Protocol of the Session on October 10, 2006

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Je später der Abend, desto interessanter auch die Beiträge. Wir haben heute einen neuen Bartling, aber auch einen neuen Biallas erlebt. Das war für die Landesregierung eine interessante Erfahrung.

Ich freue mich aber, dass zumindest im überwiegenden Teil dieses Plenums Übereinstimmung darüber besteht, dass die Videoüberwachung ein wichtiger Baustein bei der Bekämpfung des inter

nationalen Terrorismus ist. Dass man damit Anschläge nur schwer verhindern kann, haben wir erleben müssen. Aber dass die Aufklärung durch Videoüberwachung erheblich beschleunigt und verbessert werden kann, hat sich auch gezeigt. Insofern ist es richtig, dass wir ganz intensiv darüber beraten, welche gesetzlichen Regelungen wir brauchen, damit wir diese Möglichkeit in der Zukunft noch besser in Anspruch nehmen können.

Sehr geehrter Herr Bartling, ich kann mich noch gut daran erinnern, als Sie nach den Anschlägen vom 11. September 2001 beim CDU-Fraktionsvorstand vorgesprochen und gefragt haben, ob es möglich ist, die Rasterfahndung schnell ins Gesetz aufzunehmen, weil dies notwendig war.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass ich als innenpolitischer Sprecher in einer Ausschusssitzung war, in der wir die Aufzeichnung durch Videotechnik gefordert haben. Die SPD-Fraktion war damals vehement dagegen. Dann haben Sie als Innenminister damals eine Tischvorlage nachgeschoben, und es wurde genau das, was wir gefordert haben, in einem Gesetzentwurf der damaligen Landesregierung eingebracht. Wir haben also zumindest an dieser Stelle schon einmal einen Schritt in die richtige Richtung erlebt.

Als wir die Regierungsverantwortung übernommen haben, habe ich aber erkennen müssen, dass zwar das Gesetz verabschiedet worden ist, dass aber leider Gottes überhaupt nicht in die Videotechnik investiert worden ist. So war es notwendig, erst einmal 350 000 Euro in die Hand zu nehmen, um überhaupt Aufnahmemöglichkeiten zu schaffen. Es ist ja toll, wenn man eine Gesetzesregelung hat, es aber z. B. in der Landeshauptstadt Hannover fast keine Videoanlagen gibt, mit denen man Aufzeichnungen vornehmen kann. Sie müssen sich doch fragen, ob es sinnvoll ist, im Gesetz etwas theoretisch zu regeln, es dann in der Praxis aber nicht umzusetzen. Wir haben diese Regelungen so schnell wie möglich umgesetzt. Das war auch notwendig.

Sehr geehrter Herr Bartling, Sie haben dargestellt, dass wir jetzt, gerade nach der Weltmeisterschaft, in massivem Umfang Videokameras abbauen bzw. abschalten mussten. Ich habe mich schnell erkundigt, was tatsächlich der Fall ist: Wir haben von 70 Videoanlagen gerade einmal fünf abgebaut. Im Wesentlichen ist davon der Waterlooplatz betroffen, auf dem die Public-viewing-Veranstaltungen stattgefunden haben. Ich teile die Ansicht von Poli

zeipräsident Klosa, der sagt, dass es keinen Sinn mehr macht, die Waterloosäule 24 Stunden am Tag zu beobachten, nachdem die Public-viewingVeranstaltungen nicht mehr stattfinden. Deshalb haben wir diese Anlagen abgebaut. Wir haben auch im Bereich der Verkehrslenkung 28 Videokameras abgeschaltet, weil eine solche Überwachung nach Ende der Fußballweltmeisterschaft nicht mehr notwendig ist.

Wenn der Kollege Lennartz darstellt, dass der Innenminister rechtswidrig etwas angeordnet hat, dann muss ich das in aller Entschiedenheit zurückweisen. Das kann ich auch begründen; denn der Kollege Lennartz hat aus dem Gesetz nicht richtig zitiert, wenn er davon spricht, „dass keine Gefahr vorliegt“. Der Gesetzestext heißt anders, und zwar steht dort: „wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dort künftig Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden“.

Sie wissen, welch latente Gefahr bei der Fußballweltmeisterschaft durch internationalen Terrorismus bestanden hat. Wenn ich mir vorstelle, was der Kollege Körting in Berlin aufgeboten hat, als nur eine Oper geschützt werden musste, dann kann ich nur sagen: Bei der Fußballweltmeisterschaft hatten wir eine ganz andere Bedrohungslage. Es ist mit Blick auf diese Gesetzesformulierung durchaus gerechtfertigt gewesen, dass wir eine Videoüberwachung und -aufzeichnung zur Fußballweltmeisterschaft vorgesehen haben. Das war rechtens und auf gar keinen Fall rechtswidrig.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich will nicht verhehlen, dass wir hinsichtlich der internationalen Bedrohung durch den Terrorismus über eine Veränderung im Gesetzestext nachdenken können. Aber das, was die SPD-Fraktion und Kollege Bartling vorgelegt haben, greift leider Gottes insofern zu kurz, als man in Zukunft auch die Alltagskriminalität mit beobachten muss.

(Heinrich Aller [SPD]: Alterskriminali- tät? - Gegenruf von der CDU: Alltags- kriminalität!)

- Die Allgemeinkriminalität, das ist vielleicht ein besserer Ausdruck. - Denn wenn man auf Gefahren für Leben, Gesundheit oder Freiheit abstellt, bleiben wichtige Deliktsfelder außen vor, z. B. auch Diebstahl oder Betäubungsmitteldelikte. Diese im Blick zu behalten, ist genauso wichtig. Wenn man

die Rauschgiftkriminalität eindämmen will, dann ist die Videoüberwachung zu diesem Zweck durchaus sinnvoll. In Ihrem Vorschlag ist dies in keiner Weise berücksichtigt, deshalb muss eine Änderung erfolgen.

(Zustimmung bei der CDU - Unruhe)

- Frau Präsidentin, das ist ein sehr wichtiges Thema, deshalb wäre es gut, wenn ein bisschen zugehört wird.

Ich höre Ihnen ganz konzentriert zu. - Jetzt ist es wieder absolut ruhig. Herr Innenminister, Sie haben das Wort. Bitte denken Sie aber auch an Ihre Redezeit. - Danke.

Ja, ich sehe das.

Nach den Anschlägen von Köln, London und Madrid haben die Innenminister den Arbeitskreis 2 beauftragt, möglichst gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, damit dann ein vernünftiger Gesetzesvorschlag vorgelegt werden kann. Ein solcher Vorschlag liegt noch nicht vor, aber schon nach den ersten Berichten ist erkennbar, dass z. B. eine 48Stunden-Aufzeichnung überhaupt nicht ausreicht. Man geht davon aus, dass für die Vortatphase - d. h. wenn z. B. der Tatort vor der Tat ausgespäht wird - mindestens fünf Tage veranschlagt werden müssen. Wenn man den gesamten Zeitraum zusammenrechnet, dann ist eine Speicherzeit von etwa zehn Tagen nötig.

Herr Bartling, dafür brauchen wir keine Gesetzesänderung, sondern schon jetzt - das Gesetz haben Sie damals noch eingebracht - ist eine solche Möglichkeit vorgesehen. Es gibt keine Löschfristen. Das ist also überhaupt nicht neu zu regeln.

Ich hoffe, dass wir möglichst zu einer Gesamtregelung auf Bund-Länder-Ebene kommen, damit wir die Videotechnik und die Videoaufzeichnung in Zukunft angemessen einsetzen und vor allem dazu beitragen können, dass der internationale Terrorismus noch weiter bekämpft und eingedämmt wird. Deshalb ist es richtig, dass wir jetzt zu diesem Thema auch einen Vorschlag von Professor Starck bekommen. Aber wir werden dieses Thema insgesamt in die IMK einbetten; denn es existiert nicht nur eine Bedrohung in Niedersachsen, son

dern in ganz Deutschland. Daher ist eine einheitliche Regelung sinnvoll. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor.

Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll der Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen werden, mitberatend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen tätig sein. Wer so beschließen möge, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist so beschlossen worden.

Ich rufe nun den letzten Tagesordnungspunkt für heute auf, nämlich

Tagesordnungspunkt 12: Zweite Beratung: Leitstellen vernünftig organisieren! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/2937 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport - Drs. 15/3199

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport lautet auf Ablehnung.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Als Beratungszeit stehen insgesamt 23 Minuten zur Verfügung.

Mir liegen zwei Wortmeldungen vor. Für die SPDFraktion hat Herr Kollege Bachmann das Wort. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bedauerlicherweise empfiehlt der Innenausschuss die Ablehnung dieses Antrages, obwohl die Chance bestünde, eine konfuse Debatte mit vernünftigen, nachvollziehbaren Eckpunkten durch das Parlament zu begleiten. Dies ist umso bedauerlicher, als der Sprecher der CDU-Fraktion im Innenausschuss gesagt hat, dass er mit vielen dieser Eckpunkte inhaltlich übereinstimmt. Wenn Sie angesichts dieser Übereinstimmung einen Änderungs

antrag vorgelegt hätten, hätten wir die Chance gehabt, hier zu einem gemeinsamen Beschluss zu kommen. Das haben Sie nicht getan, weil Sie sich weiterhin aus der Debatte heraushalten wollen, die konfus im Land geführt wird. Das ist bedauerlich.

Wir müssen heute feststellen: Der Innenminister ist mit seiner großen Ankündigung in den regionalen Leitstellenkonferenzen, in den Polizeidirektionen maximal zwei kooperative - damals nannte er sie noch: bunte - Leitstellen zu schaffen, gescheitert, weil die Hilfsorganisationen im Lande, insbesondere die Feuerwehren, aber auch die für die integrierten Feuerwehreinsatz- und Rettungsleitstellen zuständigen Kommunen ihm auf diesem Wege nicht folgen.

Zu den Fakten will ich nur drei Beispiele aus dem Lande nennen. Die Eckpunkte, die wir vorschlagen, brauche ich nicht noch einmal vorzutragen; sie stehen mit Begründung in der Vorlage, die Sie alle gelesen haben. Zwischenstand der Debatte ist: In der Region Hannover haben sich Region und Landeshauptstadt darauf verständigt, eine regionale Feuerwehr- und Einsatzleitstelle für den Rettungsdienst zu schaffen. In der Region Braunschweig haben sich die Stadt Braunschweig und der Landkreis Peine mittlerweile in der Praxis auf ein solches regionales Leitstellensystem der Feuerwehr und des Rettungsdienstes verständigt.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Der Landkreis Wolfenbüttel hat gerade beschlossen, sich diesem Verbund anzuschließen. Im August haben einige Gebietskörperschaften in Weser-Ems einen ähnlichen Vertrag unterzeichnet. Die Stadt und der Landkreis Oldenburg, die Stadt Delmenhorst, der Landkreis Wesermarsch, der Landkreis Ammerland und - man höre und staune der Landkreis Cloppenburg wollen gemeinsam eine integrierte Feuerwehreinsatz- und Rettungsleitstelle vorhalten. Besonders interessant ist, dass Ihr ehemaliger Innenpolitiker Hans Eveslage als Landrat von Cloppenburg mit dabei ist. Wir können ihn zu dieser freiwilligen Entscheidung der dortigen Kommunen nur beglückwünschen. Aber er macht Ihnen, Herr Schünemann, ein Problem; denn er ist der einzige Partner, der nicht zur Polizeidirektion Oldenburg, sondern zur Polizeidirektion Osnabrück gehört. Damit wollen die Kommunen unter feuerwehreinsatztaktischen und rettungsdienstlichen Bezügen eine sinnvolle Regelung herbeiführen, die Sie wie der Teufel verhindern wollen. Sie wollen nämlich verhindern, dass es Leitstellen auf kom

munaler Ebene gibt, die die Grenzen einer Polizeidirektion überschreiten. Aus diesem Grunde finden wir im Haushaltsplanentwurf 2007 eine Absichtserklärung, in 2008 und den folgenden Jahren 2 Millionen Euro für eine Leitstelle im Bereich Oldenburg zur Verfügung zu stellen. Erst einmal stellen wir mit Interesse fest: Gehandelt werden soll also erst in der nächsten Wahlperiode. Da werden wir dann aber handeln, und zwar im Sinne unserer Eckpunkte.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ferner muss das Ganze als Verzweiflungstat bezeichnet werden; denn nun soll plötzlich Oldenburg mit 2 Millionen Euro unterstützt werden. Ich nehme an, die Speckseite soll dafür sorgen, dass man die Polizei dort mit hineinnimmt. Aber wie Sie das dann mit den Grenzen der Polizeidirektionen lösen wollen, sollten Sie uns in der nächsten Zeit in der Praxis zeigen.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Welches Signal senden Sie aber in das Land aus? - Sie senden das Signal aus, dass Sie in Oldenburg offensichtlich Handlungsbedarf sehen, weshalb Sie da mitfinanzieren wollen. Alle anderen, die freiwillige Lösungen anstreben, werden im Augenblick nicht finanziell unterstützt. Wir haben immer gesagt: Schaffen Sie Anreize, die auch andere Kommunen motivieren, freiwillig größere Leitstelleneinheiten zu schaffen! Das geht auch, wenn das Land finanziell dabei ist.

Wenn Sie unseren Antrag heute ablehnen, dann legen Sie schleunigst das Rettungsdienstgesetz vor, das Sie dem Parlament noch nicht zugeleitet haben, obwohl die Anhörung vor einigen Monaten abgeschlossen worden ist. Sie haben dann die Chance, gegen bunte Leitstellen und auch gegen die sogenannten kooperativen Leitstellen als Pflichtveranstaltung eindeutig Position zu beziehen. Wir haben dann gemeinsam die Chance, wenigstens im Rettungsdienstgesetz festzuschreiben, dass wir freiwillige Lösungen der Zusammenarbeit akzeptieren, dass es jedoch mindestens sogenannte integrierte Leitstellen für den Bereich Feuerwehr und Rettungsdienst geben muss, dass es weiterhin eine kommunale Aufgabe bleibt und das Land die Kommunen an dieser Stelle nicht bevormundet. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Coenen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was erwarten die Niedersachsen bei einem Schadensereignis in unserem Land? - Dass ihnen unverzüglich geholfen wird - prompt, unbürokratisch und professionell. Bis zu diesem Punkt - so hoffe ich - sind wir uns parteiübergreifend einig. Doch mit dem vorliegenden Antrag, meine sehr verehrten Damen und Herren von der SPD, fallen Sie in die Steinzeit zurück.

Leitstellen vernünftig organisieren: 27 Leitstellen analog den Polizeiinspektionen, begrenzte Nutzung modernster Technik, Berücksichtigung von Führungskulturen. - Ich könnte diese Negativliste beliebig fortsetzen. Selbst im Kommunalwahlkampf haben Ihre Vorstellungen von einem Leitstellenkonzept bei den Kommunen nicht überzeugt.

Martin Luther hat zwar gesagt, man soll dem Volk aufs Maul schauen. Dass man den Leuten nach dem Mund reden soll, hat er nirgendwo gesagt.