der Kreise. Derjenige, der im kommunalen Finanzausgleich dramatische Kürzungen zu vertreten hat, muss hier erst einmal zur Rechenschaft gezogen werden. Das ist einer der Ausgangspunkte, die dazu geführt haben, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Reinhold Hilbers [CDU]: Das glauben Sie doch selbst nicht!)

Der zweite Punkt: Sie haben durch die Abschaffung der Bezirksregierungen negative Folgen verursacht, die in der Praxis der langen Wege, in umständlichen Entscheidungsfindungen und der Kenntnislosigkeit über relevante Teile im Lande Niedersachsen bestehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Die logische Konsequenz ist die Gebietsreform, die Sie mit Ihrer Reform produziert haben. Das sagen nicht nur wir. Der von Ihnen immer angeführte Professor Hesse sagte im Innenausschuss im August 2004: Die Abschaffung der Mittelinstanz in großen Flächen provoziert Veränderungen auf der kommunalen Ebene.

(Beifall bei der SPD)

Das ist genau die Debatte, die wir führen, meine Damen und Herren.

(Heiner Bartling [SPD]: Wo Hesse recht hat, hat er recht!)

Sie scheuen dieses Thema wie der Teufel das Weihwasser, meine Damen und Herren.

Sie haben das Verbot der Staatskanzlei: Über das Thema darf nicht geredet werden. Herr Schünemann muss ein Lüchow-Dannenberg-Konzept zur Abschaffung eines Kreises machen, und Sie erklären: Die Abschaffung eines Kreises ist kein Thema einer Kreisreform. - Meine Damen und Herren, wen wollen Sie in diesem Land eigentlich veräppeln? Das nimmt Ihnen doch kein Mensch ab! Das, was Sie da machen, ist Kreisreform!

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Nein!)

Herr Rolfes erklärte in einer Presseerklärung: Nein, alles freiwillig. Außerdem zeige ja die Region Hannover, wohin das führe: alles Chaos. - Sie müssen sich einmal einigen. Ihr Ministerpräsident hat vor wenigen Tagen auf der Verabschiedungsveranstaltung von Herrn Arndt deutlich gemacht: Die Region Hannover ist ein Erfolgskonzept. Man kann das nicht überallhin übertragen, aber es hat sich schon heute bewährt. - Meine Damen und Herren, was gilt? Wulff oder Rolfes? Sie dürfen entscheiden!

(Lachen bei der SPD - Heiner Bartling [SPD]: Keiner gilt! Keiner hat Ah- nung!)

Aber entscheiden Sie bitte. Das ist unsere herzliche Bitte an dieser Stelle.

Ihr Vorschlag ist: interkommunale Zusammenarbeit. - Das ist in Ordnung. Das sehen auch wir so. Wir gehen davon aus, dass interkommunale Zusammenarbeit, wie Herr Rösler das gesagt hat, viel regulieren kann, vieles wirtschaftlich besser darstellen kann. Meine Damen und Herren, der eben schon genannte Professor Hesse hat ein Gutachten über interkommunale Zusammenarbeit geschrieben - das ist erst wenige Wochen alt - und kommt interessanterweise - das ist Ihr Gutachter! zu dem Ergebnis:

„Fasst man die vorangegangenen Erörterungen zusammen, erscheint eine allein auf dem Freiwilligkeitsprinzip der Selbstregelung fußende Strategie nicht ausreichend... Im Ergebnis wird vorgeschlagen, ein entsprechendes Anreizsystem um die Perspektive von Zusammenschlüssen ganzer Gebietskörperschaften zu ergänzen.“

Das ist Herr Hesse. Deshalb halte ich es für fatal, wenn die Politik das Thema tabuisiert, während die Landräte - übrigens nicht auf den offiziellen Veranstaltungen, aber anschließend, spätestens vom zweiten Bier an - kräftig miteinander darüber diskutieren.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wer denn? Nennen Sie doch mal Namen!)

Diese Tabuisierung machen Sie.

(Beifall bei der SPD)

Sie wollen den Leuten in Niedersachsen einreden, das alles würde sich schon ruckeln. Aber es ruckelt sich nicht. Interkommunale Zusammenarbeit ist gut, aber irgendwann taucht die Frage der Steuerung auf. Es geht nämlich darum, dass Sie Ihrer landespolitischen Pflicht nachkommen müssen, gleichwertige Lebensverhältnisse in Niedersachsen zu gewährleisten. Sie lassen das laufen. Sie leisten Nichtstun, weil Sie Angst haben, Sie müssten eingreifen, Sie müssten diese Debatte aus der Regierung heraus steuern. Das werfen wir Ihnen vor.

Ergebnis: Das, was der Steuerzahlerbund vorschlägt, wird so nicht kommen. Das glaube ich auch. Aber er hat einer notwendigen Debatte eine zusätzliche Schubkraft gegeben, und es lohnt, darüber zu streiten. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Nächster Redner ist Herr McAllister von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die FDP hat den Titel der Aktuellen Stunde an unseren Koalitionsvertrag angelehnt. Dort heißt es auf Seite 12 wörtlich:

„Die Koalitionspartner stehen zu den 37 Landkreisen und zu den 8 kreisfreien Städten in Niedersachsen, zur Region Hannover und zur Landeshauptstadt Hannover.“

Meine Damen und Herren, das war unsere Position, und das ist unsere Position.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)