Wir kommen zur Schlussabstimmung. Wer dem Gesetz zustimmen will, den bitte ich, sich zu erheben. - Wer stimmt gegen das Gesetz? - Wer enthält sich der Stimme? - Damit ist dieser Gesetzentwurf bei acht Gegenstimmen angenommen.
Tagesordnungspunkt 11: Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD Drs. 15/3202
Sobald etwas mehr Ruhe eingekehrt sein wird, werde ich die Beratung eröffnen. - Zu Wort gemeldet hat sich von der SPD-Fraktion Herr Kollege Bartling. - Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass die Innenpolitiker in der Lage sind, bestimmte Themen sehr kurz abzuhandeln. Sehen Sie mir bitte nach, dass ich es nicht ganz so kurz mache, aber ich muss den Gesetzentwurf im Rahmen der Einbringung auch begründen.
Wir legen heute einen Gesetzentwurf vor, weil wir der Ansicht sind, dass es bei der Videoüberwachung Änderungsbedarf gibt. Wenn Herr Biallas sagte, Sie würden einen veränderten Bartling erleben, dann weise ich darauf hin, dass ich Schwierigkeiten hätte, Herrn Schünemann rechts zu überholen, wie eine Zeitung geschrieben hat.
Die gegenwärtigen Regelungen zur Videoüberwachung wurden von uns als Reaktion auf die veränderte Bedrohungslage nach dem 11. September, also ziemlich genau vor fünf Jahren, eingeführt. Die Rechtslage ist derzeit folgende: Die Polizei darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben öffentliche Plätze mittels Videoübertragung offen beobachten. Sie darf Videoaufzeichnungen dort jedoch nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen vornehmen, nämlich dann, wenn konkrete Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen werden soll.
Nach fünf Jahren ist es meines Erachtens an der Zeit, die Praxistauglichkeit dieser damals aus unserer Sicht sehr vernünftigen Regelung auf den Prüfstand zu stellen. Wir haben dies getan und im Vorfeld der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs
Gespräche mit zahlreichen Polizeipraktikern geführt. Diese Gespräche haben ergeben, dass ein bemerkenswerter Widerspruch zwischen dem besteht, was der Innenminister in öffentlichen Reden verkündet, und dem, was polizeipraktische Wirklichkeit ist.
Unmittelbar nach dem Anschlagsversuch von Koblenz erklärte Herr Schünemann gegenüber der Presse, dass die Polizei in Hannover Zugriff auf rund 800 Kameras habe. Dabei hat er erstens nicht nur polizeieigene Kameras, sondern auch die der Bahn und der örtlichen Verkehrsbetriebe mitgezählt und zweitens verschwiegen, dass die Polizei die Videoaufzeichnungen, die während der Fußballweltmeisterschaft an zahlreichen öffentlichen Plätzen erfolgten, nach und nach abschalten muss.
Eine solche Videoaufzeichnung ist derzeit auch nach den Erkenntnissen von Koblenz nicht möglich, weil es an einem konkreten Verdacht fehlt, dass ein solcher Anschlagsversuch in Hannover verübt werden könnte. Um es ganz deutlich zu sagen: Der vom Innenminister häufig artikulierte Wille nach einer weitgehenden Videoüberwachung findet in der derzeitigen Fassung unseres Polizeigesetzes keine Grundlage.
In der Praxis besteht derzeit übrigens auch ein bemerkenswerter Widerspruch zu Videoaufzeichnungen an öffentlich zugänglichen Gebäuden. In öffentlich zugänglichen Gebäuden, etwa in Bahnhöfen und Banken, dürfen Videoaufzeichnungen zum Schutz von Personen oder Sachen durchgeführt werden. Die Aufzeichnungen sind anschließend selbstverständlich unverzüglich zu löschen, wenn es keine Anhaltspunkte gibt, dass sie zur Strafverfolgung benötigt werden. Ich bin der Ansicht, dass wir eine ähnliche Regelung für die Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen brauchen, insbesondere an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhofsvorplätzen, aber auch vor Fußballstadien, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Ich lege allerdings großen Wert darauf, dass unsere diesbezügliche Initiative nicht als populistischer Schnellschuss wahrgenommen wird. Wir haben uns mit der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs viel Zeit gelassen, auch wenn er sehr kurz ist, und uns
bewusst nicht für die vollständige Freigabe der Videoaufzeichnungen entschlossen. Wir sind jedoch der Meinung, dass sich die Bedrohungslage nach den Anschlägen von Madrid und London, spätestens aber nach dem Verdacht auf Kofferbomben in Köln und Koblenz noch einmal verändert hat und Niedersachsen sein Polizeigesetz daraufhin anpassen muss, wie es übrigens auch viele andere Länder tun.
Wir haben uns mit der von uns vorgeschlagenen Formulierung ganz bewusst an der von der Großen Koalition in Schleswig-Holstein vorgeschlagenen Formulierung orientiert, weil wir einen praxisnahen Vorschlag machen wollten, der Aussicht auf eine breite Unterstützung hat. Uns ist wichtig, dass wir eine Änderung des Polizeigesetzes möglichst zeitnah beschließen können, weil wir in diesem Bereich tatsächlich Regelungsbedarf haben. Aber natürlich werden wir uns in den Ausschussberatungen nicht dagegen sperren, gemeinsam eine Formulierung zu finden, die einen Ausgleich zwischen den sicherheitspolitischen Notwendigkeiten und verfassungsrechtlichen Vorgaben schafft. Ich bin allerdings guter Dinge, dass unser Formulierungsvorschlag einer kritischen Überprüfung standhalten wird.
Meine Damen und Herren, man muss allerdings kein Prophet sein - ich schaue auf die rechte Seite des Hauses -, um vorherzusagen, dass die Regierungsfraktionen und die Landesregierung gleich darauf hinweisen werden, dass wir ruhig abwarten sollten, bis die Landesregierung ihren umfassenden Vorschlag zur Änderung des Polizeigesetzes vorlegen werde. Sie müssen sich allerdings auch heute schon die Frage gefallen lassen, wie lange wir darauf noch warten sollen. Tun Sie mir einen Gefallen, kommen Sie mir nicht mit Ihrem angeblichen Motto „Sorgfalt vor Schnelligkeit“! Die Serie der Niederlagen vor den Verfassungsgerichten deutet sehr stark darauf hin, dass Sie hier einer Lebenslüge aufsitzen.
Wo wir gerade beim Thema Verfassungsgericht sind: Wie kann es eigentlich sein, dass Sie es immer noch nicht geschafft haben, die Konsequenzen aus den Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes zu ziehen und die niedersächsischen Sicherheitsgesetze so zu überarbeiten, wie es die Grünen und wir an dieser Stelle schon mehrfach gefordert haben? Irgendwo scheint da ganz erheblich Sand im Getriebe zu sein.
Man darf daran erinnern, dass uns am 22. März, vor annähernd sieben Monaten, der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion an dieser Stelle das Versprechen gemacht hat, dass der Innenminister im April einen Gesetzentwurf vorlegen werde, mit dem die notwendigen Konsequenzen aus den Verfassungsgerichtsurteilen gezogen werden. Ich zitiere aus der damaligen Plenarberatung:
„... denn ich habe gesagt, dass auch wir als CDU-Fraktion - die FDPFraktion hat das ebenfalls erklärt - im April einen solchen Gesetzentwurf haben wollen, um dann über ihn beraten zu können. - So viel zum Faktischen.“
Sparen Sie sich also bitte den Hinweis auf ein angebliches Gesetzespaket des Innenministers, und nutzen Sie die Gelegenheit, unseren Gesetzentwurf zu beraten; denn er liegt diesem Hause bereits schwarz auf weiß vor. - So viel zum Faktischen, meine Damen und Herren!
Ich möchte gern die Gelegenheit nutzen und den Inhalt unseres Gesetzentwurfes mit ganz wenigen Punkten detaillierter erläutern.
Wir sehen, wie gesagt, moderaten Änderungsbedarf bei den Befugnissen der Polizei zur Videoaufzeichnung. Die CDU-Fraktion hat bereits im Herbst 2001 den Antrag gestellt, alles immer aufzeichnen zu können.
Das wollen wir auch jetzt noch nicht, Herr McAllister. Wir sehen auch keinen Änderungsbedarf bei den bestehenden Fristen für die Löschung einer Videoaufzeichnung.
Hier ist eine Regelung gefunden worden, die ich für richtig und praktikabel halte. Vor diesem Hintergrund bin ich guter Hoffnung, dass sich auf der Grundlage unseres Gesetzentwurfes eine Mehrheit finden wird, um praxisgerechte, aber nicht verfassungswidrige Regelungen für die Videoaufzeichnung in Niedersachsen zu finden. Ich denke, unser Vorschlag besitzt das nötige Augenmaß, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.
Herr McAllister, ich will noch ein Wort zu dem Punkt sagen, der heute eine Rolle spielte. Ich bin sehr froh darüber, dass es gelungen ist, jemanden zu finden, der anscheinend eine Gefährdung für uns darstellt. Das hat allerdings relativ wenig mit diesem Fall zu tun, sondern mit anderen Elementen, die lange angekündigt, aber leider noch nicht in die Tat umgesetzt worden sind. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Bartling, auch wir befürchten nicht, dass Sie den Innenminister rechts überholen könnten. Das geht schon wegen der Straßenverkehrs-Ordnung nicht. Dass Sie ihn überhaupt überholen, wissen wir durchaus zu verhindern. Das kann ich Ihnen jetzt schon so sagen.
Nach Ihren Ausführungen, Herr Kollege Bartling, kann ich Ihnen zunächst einmal sagen, dass wir im Grunde genommen erstaunt und erfreut zugleich sind, von Ihnen hier völlig neue Töne zu hören.
Denn die SPD-Fraktion greift mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ein Thema auf, mit dem sie, wie Sie selber zugegeben haben, bei uns genau an der richtigen Adresse ist. Im Archiv des Niedersächsischen Landtages finden sich zahlreiche Belege dafür, dass wir als CDU-Fraktion über Jahre hinweg eine Ausweitung der Videoüberwachung im Rahmen der verfassungsrechtlichen Regeln gefordert haben. Da können Sie auch nachlesen, wie die Debatten hier im Einzelnen verlaufen sind, an denen Sie jeweils höchstpersönlich beteiligt gewesen sind.
Ich will Ihnen allein aus Gründen der mir zur Verfügung stehenden Redezeit ersparen, mit vielen Zitaten des damaligen parlamentarischen Ge
Auch ist für mich noch nicht die Zeit gekommen, mich hier selbst zu zitieren. Deswegen will ich mich an dieser Stelle im Gegensatz zu manch einem von Ihnen etwas zurückhalten.
Ich rufe in aller Kürze in Erinnerung, was wir getan haben. Wir haben zunächst diskutiert, ob eine Videoüberwachung eingeführt werden sollte. Die zweite Frage war, wo und unter welchen Voraussetzungen das geschehen sollte. Dann wurde in epischer Breite die Frage diskutiert, ob überhaupt gespeichert werden darf. Sie waren immer dagegen: am besten gar nicht oder nur ganz begrenzt.
Es wurde darüber diskutiert, warum und wie lange gespeichert werden sollte. Dann haben wir uns darüber unterhalten, dass man Videoüberwachung, wenn überhaupt, bloß nicht zu viel und schon gar nicht überall einsetzen sollte. Wir haben uns lange darüber unterhalten. Und heute möchte die SPD tatsächlich - das erfreut uns durchaus das bestehende Polizeigesetz verschärfen. Das hat es hier in den letzten 16 Jahren noch nie gegeben.
Meine Damen und Herren, im Juli 2006 hat es in Nahverkehrszügen in Dortmund und in Koblenz erstmals in Deutschland Anschlagsversuche gegeben. Unter anderem mit Hilfe von Videoaufzeichnungen von Bahnsteigen konnten die mutmaßlichen Täter erfreulich schnell erkannt und gefasst werden. Damit haben sich die Videoeinrichtungen als sehr nützlich erwiesen, um begangene Straftaten aufzuklären. Das haben Sie sich offensichtlich gemerkt.